Fried, Erste Hilfe:
Nach dem nächsten Krieg werden drei Pfleger kommen und werden überall
helfen so gut es geht
Einer von ihnen wird die Ruinen füttern, die ihm ihre hungrigen
Türme entgegenstrecken
Der zweite wird die gesammelten Knochen pflanzen, daß sie
wachsen und wieder Fleisch ansetzen
Das kann der erste verwenden zur Fütterung der Ruinen, denn
ohne Fleisch bleiben sie nicht romantisch
Aber der dritte Pfleger wird aus Büschen und Gras und Papier
Nester bauen für die Steine und ihre Kinder
1. Fried hat alles vorausgesehen: Eine Steinwüste, ein Trümmerfeld.
Es wird so wenig gelingen, die Mehrzahl der früheren Bewohner
des KOSOVO zurückzubringen, wie das in der Krajna oder in Bosnien
gelang.
2. Die Beispiele aus Kroatien und Bosnien zeigen, worauf die Aktion
gewollt oder ungewollt - hinausläuft: gerade im Gegensatz zu den Liebeserklärungen
für den Vielvölkerstaat auf ethnisch rein abgepackte Gebiete,
die parodistisch den herkömmlichen westlichen Nationalstaat imitieren,
zugleich aber aus eigener Kraft nicht leben können.
3. Damit stehen sie dem Zugriff der Protektoren aus dem Westen offen.
Sie werden Geld kosten, keines einbringen wie früher die Kolonien.
Aber in ihnen wird eine Art Unterstufe der EU eingerichtet werden.Was den
neuen NATO-Ländern - Ungarn, Tschech.Republik, Polen - zugedacht ist,
wird diesen Gegenden ebenfalls blühen: systematisches Bauernlegen
und damit weitere Verarmung.
4. Schon der alte Marshallplan vom Jahre 48 brachte keineswegs allen
beteiligten Ländern Wohlstand, sondern - unter den herrschenden Sonderbedingungen
- nur Deutschland. Der wirkliche Aufschwung hing von den Exportchancen
nach den USA während des Koreakriegs ab.
Der im Augenblick mit 5 Milliarden angesetzte Plan für eine Agrarregion
wird keinerlei Entfaltungschancen haben. Was für Agrarpodukte sollen
diese Länder in einen überfüllten EU-Markt exportieren?
5. Die NATO selbst schätzte nach Meldungen vom 4.6. 99 die Kosten
der Beseitigung der Kriegschäden allein für den KOSOVO auf 35
Milliarden DM. Laut SZ 4.6.99 kann es sich auch um die Kosten für
die Rückführung der Albaner handeln.
Dementsprechend kann für das gesamte Gebiet Jugoslawien sicher
mit einem Minimalschaden von 70 bis 80 Milliarden DM gerechnet werden.
Allein diese Zahlen werfen ein bezeichnendes Licht auf die diesmal
anstehende Schaffung von "blühenden Landschaften".
6. Der Kosovo-Krieg wird nicht der letzte sein, den die NATO zu führen
gedenkt. Die Umdeutung der WEU zur bewaffneten Truppe Europas innerhalb
der NATO spricht eine deutliche Sprache. Osterweiterung und neues NATO-Statut
ebenfalls. Sollte allen Ernstes daran gedacht sein, die Länder des
Baltikum demnächst mitaufzunehmen, werden beliebige Konflikte zwischen
den jeweiligen russischen Minderheiten und den jeweiligen Staatsvölkern
zu ganz ähnlichen Konflikten aufgebaut wie jetzt der im KOSOVO. Auch
dann wird es ein dringendes Verlangen geben, im Namen der Menschenrechte
einzugreifen. Allerdings wird es den benachbarten Staaten Weißrussland,
Ukraine und Russland selbst viel schwerer fallen als jetzt, sich zurückzuhalten.
Der Druck des IWF reicht dann nicht mehr aus.
7. Die Stoßrichtung der NATO-Erweiterung beschreibt das neue Mitglied
des Beratungsstabs im Außenministerium: Hans-Joseph Schmierer.
Im Editorial der inzwischen zum Regierungsbulletin transformierten
KOMMUNE 5/99 lesen wir:
Ohne den Rückhalt der USA ist die Europäische Union
auch heute zu der vereinbarten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
nicht in der Lage. Rußland ist nämlich, anders als viele
denken, auch nach dem Zerfall der Sowjetunion und trotz - teilweise sogar
wegen - der tiefen ökonomischen und politischen Krise eine Supermacht
in Europa geblieben. Nicht in dem Sinne, daß sie Europa hegemonial
beherrschen könnte, wohl aber in dem, daß nur sie das Potential
hat, den Kontinent zu desorganisieren.
Ob Rußland weiter implodiert oder doch noch explodiert, ob
es die staatliche Kontrolle über sein militärisches Potential
behält oder nicht: Europa allein kann mit den darin liegenden Gefahren
nicht umgehen. Über der Frage, wie mit ihnen umzugehen ist, wird es
sich unvermeidlich spalten, wenn es schwierig wird. Und mit der serbischen
Politik unter Milosevic ist es schon sehr schwierig geworden. Eine gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik innerhalb der EU ist unter solchen
Umständen nur mit der NATO möglich. Wenn man die EU als
Zivilmacht schätzt, muß man die NATO zumindest in Kauf nehmen.
Die Intervention gegen die völlige Entrechtung und schließliche
Vertreibung der Kosovo-Albaner, der zuzusehen der EU jede Attraktionskraft
nehmen würde, ist die erste Aktion einer gemeinsamen europäischen
Außen- und Sicherheitspolitik - mit Hilfe der NATO und, horribile
dictu, unter entscheidender Beteiligung der USA. Daß die USA und
die EU gegenüber der den Balkan und Europa chaotisierenden Politik
Milosevics - der an einer weltpolitischen Front agiert - eine gemeinsame
Antwort gefunden haben - egal wie angemessen sie im einzelnen sein mag
-, bleibt die Voraussetzung für eine Lösung, die die Zukunft
Europas nicht verbaut.
Offener kann man es nicht sagen. In dankenswerter Klarheit spricht der
staatsmännische Verlautbarer gerade noch in einem Nebensatz
von der Vertreibung der Kosovo-Albaner, um die es angeblich ging. Er nimmt
die inzwischen vollzogene Zielverschiebung vorweg:es geht um die Selbstbehauptung
einer EU im Militärmantel. Und es geht um die Einschnürung und
Isolierung Russlands.Als Briefträger für andere brauchbar, soll
es eigene Ansprüche nicht mehr anmelden dürfen.
8. Franziska Augstein: Zielgenau ins Ungewisse - Der Sieg im Kosovo
wird ein Fehlschlag sein. FAZ/Feuilleton/2.6.99:
In der allgemeinen Ergriffenheit fiel es.. kaum auf, daß die
Ziele der NATO sich allmählich verschoben. Hatte sie zu Beginn des
Bombardements angekündigt,eine "humanitäre Katastrophe " verhindern
zu wollen, behauptete der britische Verteidigungsminister Robertson schon
am 3o.April 99, es sei der NATO nie darum gegangen, die Flüchtlingskatastrophe
abzuwenden. Warum dann keine Vorbereitungen für die Versorgung von
Flüchtlingen getroffen wurden, hat Robertson allerdings nicht erklärt.
In dem herrschenden moralischen Furor spielte das auch keine Rolle. Trotzdem
lohnt sich die Frage, warum die NATO sich in ein Unterfangen verwickelte,
von dem es seit einiger Zeit nur mehr heißt, man müsse siegen,
weil man siegen müsse und die NATO auseinanderbreche, wenn Milosevic
nicht in die Knie gezwungen werde.....
Und wenn MILOSEVIC klein beigibt, was wäre erreicht? Dieser
Krieg, den man nicht hätte anfangen dürfen, ist ein Desaster,
einerlei, zu welchen Konditionen die NATO ihn ad acta legt. Sollte MILOSEVIC
im Schatten des Bombardements einen Genozid veranstaltet haben, war das
Unternehmen monströs und würde Shaws Definition vom Krieg bestätigen:
"Man brennt das Haus ab, um das Schwein zu braten".
Stabile Verhhältnisse in JUGOSLAWIEN hat das Bombardement bis
auf weiteres unmöglich gemacht. Statt dessen vollendeten die Luftschläge,
was MILOSEVIC und die Freischärler beider Lager aus eigenen Kräften
nicht so leicht zuwege gebracht hätten. Mehr als eine Million Kosovo-Albaner
sind auf der Flucht. Die Infrastruktur des Landes ist weitgehend zerstört,die
Wirtschaft der Nachbarländer schwer lädiert. Serben und albanische
Kosvoaren sind verfeindet wie nie. Und die NATO steht jetzt vor dem politischen
-und moralischen -Problem, wie sie die terroristischen Teile der UCK wieder
eindämmt, mit der sie in Rambouillet einen Pakt geschlossen hat........
Daß die NATO aus purer Menschenliebe etliche Milliarden
Mark für ein Unternehmen mit letztlich ungewissem Ausgang verfeuert,
muß man nicht glauben. Sie hat auch andere ,allgemein anerkannte
Motive. Aber sie sind - weil weniger ethischer Natur - über den moralischen
Aktionismus in Deutschland in den Hintergrund gerückt. Der Kosovo-Krieg
ist ja auch der "Test-Fall" - so die New York Times - für die neue
Rolle, die sich die NATO nach dem Untergang des Ostblocks gegeben hat:
Weltpolizist will die NATO sein, will ohne die Vereinten Nationen auf eigene
Faust, ohne angegriffen zu sein, gegen alle möglichen Stabilitätsrisiken
wie Diktatoren "Terroristen" und das "organisierte Verbrechen" zu Felde
ziehen.
Zu den denkbaren Motiven für den Kosovo-Krieg zählt also
nicht nur, wie etwa Norman Mailer glaubt, der Wunsch von Monicagate abzulenken,
nicht nur das immer wache Bedürfnis der Geenräle, ihre Waffen
zu benutzen, samt Madeleine Albrights persönlichem Interesse an der
Region - hinzu kommt möglicherweise auch ein Bestreben , die neue
Job-Definiton der NATO unter Beweis zu stellen.
Ein Ereignis wird gesucht.
Schon im vergangenen Sommer waren die Pläne für eine militärische
Intervention im KOSOVO komplett."binnen zehn Tagen", schrieb der Rheinische
Merkur im September 98, "könne jede denkbare Operation beginnen".
Im August hatte ein Ausschuß des amerikanischen Senats festgestellt,
es fehle nur noch "ein Ereignis mit der entsprechenden Berichterstattung
in den Medien", das eine Intervention "politisch verkäuflich" machen
solle. Der Rheinische Merkur spekulierte, daß man vielleicht noch
nicht wisse, "mit welchem politischem Ziel" ein Einsatz erfolgen solle.
Das wußte die NATO auch in Rambouillet noch nicht. Aber weil MILOSEVICs
Starrhalsigkeit eine Art Ereignis darstellte, hat das Bünndis halt
trotzdem losgeschlagen. Amerikaner und Briten vorneweg, die Deutschen stürmisch
am Gängelband.
Sowenig die Europäer diesen Krieg verhinderten, so wenig haben
sie der neuen NATO-Strategie entgegenzusetzen. Werde die nicht modifiziert,
sagte ein altgedienter Politiker, werde er den deutschen Reservisten die
nachträgliche Kriegsdienstverweigerung nahelegen: Ihren Wehrdienst
haben sie im Namen der Landesverteidigung geleistet, nicht aber im Dienst
strategisch-ökonomischer Interessen der NATO unter amerikanischer
Führung.
Wer im Namen der "internationalen Stabilität" die Hegemonie
in der Welt beansprucht, muß irgendwann damit beginnen, sie zu demonstrieren
- mit oder ohne Mandat der Vereinten Nationen oder des Sicherheitsrates,
mit oder ohne Rücksicht auf das Völkerrecht. Politisch gesehen
- und aus der Perspektive der USA - mag das plausibel sein. Nur besonders
moralisch ist es nicht. Seit Jahrhunderten wird versucht, Herrscher und
Länder in Strukturen einzubinden, die sie, wenn schon nicht gut, dann
doch wenigstens berechenbar machen. Diese Bemühungen hat der Alleingang
der NATO konterkarriert. Und was wird das Ergebnis sein? Der Christdemokrat
Willy Wimmer, Vizepräsident der OSZEVersammlung, wurde in der "WOCHE"
mit der resignierten Feststellung zitiert: "Wenn ich künftig
in der Welt irgendwo auf die Menschenrechtspakte verweise,werde ich doch
ausgelacht." Der Frieden nach diesem Krieg wird gefährlich werden.
So treffend im Feuilleton des Kampfblatts, in dem man
sich seit Wochen in Voraussicht des Kommenden vorsichtig vom Kriegsgebrüll
der politischen Seite absetzt.
9. Allein die Untersuchungseröffnung in Den HAAG gegen Milosevic
zeigt, woraufhin die Aktion angelegt ist. Es geht um die Beseitigung eines
mißliebigen Systems, nicht wegen seiner Verbrechen, sondern wegen
seiner Widerspenstigkeit gegen die Eingliederungsforderungen der globalisierten
Marktwirtschaft.
Mehrere Glaubensritter beteuern, daß das Gericht so unabhängig
ist wie kein anderes - und daß diesmal wirklich keine Hintergedanken
hinter der Ausstellung des Haftbefehls stecken.
Allerdings ist im innerstaatlichen Gerichtsverfahren der Staatsanwalt
weisungsgebunden: ganz offen wird da von politischer Opportunität
eines Prozesses gesprochen. Sollte es sich im Bereich des Internationalen
so ganz anders verhalten?
10. Wahrscheinlich werden Grüne und SPD sich in die Brust werfen,
als Leute, die lang verkannt wurden, jetzt aber gelobt und vor allem gewählt
werden wollen für ihre fleißige Friedensarbeit.
Von uns werden sie dieses Lob nicht erhalten. Alle Urteile bleiben.
Nicht nur, daß das beibehaltene Ziel eines Sturzes Milosevics - von
außen - ohne Krieg nicht zu haben ist. Folgen wir Schmierers
Plänen, dann geht der Marsch nach Osten unaufhaltsam weiter. Deshalb
bezeichnen wir die Regierungsparteien zusammen mit CDU und FDP weiterhin
als Kriegsparteien.
11. Was folgt daraus? Wir müssen einsehen, daß wir in eine
Maschine eingespannt sind, die unweigerlich auf weitere Kriege vom Schlage
KOSOVO zuläuft, unabhängig von den Personen, die diese Maschine
steuern.
Logische Folgerung: die Maschine selbst muss auseinandergenommen werden.
Die noch vor gar nicht so langer Zeit erhobene Forderung: BRD - RAUS AUS
DER NATO hat von ihrem Recht und ihrer Dringlichkeit seit dem KOSOVO-Krieg
nichts verloren. |