zurück
 
  KOMMUNISTISCHE STREITPUNKTE - Zirkularblätter - Extra zum Krieg - 16.10.1999 - Onlineversion

Fritz Güde                                                                                         4.6. 1999

Der Krieg nach dem Krieg

 

Fried, Erste Hilfe:

Nach dem nächsten Krieg werden drei Pfleger kommen und werden überall helfen so gut es geht
Einer von ihnen wird die Ruinen füttern, die ihm ihre hungrigen Türme entgegenstrecken
Der zweite wird die gesammelten Knochen pflanzen, daß sie wachsen und wieder Fleisch ansetzen
Das kann der erste verwenden zur Fütterung der Ruinen, denn ohne Fleisch bleiben sie nicht romantisch
Aber der dritte Pfleger wird aus Büschen und Gras und Papier Nester bauen für die Steine und ihre Kinder

1. Fried hat alles vorausgesehen: Eine Steinwüste, ein Trümmerfeld.
Es wird so wenig gelingen, die Mehrzahl der früheren Bewohner des KOSOVO zurückzubringen, wie das in der Krajna oder in Bosnien gelang.

2. Die Beispiele aus Kroatien und Bosnien zeigen, worauf die Aktion gewollt oder ungewollt - hinausläuft: gerade im Gegensatz zu den Liebeserklärungen für den Vielvölkerstaat auf ethnisch rein abgepackte Gebiete, die parodistisch den herkömmlichen westlichen Nationalstaat imitieren, zugleich aber aus eigener Kraft nicht leben können.

3. Damit stehen sie dem Zugriff der Protektoren aus dem Westen offen. Sie werden Geld kosten, keines einbringen wie früher die Kolonien. Aber in ihnen wird eine Art Unterstufe der EU eingerichtet werden.Was den neuen NATO-Ländern - Ungarn, Tschech.Republik, Polen - zugedacht ist, wird diesen Gegenden ebenfalls blühen: systematisches Bauernlegen und damit  weitere Verarmung.

4. Schon der alte Marshallplan vom Jahre 48 brachte keineswegs allen beteiligten Ländern Wohlstand, sondern - unter den herrschenden Sonderbedingungen - nur Deutschland. Der wirkliche Aufschwung hing von den Exportchancen nach den USA während des Koreakriegs ab.
Der im Augenblick mit 5 Milliarden angesetzte Plan für eine Agrarregion wird keinerlei Entfaltungschancen haben. Was für Agrarpodukte sollen diese Länder in einen überfüllten EU-Markt exportieren?

5. Die NATO selbst schätzte nach Meldungen vom 4.6. 99 die Kosten der Beseitigung der Kriegschäden allein für den KOSOVO auf 35 Milliarden DM. Laut SZ  4.6.99 kann es sich auch um die Kosten für die Rückführung der Albaner handeln.
Dementsprechend kann für das gesamte Gebiet Jugoslawien sicher mit einem Minimalschaden von 70 bis 80 Milliarden DM gerechnet werden.
Allein diese Zahlen werfen ein bezeichnendes Licht auf die diesmal anstehende Schaffung von "blühenden Landschaften".

6. Der Kosovo-Krieg wird nicht der letzte sein, den die NATO zu führen gedenkt. Die Umdeutung der WEU zur bewaffneten Truppe Europas innerhalb der NATO spricht eine deutliche Sprache. Osterweiterung und neues NATO-Statut ebenfalls. Sollte allen Ernstes daran gedacht sein, die Länder des Baltikum demnächst mitaufzunehmen, werden beliebige Konflikte zwischen den jeweiligen russischen Minderheiten und den jeweiligen Staatsvölkern zu ganz ähnlichen Konflikten aufgebaut wie jetzt der im KOSOVO. Auch dann wird es ein dringendes Verlangen geben, im Namen der Menschenrechte einzugreifen. Allerdings wird es den benachbarten Staaten Weißrussland, Ukraine und Russland selbst viel schwerer fallen als jetzt, sich zurückzuhalten. Der Druck des IWF reicht dann nicht mehr aus.

7. Die Stoßrichtung der NATO-Erweiterung beschreibt das neue Mitglied des Beratungsstabs im Außenministerium: Hans-Joseph Schmierer.
Im Editorial der inzwischen zum Regierungsbulletin transformierten KOMMUNE 5/99 lesen wir:
Ohne den Rückhalt der USA ist die Europäische Union auch heute zu der vereinbarten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nicht in der Lage. Rußland ist nämlich, anders als viele denken, auch nach dem Zerfall der Sowjetunion und trotz - teilweise sogar wegen - der tiefen ökonomischen und politischen Krise eine Supermacht in Europa geblieben. Nicht in dem Sinne, daß sie Europa hegemonial beherrschen könnte, wohl aber in dem, daß nur sie das Potential hat, den Kontinent zu desorganisieren.
Ob Rußland weiter implodiert oder doch noch explodiert, ob es die staatliche Kontrolle über sein militärisches Potential behält oder nicht: Europa allein kann mit den darin liegenden Gefahren nicht umgehen. Über der Frage, wie mit ihnen umzugehen ist, wird es sich unvermeidlich spalten, wenn es schwierig wird. Und mit der serbischen Politik unter Milosevic ist es schon sehr schwierig geworden. Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik innerhalb der EU ist unter solchen Umständen nur mit der NATO möglich. Wenn man die EU als Zivilmacht schätzt, muß man die NATO zumindest in Kauf nehmen.
Die Intervention gegen die völlige Entrechtung und schließliche Vertreibung der Kosovo-Albaner, der zuzusehen der EU jede Attraktionskraft nehmen würde, ist die erste Aktion einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik - mit Hilfe der NATO und, horribile dictu, unter entscheidender Beteiligung der USA. Daß die USA und die EU gegenüber der den Balkan und Europa chaotisierenden Politik Milosevics - der an einer weltpolitischen Front agiert - eine gemeinsame Antwort gefunden haben - egal wie angemessen sie im einzelnen sein mag -, bleibt die Voraussetzung für eine Lösung, die die Zukunft Europas nicht verbaut.

Offener kann man es nicht sagen. In dankenswerter Klarheit spricht der staatsmännische Verlautbarer  gerade noch in einem Nebensatz von der Vertreibung der Kosovo-Albaner, um die es angeblich ging. Er nimmt die inzwischen vollzogene Zielverschiebung vorweg:es geht um die Selbstbehauptung einer EU im Militärmantel. Und es geht um die Einschnürung und Isolierung Russlands.Als Briefträger für andere brauchbar, soll es eigene Ansprüche nicht mehr anmelden dürfen.

8. Franziska Augstein: Zielgenau ins Ungewisse - Der Sieg im Kosovo wird ein Fehlschlag sein. FAZ/Feuilleton/2.6.99:
In der allgemeinen Ergriffenheit fiel es.. kaum auf, daß die Ziele der NATO sich allmählich verschoben. Hatte sie zu Beginn des Bombardements angekündigt,eine "humanitäre Katastrophe " verhindern zu wollen, behauptete der britische Verteidigungsminister Robertson schon am 3o.April 99, es sei der NATO nie darum gegangen, die Flüchtlingskatastrophe abzuwenden. Warum dann keine Vorbereitungen für die Versorgung von Flüchtlingen getroffen wurden, hat Robertson allerdings nicht erklärt. In dem herrschenden moralischen Furor spielte das auch keine Rolle. Trotzdem lohnt sich die Frage, warum die NATO sich in ein Unterfangen verwickelte, von dem es seit einiger Zeit nur mehr heißt, man müsse siegen, weil man siegen müsse und die NATO auseinanderbreche, wenn Milosevic nicht in die Knie gezwungen werde.....
Und wenn MILOSEVIC klein beigibt, was wäre erreicht? Dieser Krieg, den man nicht hätte anfangen dürfen, ist ein Desaster, einerlei, zu welchen Konditionen die NATO ihn ad acta legt. Sollte MILOSEVIC im Schatten des Bombardements einen Genozid veranstaltet haben, war das Unternehmen monströs und würde Shaws Definition vom Krieg bestätigen: "Man brennt das Haus ab, um das Schwein zu braten".
Stabile Verhhältnisse in JUGOSLAWIEN hat das Bombardement bis auf weiteres unmöglich gemacht. Statt dessen vollendeten die Luftschläge, was MILOSEVIC und die Freischärler beider Lager aus eigenen Kräften nicht so leicht zuwege gebracht hätten. Mehr als eine Million Kosovo-Albaner sind auf der Flucht. Die Infrastruktur des Landes ist weitgehend zerstört,die Wirtschaft der Nachbarländer schwer lädiert. Serben und albanische Kosvoaren sind verfeindet wie nie. Und die NATO steht jetzt vor dem politischen -und moralischen -Problem, wie sie die terroristischen Teile der UCK wieder eindämmt, mit der sie in Rambouillet einen Pakt geschlossen hat........

 Daß die NATO aus purer Menschenliebe etliche Milliarden Mark für ein Unternehmen mit letztlich ungewissem Ausgang verfeuert, muß man nicht glauben. Sie hat auch andere ,allgemein anerkannte Motive. Aber sie sind - weil weniger ethischer Natur - über den moralischen Aktionismus in Deutschland in den Hintergrund gerückt. Der Kosovo-Krieg ist ja auch der "Test-Fall" - so die New York Times - für die neue Rolle, die sich die NATO nach dem Untergang des Ostblocks gegeben hat: Weltpolizist will die NATO sein, will ohne die Vereinten Nationen auf eigene Faust, ohne angegriffen zu sein, gegen alle möglichen Stabilitätsrisiken wie Diktatoren "Terroristen" und das "organisierte Verbrechen" zu Felde ziehen.
Zu den denkbaren Motiven für den Kosovo-Krieg zählt also nicht nur, wie etwa Norman Mailer glaubt, der Wunsch von Monicagate abzulenken, nicht nur das immer wache Bedürfnis der Geenräle, ihre Waffen zu benutzen, samt Madeleine Albrights persönlichem Interesse an der Region - hinzu kommt möglicherweise auch ein Bestreben , die neue Job-Definiton der NATO unter Beweis zu stellen.
Ein Ereignis wird gesucht.
Schon im vergangenen Sommer waren die Pläne für eine militärische Intervention im KOSOVO komplett."binnen zehn Tagen", schrieb der Rheinische Merkur im September 98, "könne jede denkbare Operation beginnen". Im August hatte ein Ausschuß des amerikanischen Senats festgestellt, es fehle nur noch "ein Ereignis mit der entsprechenden Berichterstattung in den Medien", das eine Intervention "politisch verkäuflich" machen solle. Der Rheinische Merkur spekulierte, daß man vielleicht noch nicht wisse, "mit welchem politischem Ziel" ein Einsatz erfolgen solle. Das wußte die NATO auch in Rambouillet noch nicht. Aber weil MILOSEVICs Starrhalsigkeit eine Art Ereignis darstellte, hat das Bünndis halt trotzdem losgeschlagen. Amerikaner und Briten vorneweg, die Deutschen stürmisch am Gängelband.
Sowenig die Europäer diesen Krieg verhinderten, so wenig haben sie der neuen NATO-Strategie entgegenzusetzen. Werde die nicht modifiziert, sagte ein altgedienter Politiker, werde er den deutschen Reservisten die nachträgliche Kriegsdienstverweigerung nahelegen: Ihren Wehrdienst haben sie im Namen der Landesverteidigung geleistet, nicht aber im Dienst strategisch-ökonomischer Interessen der NATO unter amerikanischer Führung.
Wer im Namen der "internationalen Stabilität" die Hegemonie in der Welt beansprucht, muß irgendwann damit beginnen, sie zu demonstrieren - mit oder ohne Mandat der Vereinten Nationen oder des Sicherheitsrates, mit oder ohne Rücksicht auf das Völkerrecht. Politisch gesehen - und aus der Perspektive der USA - mag das plausibel sein. Nur besonders moralisch ist es nicht. Seit Jahrhunderten wird versucht, Herrscher und Länder in Strukturen einzubinden, die sie, wenn schon nicht gut, dann doch wenigstens berechenbar machen. Diese Bemühungen hat der Alleingang der NATO konterkarriert. Und was wird das Ergebnis sein? Der Christdemokrat Willy Wimmer, Vizepräsident der OSZEVersammlung, wurde in der "WOCHE" mit der resignierten Feststellung  zitiert: "Wenn ich künftig in der Welt irgendwo auf die Menschenrechtspakte verweise,werde ich doch ausgelacht." Der Frieden nach diesem Krieg wird gefährlich werden.
So treffend  im Feuilleton des Kampfblatts, in dem man sich seit Wochen in Voraussicht des Kommenden vorsichtig vom Kriegsgebrüll der politischen Seite absetzt.

9. Allein die Untersuchungseröffnung in Den HAAG gegen Milosevic zeigt, woraufhin die Aktion angelegt ist. Es geht um die Beseitigung eines mißliebigen Systems, nicht wegen seiner Verbrechen, sondern wegen seiner Widerspenstigkeit gegen die Eingliederungsforderungen der globalisierten Marktwirtschaft.
Mehrere Glaubensritter beteuern, daß das Gericht so unabhängig ist wie kein anderes - und daß diesmal wirklich keine Hintergedanken hinter der Ausstellung des Haftbefehls stecken.
Allerdings ist im innerstaatlichen Gerichtsverfahren der Staatsanwalt weisungsgebunden: ganz offen wird da von politischer Opportunität eines Prozesses gesprochen. Sollte es sich im Bereich des Internationalen so ganz anders verhalten?

10. Wahrscheinlich werden Grüne und SPD sich in die Brust werfen, als Leute, die lang verkannt wurden, jetzt aber gelobt und vor allem gewählt werden wollen für ihre fleißige Friedensarbeit.
Von uns werden sie dieses Lob nicht erhalten. Alle Urteile bleiben. Nicht nur, daß das beibehaltene Ziel eines Sturzes Milosevics - von außen - ohne Krieg nicht zu haben ist. Folgen wir Schmierers  Plänen, dann geht der Marsch nach Osten unaufhaltsam weiter. Deshalb bezeichnen wir die Regierungsparteien zusammen mit CDU und FDP weiterhin als Kriegsparteien.

11. Was folgt daraus? Wir müssen einsehen, daß wir in eine Maschine eingespannt sind, die unweigerlich auf weitere Kriege vom Schlage KOSOVO zuläuft, unabhängig von den Personen, die diese Maschine steuern.
Logische Folgerung: die Maschine selbst muss auseinandergenommen werden. Die noch vor gar nicht so langer Zeit erhobene Forderung: BRD - RAUS AUS DER NATO hat von ihrem Recht und ihrer Dringlichkeit seit dem KOSOVO-Krieg nichts verloren. 

 
nach oben