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  KOMMUNISTISCHE STREITPUNKTE - Zirkularblätter - Extra zum Krieg - 16.10.1999 - Onlineversion

Zwi Schritkopcher                                                                            Ende Mai 1999

Der Krieg als blinder Fleck im Wir des Proletariats 

(Versuch der Einleitung für eine Untersuchung)

   
Was ist die Grundtatsache des NATO-Kriegs und deutschen Kriegs gegen die Bevölkerung auf dem Balkan?
- Objektiv der eindeutig kapitalistisch-imperialistische Karakter - in noch zu analysierender neuer Erscheinungsform.
- Subjektiv die Verwirrung, Überrumpelung, Lähmung und Ohnmacht der Bevölkerung Ameropas, obwohl deren Ablehnung des Krieges spätestens nach der 6.Woche (Treffer auf die chinesische Botschaft) offenkundig überwog.
- Die subjektive Ohnmacht der Objekte dieses Kriegs - gegenüber der abenteurerischen, isolierten Macht der handelnden Subjekte, der imperialistischen Kapitalgruppen und ihrer Staaten, einschliesslich des jugoslawischen Regimes und dessen besonderen Interessen, die den willkommenen Anlass zu diesem Krieg bilden - drückt ein ungeheures historisches Missverhältnis zwischen gesellschaftlichem Sein und Bewusstsein aus.
 

Krise von Kapital/Lohnarbeit:

Proletariat  als Prozess  von Progression  und  Regression

Dieses Missverhältnis ist auf der Ebene der Gesellschaftsklassen der kriegführenden Gesellschaften, also sozial gesehen, das Syndrom der Gleichzeitigkeit von ökonomischer, objektiver Reife für die Abschaffung des Kapitalismus - und bewusstseinsmäßig-subjektiver gesellschaftlicher Unreife, ja Regression. Auf der weiterlaborierenden Basis kapitalistischer Produktionsverhältnisse, Eigentumsverhältnisse und eines historisch alle bisherigen Vorstellungen konkret weit übersteigenden Gesellschaftlichkeitsschubs,  Verwissenschaftlichungs- und Technologiegrads sowie Kooperationsvermögens der Produktivkräfte, vor allem weltweiter Echtzeit-Vernetzung der Produzierenden als größter Produktivkraft, wie auch auf der Basis der gesellschaftlichen Fähigkeiten, explodierenden Bedürfnisse und auf der umgekehrt proportional zu diesen sich sprunghaft durchsetzenden Unterkonsumtion der für den unmittelbaren Produktionsprozess des Kapitals Überflüssigen - ist zugleich eine gigantische Verwertungskrise des "globalisierten" Kapitals herangereift. Diese Krisendynamik hat sich nicht erst als "Asienkrise", Finanzkrise in Russland, in Lateinamerika usw. unmittelbar vor diesem Krieg schockartig bemerkbar gemacht, sondern hat sich schon lange abgezeichnet und ausgedrückt in der sozialen,  ideologischen und mentalen Defensive der Proletarisierten seit den 1970er Jahren gegenüber dem Kapital, das sich nach 1968 ... 1977 ... sowohl staatsmonopolistisch wie "neoliberal" überall zum letzten Gefecht organisiert hatte (wobei das Totrüsten und die anschliessende Kooptation der östlichen staatskapitalistisch veralteten und der globalen Modernisierung im Wege stehenden Ausbeuterregimes nur ein Bestandteil dieser "Domino"-Taktik sein sollte: der krönende Abschluss dieses "kurzen Jahrhunderts" der Konter-revolution, damit es nicht doch noch ein Jahrhundert der proletarischen Revolution werden würde). So lassen sich etliche Initiativen, Strömungen, Rebellionsversuche, Gesten der Revolte in den von der neuen Proletarisierung überrollten Bevölkerungen aufzählen - aber es ist der kapitalistischen Ideologie gelungen, sie alle irgendwie zu rekuperieren, zu vereinnahmen, umzudrehen, auf die "Teufelsmühlen des Kapitals" zu leiten - als fundamentalistische, (religio- und ethno-) rassistische, antisemitische (wie anti-auslandschinesische) usw. "Radikalismen"einerseits, als mentalen Affirmationsschub (Identifikation mit dem übermächtig scheinenden Aggressor) "der Marktwirtschaft" durch die nachgewachsenen Proletarisierten in einem albtraumhaften Ausmaß andererseits. Die kapitalistische Warenproduktion hat sich als "die Gesellschaft des Spektakels" im Westen und im Osten,  im Norden wie im Süden so perfekt entwickeln können, dass sie sich als gigantisches, scheinhaft alternativloses Bild nach ihrem Bilde global und total entfaltet, wobei sie nach dem letzten offen antikapitalistischen Anlauf der Bewegungen der 1960er eine ungeahnte Kraft, Schnelligkeit und Fähigkeit zur Rekuperation (= Besetzung, Beschlag-nahmung, Plünderung, Vereinnahmung, konterrevolutionäre Aneignung)  jedes antikapitalistischen Denk- und Handlungsansatzes, jeglicher Geste und Taktik der Negation und der Revolte gegen sie ausbilden konnte, wissenschaftliche und pragmatische (besonders anpassungspsychologische) Techniken der simultanen  und präventiven Konterrevolution. Was vor über zehn Jahren für diese spezifisch "post"-moderne Ausformung des Kapitalismus eben als "das integrierte Spektakuläre" (dazu siehe unten) festgestellt werden konnte, ist die Diagnose der kapitalistischen Produktionsweise in ihrer jetzt so zugespitzten Krisenlösung in der subjektiven Dimension:

Die Veränderung, die am bedeutsamsten von allem ist, was in den letzten 20 Jahren geschah, besteht in der Kontinuität des Spektakels selbst. Diese Bedeutung liegt nicht in der Perfektionierung seines medialen Instrumentariums, das schon früher ein sehr fortgeschrittenes Stadium erreicht hatte: sie liegt ganz einfach darin, dass die spektakuläre Herrschaft eine Generation erziehen konnte, die an ihre Gesetze angepasst ist. Die aussergewöhnlich neuartigen Verhältnisse, in denen diese Generation im ganzen tatsächlich gelebt hat, stellen eine exakte und ausreichende Zusammenfassung von allem dar, was das Spektakel zukünftig verhindert, und ebenso von allem, was es erlaubt.
Guy Debord: Kommentare (1988) zur "Gesellschaft des Spektakels".These V

Das letzte Drittel des Jahrhunderts der kapitalistischen Barbarei und des kapitalistischen  Totalitarismus hat Generationen nachwachsen lassen, die inmitten der Armut im Reichtum der spektakulären, d.h. Bilder-Waren-produzierenden Ausbeutungsmaximierungsgesellschaft ja nur tauschwert- und staats-vermitteltes Überleben - abgeschnitten von jeder sinnlichen historischen Erfahrung echter unmittelbarer Gesellschaftlichkeit in großen kollektiven Aneignungskämpfen, weitestgehend enteignet von den Ansätzen selbständiger revolutionärer Theoriebildung und proletarisch-kritischem theoretischen Sinn - kennen, als vermeintlich alternativlose "beste aller möglichen Welten", und denen die Bewegungsformen der Konkurrenz, als das permanente Sichselbstverkaufen-müssen, unter der "alles Leben spendenden, nie untergehenden Sonne des Geldes" als eingefleischtem "Naturgesetz" und als einziger sinnlicher Realität, zur scheinbar schlechthin unkritisierbaren Alltagsreligion geworden sind, "und die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik"! Die totalitär-pluralistische permanente Wahl der unzähligen und gleichgültigen ökonomischen wie politischen, ästhetischen wie sonstigen ideologischen Optionen für die Chargen auf der Bühne des kapitalistisch-demokratischen Spektakels spielt sich für die animiert-passiven Zuschauer/innen heute zudem ab vor der nur noch langweiligen und mitleidheischenden Kulisse einer sich selbst zum "korrekten" Milieu ghettoisierenden und politikasternden Linken, die in den letzten drei Jahrzehnten bloß mit ihrem klammheimlichen oder schamlos-offenherzigen "Abschied vom Proletariat" beschäftigt war, das sie mit ihrem nostalgischen Klischee vom industrialistischen Blau-Mann verwechselt haben möchte, in dessen Ambivalenz sie sich restlos verzehrt hat, und dem sie in immer abstoßenderer Verkrampfung ihre bloß postulierte rituelle moralisierende "Solidarität", ihren aufgesetzten "politisch korrekten" Konstruktivismus, Kulturalismus und leeren, begriffslosen idealistischen Formelkram von "Utopie" entgegenhält wie eine Monstranz.

So bilden die wirklichen, gegenwärtigen Proletarisierten am Ausgang des Jahrhunderts der proletarischen Unreife global eine Art "Wald, den man vor Bäumen nicht sieht": der (kapital-) produktive Gesamtarbeiter und der Gesamt-Lohnarbeiter - die Erwerbslosen und Pauperisierten der kapitalistischen =relativen Übervölkerung stets mitgesehen - ist in seinen zahllosen Kämpfen und Widerstandsgesten, ob spontan oder organisiert, nach wie vor als eine subversive Macht zu dechiffrieren innerhalb des "alternativlosen" Rahmens der Trennung von den Produktions-, Lebensbedingungen und der Trennungen untereinander in der Ware-Arbeitskraft-Konkurrenz, in der Konkurrenz "der eigenen Firma" in Ökonomie und Politik, Religion/Sekte, Kultur, Ethnie, naturwüchsigem oder künstlichem Familienclan und sonstigen vormodernen, modernen und postmodernen Totems. Zerstückelt in diesen vorgefundenen Trennungen, ist die neuproletarische Gesellschaftsklasse zwar numerisch soziologisch-empirisch längst das Hauptlager, in das hinein sich sämtliche überkommenen Gesellschaftsklassen einschliesslich der klassischen Bourgeoisie aufgelöst haben und weiter auflösen, sodass tatsächlich das funktionale antipodische Gegenlager der "Kapitalisten"-Klasse fast nur noch selber aus formell Lohnarbeiter/innen zu bestehen scheint, lohnabhängigen managerialen Funktionären der Ausbeutungsleitung des kapitalistischen Verwertungsprozesses, - es ist aber so die neuproletarische Gesellschaftsklasse eine abwesende Partei. Ihre Gesten des Widerstands, ihre mögliche Kraft als Negation der kapitalistischen Positivität sind zwar überall spürbar, viele Leute sind sich diffus darüber einig, die Subversion der bestehenden sozialen Ordnung zu wollen. 

Aber wo sieht man sie am Werk? Denn sicherlich waren die Umstände noch nie so schwerwiegend revolutionär, aber es sind nur die Regierungen, die das denken. Die Negation wurde so perfekt ihres Denkens beraubt, dass sie seit langem zerstreut ist.
Guy Debord: Kommentare (1988) zur "Gesellschaft des Spektakels". These XXX

Diese Zerstückelung auf Basis der Enteignung von den mentalen, intellektuellen, theoretischen Waffen seiner Emanzipation hat gerade in den entwickeltsten, überreifen Regionen des Weltkapitals das neu umgewälzte Proletariat jetzt zur hilflosen, sprachlosen Manövriermasse der Manager/innen seiner Destruktivkräfte gemacht.
 

Katastrofischer Kapitalismus:

Destruktivkraft der Klasse gegen sich

Für das bewusst revolutionäre, communistische Element wird damit auch hier schockartig die Frage höchst aktuell: wie ist die Trennung, Zerstückelung, Zerstreuung, Sprach- und Kommunikationslosigkeit der Proletarisierten  für ihre eigenen Zwecke unter den neuentstandenen Bedingungen zu überwinden, wie aktualisiert dieser Krieg unmittelbar diese Not, und wie kann die Besonderheit dieser Situation, das verschärfte Katastrofenbewusstsein der Leute, zur Vermittlung eines neuen Selbst-Bewusstseins als transnational zusammenwirkendes, effektiv für sich kooperierendes Proletariat gewendet, d.h. organisiert werden?
Denn das ist längst keine Frage mehr nach dem objektivistisch-mythischen kairós (unwiederbringlicher entscheidender Augenblick, z.B. "die revolutionäre Situation") in einer ökonomisch-politischen "Krisenlogik". Diese "Logik" hat sich als objektive Katastrofenkette in der zyklisch-ökonomischen Wiederkehr des Immergleichen der kapitalistischen Reproduktion in spiralförmiger Steigerung endgültig im Weltmaßstab erfüllt: die kapitalistische progressive Entwicklungslinie ist eindeutig seit der deutschen Katastrofe des Kapitalismus, der shoah (=hebräisch: die Katastrofe), - denn die ganze kapitalistische Weltdemokratie hat dieser Katastrofe, ihrer Exekutierung durch  Deutschland, seelenruhig zugeschaut und sie ermöglicht -  und allerspätestens seit Tshernobyl (dem Menetekel der  katastrofenkapitalistischen Weitermacher in Ost und West), als katastrofischen Zäsuren, sowie mit dem historischen Fiasko der pseudosozialistischen staatskapitalistischen konterrevolutionären Scheinalternative vor 10 Jahren, an ihr "Ende der Geschichte" gelangt; diese "Logik" schrammt nur noch in der Sackgasse der kapitalistischen Produktionsweise herum und hat die fixe Idee einer "Zusammenbruchslogik" der reformistischen wie apokalyptischen Attentisten endgültig widerlegt.
Die historische Zeit ist als bürgerliche Epoche in die spektakuläre pseudozyklische Zeit (G.Debord: Die Gesellschaft des Spektakels,Thesen147-156) des Festhängens in der barbarischen Vorgeschichte der Menschheit umgekehrt. Der antagonistische Karakter der Akkumulation des Kapitals erscheint in der heutigen Gesellschaft in der Dimension der Subjektivität als neue Quantität und Qualität von Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol, das heisst auf Seite der Klasse, die ihr eigenes Produkt als Kapital produziert (MEW 23,675), und das historisch neue Wesenszeichen der neuen Proletarität ist subjektiv ihre Verdrängungsleistung, die je individuelle Form der Abwehr der Zugehörigkeit zum Proletariat. 

Gerade die ins Proletariat abgestürzten und weiter abstürzenden Individuen aus anderen Gesellschaftsklassen sowie innerhalb des sich zunehmend umwälzenden und neuzusammensetzenden, dabei zunehmend Arbeitskräfte ins Nichts schleudernden Proletariats-als-Prozess müssen spontan um des mentalen Überlebens willen alle möglichen und unmöglichen Formen der Bewältigung dieser fortgesetzten Traumatisierung entwickeln. Die karrieristische und distinktionsgewinnorientierte Mentalität nach dem Stil "der Führungskräfte" im Massenmaßstab ("Angestelltenkultur", Prestigekonsumtion, "kulturelles Kapital" etc.) spült viele längst Proletarisierte auch zunehmend als soziale Parvenüs neuen Typs empor, wie sie inzwischen den Vordergrund der politischen Bühne in den imperialistischen Kapitalmetropolen eingenommen haben: Figuren, die selbst noch nicht so recht dran glauben können, dass sie "es tatsächlich geschafft" haben, und erst noch dieses "Erwachsen-gewordensein" zu Replikaten von "Bürgern" um so zwanghafter durch brutale Überkompensation, Kostüm und chargierende Abenteurerei ("politische Professionalität") zu beweisen versuchen. Neu ist nicht diese soziale Aufstiegsdynamik, die schon Thackeray und Balzac geschildert haben, sondern ihre massenhafte Verlagerung in die Gesellschaftsklasse der Lohnarbeiter/innen selbst, ohne die fast schon verschwundene soziologische Bourgeoisie (garnicht zu sprechen vom klassischen, echten Kleinbürgertum) die in die Kulissen zurückgetreten ist, und deren Funktionen immer weitergehend mit dem Staat verschmolzen, überhaupt zu erreichen. Ganz ähnlich wie auf anderem Wege in den irrealsozialistischen bürokratischen Gesellschaften stalinistischen Typs - nur anstatt wie dort seinerzeit aus der Richtung einer kollektiven Revolution (1917ff) nun hier aus der Richtung individuellen proletarischen Klassenverrats und (da dieser sozial garnicht mehr ans Ziel kommen kann) vielmehr eines Typs individuell nachholender Konterrevolution - handelt es sich perspektivisch um eine Art perverse Selbstausbeutung des Proletariats durch eine erneuerte, diesmal die ganze Macht anstrebende "Arbeiteraristokratie" neuen Typs, welche gewissermaßen Bourgeoisie spielt - und es dadurch auch  funktionell ist, obwohl sie das klassische Leitbild niemals erreicht. Hiermit ist der historisch unaufhaltsame Prozess der Expropriation der kapitalistischen Expropriateurs schon im Kapitalismus selbst (Je ein Kapitalist schlägt viele tot. MEW 23,790) - als Zentralisation der Kapitale, die sich zunehmend auch als Staatsmonopolismus darstellt - zur Kenntlichkeit der sozialdemokratischen ost-westlichen Ideologie vom "freien Volksstaat", zur Realisierung der "Neuen Mitte" einer "Neuen Sozialdemokratie" konvergiert, einer Gesellschafts-"Vision" restlos proletarisierter "Aktivbürger", die sich unter der Ägide eines all-observierenden und schlagkräftigen Security-Nachtwächterstaats  als vollendetem reellem Gesamtkapitalisten selber mit der Rolle des kollektiven, kommunitaristischen ideellen Gesamtkapitalisten betrauen: d.h. sich selber karrieristisch bei der gegenseitigen Selbstausbeutung als Klasse behilflich sind, stimulieren, konditionieren und selektieren, dadurch die Aktivbürger-Demokratie bis ans Ende, bis zur Vergasung "sozial verwirklichen" und das Krisenmanagement in Permanenz an ihrem "Standort" bis hinein in ihre allgegenwärtigen Teams und Selbsthilfegruppen durch freie Lohn- und Zwangsarbeit (New Work, Workfare etc.), Naturzerstörungskosmetik die sich rechnet, Wirtschaftsrassismus und möglichst omnipräsente zivilgesellschaftlich-humanitäre saubere Militäroperationen ... selber in die Hand nehmen und  die permanente Arbeit an der Verinnerlichung und dem Selbstmanagement dieser aggressiven, expansionistischen "Bürgergesellschaft" systematisierter proletarischer Selbstentfremdung  permanent in den Talkshows, Therapiegruppenteams und Betroffenheitsritualen durchrappen.  Diese gegenwärtige Tendenz und "Vision" einer sozialökologisch-demokratischen  Aktivbürger-Illusionsgemeinschaft der proletarisiert-Gehaltenen ist eine einzige präventive Konterrevolution gegen die noch nie so nah gewesene objektiv-materiell gegebene Gefahr einer proletarischen Subversion, Emanzipation und erstmals echten, direkten communistischen Revolution -- deren einzig mögliches Subjekt, das Proletariat, die Negation dieser seiner ganzen kapitalistischen Negation, unter der hauchdünnen Eierschale dieser Illusionsbildungen unsichtbar bleibt, affirmativ und abwesend zu sein scheint. 

In der spektakulären Pseudo-kommunikation, in der TV- und Online-Monologkultur vergehen den Proletarisierten zunächst systematisch Hören und Sehen ihrer eigenen Stimme, ihrer eigenen Kontur als Gesellschaftsklasse an sich. Von diesen grandiosen selbstgeschaffenen Instrumenten, Produktionsmitteln des Dialogs der Möglichkeit nach auf der Ebene der realisierten Einheit der menschlichen Gattung sind wir unmittelbar getrennt, enteignet - auch wenn wir alle formell - eben lohnarbeits-/geld-vermittelt - frei zugängliche "Kommunikations-medien" als solche unumschränkt für unsere Inhalte und Zwecke nutzen "können", ganz genau so unbeschränkt und frei, wie heute die Individuen mit Leichtigkeit aus einer Arbeit in die andre übergehn und die bestimmte Art der Arbeit ihnen zufällig, daher gleichgültig ist (Marx,Grundrisse...S.25). Ganz ebenso ist auch die Kommunikation hier nicht nur in der Kategorie, sondern in der Wirklichkeit zum Mittel der globalen Verständigung der Menschen, auch der Proletarisierten, über ihre Nöte und Zwecke überhaupt geworden, zum Medium communistischer,  d.h. gesellschaftlich-sinnvoll geplanter Produktion und Verteilung gemäß unseren Bedürfnissen - der Möglichkeit nach. Aber ebenso wie die Arbeitskraft uns individuell gehört zur freien Verfügung und doch als Gesellschaftsklasse insgesamt de facto nur dem Kapital, für das wir gezwungen sind sie zu reproduzieren, so gehören "die Medien" eben derselben Wirklichkeit nach ausschliesslich dem Kapital, das sie ausschliesslich zur spektakulären Warenproduktion einsetzt.
 

Exkurs: Zur Bedeutung der spektakulären Warenproduktion

Das Spektakel ist das Kapital von derartigem Akkumulationsgrad, dass es zum Bild wird. (G.Debord: Die Gesellschaft des Spektakels,These 34)

Was die Menschen in der Warenproduktion nicht wissen, aber tun, ist: dass sie ihre individuellen Arbeiten im Austausch der an den jeweiligen konkreten Gebrauchsdingen dargestellten abstrakten Arbeitsquanta als Werte, d.h. als gesellschaftliche Arbeit gleichsetzen. 
Was die Proletarier/innen nicht wissen, aber tun, ist:  dass sie ihre lebendige/n Arbeitskraft/Arbeitsvermögen gezwungenermaßen an eine Firma verkaufen, um mehr schlecht als recht überleben zu können, und damit das Kapital erzeugen und vermehren -- es erscheint ihnen verkehrterweise so, als würden sie ihre Arbeit verkaufen dürfen, um gut und noch besser zu leben, was das Kapital ihnen ermöglichen würde während es seinen Gewinn aus seinen Bewegungen auf dem Markt beziehe. 
Was das Proletariat auch nicht weiss in der heutigen kapitalistischen spektakulären Warenproduktion, was es aber heute die ganze Zeit tut, ist: an die gesellschaftlich fabrizierten Warenkörper (zunehmend Dienstleistungen, Kulturobjektivationen etc.) sowie an die Leistungs- und Status-Hierarchie seiner Lohnarbeit seine sämtlichen gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnisse als Vorstellungen, Projektionen, Zeichen, Symbole, Hieroglyfen, kurz: Bilder ebenso fetischistisch anzukleben (MEW 23,87) wie die Gesellschaftlichkeit seiner Arbeiten überhaupt; es ist aber nur der verkehrte Schein unseres möglichen Lebens, unseres Bedürfnisreichtums als aktive Verwirklichung und als gesellschaftlich-geschichtliche Kommunikation, menschlicher Dialog; während wir im passiven Konsum, in der depravierenden Kontemplation, im zeit-räumlichen Entzug, in der Armut-im-Reichtum, im Tod-im-Leben des Lohnarbeitsalltags, in der Stummheit der vorgeschichtlich bleibenden Gattung, im hochtechnisierten Monolog, im entsinnlichten Blick, in der multipel quasselnden oder autistischen Vereinzelung der Konkurrenz usw. festgehalten und verelendet sind (Konsum-Arbeit als reicher gewordener Entzug).  Mögen wir uns auch noch so zahlreich und euforisch als Auto-Mobile auf der Datenautobahn, im Netz, den chat-boxes und den Talkshows aller medialen Ebenen bewegen: solange wir dies nur individuell in der "Freizeit" und nicht selbstbestimmt kollektiv als Teil unserer eigenen gesellschaftlich-planmäßigen Produktion und Reproduktion tun können anstatt für "die Firma", den Staat oder sonstwen, solange ist unser Überleben warenförmig, geldvermittelt, lohnabhängig, konkurrenzgetrieben zwanghaft; solange ist also kein wirkliches, reiches Leben möglich, obwohl es längst möglich wäre. 

Da die Verselbständigung des Weltmarkts (...) wächst mit der Entwicklung der Geldverhältnisse (Tauschwerts) und vice versa der allgemeine Zusammenhang und die allseitige Abhängigkeit in Produktion und Konsumtion zugleich mit der Unabhängigkeit und Gleichgültigkeit der Konsumierenden und Produzierenden zueinander; da dieser Widerspruch zu Krisen führt etc., so wird gleichzeitig mit der Entwicklung dieser Entfremdung, auf ihrem eigenen Boden, versucht, sie aufzuheben; (...) (die Kommunikationsmittel wachsen natürlich gleichzeitig), worin jeder Einzelne sich Auskunft über die Tätigkeit aller andren verschafft und seine eigne danach auszugleichen versucht. (... Obwohl alles dies auf dem gegebnen Standpunkt die Fremdartigkeit nicht aufhebt, so führt es Verhältnisse und Verbindungen herbei, die die Möglichkeit, den alten Standpunkt aufzuheben, in sich einschliessen.) ... (Übrigens hier nur zu bemerken, dass die Übersicht ... in der Tat den besten Beweis liefert, wie den Einzelnen ihr eigener Austausch und ihre eigne Produktion als sachliches, von ihnen unabhängiges Verhältnis gegenübertritt. Im Weltmarkt hat sich der Zusammenhang des Einzelnen mit Allen, aber auch zugleich die Unabhängigkeit dieses Zusammenhangs von den Einzelnen selbst zu einer solchen Höhe entwickelt, dass seine Bildung daher zugleich schon die Übergangsbedingung aus ihm selbst enthält.) Die Vergleichung an der Stelle der wirklichen Gemeinschaftlichkeit und Allgemeinheit. (Karl Marx: Grundrisse...78f)
Sind auf dieser Basis nicht alle diese ausgetauschten Informationen, Zeichen, Hieroglyfen  und Bilder eine höchstentwickelte Form von Geld? Bleibt diese hochgradige Vernetzung nicht bloße Informationsbörse?
Das Spektakel ist die andere Seite des Geldes: das abstrakte allgemeine Äquivalent aller Waren. Wenn aber das Geld als Vertretung der zentralen Äquivalenz, d.h.als Vertretung der vielfältigen Güter -- deren Gebrauch unvergleichbar geblieben ist -- die Gesellschaft beherrscht hat, ist das Spektakel seine moderne, entwickelte Ergänzung, in der die Totalität der Warenwelt als allgemeine Äquivalenz mit all dem, was die Gesamtheit der Gesellschaft sein und tun kann, im ganzen erscheint: das Spektakel ist das Geld, das man nur anblickt, denn das Ganze des Gebrauchs hat sich in ihm schon gegen das Ganze der abstrakten Vorstellung ausgetauscht. Das Spektakel ist nicht nur der Diener des Pseudogebrauchs, es ist in sich selbst bereits der Pseudogebrauch des Lebens. (Debord, These 49)

Erst die restlose, aufs gesellschaftliche Ganze gehende Aneignung der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen durch die von ihnen jetzt noch getrennte Gesellschaft, also die Proletarisierten-als-Klasse-an-und-für-sich im politisch-sozialen Umsturz über alle Grenzen hinweg, in einer weltumspannenden revolutionären Assoziation und Interaktion (und niemals in der friedlich-evolutionären "stofflichen Vernetzung" von Krähwinkeln "entkoppelter" neo-proudhonistischer "Kommunen" kollektiv-individualistischen "Ausstiegs" aus dem "Wahn" von Wert- und Warenform, durch Konsumverzicht und "Design"-Askese, wie unserer Tage wieder apokalyptisch gepredigt) kann die objektive Seinsmacht von Warenfetischismus, Geld, Lohnarbeit/ Kapital und Spektakulärem als praktische Kritik der politischen Ökonomie auch wirklich aufheben, indem sie mit der Zerstörung des Staates als Diktatur des Proletariats in der ersten besten möglichen Situation und regionalen Ausgangslage einsetzt. Die Befreiung der Arbeit von der Lohn-, also Zwangs- und Entfremdungs-Form der bisherigen Arbeit-fürs-Kapital ist der ökonomiekritische Hebel zur Aufhebung der Ware-Geld-Spektakel-Form, wie die sofortige Abschaffung jeglicher Form des Geldes, jeglicher Arbeitsleistungszertifikate und monologisch-kontemplativistischer Informations-"Börsen" und Bilder-"Banken" der Pseudokommunikation und Monopole des Spektakels die erste materielle Bedingung für die Überflüssigkeit der Lohnarbeit ist: durch schlagartige simultane Einführung der planmäßigen Reichtumsproduktion für die notwendigen Bedürfnisse und unmittelbare Verteilung bzw. sogar unkontrollierte Selbstaneignung der vorhandenen Gebrauchsdinge - auf der längst geschaffenen micro-elektronischen Vernetzungsbasis der Kommunikations-, Produktions-  und Verkehrsmittel - ist die revolutionäre Commune Assoziation sowohl aus dem Stand in der Lage wie gezwungen, die generalisierte Selbstverwaltung der freien selbstbestimmten Produzent/inn/en als echte Kommunikation durchzusetzen, die sich bei Strafe des Untergangs über ihre eigenen notwendigen sozialen und historischen Zwecke verständigt, durch freiwillige Kooperation die Proletarität auflöst und die Arbeit selbst zum ersten Lebensbedürfnis als selbstbestimmte Entfaltung des gesellschaftlichen Individuums zu emanzipieren und ans System der natürlichen und Natur-Bedürfnisse anzupassen ermöglicht. Das Spektakuläre als "Geld-das-man-anschaut" in Form der vom Ich getrennten pseudo-zyklischen Geschichts- und Lebens-Zeit, des abstrakten Reichtums der eigenen, fremd bleibenden Gesellschaft und gesellschaftlichen Arbeit, kann endlich auch aufgehoben werden nur dort, wo sich der Dialog bewaffnet hat, um seinen eigenen Bedingungen zum Sieg zu verhelfen. (Guy Debord: Die Gesellschaft des Spektakels. These 221)
Die passive, atomisierte,  bloß kontemplativ-visualisierte "Vernetzung" der gegenwärtigen "Informationsgesellschaft", die lediglich die zyklisch wiederholte individuelle "Wahl" des "alternativen" Programmkinos für einen utopischen minoritären "Ausstieg" stimuliert und frustriert, bleibt vor dieser wirklichen historischen Möglichkeit des globalisierten Proletariats hängen im ausweglosen Stacheldraht der Informationen und Bilder, die in ihrem Gesamtzusammenhang nur eine aktuell entwickelte Form des Geldsystems, des spektakulären Kapitals bilden. Kommunistische Emanzipation durch "microelektronische Revolution" ohne proletarische Revolution bleibt Illusion (wie seinerzeit Elektrifizierung ohne echten Sozialismus).

Es wäre ferner zu untersuchen, oder schlüge vielmehr in die allgemeine Frage, ob die verschiedenen zivilisierten Formen des Geldes - Metallgeld, Papiergeld, Kreditgeld, Arbeitsgeld (letztres als sozialistische Form) - erreichen können, was von ihnen verlangt wird, ohne das in der Kategorie Geld ausgedrückte Produktionsverhältnis selbst aufzuheben, und ob es dann andrerseits nicht wieder eine sich selbst auflösende Forderung ist, durch die formelle Umwandlung eines Verhältnisses sich über wesentliche Bedingungen desselben wegsetzen zu wollen? Die verschiednen Formen des Geldes mögen der gesellschaftlichen Produktion auf verschiednen Stufen besser entsprechen, die eine Übelstände beseitigen, denen die andre nicht gewachsen ist; keine aber, solange sie Formen des Geldes bleiben, und solange das Geld ein wesentliches Produktionsverhältnis bleibt, kann die dem Verhältnis des Geldes inhärenten Widersprüche aufheben, sondern sie nur in der einen oder der anderen Form repräsentieren. Keine Form der Lohnarbeit, obgleich die eine Mißstände der andren überwältigen mag, kann die Mißstände der Lohnarbeit selbst überwältigen. Ein Hebel mag besser den Widerstand der ruhenden Materie überwinden als der andre. Jeder beruht darauf, dass der Widerstand bleibt. (Karl Marx: Grundrisse...42f)

"The medium is the message" - mehr denn je in der Gegenwart: es ist die ebenso einseitige wie universelle Botschaft der individuell-proletarischen Entproletarisierungs-Illusion "Du kannst es schaffen, wenn du nur willst, wie die anderen auch! Du kannst das Wasser des Lebens bekommen! Ich, das Geld, bin das Wasser des Lebens. Niemand kommt zum Vater, zum Kapital, denn durch mich."  Die Grundbedingung der frei gewählten Knechtung und Knechtseligkeit: die Lohnarbeit, und die Unterwerfung auch der sie komplettierenden "Freizeit" unter die möglichste Teilnahme an der Konsumarbeit, dieser soziale Anerkennung und Kompensation in der Prestige-Hierarchie verheissenden konkurrierenden, lebenszehrenden, passiven Überlebens-anstrengung der "Spassgesellschaft" und des Turbo-Trallalla, - diese zentrale Achse der spektakulären Warenproduktion "simuliert" nichts, sondern drückt den ökonomischen und ideologischen Imperativ der überfälligen Kapitalherrschaft selber auf allen Ebenen des Alltagslebens penetrant und rein in despotischer Permanenz aus. Im gigantischen Informationsinfarkt gibt es nur eine Information, im Flimmern des Bilder-Universums nur ein Bild, in der perfekten Stimmenkakofonie nur die eine Stimme, ein Weisses Rauschen, in dem alle wirklichen Trennungen zwischen den Menschen gewaltsam, falsch, inkohärent "aufgehoben" sind:

Das Spektakel ist die ununterbrochene Rede, die die gegenwärtige Ordnung über sich selbst hält, ihr lobender Monolog. Es ist das Selbstporträt der Macht in der Epoche ihrer totalitären Verwaltung der Existenzbedingungen. Der fetischistische Schein reiner Objektivität in den spektakulären Beziehungen verbirgt deren Charakter als Beziehung zwischen Menschen und zwischen Klassen: eine Zweite Natur scheint unsere Umwelt mit ihren verhängnisvollen Gesetzen zu beherrschen. Aber das Spektakel ist nicht dieses notwendige Produkt der als eine natürliche Entwicklung betrachteten technischen Entwicklung. Die Gesellschaft des Spektakels ist im Gegenteil die Form, die ihren eigenen technischen Inhalt wählt. 

Wenn das Spektakel - unter dem eingeschränkten Aspekt der "Massenkommunikationsmittel" genommen, die seine vernichtendste Oberflächenerscheinung sind, - als einfache Instrumentierung auf die Gesellschaft überzugreifen scheinen kann, so ist diese Instrumentierung in Wirklichkeit nichts Neutrales, sondern genau die Instrumentierung, die seiner ganzen Selbstbewegung entspricht. Wenn die gesellschaftlichen Bedürfnisse dieser Epoche, in der sich solche Techniken entwickeln, nur durch die Vermittlung dieser Techniken befriedigt werden können; wenn die Verwaltung dieser Gesellschaft sowie jeder Kontakt zwischen den Menschen nur mittels dieser Macht augenblicklicher "Kommunikation" stattfinden können,  so ist dafür der Grund, dass diese "Kommunikation" wesentlich einseitig ist; folglich läuft ihre Konzentrierung darauf hinaus, in den Händen der Verwaltung des bestehenden Systems die Mittel anzuhäufen, die es ihm erlauben, diese bestimmte Verwaltung fortzuführen. Die verallgemeinerte Spaltung des Spektakels ist untrennbar  vom modernen Staat - d.h. von der allgemeinen Form der Spaltung in der Gesellschaft - , dem Produkt der Teilung der gesellschaftlichen Arbeit und Organ der Klassenherrschaft.
(...)
Bei der verallgemeinerten Trennung des Arbeiters von seinem Produkt geht jeder einheitliche Überblick über die ausgeführte Aktivität, jede persönliche, direkte Kommunikation zwischen den Produzenten verloren. Im Laufe des Fortschritts der Akkumulation der getrennten Produkte und der Konzentration des Produktions-prozesses werden die Einheit und die Kommunikation zum ausschliesslichen Attribut der Leitung des Systems. Der Erfolg des ökonomischen Systems der Trennung ist die Proletarisierung der Welt. (Guy Debord: Die Gesellschaft des Spektakels.Thesen 24, 26)

Ungefähr seit der ersten Hälfte der 1920er traten zwei verschiedene Entwicklungswege der spektakulären Warenproduktion unübersehbar hervor: zwei aufeinander folgende und rivalisierende Formen der spektakulären Macht, die konzentrierte und die diffuse.
Das konzentrierte Spektakel bildete sich um die stalinistische und die faschistische Konterrevolution und stellte die um eine diktatorische Persönlichkeit herum zusammengefasste Ideologie in den Vordergrund, sie wurde für den Rest des Jahrhunderts der Konterrevolution zum Modell aller Regimes forcierter nachholender kapitalistischer Entwicklung und hing sich in der Regel das Mäntelchen irgendeines nationalen "Sozialismus" um. Das diffuse Spektakel demgegenüber, das die Lohnabhängigen aufstachelte, frei ihre Wahl unter einer großen Vielzahl neuer Waren zu treffen, die sich bekämpfen, und die sich kurz als Triumfzug des US-"american way of life" kennzeichnen lässt, übernahm - abgesehen vom faschistischen , vor allem NS-Modernisierungsregime  -schon vor und erst recht nach dem endgültigen Sieg über die östliche "Systemalternative" wesentliche Züge der konzentriert-spektakulären Macht:

"Seither hat sich eine dritte Form entwickelt, durch die wohlbegründete Verbindung der zwei vorhergehenden sowie auf der allgemeinen Grundlage des Sieges der Form, die sich als die stärkere erwiesen hatte, der diffusen Form. Es handelt sich um das integrierte Spektakuläre, das von nun an dazu tendiert sich weltweit durchzusetzen. (...) Das integrierte Spektakuläre manifestiert sich gleichzeitig als konzentriert und als diffus, und seit dieser fruchtbaren Vereinigung wusste es die eine wie die andere Eigenschaft umso großartiger einzusetzen. Die frühere Art ihres Einsatzes  hat sich sehr verändert. Wenn man sich  mit der konzentrierten Seite befasst, so wurde das leitende Zentrum davon verborgen: man plaziert darin nie mehr einen bekannten Führer und auch keine klare Ideologie. Wenn man die diffuse Seite betrachtet, so hatte der spektakuläre Einfluss noch nie in dem Maße die nahezu-Totalität der Verhaltensweisen und der Objekte, die sozial geschaffen werden, offenbart. (...) Als das Spektakuläre konzentriert war, entging ihm der größte Teil der randständigen Gesellschaft, und als es diffus war, ein kleiner Teil; heute entgeht  ihm nichts mehr. Das Spektakel hat sich mit der ganzen Realität verbunden, indem  es auf sie ausstrahlt. (...) Selbst die Genetik ist für die herrschenden  Kräfte der Gesellschaft vollständig zugänglich geworden. Die Regierung des Spektakels,  die gegenwärtig alle Mittel zur Fälschung der gesamten Produktion wie auch der gesamten Wahrnehmung in Besitz hat, ist absolute Herrin über die Erinnerungen, wie sie auch unkontrollierte Herrin über die Projekte ist, die die entferntere Zukunft gestalten. Sie regiert überall allein: sie vollstreckt ihre summarischen Urteile. (...) Die bis zum Stadium des integrierten Spektakulären modernisierte Gesellschaft ist durch die kombinierte Wirkung von fünf Hauptmerkmalen charakterisiert:
[1.] die unaufhörliche technologische Erneuerung,
[2.]  die ökonomisch-staatliche Verschmelzung,
[3.]  das generalisierte Geheimnis,
[4.]  das Falsche ohne Widerwort,
[5.]  eine immerwährende Gegenwart.

[ad 1.]  Die Bewegung der technologischen Erneuerung dauert schon lange an, und sie ist grundlegend für die kapitalistische Gesellschaft, die manchmal industriell, manchmal post-industriell genannt wird. Seit sie aber ihre jüngste Beschleunigung erfahren hat (...), verstärkt sie die spektakuläre Autorität um so mehr, als durch sie jeder entdeckt, dass er der Gesamtheit von Spezialisten vollkommen ausgeliefert ist, ihren Berechnungen und ihren Urteilen, die immer über diese Berechnungen gerechtfertigt werden.
[ad 2.] Die ökonomisch-staatliche Verschmelzung ist die offenkundige Tendenz dieses Jahrhunderts, und sie ist daher zumindest der Motor der jüngsten ökonomischen Entwicklung geworden. Die defensive und offensive Allianz, die zwischen den beiden Mächten, dem Staat und der Ökonomie, geschlossen wurde, hat ihnen, auf allen Gebieten, die größten allgemeinen Vorteile gesichert: man kann von jeder der beiden sagen, dass sie die andere beherrscht; es ist absurd, sie gegeneinander zu stellen oder ihre vernünftigen und unvernünftigen Seiten zu  unterscheiden. Diese Vereinigung hat sich auch als äusserst vorteilhaft für die Entwicklung der spektakulären Herrschaft erwiesen, die gerade von ihrer Entstehung an nichts anderes war. Die drei letzten Charakterzüge sind nichts als die direkten Auswirkungen dieser Herrschaft in ihrem integrierten Stadium.
[ad 3.] Das generalisierte Geheimnis bleibt hinter dem Spektakel, als entscheidende Ergänzung von dem, was es zeigt, und, wenn man den Dingen auf den Grund geht,  als seine wichtigste Handlungsweise.
[In der darauffolgenden These VI wird dies verdeutlicht:
Das erste Vorhaben der spektakulären Herrschaft war es, das historische Bewusstsein im allgemeinen verschwinden zu lassen, und zuerst fast alle Informationen und alle vernünftigen Kommentare über die jüngste Vergangenheit. Eine so offenkundige Evidenz hat es nicht nötig erklärt zu werden. Das Spektakel organisiert meisterhaft die Unkenntnis über das, was geschieht, und unmittelbar danach das Vergessen von dem, was dennnoch darüber gewusst werden konnte. Das Wichtigste ist das am besten Verborgene. Nichts wurde seit zwanzig Jahren von so vielen befohlenen Lügen verdeckt wie die Geschichte des Mai 1968. Es wurden zwar trotzdem nützliche Lehren aus einigen entmystifizierten Studien über jene Tage und ihre Ursprünge gezogen, aber das ist das Geheimnis des Staates.]
[ad 4.] Die Tatsache allein schon, künftig  ohne Widerrede zu sein, hat dem Falschen eine völlig neue Qualität verliehen. Das Gleiche gilt für das Wahre, das fast überall aufgehört hat zu existieren oder das sich im besten Fall auf den Stand einer Hypothese reduziert sieht, die niemals bewiesen werden kann. Das Falsche ohne Erwiderung hat vollends die öffentliche Meinung verschwinden lassen, (...) Dies zieht offensichtlich schwerwiegende Konsequenzen nach sich - in der Politik, in den angewandten Wissenschaften, der Justiz, dem künstlerischen Bewusstsein.
[ad 5.] Die Konstruktion einer Gegenwart, in der selbst die Mode (...) unbeweglich geworden ist, diese Konstruktion, die die Vergangenheit vergessen will und die nicht mehr den Eindruck vermittelt, an eine Zukunft zu glauben, wurde durch die unaufhörliche Zirkulation der Information erreicht, die in jedem Augenblick auf eine höchst kurzgefasste Liste der gleichen Kleinigkeiten zurückgeht, die leidenschaftlich als wichtige Neuigkeiten angekündigt werden, so dass nur selten und in kurzen Stößen die wirklich wichtigen Neuigkeiten durchkommen über das, was sich tatsächlich verändert. Sie betreffen immer das Urteil, das diese Welt scheinbar gegen ihre eigene Existenz ausgesprochen hat, die Etappen ihrer programmierten Selbst-Zerstörung."
(Guy Debord: Kommentare (1988) zur "Gesellschaft des Spektakels" Thesen IV, V)

Der Erfolg der diffusen, der konzentrierten und schliesslich heute aus beiden Spielarten integrierten spektakulären Warenproduktion ist die nahezu perfekte Verdunkelung, Vernichtung und Zerstreuung der objektiv weiterprozessierenden Kategorie Proletariat in der subjektiven Dimension.
Die Härte der objektiven Dialektik (G. Lukács) schlägt in diesem Krieg gerade so aus, dass ausser den winzigen karrieristischen Macht-"Eliten" der diversen Kapitalgruppen, sowie ihren ethnorassistischen staatlich und halbstaatlich organisierten Todesschwadronen da und dort, eigentlich weniger zivilisierte Menschen denn je den Krieg wollen, dass sie subjektiv fassungslos der Tatsache gegenüberstehen "dass so etwas am Ausgang dieses (!) Jahrhunderts noch möglich ist", - dass dasselbe hochzivilisierte und hoch-technologisch-vernetzte internationale Proletariat aber völlig sprachlos, kommunikationslos, hilflos und unorganisiert dem barbarischen Treiben der kapitalistischen "Eliten" zuschaut, wie sie als selbsternannte weltbürgerliche Sachwalter/innen von "Humanität", "Zivilität", "Demokratie" und "Antifaschismus" über einen Teil des europäischen Proletariats herfallen, um es zu massakrieren, seine Lebensgrundlagen zu ruinieren und es in alle Windrichtungen zu verjagen. 
Die Raserei der kapitalistischen Machthaber in ihrem neuzuordnenden Europa, die ihren seit Jahrzehnten aus den Nordländern schön herausgehaltenen Dritten Weltkrieg jetzt mitten in ihrem prospektierten Euroland in die nächste Eskalationsstufe bringen, hat einige Gründe, die in den einschlägigen Studien wie vom BND und der Agentur Berger, in den Dokumenten wie vom CIA-Chef Anthony Lake usw. längst klipp und klar genannt wurden und von allen, die es handfest wissen wollen, dort nachzulesen sind: ökonomische, politische, strategisch-militärische und andere Gründe. Aber auch alle diese plausiblen Konkurrenz-notwendigkeiten der Kapital- und Staatengruppen können den geheimnisvollen Nebel nicht vertreiben, in den die Begründung für den ersten europäischen NATO-Krieg eingehüllt blieb:
Das Wichtigste ist das am besten Verborgene. Nichts wurde seit 1997 von so vielen befohlenen Lügen verdeckt wie die Tatsache und die Geschichte des bewaffneten Aufstands der proletarisierten Bevölkerung in Albanien. Es wurden zwar trotzdem nützliche Lehren aus einigen ent-mystifizierten Studien über jene Wochen und ihre Ursprünge gezogen, aber das ist Geheimnis der NATO-Staaten.
 

Lineamente des Klassenkriegs

Nie hat sich die dialektische Wahrheit der Feststellung von Karl Marx in so harter und übergangsloser Dualität bestätigt wie am Ende dieses "kurzen Jahrhunderts", wenn wir es tatsächlich von der proletarischen Revolutionseinleitung 1917 datieren wollen und dann allerdings mit dem 1999er NATO-Krieg abschliessend bezeichnen müssen als das Jahrhundert der bürgerlichen Konterrevolution: Das Proletariat ist revolutionär oder es ist nichts. (Karl Marx)
Denn im spektakulären Licht dieses Krieges scheint es absolut nichts zu sein. 
Wir Proletarisierten ernten jetzt die erste reife bittere Frucht unserer "postmodernen" Zerstreuung, unserer Begriffslosigkeit von uns selbst wie vom ganzen Wesen unserer selbstgeschaffenen in Bilder, Icons, visualisierten Vorstellungen aufgelösten Welt, unserer  Abstinenz von revolutionärer Theoriebildung und deshalb von der Wiedergewinnung revolutionärer Praxis, proletarisch-desillusionierenden Bewusstseins, deshalb auch von  einem gesellschaftlichen Sein, das etwas anderes wäre als Anhängsel (variabler Kapitalanteil) "unseres" Kapitals, das unser jetziger Zustand ist; und letztlich auch der Abstinenz von unserem wirklichen=möglichen Leben
Wir Proletarisierten Europas erhalten jetzt - vorläufig erst auf dem Balkan, demnächst hier - die ersten blutigen Resultate unseres Vergessens, unserer Verdrängung dessen, was die Lehre der ganzen modernen europäischen Geschichte ist - von der französischen Schriftstellerin George Sand (in ihrem Roman über Jan Zizka) so ausgedrückt: Kampf oder Tod; blutiger Krieg oder das Nichts. So ist die Frage unerbittlich gestellt. - und von Karl Marx aufgegriffen als am Vorabend jeder allgemeinen Neugestaltung der Gesellschaft das letzte Wort der sozialen Wissenschaft (MEW 4, 182).  Allzu lange haben wir diese Wissenschaft verachtet, sie im staatlichen, akademischen, institutionellen Hochleistungsbetrieb der bürgerlichen Ideologieproduktion zurichten und vernichten lassen, statt sie uns in unserem bisschen "Freizeit" selber anzueignen, kooperativ selbständig organisiert zu entwickeln. Nun haben wir beides: das Nichts und den blutigen Krieg, aber das ist erst der Anfang. Die Organisation, die Stimmen, die Bilder, die Taktiken, die Wissenschaften, die Realpolitiken, die Künste der Illusionsbildung (die Traum- und Drogenfabriken), Gedächtnisspeicher und Techniken der Amnesie sind alle in den Händen der kriegführenden Ausbeutungsklasse vereinigt, die sich aus Leuten neuzusammengesetzt hat, die uns in den vergangenen Jahrzehnten mit "unserer eigenen" Stimme zum fröhlichen Spontaneismus, zur friedlichen Realpolitik, zum antitheoretischen "hedonistischen" Stil "der Praxis" und "des Lebens" rieten. Heute bombardieren sie uns auf dem Balkan, morgen werden sie uns hier zusammenschiessen, weil wir hier  ihnen dann zu widerständig sind. Momentan weiden sie sich an unserer gelungenen Entwaffnung und nutzen unsere Betäubung zwischen den Feuerpausen, indem sie die nächste Fase des sozialen Krieges hier soeben mit Macht eröffnen. Die offene "zivilgesellschaftliche" Militarisierung ab jetzt ist kein Selbstzweck, sondern funktioniert als Militarisierung der Arbeit: die schrittweise Einführung verschiedener Stufen mehr oder weniger offener Zwangsarbeit neben dem energischsten Herunterdrücken der normalen "freien" Lohnarbeit ist das große Ziel, die aktuelle Daseinsberechtigung der Regierungen der "Neuen Mitte", der rechten linken Sozialdemokratie bei der Neuordnung Europas.  An ihrer schleunigen, blutig ernst  gemeinten Umsetzung müssen sie sich dem Kapital beweisen, die Konkurrenz der "nationalen" Kapitalgruppen kann sich letztlich nur aus dieser jeweils eigenen sozialen, ökonomischen "Standort"-Nutzung heraus dauerhaft gegen die anderen Mitglieder der internationalen Bruderschaft der Kapitalisten durchsetzen. Dieser Eröffnungskrieg einer Reihe neuer "Weltordnungs"-Interventionen ist dabei lediglich notwendiges Übel, eine Fortsetzung des politischen Verkehrs mit Einmischung anderer Mittel. Clausewitz wollte mit dieser Formel zu Recht zugleich behaupten, dass dieser politische Verkehr durch den Krieg selbst nicht aufhört, nicht in etwas ganz anderes verwandelt wird, sondern dass er in seinem Wesen fortbesteht, wie auch seine Mittel gestaltet sein mögen, deren er sich bedient, und dass die Hauptlinien, an welchen die kriegerischen Ereignisse fortlaufen und gebunden sind, nur seine [= des politischen Verkehrs] Lineamente sind, die sich zwischen den Krieg durch bis zum Frieden fortziehen. Und wie wäre es anders denkbar? Hören denn mit den diplomatischen Noten je die politischen Verhältnisse verschiedener Völker und Regierungen auf? - und, ist noch tiefergehend hinzuzufügen, etwa die Kämpfe der Gesellschaftsklassen um die ökonomische Stellung in der Reproduktion, bei der Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums? Selbst wenn sie einstweilen etwa nur "von oben" geführt zu werden scheinen, ebenso wie der nach aussen vom Zaun gebrochene Krieg? (...) denn die Politik ist ja nichts an sich, sondern ein bloßer Sachwalter aller dieser Interessen (...) und wir können hier die Politik nur als Repräsentanten aller Interessen der ganzen Gesellschaft betrachten. (...) Hiernach kann der Krieg niemals von dem politischen Verkehr getrennt werden, und wenn dies in der Betrachtung irgendwo geschieht, werden gewissermaßen alle Fäden des Verhältnisses zerrissen, und es entsteht ein sinn- und zweckloses Ding. (Clausewitz: Vom Kriege, 4.Kapitel)
Gerade als ein solches "sinnloses" Ding lässt das Spektakel den Krieg erscheinen, weshalb er entweder zum Nichtkrieg ("humanitäre Intervention","saubere Luftschläge", "chirurgische Operation", "Kosovo-Krise", "Marshall-Plan für den Balkan") umgelogen oder pazifistisch als "Wahnsinn", "unnötig", "verbrecherisch" usw. beschworen wurde und somit seinem Begriff, unserem Begreifen entzogen blieb. Dieses Mittel und diese Politik selbst bleiben dadurch den aktiv handelnden Subjekten der herrschenden Ausbeuterklassen vorbehalten: die Kriegsmaschine, die Menschen-abschlachtungsindustrie und das war theater als ihr Eigentum, ihr Trumpf, ihr Erpressungsmittel, ihr Schauplatz und Schau-Spiel. Sie machen eben ihren Krieg, und sie machen ihren "Frieden", und die proletarisierten Menschen sind die Spielmasse - die einen werden massakriert, und die anderen dürfen dabei zusehen,  was sie zu sehen kriegen, und selbstverständlich spenden was sie können, und in den folgenden Jahren aus ihrer Arbeits- und Lebenskraft die Milliardenwerte bezahlen für das Verwüstungswerk, den Dauerbesatzungs-"Frieden" und die ökonomischen Kriegskosten für "den neuen Marshall-Plan", "Wiederaufbau" und "die blühenden Landschaften": d.h. für die verheerenden Folgen dieser nächsten Lügenreihe. Dem Proletariat wird auf dem spektakulären Kriegsschau-Platz abwechselnd vorgeführt, was die staatliche Macht des Kapitals mit ihm tun und lassen kann: die einen werden wie Dreck aufgewirbelt und weggekehrt, während die anderen sich schon darauf einstellen können, ein anderes Mal dranzukommen, wenn sie an "ihrem Standort" nicht genügend kooperativ-flexibel-mobil, militaristisch-arbeits-intensiv, kommunitaristisch-"zivil-gesellschaftlich" und vor allem aktivbürgerlich-billig zu werden bereit sind. Der soziale Krieg, der also von jetzt ab die Fortsetzung dieses NATO-Kriegs gegen uns ist, eröffnet ein höheres Stadium intensivierter Barbarei der bürgerlichen Zivilgesellschaft gegen uns: Entfesselung der sozialen, politischen und psychischen Gewalt in der ökonomischen Konkurrenz aller gegen alle, in den neuen Regressionsschüben, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf sei im Kampf ums Überleben, in der Hierarchie der Arbeitsteilungen der gegenseitigen Selbstausbeutung "für den Standort", "für  die Firma", "für die Arbeitsplätze", "für die Gesellschaft", fürs Kapital und seinen Staat! Auch die deutschen akademischen Stricher der "Anomie-Forschung" und Regulations-Soziologie werden in den nächsten Jahren überreichlich mit neuem, blutigem Stoff versorgt für ihr Geschäft  der Disziplinierungswissenschaften: für ihr  sozialtechnokratisch brauchbares Spezialistenbild von dem "Was die Gesellschaft auseinandertreibt"!
"Die älteste gesellschaftliche Spezialisierung ist es, die Spezialisierung der Gewalt, die an der Wurzel des Spektakels liegt. Das Spektakel ist somit eine spezialisierte Tätigkeit, die für die Gesamtheit der anderen Tätigkeiten spricht. Es ist die diplomatische Repräsentation der hierarchischen Gesellschaft vor sich selbst, wo jedes andere Wort verbannt ist. Hier ist das Modernste auch das Archaischste." (Guy Debord: Die Gesellschaft des Spektakels. These 23)
 

Spaltung der Proletarisierten:

falsches "Wir" und stummes Wir, zweierlei Unmittelbarkeit

Der modernisierte Archaismus des jetzigen NATO-Kriegsspektakels hat aber zugleich die atomisierte Masse der Proletarisierten verstört und aufgestört, zur spiegel-bildlich-umgekehrten Repräsentation vor sich selbst gemacht: ist das Proletariat zur Zeit zwar nichts, so kann es doch in Wirklichkeit kein leeres Nichts geben; und die Paralyse dieses gewaltigen Lagers der Klassengesellschaft macht den Paralysierten momentan ihre gigantische Nichtigkeit allzu schmerzhaft spürbar. Allzu sehr haben sich die hierzulande saturierteren Schichten der Lohnabhängigen, und solche die es werden wollen, an die Illusion eines öko-sozial reformierbaren Sozialstaats-marktsozialismus geklammert und gewöhnt, auf das Weltgenesungsmodell "Zukunftsfähiges Deutschland", auf dessen Umbaustellen sie ihre diffusen Lebensentwürfe insgeheim schon angesiedelt glaubten und für welche prospektive und vielfach bereits staatlich eingeräumte Sekurität - z.B. als verbeamtete Lehrer/innen, akademisch Bestallten und dergleichen - sie ganz besonders auf die moralisch-ideologischen Krücken eines "linken" oder diffus progressiven, humanitären "Bewusstseins" angewiesen sind, das ihrem längst gebrochenen seelischen Rückgrat, ihrem irgendwann mit dieser Gesellschaft abgemachten Burgfrieden, ihrer teuer und billig zugleich erkauften "bürgerlichen" Akkommodation als Prothese so unentbehrlich ist und als dessen Repräsentanten und "Hoffnungsträger" sie gerade die linkeste Regierung gewählt hatten, die in Deutschland je das Ruder nach rechts reissen durfte. "Dafür haben wir euch nicht gewählt!" lautete der fassungslose Aufschrei dieser Klientel nach der vollendeten Tatsache des Krieges - der übrigens nur dem Verrat am Ausstiegsversprechen aus der Kernkraft sowie an der Europa-"Friedenspolitik" gilt, nicht etwa dem Sozialstaatsumbau durch Hungerregime und Zwangsarbeitsprogramm gegen die Masse der Erwerbslosen und Armen.  Dieser Oberschicht von ewig-Friedensbewegten kam es deshalb auch nicht einmal im entferntesten in den Sinn, etwa den Sturz ihrer blutrot-olivgrünen Regierung zu fordern (- d.h. die klassische Losung Karl Liebknechts Nieder mit dem Krieg - nieder mit der Regierung! kommt diesen alten und neuen Linken noch nichtmal im Traum, so treudeutsch sind sie). Mit ihren Friedenstauben, Pfaffen, Psychotherapeuten (was heute das gleiche ist) und der ganzen einschlägigen demokratischen Expertokratie ergänzt diese Oberschicht der Proletarisierten, jener akademischen und halbbildungs-bürgerlichen Lohnabhängigen, gewerkschaftlichen und Ausbildungs-Bürokratenhierarchie sowie "Professionals" mehr dem Bewusstsein als dem ökonomischen Sein gemäß ... nun das Spektakel des Krieges durchs Spektakel "des Friedens", seis als Feuerpausenpazifismus, altehrwürdiger dogmatischer oder erst 20 Jahre alter Ökopax oder einfach bürgerlich-vernünftige "aber konsequente" Realpolitik, die alle miteinander um die Wette beweisen, dass dieser Krieg  - oder jeder Krieg - garnicht nötig war, ja dass Europa auch ganz anders könnte: als "soziales Europa" und Völkerheiland mit moralischem Hegemonialanspruch auf Weltbefriedung. Vorsichtshalber fordern diese "neue Mitte"-wannabes erstmal nur "Stop des Bombenkriegs!" (denn das gerecht-befriedende Schwert bringen darf der weltsozialstaatliche Heiland perspektivisch ja schon).
Unter dem bestens organisierten Lamento dieser immerhin diffus gesellschaftssystem-oppositionell sich verstehenden neuen "ausserparlamentarischen Opposition" einer lohnabhängigen starken Minderheit, deren ganze lebensgeschichtlich ausbalancierte Sinngebung jetzt ins Rutschen gerät, kommt eine viel gewaltigere, wesentlich entscheidende Masse völlig deprimierter und offen ratloser Menschen durch eine Art brüllendes Schweigen, einen gleichsam ostentativen politischen Absentismus zum Vorschein, und zwar durch "ganz unpolitische" aber zahllose und ratlose Äusserungen menschlichen Mitgefühls und stiller Verzweiflung angesichts der Opfer und Verbrechen dieses Krieges, wobei entscheidend ist, dass diese Äusserungen sich lieber in ihrer Hilflosigkeit quälen als irgendwie auf die "humanitäre Hilfs-" Masche der Kriegstreiber hereinzufallen. Sie lassen sich also nicht einfangen, ergehen sich jedoch auch nicht im wohlfeilen, selbstgerechten idealistischen Pazifismus. Die Gemütslage, die sich während des Kriegs-Frühjahrs/Frühsommers 1999 in Deutschland unter den ganz normalen Lohnabhängigen unter Anti-Kriegs-Schock-Stimmung schlagartig verbreitet hat, lässt sich am ehesten in der Frage ausdrücken: Wie soll es um alles in der Welt weitergehen?!

Damit ist eine gravierende Ernüchterung, Desillusionierung in der so schwer greifbaren Bewusstseinslage des neuzusammengesetzten, in Umwälzung befindlichen Proletariats spürbar geworden. Noch einmal zurückblickend: die kardinale Feststellung von Karl Marx, das Proletariat ist revolutionär, oder es ist nichts, schien im letzten Viertel unseres Jahrhunderts - aufgrund des Jahrhundert-Traumas der stalinistischen Konterrevolution im Zusammenspiel mit der faschistischen sowie dem spektakulären consumer capitalism mit seinem prinzipiell jedem Individuum zugänglichen Reichtum (wenn auch als Armut im Reichtum), wenn es sich nur richtig zu verkaufen versteht - im Massenbewusstsein der Neuproletarisierten etwa dahingehend verkehrt: das Proletariat war einmal revolutionär, aber das war nichts. Deshalb gelte es heute individuell, in der Konkurrenz gegeneinander bzw. in einer fitten Firma (am Ende vielleicht irgendeiner NGO mit moralischem Distinktionsvorsprung), auf jeden Fall nicht mehr Proletarier/in zu sein, sondern als virtuelle/r Voll-Bürger/in neuen Stils zu posieren, als solche/r aktiv zu werden und "Karriere zu machen" oder wenigstens einstweilen den "korrekten" lifestyle mega-cool zu kultivieren, also auf erträgliche, stets immer noch aufstiegsorientierte Weise und dadurch mit Würde als Winner oder Loser in der Hierarchie der spektakulären Warenproduktion und (mit ganz neuartigem Gewicht:) Konsumtion zu überleben. Diese schon an sich katastrofale historisch-mentale condition prolétarienne der Partikularität in der stummen (der Sprache und des Denkens, seinen gattungsmäßig-historischen Möglichkeiten nach, weitgehend depravierten und entfremdeten) Unmittelbarkeit (sich vielleicht am typischsten widersprüchlich ausdrückend im enthemmten, drogen-stimulierten Stakkato schlechter Rapper, bei denen es weder auf Musik noch auf Sprache ankommt sondern  stattdessen auf die visualisierte Rhetorik des Sichselbstverkaufens, oder im epidemischen Voyeurismus des Gesellschaftlichkeits-Surrogats von Talk und Show, einer zwangs-exhibitionistischen Dauerzerstörung von Dialog und Öffentlichkeit/Intimität gleichermaßen; oder in der aseptischen Surrogatkommunikation der chatbox) sieht sich aber jetzt in direkt gegen seinen Willen vom Kapital/Staats-Management gemachten Krisen-Vorstößen wie diesem Krieg, die jene elende Unmittelbarkeit und Partikularität "betreffen" (als visuelles und materielles Bombardement), aufgestört: eine neue Reflexionsdynamik wird ausgelöst. Eine Masse kritischen Bewusstseins, das sich schon lange gestaut hat, ist jetzt freigesetzt worden und nimmt Denk-Impulse auf. Viele haben in den Kriegswochen die Glotze abgeschaltet (gelassen), konnten auf einmal keine Zeitung mehr ansehen ... Der Informations-Infarkt ist  - nicht zuletzt durch die offensichtliche totale Desinformation zu Kriegsbeginn ausgelöst -  vielfach in offenen "Informations"-Ekel umgeschlagen. D.h.: die monologische Struktur des integrierten Spektakulären, der Zusammenbruch der klassisch-bürgerlichen demokratischen "Öffentlichkeit", ist bereits schockhaft ins Massenbewusstsein getreten!  Das Verstummen,  die Hilflosigkeit, Ratlosigkeit, innere Verzweiflungs- und Panik-Stimmungen, die erstmals für Generationen Proletarisierter an die Oberfläche der Trallalla-Gesellschaft kommen als Wiederkehr des Verdrängten, und die den Firnis der Kulturindustrie für sehr viele Menschen hierzulande als solchen erweisen und zu zerfetzen beginnen wie ein Ozonloch, mögen zwar zunächst die zahlreichen Kriegsgegner/innen gelähmt haben und durch den Scheinfrieden, den die europäischen Machtcliquen ihrem Kriegsabenteuer jetzt schleunigst hinzufügen müssen, erst recht vorläufig noch einmal oberflächlich betäuben. Aber diese überwältigend eingerissene Stimmung sich erstmals offen eingestandener Ohnmacht am Sockel des europäischen Proletariats ist so zugleich Moment der spontanen Besinnung, Stillstellung im Sinne von Unterbrechung und des Zusichkommens - der Möglichkeit nach. Nichts wäre jetzt verheerender als eine "breite, homogene Friedensbewegung", effektiv und professionell durchorganisiert von oben und Auffangbecken, Ventilierungs-Orgel,  spektakuläre Heimat, Firma, Hierarchie für die elende vorgefundene Partikularität, die von den routiniert-betroffen dauerschleimenden und -quasselnden "linken" Co-Managern des staatsmonopolkapitalistischen "Regulations"-Projekts Europa ausgebeutet und "ausserparlamentarisch" verwaltet wird. Diese reformistischen Alternativ- und Möchtegern-"Eliten" für eine suprastaats-kapitalistische Zwangsarbeits- und -therapie-Gesellschaft aus (noch-) Nichtregierungsorganisationen, marktwirtschaftssozialistischen  Wissenschaftsinstitutionen als Regulatoren-Krisenstäben und allgegenwärtigen horst-eberhard-richter-lichen Gewaltpräventionsbürgerräten, mit einem Wort: diese bürokratische Utopie von einer perfekten Zivilbullenverinnerlichungsgesellschaft -- würde die durch den  Krieg jetzt verstörten Menschen mit höchstem Entzücken und Geschick in ihrer Partikularität belassen und verzehren, sie in ihr Massenbild von einer friedlich-schiedlichen Endlos-Karawane in den zu seinen Idealen zurückkehrenden "wirklich demokratischen" Alternativkapitalismus "konstruktiv" einfügen. Damit wären Vermittlungsmöglichkeiten für Selbst-Bewusstsein als globales Proletariat im ersten Ansatz schon wieder blockiert. Die erste Aufgabe des bewussten, communistischen Elements in dieser Situation ist also dagegen vordringlich, alle Formen von schmerzstillender, friedens-süchtiger Pseudo-Aktivität zu bekämpfen. Denn irgendwelche Formen echter neuproletarischer Aktivität sind überhaupt noch nicht entwickelt; die Vorbedingung für revolutionäre Bewusstseinsentwicklung in unserer paralysierten, zerstreuten Gesellschaftsklasse ist allererst die Stillstellung, Unterbrechung der jahrzehntetiefen Schlafsucht-Passivität, der narkotisie-renden Kontinuität unseres Überlebensalltags im Spektakulären. Mit diesem Kriegsabenteuer hat die herrschende Gesellschaftsklasse unabsichtlich das Moment der Diskontinuität im proletarischen Bewusstsein zum übergreifenden Moment gemacht, indem das integrierte Spektakuläre sich im Kriegs-Spektakel der ersten Wochen überhitzte und überschlug, hat es seine Negation zum ersten Mal für Generationen wieder ganz neu sinnlich aufblitzen lassen, das Positive der kapitalistischen Hölle hat in seiner allzu grell aufgedrehten Lügenlichtmaschine momentan  das zerstreute Negative dieser Gesellschaft aus Versehen in Europa konzentriert.

Das falsche "Wir" der "zivilgesell-schaftlichen" Ausbeuterordnung hat mittels Krieg vergeblich versucht, die Lüge seiner "Humanität" mit Gewalt in der hilflosen Unmittelbarkeit der ihm unterworfenen Partikularen zu verankern, es ist mit seiner Sonde abgeglitten und hat mit seiner "Operation" auch im "eigenen" Proletariat eine tiefschmerzende Wunde hinterlassen. Nun versucht die Macht eiligst, den Krieg, der keiner gewesen sein soll, auch nochmal umzulügen in einen Friedenszustand, der keiner ist. Das macht die Sache im proletarisierten Bewusstsein keineswegs besser. Hier gilt es anzusetzen, unsere Wunde offenzuhalten und erst einmal bluten zu lassen, den Riss im spektakulären Bewusstseinszustand und durch die ganze Gesellschaft jetzt mit aller Kraft zu vertiefen, damit wir endlich zu einem Reflexions- und Selbstbewusstseins-Bildungsprozess als Gesellschaftsklasse an und für sich kommen können, die sich sammelt, konzentrieren lernt, um sich auf die gemeinsamen Ziele und Zwecke zu verständigen: Krieg dem Kriege des Kapitals, den es als sozialen Krieg, als Staatskrieg gegen uns führt - in den verschiedensten Formen, in den verschiedensten Ländern. 

Erst durch die Umwandlung des kapitalistischen Krieges gegen uns weltweit in den Krieg für uns zur Aneignung der gesellschaftlichen Reichtumsproduktion und Beendigung der Proletarität, zur Befreiung unserer Arbeitskraft, zur unmittelbar gesellschaftlichen Kooperation, communen Produktion für die Bedürfnisse statt kapitalistischer Destruktion usw., erst auf diesem Wege können wir uns aus dem permanenten Lebensverhinderungs-  und Lebenszerstörungszustand unseres Lohnarbeit/Kapital -Alltags herauskämpfen - diese Einsicht können wir von jetzt an besser aus dem Unbewussten der zerstreuten,  atomisierten, passiv-depressiven proletarischen Unmittelbarkeit hochzuarbeiten versuchen, als es vor dem offenen Krieg denkbar war.

Um uns für eine solche, neue Vermittlung zu sammeln, das wieder neu möglich werdende communistische Element hier zu organisieren, das aktive Selbst-Bewusstsein des Proletariatsprozesses entlang dieser Aufgabe zu konzentrieren und neu zu bilden in eine höhere, vermittelte, nicht mehr blind-vereinzelt-partikulare sondern bewusst gesellschaftliche, wiedergewonnene Unmittelbarkeit, können wir aus dieser Lage heraus nur durch unsere Aktivierung in dem sozialen Krieg, den uns die Kapital/Staats-Macht nach dem Auftakt auf dem Balkan jetzt für die nächsten Jahre hier im Hinterland, in der europäischen Metropole der Mehrwertauspressung aufzwingt. Anzusetzen ist gerade an dem durch die "humanitäre Intervention" der NATO massiv hervorgerufenen Widerwillen gegen die spektakuläre Inszenierung des verlogenen, barbarischen bürgerlich-"demokratischen Humanismus" der kapitalistischen "Zivilgesellschaft". Als die tatsächlich proletarisierten und pauperisierten Zivilisierten dieser Welt reichster Möglichkeiten - die vom Kapital und seinen Manager/inne/n jeden Augenblick in einen katastrofaleren, destruktiveren Kreis der Hölle gedreht wird - können wir historisch besser denn je zeigen, dass die Entwicklung der Klassenkämpfe es dem proletarischen Humanismus gestattet, die konkrete Geschichtsperspektive einer Wiedererlangung der unmittelbaren Beziehung der Menschen zueinander und zur Gesellschaft durch die sozialistische Befreiung der Menschheit vor sich zu sehen (Georg Lukács: Der junge Hegel.396).
Aber um die Vermittlung, die Übergänge zu dieser entscheidenden Konkretheit zu erarbeiten, müssen wir theoretisch und praktisch der jetzt gegebenen Unmittelbarkeit, der Verstörtheit und Konfusion der proletarisierten Partikularen, von uns selber, nachgehen - entlang der Fragenreihe: 
Wie hat uns der Krieg hier unmittelbar getroffen? 
1.) in den Medien (als spektakulärer Propagandakrieg)
2.) als humanitäre Herausforderung (bürgerliche Lüge und proletarische Wahrheit) 
3.) als psychologische Kriegführung (Großangriff auf unsere Psyche)
4.) als sozialer Krieg (Krieg der aneignenden gegen die proletarisierte Klasse)
 

Erster blinder Fleck: Medienkrieg gegen uns

Unmittelbarste Erfahrung: 
intensiviertes Bombardement mit "Informationen" auf allen Kanälen. 
Informationsinfarkt.
Informations-Ekel (Überdruss, Abstumpfung, Abschottung als Selbstschutzreaktion).
Immer schwerer erträglich die Spannung zwischen den Polen: von Suggestion und Stimulierung durch wahre Detail-Informationen, Bilder von Details der Realität, also "Objektivität" der Medien einerseits, und von offensichtlichen Selbstwidersprechungen, leicht durchschaubarer Lüge, Inkohärenz des gelieferten Gesamtbildes der Kriegsrealität, der Kriegsmotive, also subjektiver Interessiertheit der Mediendarstellung andererseits.
(Beispiel: "Genozid" ist nicht. Vorgeblicher Kriegsgrund "Vertreibung" wird erst durch den Krieg entfesselt; "humanitäre Hilfe" wird verunmöglicht in dem Maße wie sie überhaupt erst nötig gemacht wird; in jedem Fall zeigen die Medien genau das nicht, was sie zeigen wollen und zu zeigen versichern; sie zeigen wahre, reale Vorgänge zu ihren Lügen und machen sie dadurch auch noch zu Lügen; solange der Krieg tobt, nennen sie ihn nicht Krieg, obwohl sie ihn zeigen, und kaum ist dieser fortdauernde Krieg als Besatzungskrieg zum Frieden erklärt, ist plötzlich auch der vorhergehende Nichtkrieg offiziell als Krieg zu bezeichnen und zwar als "der letzte europäische Krieg" überhaupt; während der Protektorats-"Friedens"-Zustand als "Heckenschützen"-, Entwaffnungs- und Niederhaltungs-Krieg gezeigt wird, der seine Begründung als gewissermaßen "Friedenskrieg" auf Dauer aus sich selber produziert.)
Das Resultat, die Wirkung ist auf jeden Fall Konfusion. Von dieser ist subjektiv nur der/die ausgenommen, der/die selber Konfusion mitproduziert.
Neben der subjektiven Konfusion produziert der stattfindende, formierte Propagandakrieg um unsere Köpfe und Affekte objektiv die Desinformation.
Die Information verwandelt sämtliche im Detail wahren Sachverhalte innerhalb ihrer verlogenen Darstellung des Ganzen selber in Lüge, eben indem sie systematisch wahr und  unwahr konfundiert. Wir, die Opfer dieser Information/Desinformation, sind im Normalfall (d.h. wenn wir als Einzelne oder gar kooperativ nicht Spezialist/inn/en oder "Profis" der Informationsindustrie werden, und das können die wenigsten von uns, eben weil wir lohnarbeitsteilig beschränkt bleiben) verunsichert darüber, was nun "wirklich stimmt", und  werden/bleiben genau deshalb in die Passivität gebannt (z.B.: Beging/begeht das jugoslawische Regime nun Genozid oder nicht? Von der Information=Desinformation über die tatsächlichen "ethnischen Säuberungen" der serbischen Ethnorassisten wird von sehr vielen Menschen in der BRD ihre Stellungnahme zu dem imperialistischen Angriffskrieg der NATO und besonders Deutschlands abhängig gemacht - gerade auch bei etlichen Linken -, so als ob bei einem Ausmaß und einer Qualität dieser rassistischen Massaker und Vertreibungen, die die Bezeichnung "Genozid" erfüllen würden - was offen bleiben muss! -, plötzlich die imperialistischen Formen und kapitalistischen Motive und Interessen des NATO-Kriegs verschwunden oder irgendwie unmaßgeblich würden! Viele von uns bleiben völlig gelähmt vor dieser "Entscheidung", viele behelfen sich mit Bagatellisierung und Apologie des serbischen Ethnorassismus und der jugoslawischen Kriegspartei, des jugoslawischen Ausbeuterregimes; etliche halten den "moralischen" Druck der selektierten Bilder und Informationen nicht mehr aus und votieren "notgedrungen" für die  Scheinbefriedigung des "Handlungsbedarfs" - durch die imperialistische NATO. Alle drei machen ihre "Wahl" von der falschen Alternative "Information oder Desinformation?" abhängig. Sie erwarten noch immer "die richtige und vollständige Information", das wahre ganze Bild von diesem Krieg, letztlich fertig geliefertes kohärentes Weltbild. Wer den frei Haus gelieferten Schund ablehnt, sucht nach "dem richtigen" Modell, dem passenden Label, das irgendein Experte uns noch anbieten könnte: wer um alles in der Welt bietet mir das wahre, schlüssige Informations-Bild von diesem Krieg an, das es mir endlich ermöglicht, mich zu "positionieren"?! So funktioniert noch die Linke in der Struktur des Spektakulären: "die Wahl" zwischen den Waren - hier: der professionellen Bescheidwisser - hält uns in der ewigen Passivität und Kontemplation gelähmt. Der Konsum der Bilder - der von uns selber produzierten Welt - aus den Händen ihrer enteignenden Aneigner trennt uns von der Wahrheit des wirklichen Lebens und Sterbens; die Irrealisierung, Derealisierung der Welt durch die Besitzer der Produktions- und Informationsbedingungen liefert uns, die Nicht-verfügenden, der Realität ihrer Destruktionsproduktion um so ohnmächtiger aus.)

Dieser Krieg hat bei uns heftige Fantomschmerzen ausgelöst: durch die medialen und rassistischen Trennungen von der direkten Kommunikation mit den Menschen auf und aus dem Balkan weitgehend und prinzipiell abgeschnitten - trotz der bestehenden Möglichkeiten der Vernetzung, die aber in unserem Normalalltag nur spärlich, aufwendig und ausnahmsweise genutzt werden -, merken wir plötzlich, wie uns die eigenen Handlungsfähigkeiten amputiert worden sind; wir überleben mit medialen Prothesen. Dafür erleben wir uns als Gaffer, bystanders wider willen, Süchtige nach den letzten Infos, den entscheidend schlüssigen, erhellenden Expertisen und Analysen ... Der Medienkrieg, die  totale imperialistische Propagandaoffensive, das Spektakel des Krieges hat uns, die Proletarisierten im Hinterland, zutiefst demoralisiert. 

Der immer schon besonders staatsfetischistische, gewendete Stalinist Joscha Schmierer (von Joschka Fischer in den Planungsstab des Aussenministeriums geholt und daneben euro-imperialistischer Kriegshetzer in seinem offiziösen Regierungsblättchen "Kommune") wusste vor 15 Jahren genau, an wen er sich halten musste, wollte er nicht zu den "Kriegsverlierern der APO" gehören: an diejenigen, wie er so treffend formulierte, die die  Bomben haben - und die die Bilder haben. Auf deren Seite kann so einer auf höherer Stufenleiter seiner Begabung und Begierde folgen, vom Schreibtisch aus Menschen zu verheizen. Dieser Prototyp des politischen Spektakels der heutigen "Kommentatoren-Eliten" und medial "Professionalisierten" lebt von seinen Expertisen für die Macht, und andere sterben davon. Nicht allein jetzt physisch auf dem Balkan, sondern auch mental, moralisch hier im Hinterland, weil sie jahrelang am Tropf dieser Spezialisten der Information, Desinformation und Demoralisation hingen. So beklagt LeMondeDiplomatique am Ausgang der ersten Kriegsfase, was diejenigen angerichtet haben, die die Bomben und die Bilder haben: 

Die neue Informationspolitik wurde von der NATO bereits 1986 entwickelt und anhand der Erfahrungen im Golfkrieg weiter verbessert. Kurz gesagt verfolgt sie das Ziel, den Krieg unsichtbar zu machen und die NATO-Pressestelle zur Hauptinformationsquelle der Journalisten zu befördern. (...) So bleibt den Medien seit zwei Monaten nichts anderes übrig, als ein zentrales, aber abwesendes Bild zu kommentieren: das Bild der Greueltaten der Belgrader Streitkräfte an der Zivilbevölkerung im Kosovo. An Augenzeugenberichten über diese Verbrechen mangelt es nicht, auch besteht kein Zweifel an ihrer Realität, aber kein Fotograf hat sie uns je gezeigt, kein Reporter sie je mit eigenen Augen gesehen. Welch durchschlagender Misserfolg für die Medienmaschinerie, zumal für die audiovisuelle, die uns seit gut zehn Jahren davon zu überzeugen versucht, dass Information wesentlich im Miterleben des Geschehens bestehe.
übers. in: taz-Beilage 11.6.99, S.5

Aber es ist gerade der Erfolg der spektakulären "Medienmaschinerie", dieser neuen Form der demokratischen Zensur und leutseligen Propaganda (ibid.), deren Kriegseinsatz und Auswirkung aufs Massenbewusstsein von den naiven (oder so tuenden) Bürger/inne/n hier so irritiert beschrieben wird. 
Für uns ist allerdings das Moment der Irritation entscheidend. Das perfekt erscheinende Gelingen des totalen Kriegseinsatzes der Bilder/Manipulation und Informationen/Desinformation hat jetzt endlich auch die in ihm enthaltene Negation offenbart: das Misslingen, Nichtmehrgreifen der medialen Megamaschine - als Möglichkeit, die gerade die Elite der Spezialisten der bürgerlichen "Öffentlichkeit" alarmiert. Jetzt ist ein Sprung in der Tasse. Das falsche "Wir" der medialen Zuschauergemeinschaft, die in den Jahrzehnten der westlichen "freiheitlichen Demokratie", der eurozentrischen "Zivilgesellschaft" und des bundesdeutschen "ehrlichen Maklers" hinter der friedlichen Bildschirm-Fassade des imperialistischen Kapitalismus versammelt und von den übrigen Teilen des Weltproletariats feindselig abgeschirmt, getrennt gehalten werden konnte - dieses "Wir" der  Zuschauer-als-Guten geht kaputt, seitdem die Funktionär/inn/e/n von Kapital/Staat den "letzten" Krieg in Europa, mit den  Europäern selber angefangen haben, ihre Aussichten auf den Bürgerkrieg (H.M.Enzensberger) wahrmachen und deutsche Truppen in Jugoslawien einmarschieren lassen. Der Sprung im  Gefäß dieses "Wir" wird sich mit den Särgen, die ab jetzt eintreffen, von selbst vertiefen, aber dieselben Medienprofis werden ihn auch immer wieder verklammern können. Für uns kommt es nur darauf an, die wirkliche Tiefe des Risses weltgesellschaftlich deutlich zu machen und bis zur bewussten Sprengung der kapitalistischen Gesellschaftsform zu treiben, durch das Zerreissen ihres schein-kohärenten Bildes-aus-Bildern, mit denen sie uns ununterbrochen bombardiert und mit denen sie unser Leben begräbt unterm Schutt einer ungeheuren Warensammlung: Ware TV, Ware PC, Ware AU und Splitterbombies, Ware Kultur und Ware Arbeitskraft, Ware Humanität, Ware Politik, Ware Krieg und Ware Frieden ... Du  musst nur genügend Informations-Konsum-Arbeit leisten, um genau das zu bekommen, was dein ganz persönliches Bedürfnis befriedigt!

Die zugleich anwesende und abwesende Welt, die das Spektakel zur Schau stellt, ist die jedes Erlebte beherrschende Welt der Ware. Und die Welt der Ware wird auf diese Weise gezeigt genau wie sie ist, denn ihre Bewegung ist identisch mit der Entfernung der Menschen voneinander und ihrem Gesamtprodukt gegenüber.
(Guy Debord: Die Gesellschaft des Spektakels.These 37)

Der Krieg in den Medien ist diese ungeheure Warensammlung, wie sie als ungeheure Ansammlung von Informationen erscheint, und wie die Warensammlung der kapitalistischen Welt statt Reichtum für uns nur unsere Entfremdung von ihren Möglichkeiten darstellt, so stellt auf der Ebene der Medien diese Welt nur unsere Desinformation dar. Die Kommunikation  ist in Trennung verkehrt. Auf der Ebene des Bescheidwissens, der sinnlichen Gewissheit, des Meinens ist aber durch die  mediale Kriegsmaschine unser Bewusstsein in eine Dialektik versetzt worden, worin ihm das Hören und Sehen usw. vergangen sind. 
So hat das Kriegs-Spektakel hier im Hinterland zugleich etwas zerstört, was es garnicht zerstören "wollte", nämlich bei sehr vielen von uns die Unmittelbarkeit der sinnlichen Gewissheit über Wahrheit und Lüge, richtig und falsch ... in der bestehenden Positivität der Ist-Zustands-Gesellschaft. Das falsche "Wir" der korrumpierten Zuschauergemeinschaft ist auf  einmal erschüttert, aufgespalten: die Dynamik der Negation ist jetzt überall unabweisbar. Die Frage drängt sich jetzt viel mehr bisher passiven Ich-Menschen auf, wie Wir uns zu einem aktiven gesellschaftlichen Selbst-Bewusstsein über die Wahrheit und Beendigung dieser irrsinnigen Destruktivgesellschaft/Gesellschaftsdestruktion verständigen können.

 
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