Der erneute Kampf um den revolutionären Übergang zum
Kommunismus, zur globalen, grenzen- und daher staatenlosen
menschlichen Gesellschaft, nicht ein Kampf um sozialstaatliche
Reformen steht auf der Tagesordnung. Die Verteidigung selbst
der bescheidensten Lebensinteressen gegen die Angriffe des
Kapitals, einschließlich der Abwehr eines neuen
imperialistischen Weltkrieges, stellt auch in den Metropolen des
Weltmarkts die massenhaft proletarisierten Individuen in den
entschiedensten Gegensatz nicht allein zu diesem oder jenem
Bourgeois, dieser oder jener politischen Option ihrer Bourgeoisie,
sondern zur bourgeoisen Daseinsweise selbst: zum privaten Eigentum
an den sachlichen Bedingungen der Arbeit, unter dem sich das
Klassenprivileg arbeitsloser Aneignung fremder Arbeit verbirgt.
Die Sicherung unserer bloßen proletarischen Existenz
erfordert heute revolutionäres Handeln, fordert
rücksichtslose Eingriffe ins Allerheiligste aller
herrschenden Weltordnung, in das Eigentum der Bürger.
Ein taktierender Kommunismus, der im Fahrwasser des
Sozialreformismus à la Erfurter Erklärung
meint, etappenweise die Anhöhen der Macht nehmen zu
können, liegt strategisch durchaus falsch. Der
keynesianistisch durchtränkte demokratische
Sozialismus bloßer Umverteilung des kapitalistisch
produzierten Reichtums formuliert jetzt seine konterrevolutionäre
Antwort auf eine soziale Revolution, die erst wieder zu
organisieren ist. Gegen sie bietet er sich der Bourgeoisie als
Notstandsregierung in spe an.
Der Aufstieg des Reformismus ist geknüpft an den
revolutionären Aufstand, sein Erfolg beruht auf der Spaltung
und ist damit die Niederlage der kämpfenden Klasse. So war es
jedenfalls in der Vergangenheit.
Mit dem Abgang des östlichen sogenannten Realsozialismus
aus der Weltgeschichte verhallt das letzte Echo jenes ersten
großen Anlaufs zum revolutionären Sturz der
Weltherrschaft des Kapitals, mit dem das internationale
Proletariat am Beginn dieses nun zu Ende gehenden Jahrhunderts auf
die erste menschenverschlingende weltkatastrophale Krise
geantwortet hat, in die das im globalen Maßstab sich selbst
zur Schranke gewordene Kapital die menschliche Gattung gestürzt
hat. Es sind damit auch die Bedingungen des konterrevolutionären
Reformismus restlos vernichtet, mit dem es in der Folge den
Bourgeoisien der kapitalistischen Metropolen gelungen ist, die
sich revolutionär formierende ausgebeutete Klasse zu spalten
und so das Überleben ihrer Herrschaft sich zu erkaufen.
Vorangepeitscht auch durch die reformistisch gebrochene
revolutionäre Bewegung des Proletariats, haben sich in diesem
Jahrhundertprozeß zugleich die vom Kapital selbst erzeugten
Voraussetzungen seiner revolutionären Überwindung
ihrerseits in einem Maße revolutioniert, das alle
Gestaltungen, Parteiungen, Organisationsprinzipien, Anschauungen,
Strategien etc., die uns jener erste weltrevolutionäre Anlauf
überliefert hat, radikal zur Disposition stellt.
Das in diesem
widersprüchlichen Verlauf seiner Geschichte gründlich
verschlissene Programm des revolutionären Übergangs zur
kommunistischen Gesellschaft unter sich neu zu klären,
auszuarbeiten, zu beschließen, es in der Aktion zu vertreten
und zu überprüfen, d.h. eine Grundlage für ihre
revolutionäre Kooperation zu schaffen: das ist die
entscheidende Aufgabe, die alle Sozialisten und
Kommunistinnen unbeschadet ihrer verschiedenen
theoretischen, politischen und organisatorischen Traditionen und
aktuellen Bindungen jetzt gemeinsam in Angriff zu
nehmen haben.
Als Eckpunkte
eines solchen Programms seien hier vorläufig festgehalten und
somit zur Diskussion gestellt:
Statt
Arbeit für alle und Gefeilsche um Arbeitsplätze
oder auch Revolution gegen die Arbeit:
Bloßlegung
des bürgerlichen Privilegs zu arbeitsloser Existenz, das den
wirklichen Zwang zur Arbeit in ein scheinbar
zufällig-individuelles Schicksal verkehrt. Verteilung der
gesellschaftlich notwendigen Arbeit auf alle
arbeitsfähigen Mitglieder der Gesellschaft, d.h.
Abschaffung jenes Privilegs des Besitzes. Nur so wird für
alle die gesellschaftlich notwendige Arbeit und ihr
vernünftiges Maß transparent und damit soweit
reduzierbar, daß uns Zeit zur freien Entfaltung
unserer individuellen produktiven Triebe und Anlagen
(Marx) zuwächst, die Arbeit daher überhaupt ihren
Zwangscharakter verlieren und sich in unser erstes
Lebensbedürfnis (Marx) verwandeln kann.
Statt
sogenannter Wirtschaftsdemokratie, also
demokratischer Kontrolle des fortbestehenden privaten Kommandos
über die gesellschaftliche Arbeit; statt Verbilligung der
kapitalistischen Lohnarbeit durch Dienstverpflichtung,
unentgeltliche Bürgerarbeit, geldlose
Nischenproduktion, Tauschringe etc.:
Abschaffung
der Lohnarbeit selbst, nämlich des die gesellschaftliche
Arbeit in ihr Gegenteil verkehrenden Zwangs, daß sie sich
verwerten muß, daß ihr gesellschaftlich
erzeugtes Produkt, weil in den Händen der Privaten
monopolisiert, die kooperative Arbeit zum Mittel seiner endlosen
Selbstvermehrung degradiert. Selbstorganisation der
Arbeit durch freie Assoziierung der Produzenten auf der Höhe
des jetzigen Vergesellschaftungsgrades der Arbeit, für
die es vorderhand nichts weiter braucht als die völlige
Abschüttelung jenes Verwertungszwanges, d.h. der jetzigen
privaten Verfügung über sie, die angesichts des
hochgradig gesellschaftlichen Charakters heutiger Arbeit nur noch
ein schreiender und äußert kostspieliger Anachronismus
ist.
Statt
Geld ist genug da, statt trotziger Appelle an eine
über allen Klassengegensatz erhabene, also bürgerliche
Gerechtigkeit, die das Geld, den Garanten der darin stets
allgemein versprochenen und doch immer nur exklusiv realisierten
Freiheit, nur endlich gleichermaßen großzügig
über alle Glieder der Gesellschaft verteilen müsse:
Aufhebung
der bestimmten Voraussetzung, unter der überhaupt nur der
gegenständliche Reichtum allgemein in Geld gemessen und erst
im Austausch mit Geld konkret nutzbar wird: daß er nämlich
sich regelmäßig in den Händen derer
befindet, die nichts mit ihm anfangen können, als ihn zu
tauschen, und daher denjenigen, die seiner konkret bedürfen,
ebenso regelmäßig nicht gehört; daß
also die unmittelbaren Produzenten reduziert sind auf ihre bloße
Arbeitskraft, weil vollständig getrennt von den sachlichen
Elementen ihrer Produktion, die das Monopol der bürgerlichen
Klasse, der nichtarbeitenden Aneigner ihrer Produktion sind.
Diese Voraussetzung läßt sich nicht aufheben, ohne daß
damit zugleich das Geld als allgemeine Darstellungsform des
gesellschaftlichen Reichtums gegenstandslos wird und
verschwindet. Die im Geld ihren allgemeinsten,
geläufigsten Ausdruck findende Ökonomie, in der die
Produkte der Arbeit ihren Produzenten enteignet sind und über
sie herrschen, löst sich auf in die banale Grundlage
aller Ökonomie, die Ökonomie der Zeit:
Die gesellschaftlich planmäßige Verteilung der
Arbeitszeit regelt die richtige Proportion der
verschiednen Arbeitsfunktionen zu den verschiednen Bedürfnissen
(Marx).
Statt
Verteidigung der Freiheit und Gleichheit, deren produktive
reale Basis (Marx) das Privateigentum ist; statt der auch
links üblichen Erhebung der Demokratie zum Zweck:
Radikale
Ausschöpfung der Demokratie für die
Assoziierung aller vom Produkt ihrer gemeinsamen Arbeit
enteigneten, von ihrer Arbeit entfremdeten Individuen bis hin zur
Errichtung ihrer revolutionären Diktatur zum
Zwecke despotischer Eingriffe in jene Ordnung des Eigentums, die
diese Enteignung und Entfremdung ebenso zur Voraussetzung hat,
wie sie dieselbe stets von neuem spontan erzeugt; einer Diktatur,
die übergeht zur Auflösung jeglicher Politik,
der diktatorischen wie der demokratischen, die doch immer eine
Regierung über Menschen bleibt, in eine solche
gemeinsame Verwaltung der Sachen, worin die freie
Entwicklung einer jeden die Bedingung der freien Entwicklung
aller ist.
Vorhaben
und Aktivitäten des
Zirkels übergänge
zum
Kommunismus
Die Kapitalisierung der Welt, die
Herstellung des Weltmarktes, der Formwechsel des Arbeiters
und die Expropriation der unmittelbaren Produzenten
(Marx), kurz gesagt, die Verwandlung der Arbeiter in Proletarier
und ihrer Arbeitsmittel in Kapital ist soweit vorangeschritten,
daß das Kapitalmonopol (...) zur Fessel der
Produktionsweise (Marx) geworden ist. Der Widerspruch
zwischen Kapital und Arbeit, Bourgeoisie und Proletariat ist zum
Zerreißen gespannt. Wie Naturgewalten prallen die
Klassenkräfte mit Wucht aufeinander. Diesem katastrophal
verlaufenden Prozeß, dessen Bewegung gesellschaftlichen
Naturgesetzen gleich, wenn überhaupt zu etwas Bestimmbaren,
zur schmerzhaften Geburt des Kommunismus führen wird, das
Bewußtsein von seiner Richtung zu geben, d. h. die
Geburtswehen abkürzen und mildern (Marx) zu helfen, ist
die jetzige Aufgabe der Kommunisten.
Mit einem Wort:
proletarisches Klassenbewußtsein zu befördern,
ausgehend von den vier Eckpunkten der vorläufigen
programmatischen Plattform, ist die aktuell zentrale
Aufgabenstellung, der sich die Teilnehmer des dem
proletarisch-praktischen Kommunismus verpflichteten Zirkels
übergänge widmen
wollen.
Obgleich ganz allgemein formuliert,
implizieren die Eckpunkte die Möglichkeit,
praktisch-politisch in gesellschaftlichen Teilbereichsbewegungen,
wie auch in der kommunistisch-anarchistischen Bewegung
klassenbewußtseinsfördernd zu intervenieren. Uns ist
klar, daß ihr Mangel an Konkretheit ihre gesellschaftliche
Relevanz begrenzt.
Doch klar wird mit ihnen auch: Die
Aktivitäten, die die übergänge
entfalten, sind weder akademisch-seminaristisch noch
politizistisch-aktionistisch. Sie dienen langfristig der
Beförderung des Parteibildungsprozesses des Proletariats und
der Entwicklung seines revolutionären Programms. Im
wesentlichen auf drei Ebenen versuchen die übergänge
dieser not wendigen Arbeit nachzukommen.
Vereinzelt
beteiligen sich zur Zeit Genossen und Genossinnen der übergänge
mehr schlecht als recht am Aufbau und Betreiben freier
Radios. Sie versuchen als einzelne temporär oder
längerfristig zu intervenieren in Kreisen der Überreste
der feministischen Bewegung, der linken Gewerkschafts- und der
Arbeitslosenbewegung. Auch in der Antifabewegung beteiligt sich
ein Genosse. Seit dem Krieg der Nato gegen Jugoslawien engagieren
sich mehrere Genossen und Genossinnen in der Anti-Kriegsbewegung.
Zudem versuchen die übergänge
sich an strömmungsübergreifenden Zusammenhängen zu
beteiligen (OKF), oder selber welche zu initiieren
(programmatische Debatte / Kommunistische Streitpunkte).
Alle diese
Aktivitäten stehen zur Disposition, sind mit unseren
spärlichen Kräften nicht angemessen zu bewältigen.
Es müssen in naher Zukunft gezieltere
Aufgabenkonzentrationen stattfinden und vor allem neue Aktivisten
und Aktivistinnen zu den übergängen
hinzukommen.
Im Rahmen
ihrer Kräfte unterstützen und initieren die übergänge
Qualifikations- und Selbstqualifikationsprozesse von Genossen und
Genossinnen.
Dazu
gehört die gemeinsame Reflexion auf die Aktivitäten
von Einzelnen. Würden Wesen und Erscheinung der Dinge
unmittelbar zusammenfallen, bedürfte es keiner
Wissenschaft. Diese Erkenntnis auch und gerade im Handgemenge
des politischen Alltags nicht zu vergessen, um nicht vom
sogenannten gesunden Menschenverstand um alle
Vernunft gebracht zu werden, soll uns als Richtschnur dienen.
Denn, so sagte einmal ein bekannter deutscher Philosoph,
bekanntes ist noch lange nicht erkanntes.
Um uns
dieses intellektuelle Handwerkszeug anzueignen, welches uns
sukzessive in den Stand versetzen soll, die gesellschaftlichen
Phänomene inhaltlich angemessen auf den Begriff zu bringen,
veranstalten die übergänge
sporadisch gemeinsame Treffen, auf denen zu
unterschiedlichsten Fragen und Problemen des historischen und
dialektischen Materialismus gearbeitet wird. Erste Überlegungen
dazu sind:
Ein
Treffen, auf dem das Problem der Wert-Preis-Transformation in
der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie diskutiert
werden soll.
Ein
Treffen, auf dem gemeinsam in Hegels Phänomenologie
des Geistes der Abschnitt der Herr-Knecht-Dialektik
gelesen und reflektiert werden soll, um eventuell im Lichte
dieser Betrachtung das Verhältnis zwischen Bourgeoisie und
Proletariat und die Aufhebung beider Klassen mittels der
proletarischen Revolution zu beleuchten.
Eine
gemeinsame Fahrt zum Bauernkriegs-Panorama von Werner Tübke
bei Bad Frankenhausen um sich der Geschichte der Klassenkämpfe
und der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland
einmal durch ein anderes Medium zu nähern.
Darüber
hinaus ist es unser erklärtes Ziel, auch die Kapazitäten
für systematische Theorieaneignungsprozesse
möglichst gemeinsam mit anderen aufzubauen und diese mit
in Gang zu setzen. Als Beispiele seien hier genannt:
Eine
Einführung in alle drei Bände des Marxschen Kapitals.
Langfristig
angelegte gemeinsame Kapitalschulungen.
Die
redaktionelle kritische Bearbeitung der Thesen zu 150 Jahre KP
(als Übungsfeld, kooperative theoretische Praxis zu
erproben und einen angemessenen Beitrag zur Organisierung der
programmatischen Debatte beizusteuern).
Sukzessive
Aneignung des historischen Wissens derjenigen auf deren
Schultern wir heute stehen.
Um letzteres
bewerkstelligen zu können, müssen Pläne für
wechselseitige Lern- und Lehrprozesse gesichtet, eventuell
mitentwickelt und dementsprechendes Lesematerial gemeinsam
durchforstet werden, um es vielfältiger individueller
Aneignung zu erschließen. Dies alles geht weit über
die zirkelorganisierte Arbeit hinaus. Es läuft gleichsam
auf eine kommunistische Universität
hinaus, die natürlich das Lernen im Kampf zu
organisieren hat, aber eben auch selber forschen und neues
Wissen schaffen, also Wissenschaft betreiben muß.
Nach dem
Erscheinen von vier Ausgaben der Übergänge über
einen Zeitraum von vier Jahren, der Broschüre Zurück
in die Zukunft, mehrerer Flugschriften und Thesenpapiere in
Miniauflagen, dies alles noch nicht als organisierter Zirkel,
liegt die Publikationstätigkeit der übergänge
zur Zeit mehr als im argen. Nicht nur daß mehrere hundert
Seiten verschriftlichter theoretischer Debatte teilweise oder gar
nicht erschlossen und unveröffentlicht herumliegen, es fehlt
auch, bei gegebenem Material zu einigen Themen, an einer
Konzeption. Diese muß schnellstens erarbeitet und umgesetzt
werden. Für die Zukunft wird dazu bis auf weiteres wie folgt
verfahren: Ab zehn Seiten schriftlicher Äußerungen von
übergänge-Teilnehmern
oder von diesen für interessant befundener Texte wird jeweils
eine übergänge-Nummer
herausgegeben. Es wird ein Vertriebsnetz auf- und ausgebaut. Die
Nummer kostet nicht mehr als 5 DM.
Alle Teilnehmer der übergänge
arbeiten aktiv an der Verwirklichung der Ziele des Zirkels.
Darüber hinaus zahlen sie regelmäßig einen
angemessenen Beitrag (nach Möglichkeit mindestens 1% ihres
Nettoeinkommens) in eine gemeinsame Kasse.
Sollten seine Vorhaben in einem übergeordneten, international
orientierten Zusammenhang Berücksichtigung finden, löst
sich der Zirkel in diesem auf.
BR Deutschland, den 14.07.1999
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