Auch die
folgenden Kommentare zu dem Beitrag Revolutionäre
Organisierung oder doch nur linker Debattierklub?
stellen nicht mehr als eine lose Ansammlung von Repliken zu
einzelnen Passagen aus der Thesen-Kritik der GAM dar. Sie sind
zudem äußerst lückenhaft und datieren ebenfalls
vom Herbst vergangenen Jahres. Die Stellen aus dem Text der GAM,
auf die sich die Kommentare beziehen, sind wiederum diesen in
serifenlosem
Schriftsatz jeweils
voran gestellt.
Der
Stil, in dem die Thesen formuliert sind, ist wie immer bei den
Übergängen literarisch wertvoll oft
jedoch stellt man sich die Frage, ob nun bestimmte Dinge wegen der
schönen Formulierung oder wegen des Inhalts geschrieben
wurden. Dies insbesondere, wo in der einen These Dinge behauptet
werden, während in einer anderen These dann eigentlich das
Gegenteil dargelegt wird, ohne daß der Widerspruch irgendwo
aufgelöst oder zumindest behandelt wird. So heißt es an
einer Stelle, daß der Klassengegensatz ... nur im
Versuch seiner revolutionären Aufhebung in Erscheinung tritt
oder gar nicht (These 2). Später lesen wir: Der
Kampf der proletarisierten Individuen um ihre elementaren
Interessen ist in diesem Sinne immer schon Klassenkampf, daß
er nur als solcher Kampf der ganzen Klasse überhaupt
funktioniert (These 11).
Wo da ein aufzulösender
Widerspruch formuliert sein soll, bleibt das Geheimnis
der Kritik. Die beiden Aussagen harmonieren in Wahrheit so gut
miteinander, daß sie, näher besehen, identisch sind:
Der Kampf um die elementaren Interessen des Proletariats ist
entweder Kampf der ganzen Klasse (und damit revolutionär)
oder er funktioniert gar nicht
Wie der
Kampf um elementare Interessen und revolutionäres
Handeln zusammenhängen, bleibt in den Thesen
äußerst vage (im Hintergrundpapier Im Westen
nichts Neues ist dies weitaus genauer dargestellt
siehe die Kritik daran später).
Und siehe meine Antikritik bei der
Gelegenheit (hier S. 1).
Ein
anderes Beispiel: In These 10 wird dargestellt daß der
praktische, proletarische Kommunismus ... sich nahezu
hoffnungslos marginalisiert sieht, in mikrobischen
Zirkeln oder vereinzelten Individuen mehr als Stimmung
fortexistiert (im Hintergrundpapier wird einmal sogar die
Formulierung gebraucht ... die revolutionäre
Linke, so es sie denn gäbe ...). Andererseits werden
Formulierungen gebraucht, die doch wieder auf eine revolutionäre
Kontinuität hindeuten, nicht zuletzt die Überschrift
der Thesen selbst (150 Jahre Kommunistische Partei),
aber auch die Rede von den revolutionären
Sozialisten und Kommunisten unbeschadet ihrer verschiedenen
theoretischen, politischen oder organisatorischen Traditionen,
die jetzt das verschliffene Programm gemeinsam
auszuarbeiten hätten. Irgendein mystisches Band muß
diese verschiedenen Revolutionäre also doch
verbinden, wodurch aus ihren verschiedenen so-und-so Traditionen,
doch eine revolutionäre Linke erwächst.
Ist das erste Beispiel
zweier sich widersprechender Behauptungen in den Thesen
seinerseits den behaupteten Widerspruch schuldig geblieben, so
präsentiert das zweite in der Tat einen Widerspruch
nicht in den Thesen, sondern in der Wirklichkeit heutiger
revolutionärer Theorie und Praxis. Eine revolutionäre
Linke existiert und existiert zugleich nicht. Nämlich:
Einerseits muß sie neu geschaffen werden; da andererseits
Revolutionäres nicht in den Zuständigkeitsbereich des
Herrgotts fällt, muß es sich selber schöpfen,
könnte also gar nicht werden, wenn es nicht zumindest der
Potenz nach bereits existierte. Das ist sozusagen die Mystik
alles materiellen Entstehens und Vergehens.
Ob jemand dieser sich selber neu
erschaffenden revolutionären oder kommunistischen Linken
angehört oder nicht, kann natürlich erst entschieden
werden, wenn der Selbstschöpfungprozeß als ein solcher
kenntlich geworden ist, also einen gewissen Abschluß
erreicht hat. Darum ist es Unsinn, jetzt Kriterien zu verlangen,
die irgendwelche eindeutigen Zuordnungen möglich erscheinen
ließen (gehören die Autonomen oder Teile davon, die
Führung oder das Fußvolk von DKP,
Linksruck, MLPD, Arbeitermacht, der Übergänge etc. pp.
ganz oder teilweise dazu?). Allerdings bedeutet die Neuerschaffung
einer revolutionären Linken ebenso sehr wie die Verbindung
aller derzeit zersplitterten revolutionären Kräfte
(Potenzen) ihre Trennung von denjenigen
nichtrevolutionären (zentristischen,
reformistischen: demokratischen) Elementen, an die noch
gebunden zu sein, gerade ihre derzeitige Zersplitterung und
Marginalität wesentlich ausmacht. Das ist ein ziemlich
komplizierter Vorgang, in dem es selten leichte Entscheidungen zu
fällen gibt, darüber z.B., welcher Diskussion im
Augenblick der Vorrang einzuräumen sei: der über das
programmatische Gewicht der Marxschen Wertformkritik oder der über
den Umgangs mit sich auftuenden Gegensätzen in der
sozialdemokratischen Gewerkschaftspolitik.
Dies sind nur zwei Beispiele, die einen bestimmten
Verdacht erzeugen: Daß durch das Verbergen hinter
geschliffenen und ausholenden Formulierungen vermieden wird,
sich zu zentralen Widersprüchen revolutionärer
Organisierung und deren Lösung klar und offen zu
positionieren, um letztlich doch wieder soviel Offenheit
und Unklarheit übrigzulassen, daß eigentlich unter dem
Deckmantel der programmatischen Klärung
doch wieder nur ein offenes Vernetzungsprojekt
betrieben wird.
Ich kann nicht erkennen, worin der
hier geäußerte Verdacht sich, wie angekündigt, als
ein bestimmter erwiese. Wieso wäre für ein
offenes Vernetzungsprojekt (an dem schon
die Anführungszeichen signalisieren, daß der Autor wohl
kaum genau weiß, was er eigentlich dagegen hat) der Vorsatz
einer programmatischen Klärung ein Deckmantel?
In These 3 wird die Geschichte des Kampfes des
revolutionären Proletariats mit der Bourgeoisie
skizziert.
Nicht diese Geschichte insgesamt
skizziert These 3, sondern ihr vorläufiges Fazit,
und zwar so, wie es sich uns unmittelbar darstellt.
Getreu der in These 2 gebrauchten Formulierung
vom Klassengegensatz, der nur in der revolutionären Aufhebung
in Erscheinung tritt,
Falsch zitiert: nur im Versuch
seiner revolutionären Aufhebung, heißt es in
der These, trete der moderne Klassengegensatz in Erscheinung. Der
Zusatz oder gar nicht, der dann noch nachgeschoben
wird, scheint mir allerdings einer Korrektur bedürftig: Der
Nazismus, die Reaktion auf das Ausbleiben jenes Versuchs, hat ihn
das ist gerade der Inhalt der folgenden These III
auf seine Weise auch zur Erscheinung gebracht. Richtiger müßte
es daher etwa heißen: oder für alle seine Akteure
hinter
unsichtbar wird und in der abgebrochen Zuspitzung
schließlich zur volksgemeinschaftlichen Raserei
pervertiert..
wird Geschichte in These 3 rein durch den äuße-ren
Widerspruch von revolutionär erscheinendem Proletariat und
konterrevolutionärer Bourgeoisie entwickelt.
Wieso ist das ein äußerer
Widerspruch? (Und warum nicht einfach ein äußerer
Widerspruch?) Das Kapital ist wesentlich Klassenverhältnis.
Abgesehen davon, daß in einigen Formulierungen
der These bestimmte konsensuale Mythen der deutschen Linken
bedient werden, wie Kollektivschuldthese und
Totalverbürgerlichung der Arbeiterklasse,
Abgesehen davon, daß der
Mythos einer Totalverbürgerlichung
der Arbeiterklasse wohl kaum deren geheime Grundlage in
einer manifesten Revolution dieser Klasse ins Auge faßt:
Wo bestünde da ein Konsens in der Linken? Und wo hätte
es von einem revolutionären Standpunkt aus eine gründlichere
Abrechnung mit solchen Mythen gegeben, die es
rechtfertigte, die Sache so nebenher abzutun?
Schließlich: Keineswegs
bedienen die Thesen irgendein existierendes Vorurteil,
sondern versuchen, allerdings ausgehend von dem, was ist,
gerade dessen Mythologisierung, d.h. bloß mythischer,
sagenhafter, scheinbarer Erklärung entgegenzuwirken,
indem sie sich der bestimmten geschichtlichen Konstellation
zuwenden, der es sich verdankt und mit der es dann auch wieder
verschwinden muß. Vor der Totalverbürgerlichung des
revolutionären Proletariats stand der Versuch der totalen
Austreibung der proletarischen Revolution das besagt die
These. Und: daß die Austreibung gescheitert ist, jene
Revolution also in ihrem maßgeblichen Ergebnis ihre
Gegenwart behauptet hatte und somit der sinnfällige
Beweis war, daß das Proletariat selbst das großzügige
Gnadenbrot seiner Sozialpartnerschaft in den imperialistischen
Metropolen nur dieser Gegenwart seiner Revolution zu verdanken
hatte, daß folglich selbst in dieser Zeit gegolten hat: Das
Proletariat wäre nichts, wenn es nicht revolutionär
wäre.
wird aus dieser Geschichte die Entwicklung
der inneren Widersprüche des Kapitalismus ausgeblendet (man
verzeihe mir die schematische Ausdrucksweise).
Hier beweist die Kritik, wie
gründlich auch sie vom Dogma des Sozialismus in einem
Land beherrscht wird. Denn nur auf der Grundlage dieses
Dogmas läßt sich der Gegensatz zwischen Bürger-
und Arbeiterstaat nicht zu den inneren
Widersprüchen des Kapitalismus rechnen; nur, wenn
vorausgesetzt wird, daß der Kapitalismus an den Grenzen zum
Arbeiterstaat aufhöre und dahinter etwas anderes beginne. Ob
ich dieses andere dann Sozialismus nenne oder auch
Übergangsgesellschaft, tut leider überhaupt
nichts weiter zur Sache.
Dabei erwähnt D.D. selbst in These 1 des
Hintergrundpapiers, wie der Klassenkampf sich aus den inneren
Widersprüchen der Bestimmung des Werts der Ware Arbeitskraft
ergibt, also etwa aus der Auseinandersetzung um die Länge des
Arbeitstages,
Hier stellt die Kritik meinen
Gedanken komplett auf den Kopf: Die Auseinandersetzung um
die Länge des Arbeitstages (bei welcher es sich nicht
so sehr um den Wert als vielmehr den Gebrauchswert
der Ware Arbeitskraft handelt) ist nichts, woraus sich der
Klassenkampf ergibt, sondern ist dieser
Klassenkampf selbst, aus welchem umgekehrt sich erst ergibt, wie
denn die das Kapital konstituierende Ware Arbeitskraft, damit das
Kapital überhaupt näher bestimmt sei. Aus dem
Klassenkampf, so der Gedanke, ergibt sich hier das
Kapital, nicht umgekehrt.
und
schlußfolgert daraus: Der Klassenkampf zwischen
Bourgeoisie und Proletariat erweist sich hier vielmehr als die
durchaus unabhängige Variable, der die wirkliche Bewegung
jenes Subjekts (i.e. des selbstverwertenden Werts, der
Autor) allerdings nicht durch irgendeine ihm willkürlich
angetane, äußere Gewalt, sondern aufgrund eines ihm
eigenen, inneren Zwangs unterworfen ist (S. ).
Der Klassengegensatz bestimmt also nicht nur in der
Form der Erscheinung in seiner revolutionären Zugespitztheit
die Entwicklung der Kapitalbewegung und ihrer Formen, sondern muß
diese Bewegung immer bestimmen, in welchen unterentwickelten
Formen dieser Gegensatz auch immer auftritt. Von daher ist es auch
nicht die Tatsache eines mystischen Fortwesens des revolutionären
Umsturzes in den stalinistisch degenerierten Arbeiterstaaten, die
die Bewegungsformen der Kapitalverwertung in den letzten 50 Jahren
bestimmt hat, sondern die Tatsache, daß die Existenz dieser
(wie auch immer degenerierten) Arbeiterstaaten ein Element in
einem globalen Kräfteverhältnis der Klassen war, das
sich andererseits in den kapitalistischen Staaten auch unabhängig
von der Tatsache der Existenz der Arbeiterstaaten eigenständig
entwickelte.
Was lernt uns dieser stattliche
Satz, an dem, je mehr man sich in ihn vertieft, desto weiter ins
Dunkle versinkt, von woher er denn kommt? Zunächst
einmal halten wir fest, daß die Kritik das mystische
Fortwesen des revolutionären Umsturzes als Tatsache
immerhin gelten läßt, freilich nicht als eine solche,
die da etwas bestimmt hätte: die
Bewegungsformen der Kapitalverwertung in den letzten 50 Jahren
nämlich. Die wurden vielmehr bestimmt von einer anderen
Tatsache, die es an Mystik mit jenem
Fortwesen gewiß jederzeit aufnehmen kann:
Tatsache sei nämlich ferner, daß eine
Existenz
ein Element in einem
Kräfteverhältnis gewesen sei, das sich
andererseits
auch unabhängig von der Tatsache der
Existenz
eigenständig entwickelte. Unsere zweite
Tatsache besteht also aus einem Kräfteverhältnis,
das ein Element sein eigen nennt, von dem seine
Entwicklung nicht abhängt. Ob dieses Element als
solches oder überhaupt existiert, wäre demnach (vom
elementaren Charakter der Existenz einmal ganz abgesehen) ganz
schnurz für besagtes Kräfteverhältnis, auf
welches ohne weitere Bestimmung sich daher unsere Tatsache Nummer
zwei reduziert. Langer Rede kurzer Sinn: Daß Arbeiterstaaten
existiert haben, war zwar wohl dereinst eine Tatsache
(Nummer drei), aber mit der Entwicklung des globalen
Kräfteverhältnis[ses] der Klassen hatte die nichts
zu tun. Offen bleibt schließlich noch, was denn das
Kräfteverhältnis der Klassen seinerseits mit
dem zu tun hat, dessen Bestimmtheit anfangs in Frage stand: den
Bewegungsformen der Kapitalverwertung in den letzten
50 Jahren.
So ist die Entwicklung des Proletariers zum
Sozialpartner
Von so etwas ist in den Thesen
nirgendwo die Rede, vielmehr wird dort (III) die
demokratische Zähmung des revolutionären Proletariats
zum Sozialpartner als das vorläufige Resultat
der Geschichte des modernen Klassenkampfes behauptet.
nicht erst mit der Niederlage des Faschismus gegeben.
Vielmehr haben die Entwicklung von Sozialstaat und Integration der
Arbeiterklasse in den kapitalistischen Staat eine weitaus längere
und fundamentalere Geschichte,
Mein Reden (s. vorherige Anm.)! Aber
Geschichte heißt: Es hat sich etwas verändert.
Sozialstaat und Integration der Arbeiterklasse sind am
Ende ihrer Geschichte nicht dasselbe wie an deren Anfang.
Vielleicht schon seit Bismarcks, sicher seit Wilhelm Zwos Zeiten
ist ein Teil der Arbeiterklasse in die Rolle des
Sozialpartners hineingewachsen und hat sie dann immer perfekter
ausgefüllt. Dem hat aber bis 1933 ein starker revolutionärer
Flügel der Klasse gegenübergestanden, der am vorläufigen
Ende der Geschichte verschwunden ist. Die Veränderung
der Sache, das, was sie zur Geschichte macht, ist folglich in der
Rede von der weitaus längere[n] und fundamentalere[n]
Geschichte der Sozialpartnerschaft völlig
ausgeblendet. Aber vielleicht bedient ja die
Behauptung, daß der revolutionäre Flügel des
Proletariats in Deutschland 1933 das Zeitliche gesegnet habe, auch
bloß wieder den Mythos einer
Totalverbürgerlichung der Arbeiterklasse.
die ihre eigentliche materielle Grundlage in der
Entwicklung von dominanten monopol- und finanzkapitalistischen
Strukturen findet, und damit in bestimmten Formen von
Kapitalakkumulation, die dem Kapital erlauben den Klassengegensatz
in bestimmten Sektoren zeitweise abzumildern und zu regulieren
(natürlich ergeben sich Ansätze zum Sozialstaat schon
vorher, gerade mit dem Erstarken gewerkschaftlicher Organisierung
schon im 19. Jh.; siehe z.B. Engels Die Trade-Unions,
MEW 19, S. 254f.)
Gerade das von Engels beschriebene
Phänomen der Verbürgerlichung der englischen Arbeiter
beruht ebenfalls auf einem Weltmarkt-Monopol.
Die Fragestellung der besonderen Epoche des
Kapitalismus, die Lenin mit dem Begriff Imperialismus
aufwarf, wird in den Thesen nicht berührt.
Was für eine Formulierung! Der
Begriff Imperialismus als
zusammenfassende Bezeichnung für das, was die Epoche auf
ihren Begriff brachte, die um die Jahrhundertwende eingesetzt zu
haben schien, mag wohl die Fragestellung der besonderen
Epoche des Kapitalismus aufgeworfen haben. Dies jedoch ganz
unabhängig von Lenin. Dieser hat sie vielmehr in einer
bestimmten Weise beantwortet: nämlich den
Imperialismus als die Epoche des sterbenden Kapitalismus und des
revolutionären Übergangs zum Kommunismus bestimmt, und
diese Antwort wird allerdings von den Thesen nicht bloß
dezent berührt, sondern sie knüpfen daran
wesentlich an.
Ein Problem, das solches Anknüpfen
indes ins Auge zu fassen hat, besteht darin, über besagter
Besonderheit des Kapitalismus in seiner imperialistischen Phase
seinen allgemeinen Begriff als ein bestimmtes
geschichtliches Produktionsverhältnis nicht völlig
aufzulösen. Dem tragen die Thesen durch den Rückgriff
auf die Überlegungen zur geschichtlichen Tendenz
der kapitalistischen Akkumulation Rechnung, mit denen Marx seine
Darstellung des Produktionsprozesses des Kapitals abschließt
und in denen das, was Lenin als die besonderen Merkmale des
Imperialismus bezeichnet, sich bereits vorskizziert finden.
Und dies ist ein wesentlicher programmatischer Punkt:
Daß nämlich der Kampf der zur Lohnabhängigkeit
Gezwungenen um ihre elementaren Interessen noch weniger als vorher
länger dauernde Teilerfolge erbringen kann,
ohne daß dieser unmittelbar nur als Kampf der ganzen (also
auch international gesamten) Klasse geführt wird. Zeitweise
(und dies können, wie wir gesehen haben, ganz schön
lange Zeiten sein) kann der Imperialismus bestimmten (nationalen
oder auch nur sektoralen) Teilen der Lohnabhängigen
beträchtliche Zugeständnisse gewähren, um sein
System insgesamt zu stabilisieren.
Was war hier also wesentlicher
programmatischer Punkt? Zunächst, daß mit
Eintritt des Kapitalismus in seine imperialistische Besonderheit
noch weniger als vorher der Kampf der Proleten länger
dauernde Teilerfolge erbringen kann.
Sodann jedoch stellt sich heraus, daß der Imperialismus
Teilen der Lohnabhängigen beträchtliche
Zugeständnisse gewähren kann, die wir wohl mit Fug
und Recht auch Teilerfolge nennen dürfen und die,
wie wir gesehen haben, über ganz schön
lange Zeiten dauern können. Literarisch
vielleicht nicht so wertvoll, aber immerhin voller Widerspruch,
dieser wesentliche programmatische Punkt.
Daß die bürgerliche Epoche eine
die heißt es bei
mir.
Epoche der Revolutionen ist, beinhaltet bekanntlich
auch, daß die Bourgeoisie selbst als revolutionäre
Klasse lange abgetreten ist. Seit mehr als hundert Jahren ist sie
zu allerhand konterrevolutionären Kompromissen mit allen
möglichen Klassen gezwungen, die auch spezielle ökonomische
Formen annehmen (z.B. Grundrente).
Wann wäre die Bourgeoisie denn
jemals dasjenige gewesen, als welches sie heute lange
abgetreten ist? Wann hätte sie nicht zu
konterrevolutionären Kompromissen geneigt? Wann mußte
sie nicht von den unteren Volksklassen, der Plebs, den Vor-
bzw. embryonalen Entwicklungssstufen des Proletariats zum Jagen
getragen, zu ihrem Glück gezwungen werden? Und andererseits:
Wann hätte sie aufgehört, jener willenlose und
widerstandslose Träger der Kapitalakkumulation zu sein,
deren revolutionierende Wirkung auch heute offenbar noch so
ungebrochen ist, daß sie allenfalls abgeschwächt
werden kann?
Der Imperialismus ist einerseits ein solcher
konterrevolutionärer Klassenkompromiß (angesichts der
Bedrohung durch den revolutionären Klassenkampf wird ein Teil
der Lohnabhängigen ruhiggestellt), andererseits
eine ökonomische Form, durch die die revolutionierende
Wirkung beschleunigter Kapitalakkumulation für bestimmte
Kapitalgruppen zeitweise abgeschwächt wird (Monopolprofit).
Hier scheint mir ein wirklich
eigenständiger, neuer Gedanke aufzublitzen. Mir
fehlt darin aber der internationale bzw. globale
Gesichtspunkt, ohne den das Wort vom Imperialismus keinen Sinn
macht. Andererseits wäre herauszuarbeiten, daß jener
Kompromiß Macht auch auf seiten der
Arbeiterklasse voraussetzt. Mit einer ohnmächtigen
Arbeiterklasse schließt die Bourgeoisie keinen Kompromiß.
Macht schöpft aber die Arbeiterklasse, die nichts ist, wenn
sie nicht revolutionär ist, nur aus ihrer Revolution.
Insofern ist der
Imperialismus nicht bloß materielle Grundlage für die
Entstehung einer breiten lohnabhängigen (!) Mittelschicht
(etwas das Marx bereits bei seiner Analyse des relativen Mehrwerts
und der Entwicklung des Fabriksystems als Möglichkeit
erkannte), und damit einer breiten Schicht von Kleinbürgern
und Lohnabhängigen, die ihr imperialistisches
Kapital und dessen Staat aus materiellem Eigeninteresse
verteidigen. Er ist auch materielle Grundlage dafür, daß
bürgerliche Politik systematisch Wurzeln in bestimmten
Teilen der Arbeiterklasse schlagen kann.
Das systematisch ist
ausgezeichnet. Jedoch müßte die Systematik noch
weitergetrieben werden: in der Richtung, die in These III
eingeschlagen wird.
Daß das Kapital diesen Teilen der Arbeiterklasse
Mitbestimmung über geregelte Bedingungen des
Verkaufs und der Erhaltung des Werts ihrer Arbeitskraft zugesteht,
also die absolute Mehrwertrate
Ich kenne den absoluten Mehrwert
(Mehrarbeit, nicht an ihrem Verhältnis zur notwendigen Arbeit
gemessen, sondern nach ihrer absoluten Größe), aber
eine absolute Rate (wovon auch immer), nämlich das Verhältnis
zweier Größen, ist das nicht eine contradictio in
adjecto?
zeitweise unverändert läßt, und sich
für die Verbesserung ihrer Verwertungsbedingungen auf die
Steigerung des relativen Mehrwerts konzentriert, ist reale
Grundlage für langanhaltende Illusionen in diese Regelungs-
und Mitbestimmungs-Mechanismen.
[
] Wenn in dieser Situation große Teile
der Klasse Illusionen in die Rückkehr zum alten
Sozialpartnerschaftssystem haben, so ist dies im Fall der
deutschen Arbeiterklasse nicht eine besondere Anfälligkeit
für eine faschistoide Standortideologie.
Hat das jemand gesagt? Bei mir wird
der Zusammenhang jedenfalls gerade andersherum aufgemacht: Das
Befangenbleiben in jenen Illusionen macht anfällig
für Rassismus etc.
[
] Es ist heute schließlich nicht einmal
ausgeschlossen, daß die Sozialpartnerschaft für
eine nicht zu kurze Zeit sogar für bestimmte, noch
eingegrenztere Schichten der Arbeiterklasse fortgeführt
werden kann. Zu sagen, daß dies nach 1989 unmöglich
sei, heißt, dem Imperialismus mehr oder weniger seinen
Zusammenbruch prognostizieren (was die Linke auch schon ziemlich
lange tut).
die Linke will schon
lange nichts mehr von irgendeiner Zusammenbruchstendenz des
Kapitalismus (Imperialismus) wissen, weshalb es denn auch zu
genügen scheint, etwas zur Zusammenbruchstheorie
zu stempeln, damit es als abgeurteilt gelte, und ganz unnötig
darzulegen, was denn an dergleichen falsch sei.
So war es auch nicht die faschistische
Volksgemeinschaft, die die Voraussetzung für den
Sozialstaat in seiner Nachkriegsform schuf. Dies wird um so
absurder je mehr man vergleichbare internationale Beispiele
heranzieht.
Von einer faschistischen
Volksgemeinschaft ist bei mir nicht die Rede, sondern von der der
Nazis. Die war unabdingbar verknüpft mit der
terroristischen Liquidierung der Kommunistischen Partei in
Deutschland. Was von ihr die Nazis, den Krieg und Stalin
überlebte, war nur noch ein Schatten seiner selbst, hatte von
der revolutionären Diktatur des Proletariats zum Sturz der
bürgerlichen Klasse sich vollends zur antifaschistischen und
antimonopolistischen Demokratie gerettet. Im Gefolge ihrer
vernichtenden Niederlage in Deutschland hatte die KI bereits
während des Krieges nach und nach jeden Rest ihres
revolutionären Programms kassiert, sich auf den Boden der
bürgerlichen Demokratie gestellt und schließlich
aufgelöst. Und diese mit dem Sieg der Nazis in Deutschland
eingeleitete vollständige Abdankung des revolutionären
Kommunismus soll im Ernst nicht eine wichtige Voraussetzung
für den Sozialstaat in seiner Nachkriegsform gewesen
sein, zu dessen Modell am Ende kaum ganz zufällig
nicht die USA, sondern das Deutschland der 60er und 70er Jahre
avancierte?
Im übrigen: Indem die Kritik
die Entwicklung in Deutschland mit Beispielen aus
anderen Weltgegenden vergleicht, hat sie schon wieder ihren
Gegenstand verfehlt, in dessen These III Deutschland ausdrücklich
nicht als Beispiel, sondern Ort einer epochalen
Entscheidung behandelt wird. Das dürfte die Kritik
selbstverständlich falsch finden, aber dafür hätte
sie es zunächst zur Kenntnis zu nehmen.
Vor dem ersten Weltkrieg spielten
die Arbeiterbewegung in Deutschland und namentlich die SPD die
Rolle der unbestrittenen Vorhut der internationalen
Arbeiterbewegung. Indem die Mehrheit der SPD imperialistische
Kriegspartei wurde, besiegelte sie daher auch das Schicksal der
II. Internationale. Die eine internationale
Arbeiterbewegung gibt es seither nicht mehr, sie wurde in
doppelter Hinsicht gespalten: Sie zerfiel einerseits in ihre
verschiedenen nationalen Abteilungen, die, was ihre
internationalen Beziehungen angeht, ein bloßes Anhängsel
ihre jeweiligen Bourgeoisien bilden, andererseits spaltete sie
sich in diesen je national orientierten und einen weiterhin
internationalistischen Flügel. Ob eine solche
internationalistische Tendenz sich behaupten konnte, hing wiederum
entscheidend davon ab, daß er sich in Deutschland zur
selbständigen Partei fortbildete. Nach der SU stellte
Deutschland die wichtigste Sektion der KI (Deutsch war deren
offizielle Verkehrssprache).
Mit Ende des 2.Weltkriegs war es
gar
nicht ausgemacht, daß angesichts der Diskreditierung des
Imperialismus durch den Faschismus, ähnliche Formen des
Klassenkompromisses wie in den USA auf die anderen
imperialistischen Staaten ausgedehnt werden könnten.
Diskreditiert (bei wem
auch immer) durch die Nazibarbarei war nicht der
Imperialismus, sondern allenfalls der mit ihr paktierende
deutsche Imperialismus. Der US-Imperialismus hingegen hatte
als antifaschistische Kraft eher einigen Kredit gewonnen. War also
nicht vielmehr diesem Umstand die relativ erfolgreiche Adaption
einiger sozusagen amerikanischer Komponenten des
Klassenkompromisses vor allem in den fünfziger Jahren
geschuldet? (Freilich darf auch dabei nicht übersehen werden,
daß Klassenkompromiß in Europa und
namentlich in Deutschland aufgrund seiner ganz anderen
Vorgeschichte etwas ganz anderes ist als in den USA.)
In einigen Ländern, wie Italien, Frankreich,
Griechenland gab es im Grunde revolutionäre Situationen, die
mit freundlicher Unterstützung des Fortwesers und des
US-Imperialismus mehr oder weniger gewaltsam beseitigt wurden.
Hat die Kritik hier die freundliche
Unterstützung der einheimischen Kommunisten oder
vielleicht nur mitzuteilen vergessen, daß sie auch mit
meiner These, es sei der eigene Hang zur nationalen
Versöhnung gewesen
, der die Chefs der westlichen
Kommunisten dazu trieb, sich Stalin zu unterwerfen, nicht
einverstanden ist.
Aber ich bin ja durchaus bereit,
auch die eigenen Verdienste des westlichen Proletariats an seinem
komfortablen Kompromiß mit seinen Bourgeoisien zu würdigen.
Und selbstverständlich gibt es nichts zu deuteln an der
konterrevolutionären Rolle der Arbeiterstaaten in diesen
Auseinandersetzungen. Daß beispielsweise der von den USA
geführte Imperialismus in den 60er Jahren vom Kalten Krieg
zur sogenannten Entspannungspolitik überging, dürfte
z.T. gerade damit zusammengehangen haben. Zuletzt der Mai 1968 in
Frankreich hatte bewiesen, daß der Vulkan proletarischer
Rebellion auch im Westen unter der Kruste demokratischer
Befriedung aller sozialen Gegensätze, die sich dort gebildet
hatte, keineswegs endgültig erkaltet war. Stalins Epigonen
erwiesen sich auch in diesem Fall, wie unzählige Male zuvor,
als zuverlässige Feuerwehr und machten sich so dem
bürgerlichen Westen eine Zeitlang ziemlich unentbehrlich, der
das im August desselben Jahres mit seinem Stillhalten bei der
Invasion der Truppen des Warschauer Pakts in die CSSR auch
unmißverständlich anerkannte.
Dennoch bleibt es eine Tatsache, daß
derjenige Teil des westlichen Proletariats, der die geringste
Neigung zur Rebellion an den Tag gelegt hat, mit dem
komfortabelsten Kompromiß belohnt worden ist. Und das ist
kaum anders als damit zu erklären, daß es den
kapitalistischen Frontstaat behaust hat und das verstaatlichte
Proletariat unmittelbar jenseits der Front dieselbe Sprache
sprach.
Nicht: der Sozialstaat war Reaktion auf das
Weiterbestehen stalinistischer Staaten sondern: Sozialstaat
und Koexistenz mit degenerierten Arbeiterstaaten war
die Form, in der der Kapitalismus das Kräfteverhältnis
der Klassen nach dem Krieg stabilisierte,
Welches Kräfteverhältnis
der Klassen aber war es denn, das der Kapitalismus
da stabilisierte, welche Kräfte waren darin wie
verteilt? Stellte die behauptete Existenz des Arbeiterstaats,
seines Monopols auf Industrie und Handel in seinem unmittelbaren
Machtbereich, eine jener Kräfte dar, mit denen
die besitzenden Klassen zu rechnen hatten? Wenn ja: War dann der
Sozialstaat nicht Reaktion auf diese Kraft, nicht eine
bestimmte Form, mit dieser Kraft kapitalistisch zu rechnen? Wenn
nein: Was hätten die stalinistischen Regime zur
Stabilisierung des Kapitalismus beigetragen, das dieser nicht aus
sich selbst zuwege gebracht hätte?
um zu einer neuen Phase beschleunigter Akkumulation
anzusetzen. (Insofern formuliert D.D. in These 11 teilweise
richtig: Sozialstaat und Realsozialismus waren das späte
und ziemlich vergängliche, doppelgesichtige und doch
zusammengehörige Resultat... von Oktoberrevolution und
gescheiterter deutscher Revolution.) Die konterrevolutionäre
Rolle des Stalinismus im Weltmaßstab trug entscheidend zur
Stabilisierung des Imperialismus nach dem Krieg bei und die
Sowjetunion wurde zu einem Pfeiler der geordneten
Verhältnisse im Weltmaßstab, vergleichbar mit dem
Ordnungsfaktor Gewerkschafts- und
Betriebsratsbürokratie im nationalen Maßstab.
Sehr richtig. Aber als
Ordnungsfaktor funktionieren auch die Gewerkschaften nur, sofern
in ihnen wirklich sich die Klasse organisiert, die sie zur Ordnung
rufen und so um die Früchte ihrer organisierten Klassenmacht
bringen. Nur wo sich eine solche Macht bereits in der Waagschale
befindet, entsteht überhaupt Bedarf, daß jemand sich
ihrer annimmt, um sie durch Zerstreuung zu erleichtern. So also
auch der Arbeiterstaat: Repräsentierte er keine proletarische
Klassenmacht, könnte er auch nicht diese zur bürgerlichen
Ordnung rufen, ihr die imperialistischen Zügel anlegen. Tut
er aber, was sein bürgerlicher Beruf ist, hindert sie also an
ihrer revolutionären Entfaltung, ruiniert er sie auf Dauer
und wird damit wiederum überflüssig. Er ist daher in
jeder Hinsicht ein an sich selbst prekäres Übergangsphänomen.
das Nachkriegs-Akkumulationsmodell
Dieses Modell nervt als
ein solches nun schon eine ganze Weile in diesem Text und will
offenbar gar nicht damit aufhören. K.H. hat dazu in seinen
Anmerkungen zur Debatte geschrieben: Was Modell und Projekt
zu Allerweltsbegriffen gemacht hat, ist, daß darin
historische Prozesse um ihren Eigensinn gebracht, nach dem Muster
der ihre Zwecke bewußt setzenden Ratio uminterpretiert
werden. (Kommunistische Streitpunkte Nr.2, S. 8)
Das intensive Produktivitätswachstum, das
mit den entgegenwirkenden Ursachen zum Profitratenfall einherging,
Wer oder was wirkte hier wem
entgegen und ging womit einher? Die Ursachen, die dem
Profitratenfall entgegwirken, sind dieselben, die auch
ihn bewirken. Daher ja ist der Fall nur Tendenz.
konnte von den behäbigen, bürokratisch
verwalteten Produktionsapparaten, die höchstens auf extensive
Wachstumssteigerung ausgerichtet waren,
Möchte die Kritik, die hier
vielleicht nicht zufällig in den volkswirtschaftlichen Jargon
fällt, damit etwa behaupten, der Osten sei bloß auf
Mobilisierung von immer mehr Arbeit ausgerichtet
gewesen, nicht aber darauf, deren Produktivität zu
steigern?
nicht mitgehalten werden. Damit gerieten die Staaten
des Comecon in den Strudel von Verschuldungskrise, Zurückbleiben
in der Weltmarktkonkurrenz, Verteuerung der Technologie-Importe,
realer Entwertung der eigenen Währung, etc.. Also allem
möglichen, das das Staatsmonopol der industriellen Produktion
und des Außenhandels in Frage stellte.
Starker Tobak! Das Staatsmonopol
steht natürlich zunächst, wie ich insbesondere in These
VII gezeigt habe, immer in Frage: Es verneint
die kapitalistische Form der Produktion, insofern es ihren
immanenten Endpunkt bildet, ist aber als dieses Ende zugleich
selbst noch kapitalistische Form Übergang eben
aus dem Kapital zum Nichtkapital und als solcher Übergang
nach beiden Seiten ebenso verneinend wie seinerseits von beiden
verneint. Dem Kapital steht es als Nicht-Mehr-Kapital, dem
Nichtkapital, der kommunistischen Weise des Produzierens, als
Immer-Noch-Kapital gegenüber.
Es steht also in zweierlei Hinsicht
in Frage, und zwar so, daß die beiden Hinsichten sich
gegenseitig ausschließen. Die kommunistische Negation
des Staatsmonopols schließt seine Negation durch den
Kapitalismus aus, d.h. seine kommunistische Bejahung diesem
gegenüber ein, und ebenso umgekehrt.
Von welcher Seite sieht nun aber die
Kritik hier das Staatsmonopol über das Maß hinaus in
Frage gestellt, das es sozusagen von Natur aus mitbringt? Wodurch
stand z.B. das Außenhandelsmonopol in den achtziger Jahren
stärker in Frage als etwa in den zwanzigern? Läßt
nicht die Kritik hier durchblicken, daß sie eigentlich auch
Anhänger des Sozialismus in einem Land ist, den sie nur nicht
Sozialismus, sondern lieber Übergangsgesellschaft
nennen möchte? daß sie an ein an sich nicht in Frage
stehendes Staatsmonopol ohne Verschuldungskrise,
Zurückbleiben in der Weltmarktkonkurrenz, Verteuerung der
Technologie-Importe, realer Entwertung der eigenen Währung,
etc. glaubt?
Die Existenz von stagnierenden Arbeiterstaaten
Stagnierend?
Nicht dieses abgegriffene, inhaltsleere Wort! stablisierend
wäre hier passend, weil den Vorteil besitzend, zu weiteren
Überlegungen hinzuführen, die in der Tat in meinen
Thesen kraß unterbelichtet bleiben. Habe ich das Gewicht
darauf gelegt, das Doppelgesicht Arbeiterstaat
von seinem revolutionären Ursprung her zu beleuchten, der
sich schließlich verbraucht hat, so wäre hier
Gelegenheit, herauszuarbeiten, wie sich auch seine
konterrevolutionäre, den Kapitalismus stabilisierende
Funktion schließlich dadurch erledigt hat, daß dieser
in eine Phase erneuter umfassender Umwälzung seiner selbst
eingetreten ist.
in einem in die Krise geratenen Weltkapitalismus wurde
zu einem unhaltbaren Widerspruch. Andererseits stellt der
Zusammenbruch dieser Staaten noch keine grundlegende Verschiebung
im Verhältnis der Klassenkräfte zugunsten der
Bourgeoisie dar, solange diese nicht die wesentlichen Elemente der
Krise der Akkumulation ihres Kapitals lösen kann.
Marx lehrt, daß das Kapital
seine Krisen löst, indem es die Elemente der nächsten
entwickelt.
Im Gegenteil, dieser Zusammenbruch bringt der
Weltbourgeoisie neue Probleme durch den Wegfall eines wesentlichen
Stabilitätsfaktors, so wie auch die Angriffe auf den
Sozialkompromiß neue Klassenkampfgefahren für sie
heraufbeschwören alles keine günstigen
Bedingungen für den ruhigen Gang der Akkumulation.
Was die Ruhe betrifft,
ist vor allem das Kapital sich selbst keine günstige
Bedingung. Zum Wegfall des Stabilitätsfaktors
heißt im Abschnitt XII (Im Westen nichts Neues?):
Verfall und schließliche Abräumung des
ersten Arbeiterstaates (samt seiner Ableger)
haben vor
allem in das scheinbar so festgefügte, behäbige Kartell
arbeiterbürokratischer Macht ein irreparables Loch gerissen,
das die Arbeiterklasse dazu zwinge, in der revolutionären
Richtung die Kraft zu suchen, die sie zur Verteidigung
Lebensinteressen braucht. Und ebenda in Abschnitt X zu den neuen
Klassenkampfgefahren: Die Bourgeoisie hat die alten
Bedingungen des Kompromisses mit dem Proletariat, von dem sie sich
nährt, nicht ohne Not aufgekündigt; nicht weil sie etwa
auf jeden Kompromiß verzichten will oder es auch nur
könnte. Die Kritik müßte sich also schon
etwas näher dahin erklären, ob bzw. inwiefern sie mit
ihren Ausführungen zu diesem Punkt den Thesen widerspricht
oder sie vielmehr bekräftigt.
Fazit: Die Geschichte dieses Jahrhunderts kann nicht
nur aus einem revolutionären Ereignis gelesen werden,
Wer hätte denn das getan? Zum
ersten. Und zweitens: Macht es etwa besser, wer die Geschichte
dieses Jahrhunderts in eine Ansammlung von Beispielen
auflöst?
so zentral dies auch immer war. Es muß der
Zusammenhang von Klassenkampf, sowohl in seinen revolutionären
wie auch vor-revolutionären Formen
Es ist zu überlegen, ob nicht
solcherart gedankenlose Rede von vor-revolutionären
Formen (historisch immerhin nach einer ganzen Reihe
von Revolutionsversuchen, aber ohne irgendeine Garantie, daß
wir tatsächlich vor weiteren stehen) eines
angeblichen Klassenkampfes nicht ein gerüttelt
Maß Schuld daran trägt, daß der Klassenkampf
lange Zeit linksradikal unten durch war und in seiner
heutigen kleinen Renaissance meist nur noch ein Mißverständnis
darstellt.
mit der jeweiligen Periode von Akkumulationszyklen des
Kapitals dargestellt werden und dies unter den Bedingungen des
Kapitalismus in seiner imperialistischen Epoche.
Daß zur Geschichte dieses
kapitalistischen Jahrhunderts unbedingt die im engeren Sinne
ökonomische Geschichte des Kapitals dazu gehört,
wer wollte das bestreiten. Bestreiten möchte ich allerdings,
daß einer solchen Aufgabe meine Thesen im Weg stünden,
die doch die kritische Auffassung dieser Ökonomie explizit
(Abschnitt II) zur Grundlage haben.
Einerseits ist in dieser Epoche der Klassengegensatz
an sich und seine auch vor-revolutionären Äußerungen
Grundlage für zeitweise Befriedung von Sektoren der
Arbeiterklasse in Sozialkompromissen, und damit Grundlage für
eine Phase von Akkumulation, die hauptsächlich auf der
Steigerung des relativen Mehrwerts beruht.
der Klassengegensatz an sich
ist schon sehr hübsch, vor allem als Grundlage für
zeitweise Befriedung von Sektoren der Arbeiterklasse. Noch
hübscher jedoch: nach der Oktoberrevolution seine
auch vor-revolutionären Äußerungen zu
notieren.
Im übrigen: beruht
nicht das Kapital überhaupt hauptsächlich auf der
Steigerung des relativen Mehrwerts?
Andererseits muß ein solcher Akkumulationszyklus
in einer weltweiten Überakkumulationskrise enden, die damit
den Klassenfrieden in Frage stellt, revolutionäre Krisen
heraufbeschwört, etc.. Gelingt es dem revolutionären
Proletariat nicht, diese Krise in revolutionärer Weise zu
lösen, wird der Imperialismus jeweils
Diese kleine Wort an dieser Stelle
offenbart eine ganze Philosophie: Die Geschichte eine Sammlung
Beispielen oder auch fortwährend
vorübergehenden Gelegenheiten, bei denen sich nur fragt, wann
wir genug davon gesehen haben, um endlich eine beim Schopfe zu
packen.
in der Lage sein (nach welchen Aktionen zur
Vernichtung von Überschußkapital auch immer) einen
neuen Klassenkompromiß zu finden, um seine
Kapitalakkumulation wieder in ruhigere Bahnen zu lenken.
Der Unsinn der ruhigen Bahn
der Akkumulation, hat es der Kritik offenbar schwer angetan.
Insofern kann der Kapitalismus das Proletariat zwar
wie die Thesen sagen nicht endgültig besiegen, sehr wohl ihm
aber strategische Niederlagen beibringen, die die Revolution als
die entscheidende objektive Antwort auf die Probleme der Klasse
wieder auf Jahre zu verschieben zwingen.
Sehr sinnig, wie es dem
selbsternannten Anwalt des Subjekts, der bewußten Tat gegen
den bloßen Zwang der Objektivität passiert, daß
letztere (der Kapitalismus) sich in seiner Rede
immerzu personifiziert.
Dies führt zu der falschen Perspektive,
daß mit dem Untergang des Stalinismus und dem angeblich
bereits geschehenem Kassieren des Sozialstaats eine Epoche von
Kämpfen bereits vorbei sei, statt zu sehen, daß der
Zusammenbruch und der Angriff auf den imperialistischen
Sozialkompromiß Elemente einer neuen Periode von Kämpfen
sind, deren Höhepunkt erst vor uns, nicht hinter uns liegt.
Zentrales Selbstmißverständnis:
eine neue Periode von Kämpfen setzt ja wohl
voraus, daß eine alte zu Ende gegangen, gerade vorbei ist.
[
]
Es wird nicht deutlich, ob die Errichtung des
Staatsmonopols an der industriellen Produktion und des
Außenhandels die einzigen qualitativen Änderungen
darstellen sollen, solange nicht die kapitalistische
Umgebung zum Verschwinden gebracht wurde.
Von irgendeinem Sollen
ist da natürlich nirgendwo und schon gar nicht in diesem
Zusammenhang die Rede.
Wie Marx im Kapital insbesondere im Abschnitt über
die Pro-duktion des relativen Mehrwerts ausführt,
geschieht die Vergesellschaftung im kapitalistischen Arbeitsprozeß
in einer reaktionären Form.
Wirklich reaktionär,
nicht vielmehr gegensätzlich?
So erwächst die besondere Form der Leitung und
Kontrolle des Arbeitsprozesses nicht bloß aus dessen
kooperativer Form, seine Doppelnatur als Verwertungsprozeß
erfordert, daß der Einzelarbeiter als willenloses, seine
Zwecke nicht bestimmendes Rädchen im Gesamtprozeß der
Kapitalverwertung zu funktionieren hat, und daher einem strikten
Despotismus, einer bestimmten Form von
Arbeitsdisziplin unterworfen wird, die von einem Heer von
Aufsehern, Unteroffizieren, etc. überwacht wird (siehe MEW
23, S. 350f.).
Das erwächst eben nicht nur aus
seiner (des kapit. Produktions-, nicht Arbeitsprozesses)
Doppelnatur als (auch) Verwertungsprozeß.
Oder genauer: Diese Doppelnatur erwächst ihrerseits aus dem
transitorischen Charakter der kapit. Produktionsweise; daraus, daß
in der vorgefunden Form zersplitterter, zwergenhafter Produktion
mit individuell beherrschbaren Produktionsmitteln ein ganz
gegenteilige, zentralisierte, riesenhafte Produktion mit Mitteln,
die nur in Kooperation auf großem Maßstab beherrschbar
sind, entwickelt. Diejenigen Tätigkeiten, in denen
kapitalistisch der sie ausführende Einzelarbeiterals
willenloses, seine Zwecke nicht bestimmendes Rädchen im
Gesamtprozeß funktioniert, ändern ihren Charakter
nicht dadurch, daß der Verwertungszwang fortfällt. Sie
müssen entweder selbst fortfallen oder jedenfalls in ihrem
Umfang für jedes Individuum radikal reduziert werden, damit
diese aufhören bloße Rädchen zu sein.
Es hilft auch nichts, wenn dieselben Tätigkeiten in einen
Gesamtplan eingebettet sind, der in demokratischer Beratung
aufgestellt wurde. Ob es ein großes demokratisches Palaver
im Arbeiterrat gewesen ist, dem ich auch noch selber meine
kümmerliche Freizeit zum Opfer gebracht habe, oder die
Direktive irgendwelcher Apparatschiks, das dürfte mich am
Ende herzlich wenig interessieren, wenn ich dann plangemäß
am Fließband meine 6 oder 7 Stunden mit Schräubchendrehen
abreiße. Die Sache mit den Apparatschiks hat sogar den
Vorteil, daß sie unverblühmter, weniger theatralisch
und daher weniger aufwendig für mich zum selben Resultat
führt.
Die Wirkung des Verwertungszwangs
muß anders durchleuchtet werden: Inwiefern sie den Fortfall
solcher subalternen Tätigkeiten verhindert, diese aus sich
heraus perpetuiert, also der in Logik der
Produktivkraftentwicklung liegenden Tendenz
entgegenarbeitet, daher ihre Schranke ist.
[
]
Diese lohnabhängigen Mittelschichten
nehmen also eine widersprüchliche Klassenposition ein, die
sie jedoch in normalen Umständen durch Privilegierung und
Position in der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit in zentralen
Konflikten auf die Seite des Kapitals stellt.
Wenn das so apodiktisch stimmte,
dann können unser revolutionäres Projekt ein für
allemal begraben. Hier wäre statt dessen m.E. programmatisch
jede Prophetie zu unterlassen.
[
]
Wenn daher im Hintergrundpapier von D.D.
formuliert wird, daß das Staatsmonopol über die
industrielle Produktion auch durch die besten rätedemokratischen
Sicherungen (S.
)
vor Degeneration angesichts des Fortbestehens einer
kapitalistischen Umgebung nicht gesichert werden, kann
Vom Sichern des
Staatsmonopols gegen Degeneration ist bei mir
gar nicht die Rede, sondern vom mißlichen
Zwitterstatus des revolutionären Arbeiterstaats: daß
darin das Proletariat, das den Kapitalismus loswerden muß,
sein eigener (monopolistischer) Kapitalist sei.
so ist dies im besten Fall mißverständlich
(da dies der einzige Bezug auf Rätedemokratie ist): Eine
massenhafte, räteähnliche Selbstorganisation der
Arbeiterklasse ist im Allgemeinen notwendige Bedingung für
die Möglichkeit der Errichtung eines Staatsmonopols über
die industrielle Produktion (daß planwirtschaftliche
Strukturen in Osteuropa und der DDR unter der Bedingung der
sowjetischen Militärdominanz ohne eine solche Basis zustande
kommen konnten widerspricht nicht dieser Allgemeinheit, sondern
zeigt nur die von Anfang an bestehende Degeneriertheit dieser
Arbeiterstaaten).
Wie der ganze linksradikale
mainstream umgehen hier unsere Trotzkis mit schlafwandlerischer
Sicherheit die Tatsache, daß es die Rätemacht selbst
war, die degenerierte. Und eben diese degenerierte Rätemacht,
nicht etwa irgendein von vornherein und unverbrüchlich
bürgerlicher Staat (dies übrigens eine Kritik der
Spartakisten an der GAM), hat auch das Staatsmonopol der DDR
errichtet.
Würde behauptet, es habe doch
einen regelrechten Staatsstreich, einen Thermidor
gegeben, in dessen Folge die Räte bzw. Sowjets von der
Bürokratie schließlich zerstört worden seien, dann
wäre dem entgegenzuhalten, daß doch die Räte
gerade die Aufgabe gehabt hätten, vielmehr umgekehrt die
Bürokratie zu zerstören, also schon darin, daß
ihnen gegenüber eine solch mächtige und schließlich
übermächtige Bürokratie erwachsen bzw. überleben
konnte, definitiv versagt hätten.
[
]
Sind die meisten Punkte in
den Thesen bzw. Eckpunkten eigentlich Beiträge
zu Theorie und Geschichte des Übergangs zum Sozialismus, so
gibt es wenigsten einen strategische Eckpunkt, d.h. Antwort auf
die Frage der Zielsetzung konkreter revolutionärer Aktivität:
Ausnutzung der Demokratie zur Errichtung der revolutionären
Diktatur einer Assoziation aller vom Produkt ihrer gemeinsamen
Arbeit enteigneten, von ihrer Arbeit entfremdeten Individuen zum
Zwecke despotischer Eingriffe in jene Ordnung des Eigentums ...
(S.
).
Auch wenn hier offensichtlich die Diktatur des
Proletariats als Zielsetzung revolutionärer Aktivität
festgeschrieben wird, bleibt diese Zielsetzung letztlich vage und
mehrdeutig. Nimmt man obige Formulierung zusammen mit den
Bemerkungen über das Staatsmonopol, bei dem Räteorgane
bloß als Schutzfunktionen vor übertriebener
Bürokratisierung erwähnt werden,
Diese Behauptung stellt die Dinge
auf den Kopf: In die Rolle dieser Schutzfunktion
bringen unsere Trotzkis die Räteorgane, während
ich gerade abstreite, daß sie diese überhaupt
wahrnehmen können.
Ausnutzung der Demokratie zur Errichtung der
Diktatur des Proletariats könnte fast ein wörtliches
Zitat von Kautsky sein auch wenn Kautskys Formulierungen
meist nicht so rechts waren (er erwähnte immerhin die
Notwendigkeit gewaltsamen Massenkampfes für die Erringung der
Macht).
Das ist schon eine kleine Frechheit
(wenn es nicht bloß Gedankenlosigkeit ist): In den Thesen
geht es um das Ausnutzen der Demokratie (wir könnten
auch sagen: Anknüpfen an sie), um über sie
hinauszugehen. Kautsky dagegen will die Demokratie beibehalten
und kann sie allein darum nicht radikal zu Ende führen bis zu
jenem Punkt, wo sie aus sich selbst heraus über sich selbst
hinausweist, einerseits positiv, indem sie erstmals Demokratie für
die Ausgebeuteten, Geknechteten, daher mit dieser Ausbeutung und
Knechtung unvereinbar, andererseits negativ, indem sie mit ihrem
Latein am Ende ist, umschlagen muß in die wirkliche,
materielle Aneignung der gesellschaftlichen Produktion durch die
assoziierten Produzenten, die ihr nicht mehr als
gesellschaftlicher Interessenverband gegenüber, sondern in
dieser Aneignung selbst und durch sie vermittelt miteinander
zusammenhängen und sich aufeinander beziehen.
Ein kommunistisches Programm, das die Zielsetzung der
Diktatur des Proletariats, bzw. der Errichtung eines
Arbeiterstaats aufstellt, muß angesichts der strategischen
Spaltungen der Arbeiterbewegung nach 1914
Wo könnten wir denn wohl heute
noch der strategischen Spaltungen (!) der Arbeiterbewegung
nach 1914 ansichtig werden? Da ist doch leider!
gar nichts mehr gespalten. Wir haben es vielmehr zu tun mit dem
gemeinsamen strategischen Niedergang der gesamten
Arbeiterbewegung und insbesondere der beiden Flügel,
die aus jener wirklichen und längst konterrevolutionär
aufgehobenen Spaltung nach 1914 hervorgingen.
präziser
fassen, was für eine Art Staat der Arbeiterstaat
ist. In These 7 wird zwar richtig die von Anfang an gegebene
Notwendigkeit des Absterbens dieses Staates abgeleitet; im
Hintergrundpapier: Jeder Staat, auch ein solcher, der von
der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren
Mehrzahl regiert wird, setzt der Emanzipation Schranken, die
diese früher oder später niederreißen und
überschreiten muß, will sie sich selbst treu bleiben
(S.
). In Folge wird jedoch nur dargelegt, wieso die
Arbeiterklasse immer noch einen Staat braucht:
Nicht wieso, sondern
inwiefern.
[
]
Je mehr die vom Kapitalismus übernommene
Form der Vergesellschaftung von Arbeit, mit ihrer Konzentration
von Leitungs-, Denk- und
Gewalt-Funktionen auf eine kleine Zahl
abgesonderter Institutionen und Organe durch eine neue Form der
gesellschaftlichen Arbeitsteilung ersetzt werden, desto mehr
verlieren die Funktionen der Staatsmacht die Rolle der Regierung
von Menschen und werden zu Funktionen der Verwaltung von Sachen.
Kommunismus zielt nicht auf eine
neue Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, sondern auf
die Aufhebung jeder Form der Arbeitsteilung, so gehts
schon mal los. Des weiteren ist ja schon lange nicht mehr
wahr, daß die Leitungs-, Denk-
und Gewalt-Funktionen konzentriert wären
bei Institutionen und Organen, die klein
an Zahl und äußerlich abgesondert wären.
Die Zahl ist vielmehr mittlerweile riesengroß und wachsend,
dagegen schrumpft die Zahl der Einrichtungen bzw. Unternehmungen,
in denen wirklich noch hauptsächlich unmittelbar produziert
wird. Entsprechend massenhaften Charakter hat auch das Personal
angenommen, das mit jenen Leitungs-, Denk-
und Gewalt-Funktionen betraut ist. Das
wirkliche Leiten, Denken und Gewaltausüben, d.h. die Ausübung
gesellschaftlicher Hoheitsfunktionen, ist längst ganz
praktisch jeder persönlichen Kontrolle so gründlich und
unwiderruflich entwachsen, daß es selbst nur mehr in der
Kombination vieler einfacher Funktionen durchgeführt werden
kann.
Der entscheidende Punkt hier
umgangen: Die neue Form der gesellschaftlichen
Arbeitsteilung bedeutet eben im Kern die Aufhebung der
privaten Form des Kommandos über die gesellschaftliche
Arbeit. Nicht irgendwelche an bestimmten Personen oder
Institutionen festzumachenden Eigenmächtigkeiten,
Privilegien, Sondervollmachten oder dergleichen entziehen das
Ganze des gesellschaftlichen Zusammenhang der Kontrolle der diesen
Zusammenhang bildenden Individuen, sondern die verkehrte Form
dieses Zusammenhangs selbst, die ihn nicht als den bereits
hergestellten, daher immer schon vorauszusetzenden
wirklichen Zusammenhang der Individuen erscheinen läßt,
sondern als einen in einem fort äußerlich erst
herzustellenden Zusammenhang von lauter an sich gar nicht
miteinander zusammenhängenden Privatmenschen. Und dieser
Anschein der Form des Zusammenhangs ist einerseits falsch,
insofern die (stetig wachsende) Masse der Individuen in ihrer
Arbeit tatsächlich nicht als Private miteinander
verkehren, es gar nicht können, bzw. soweit sie dies tun,
beständig der Voraussetzung wirklicher Privatheit, dem
Eigentum an eigener oder fremder Arbeit verlustig gehen.
Anderseits ist der Zusammenhang dennoch wirklich der
Zusammenhang zwischen Privateigentümern, insofern er im
ganzen tatsächlich usurpiert ist von Privaten, die aus
diesem tätigen Zusammenhang selbst als seine blanke Negation
herausfallen und daher zugleich beständig ihn zwanghaft
destruieren bzw. seine Produktivität in Destruktion
verwandeln.
[
]
Richtig ist natürlich, daß ein Kampf um ein
einzelnes Thema nur dann Klassenkampf im eigentlichen Sinn ist,
wenn er als Kampf der Gesamtklasse gegen die Gesamt-Bourgeoisie,
letztlich als Kampf um die Macht geführt wird. Doch wenn DD
formuliert Wenn solche Kämpfe ... sich nicht dahin
entwickeln, ... bleibt zu fragen, wie sollen sie sich
eigentlich dahin entwickeln. Im Rest der These liest sich dies
eher wie ein Ultimatum: Entweder ihr führt euren Kampf als
Kampf um die Diktatur des Proletariats oder euer Kampf ist
eigentlich im Kern rassistisch und faschistisch und wird daher von
uns ignoriert.
Da wäre zunächst einmal zu klären, wer der Adressat
(ihr) der Ausführungen einerseits in meinem Text
und andererseits in dieser Kritik daran denn ist. Erstere wenden
sich erklärtermaßen an die Revolutionäre,
an uns selbst also. Die Kommunisten, heißt
es bei mir, sollten unterlassen, dem Gespenst der Verteidigung
eines Sozialstaats hinterherzujagen, dessen
Voraussetzung unwiderbringlich dahin sind. Auf deutsch: Sie
sollten aufhören, der nichtkommunistischen Masse des
Proletariats unrealistischen Scheiß zu erzählen, den
ihnen sowieso niemand mehr abnimmt. Ich behaupte ja, daß
sich die nichtrevolutionären Proleten viel weniger Illusionen
machen als die Revolutionäre selbst und gerade deshalb so
wenig Neigung zu Klassenkampf zeigen, daß sich also die
Revolutionäre nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe befinden.
Das Ultimatum, das die
Kritik da herausgelesen hat, richtet sich darum an die
Revolutionäre: Entweder ihr versteht es, die ausgebeutete
Klasse in den Auseinandersetzungen ums Teewasser starkzumachen,
und ihr macht sie nur stark, wenn ihr den Klassencharakter
dieser Auseinandersetzungen herausarbeitet, wenn ihr in ihnen
die Notwendigkeit und auch Möglichkeit des Kampfes der
Gesamtklasse gegen die Gesamt-Bourgeoisie entwickelt, der
letztlich als Kampf um die Macht zu führen ist,
oder die Ohnmacht der Klasse, die ihr dann mitzuverantworten habt,
wird sich reaktionäre Kompensation suchen, z.B. in
rassistischen Parolen. Wo steht da was von ignorieren?
Die Frage, wie sollen sie sich eigentlich dahin
entwickeln, nämlich zum wirklichen Klassenkampf, kann
ich demnach sogleich zurückgeben: In der Tat, wie denn, wenn
die Revolutionäre, die Kommunisten selbst eine solche
Perspektive schon lange nicht mehr vertreten, weil sie glauben
(vorgeben zu glauben), daß sie damit die Massen
überforderten, in Wahrheit jedoch sich selbst überfordert
fühlen.
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