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KOMMUNISTISCHE STREITPUNKTE - Zirkularblätter - Nr. 5 - 10.02.2000 - Onlineversion

Werner Imhof

Zur möglichen Praxis kommunistischer Produktion

- eine Auseinandersetzung mit einigen Vorstellungen über eine „Ökonomie der Zeit"

Lieber Freund,

ich hatte Dir versprochen, den alten "Beitrag zur Perspektivdebatte" vom Januar 96 noch mal nachzulesen und zu kommentieren, genauer: die Ausführungen auf S. 5 und 6 zur Praxis des Als ob und zur Ökonomie der Zeit. Ich gehe die Punkte 1 bis 13 mal kursorisch durch, um deutlich zu machen, wo Konsens und wo Dissens besteht.

Vorweg: Du bezeichnest den "Mehrwert als Differenz zwischen dem Wert der Arbeitskraft und dem Wert der Arbeit, den die Arbeitskraft produziert hat".

Vielleicht nur eine unüberlegte Formulierung, die Du heute nicht mehr wiederholen würdest. Vielleicht aber auch ein grundlegender Irrtum. Deshalb dies: Arbeit hat keinen "Wert", sie selbst ist es, die als Wert(eigenschaft) der Produkte (Waren) erscheint. Statt Wert und Mehrwert in Arbeit und Mehrarbeit aufzulösen, verfährst Du umgekehrt, legst der Arbeit einen "Wert" zugrunde und bringst dann noch die Ebenen durcheinander. Entweder ist von Mehrarbeit als Differenz zwischen der zur Reproduktion der Arbeitskraft notwendigen Arbeit und der insgesamt geleisteten Arbeit zu reden. Oder vom Mehrwert als Differenz zwischen dem Wert der Arbeitskraft (bzw. dem des Produktteils, in dem sich die notwendige Arbeit verkörpert) und dem Wert des Gesamtprodukts. Ich vermute, die Vorstellung eines "Arbeitswerts" ist die Grundlage dafür, daß Du nicht davon loskommst, einen "Inhalt des Werts" auf eine kommunistische Produktionsweise übertragen zu wollen.

Zur Methode des Als ob. Um den Übergang zu kommunistischer Produktion und Verteilung als mögliche Praxis oder praktische Möglichkeit zu simulieren, sind zwei Bedingungen einzuhalten: 1. Die Voraussetzungen, auf denen die Simulation beruht, dürfen nicht willkürlich oder erdacht sein, sondern sind ausschließlich als logische Möglichkeiten aus der (Kritik der) heutigen Realität abzuleiten (was die Reflexion der Bedingungen einschließt, unter denen die logische Möglichkeit praktische Wirklichkeit werden könnte). 2. Die Simulation selbst muß sich auf logisch naheliegende oder mögliche Schlußfolgerungen beschränken, d.h. darauf verzichten, mögliche oder erwünschte Entwicklungen oder Maßnahmen als zwangsläufige darzustellen.

Vorwegnehmend stelle ich schon mal fest, daß Du beide Bedingungen weder einhältst noch reflektierst.

Deine Voraussetzungen: die "Aneignung der Produktionsbedingungen durch die Lohnsklaven und dadurch Enteignung der Enteigner (zumindest in den Metropolen) und Abschaffung des Privateigentums" an den Produktionsmitteln. Die Parenthese finde ich schon zu weitgehend. Ich sehe nicht, warum der Übergang zu kommunistischer Produktionsweise in Europa an den gleichzeitigen Übergang in Nordamerika und Japan (oder SO-Asien) gebunden sein sollte. Aber selbst wenn die Voraussetzungen in den Metropolen gegeben wären, wäre noch ein weiter Weg zu "einer freien globalen Gesellschaft", die Du im Folgenden ja auch selbst wieder relativierst. Im übrigen impliziert die Aneignung der Produktionsbedingungen durch die (ehemaligen) LohnsklavInnen, daß diese sich in geeigneter Weise assoziieren, vereinen oder organisieren. Die Form(en) dieser Assoziation wäre(n) ein Thema für sich. Das Prinzip der Räteorganisation ist m.E. aber keine hinreichende Basis mehr.

Und noch was: Daß die "'Ökonomie der Zeit'" die "adäquate ökonomische Theorie dieser neu zu entwickelnden Gesellschaftsformation" wäre oder zu sein hätte, ist eine selbst nicht begründete Prämisse, die zudem Deiner eigenen Aussage widerspricht, daß es "das rechte Maß für den Verbrauch an natürlichen Ressourcen zu finden" gelte. Eins von beiden: Entweder regiert die "Ökonomie der Zeit" (als Praxis, einer besonderen "Theorie" bedarf es nicht) ohne Rücksicht auf die Begrenztheit der nicht erneuerbaren und die Regenerationsrate der erneuerbaren Ressourcen, also ohne Rücksicht auf die Lebensinteressen der Mit- und Nachwelt - dann würde ich dieser "Gesellschaftsformation" den Titel "kommunistisch" absprechen. Oder die Ökonomie der Zeit hat ihre Grenzen im zulässigen, global verallgemeinerbaren "Naturverbrauch", dann ist sie einer Ökonomie der Nachhaltigkeit untergeordnet.

Eine dritte Einschränkung: Selbst in den entwickeltsten Industrieländern würde die Abschaffung allen Privateigentums an Produktionsmitteln kaum auf einen Schlag möglich sein, würde es Betriebe (in erster Linie kleine) geben, deren Arbeit und Leitung sich nicht sofort direkt gesellschaftlich organisieren ließen. Man kann das aber zunächst außer Acht lassen, um die Eigenarten und Probleme einer kommunistischen (Re-)Organisation der gesellschaftlichen Arbeit erst in "Reinform" zu durchdenken, ehe man auf wahrscheinliche Modifikationen eingeht. Ich meine, man muß es sogar, um überhaupt erst die prinzipielle Orientierung zu klären. Und anders als Daniel behauptet, müssen die Produkte der direkt gesellschaftlichen Arbeit, die gegen die eines privaten Sektors getauscht werden, auch keineswegs Waren- und Wertform annehmen. Aber darüber werde ich mich anderweitig auslassen.

Die vereinten (ehemaligen) LohnsklavInnen haben sich - so die Voraussetzung - also die gesellschaftlichen Produktionsbedingungen angeeignet. Wie sie ihre Freiheit praktisch nutzen könnten, wäre nun aus der Kritik der gegebenen Organisation der gesellschaftlichen Arbeit zu entwickeln. Statt dessen läßt Du sie beginnen mit einer:

Bestandsaufnahme:

1 Erfassung der Zeitfonds, die in Produktion und Austausch verausgabt werden, geordnet entsprechend den Bedürfnissen, die die Gebrauchswerte befriedigen, die in diesen Arbeitszeiten hergestellt werden.

Eine solche Bestandsaufnahme würde aber nach der Aneignung der Produktionsbedingungen überflüssig sein, weil sie eine ihrer Voraussetzungen wäre, nur nicht als Gegenstand "positiver" Datenerhebung, sondern der Kritik.

Eine kommunistische Revolution könnte gar nichts anderes sein als ein Aufstand gegen die Art und Weise, wie der Kapitalismus mit dem (nicht "den", Plural) Zeitfonds der Gesellschaft Schindluder treibt, weil er einen wachsenden Teil der (potentiellen) gesellschaftlichen Arbeitskraft zur Untätigkeit verdammt und verkommen läßt, ihren aktiven Teil nur zu arbeiten erlaubt, um Gratisarbeit zu leisten (wobei ein erheblicher Teil der gesellschaftlichen Arbeit nur dafür draufgeht, die diversen Formwechsel des Kapitals, eben den Austausch, zu realisieren), die einem anderen Teil wiederum ein feines Leben ohne Arbeit gestattet, und weil die Produktion von Gütern und Dienstleistungen eben nicht an den Bedürfnissen aller Gesellschaftsmitglieder (schon gar nicht an den Lebensinteressen der Menschheit und künftiger Generationen) orientiert ist, sondern an der Aufrechterhaltung dieser parasitären Schindluderei.

Was die ehemaligen LohnsklavInnen nach der Aneignung der Produktionsbedingungen bräuchten, wäre nicht die penible Auflistung und Sortierung ihrer bisher aufgewandten (und vergeudeten) Arbeitszeit (das mag die Aufgabe eines Revolutionsmuseums sein), sondern eine Vorstellung davon, wie sie sinnvoller zu verteilen und einzusetzen wäre, also ein revolutionäres Programm. Und wenn sie darüber keinen annähernden Konsens haben, werden sie gar nicht erst zur Aneignung der Produktionsbedingungen kommen. Ein solches Programm als mögliche Praxis zu sondieren, sollte doch wohl der Sinn dessen sein, was Du eine "theoretische Praxis-des-als-ob" nennst. Doch die Praxis, die Du den gerade befreiten ProduzentInnen zumutest, ist weitere Inventurarbeit:

2 Auflistung der stofflichen und energetischen Inputs, der erzeugten Güter und Dienstleistungen, geordnet nach den Bedürfnissen, die durch ihre Konsumtion befriedigt werden.

Die stofflichen und energetischen In- und Outputs sind auch heute schon weitgehend bekannt, sowohl auf betrieblicher als auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Sie zu erfassen, wäre sicher auch Aufgabe einer kommunistischen Gesellschaft, aber nicht als einmalige Bestandsaufnahme, sondern als permanente Buchführung oder Rechnungslegung im Interesse eines effizienten und nachhaltigen Verbrauchs der stofflichen und energetischen Naturressourcen. Sie aber (wie auch die verausgabte Arbeitszeit) nach Bedürfnissen zu sortieren statt wie bisher nach z.B. Produktklassen, Wirtschaftszweigen oder Konsumtionsbereichen, würde wenig Sinn machen, weil Bedürfnisse immer subjektiv bestimmt sind und schwerlich objektivierbare Unterscheidungskriterien hergeben (gleiche Produkte, z.B. PCs, können sehr unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen).

3 Simulation der Wegstrecken, die die Arbeitsprodukte als Waren in der jetzigen überholten Produktionsweise durch die Gegend gekarrt werden.

Auch das ist bereits bekannt und wird auch in Zukunft bekannt sein. Warum also noch simulieren?

Und wozu überhaupt die ganze "Bestandsaufnahme"? Du gibst dafür keine unmittelbare Begründung. Sie ergibt sich aber aus der weiteren Darlegung Deiner Konzeption gesellschaftlicher Planung. Danach soll die "Bestandsaufnahme" "Anfangsdaten" für die "Produktionsplanung" liefern, die - basierend auf einem festgelegten, "bestimmten Konsumtionsbedarf" - die "hierzu notwendige Arbeitszeit ermittelt" und ihre "Verteilung ... auf die einzelnen Zweige des Wirtschaftens sowie unter den Gesellschaftsmitgliedern" regelt. Diese Konzeption ergibt sich allerdings nicht aus der Simulation möglicher gesellschaftlicher Praxis, sondern allein aus Deinem Kopf. Sie ist eine realitätsfremde Gedankenkonstruktion, die auf die unmögliche Praxis einer bürokratisch und zentral geplanten Produktion hinausläuft, in der die ProduzentInnen Objekte einer verselbständigten Planung wären (statt Subjekte ihrer eigenen planvollen Arbeit zu sein), auch wenn Du offensichtlich bemüht bist, ihre Subjektrolle zu retten. In der Unterscheidung zwischen geplanter und planvoller Gesamtarbeit ist der gesamte Dissens zwischen uns enthalten, und der ist alles andere als eine sprachliche Nuance, sondern ein Grundsatzstreit.

Wenn die (direkt und indirekt) Lohnabhängigen sich tatsächlich einmal vereinigen, um sich die Produktionsmittel anzueignen, dann sicher nicht zu dem Zweck, ihren Konsumtionsbedarf erst noch zu bestimmen und Anfangsdaten für ihre weitere Arbeit zu sammeln, sondern weil ihnen eben diese "Anfangsdaten", d.h. die gegebene Organisation, Intensität und Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit, unerträglich geworden sind und weil ihr Konsumtionsbedarf (der unbefriedigte und hoffentlich auch der "überbefriedigte", Ressourcen verschwendende) sie dazu antreibt. Die Reorganisation der gesellschaftlichen Arbeit, ihre Umorientierung und Umverteilung, würde also von vornherein bewußtes Motiv und Ziel ihrer Revolution sein. Die konkreten Ziele und Formen dieser Reorganisation würden abhängen von der konkreten Situation, wenn sie denn kommt, von der Kritik an der bisherigen Organisation der Gesamtarbeit und von ihren eigenen Erfahrungen, die sie im Prozeß der Umwälzung sammeln. Sie würden, wenn sie es denn noch nicht wüßten, schnell merken, daß es unmöglich ist, diesen Prozeß (richtiger: diese Vielzahl ineinandergreifender Prozesse) in einem fertigen und detaillierten Gesamtkonzept mit fixen "Anfangs- und Enddaten" vorherzuplanen. Je nachdem, wie umfang- und folgenreich, wie kompliziert und langfristig die verschiedenen Maßnahmen zur angestrebten Reorganisation der Gesamtarbeit wären, je nachdem würde auch ihre Planbarkeit wechseln, würden die Modi und die Subjekte der Planung unterschiedlich ausfallen (müssen). Alle Planung aber würde grundsätzlich provisorischen Charakter behalten (müssen), immer angewiesen bleiben auf die Lern- und Anpassungsfähigkeit der plan- und verantwortungsvoll kooperierenden ProduzentInnen.

Man braucht doch nur eine einzige Maßnahme der Reorganisation auf ihre praktische Durchführung hin zu simulieren, also zu durchdenken, um zu erkennen, daß die Art und Weise, wie Du die Gesamtarbeit geplant und verteilt sehen möchtest, unmöglich und sinnlos ist. Nimm die "Verteilung der Arbeit auf alle Gesellschaftsglieder". Sie auf alle verteilen zu wollen, ist schon mal eine Gedankenlosigkeit; sie könnte nur auf maximal alle Arbeitsfähigen verteilt werden. Mit einem bloßen Dekret aber wäre das nicht zu realisieren. Die Arbeitsfähigen müßten auch bestimmte konkrete Fähigkeiten und Qualifikationen haben bzw. erwerben, d.h. es wären vielfältige Aus- und Weiterbildungsprogramme und -institutionen zu schaffen, um bisher Arbeitslose, bisherige NichtarbeiterInnen und Leute mit aussterbenden, wegfallenden Berufen tatsächlich arbeitsfähig zu machen. Es könnten auch nicht alle Arbeitsfähigen einfach zur Ausbildung und Arbeit gezwungen werden. Für viele Frauen z.B. wären erst Bedingungen zu schaffen, die sie von der bisherigen Überlastung durch Hausarbeit und Erziehung befreiten. Die Gesamtzahl der in Produktion, Verteilung und Verwaltung zu integrierenden Personen wäre überdies abhängig von der Art und Weise, wie die bisherige Produktions- und Infrastruktur, die Produktionstechnik und Energiebasis und nicht zuletzt der alte Staatsapparat umgewälzt würden, und vom Tempo, in dem die bisherige Zirkulationssphäre in die gesellschaftlich kontrollierte Distribution umgewandelt würde. All diese verschiedenen Prozesse würden zudem lokal und regional wegen unterschiedlicher Ausgangsbedingungen auch unterschiedliche Ergebnisse bringen, so daß es schlicht und einfach absurd wäre, sie in einem Gesamtplan vorab fixieren zu wollen. (Im übrigen wird man unterstellen dürfen, daß die gesellschaftlichen Individuen sich demokratisch organisieren würden, etwa in sich selbst verwaltenden Kommunen, die auf der Basis dessen, was man heute "Subsidiaritätsprinzip" nennt, ihre Beziehungen im Rahmen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung untereinander kooperativ koordinieren und nur solche Funktionen und Kompetenzen zentralisieren, bei denen das unbedingt nötig wäre.)

Der Haken ist, daß Du eine Praxis des Als ob ankündigst, sie aber tatsächlich nicht durchführst. Statt aus der Kritik der gegenwärtigen Organisation der Arbeit die mögliche Praxis ihrer Umwälzung zu simulieren, landest Du bei einer Aneinanderreihung vorgefertigter Gedanken, die mit der Realität eher zufällig oder wenig zu tun haben.

Planung und Umsetzung der Reorganisation der Gesamtarbeit als bewußt geplanter gesellschaftlicher Prozeß:

Die Reorganisation der Gesamtarbeit sollte sich, wie gesagt, als Ziel der Aneignung der Produktionsbedingungen von selbst verstehen. Daß die Reorganisation zu planen und umzusetzen wäre, ist eine Tautologie, denn (re-)organisieren heißt nichts anderes als planen und umsetzen. Und daß eine Gesellschaft ihre Gesamtarbeit nur reorganisieren kann, wenn sie sie auch als planvollen Prozeß beherrscht ("bewußt geplant" ist eine weitere Tautologie), ist ebenfalls eine logische Banalität. Diese mehrfache Betonung offenbarer Selbstverständlichkeiten macht auf mich den Eindruck, als ob Du einen Zusammenhang beschwörst, dessen Du Dir selbst nicht sicher bist. Und offensichtlich ist es für Dich keine Tautologie, die Reorganisation der Gesamtarbeit noch einmal in deren Planung und Umsetzung zu verdoppeln, weil Du im Kopf die Planung vom "gesellschaftlichen Prozeß" trennst und diesen zum Objekt eines über ihm stehenden "Subjekts" machst. Diese Trennung wiederholst Du auch bei dem folgenden Konkretisierungsversuch:

4 Planung der längerfristigen Reorganisierung der globalen gesellschaftlichen Arbeitsteilung - auf der Grundlage der natürlichen und gesellschaftlichen Ressourcen - hin zu einer optimal lokalen und globalen Produktion und Verteilung entsprechend einer Minimierung der Wegstrecken. Diese Inangriffnahme einer gleichmäßigen globalen Entwicklung kann nur gemäß den Entscheidungen der Bevölkerungen der jeweiligen Territorien erfolgen.

Die Inangriffnahme einer gleichmäßigen globalen Entwicklung wäre in der Tat ein entscheidender Prüfstein für den emanzipatorischen Charakter einer kommunistischen Gesellschaft. Aber weder müßte sie sich in einer Reorganisation der internationalen Arbeitsteilung oder einer Minimierung der Wegstrecken erschöpfen, noch läge sie allein in der Planungsmacht einer kommunistischen Metropolengesellschaft, wie Du ja selbst einräumst. Was diese tun könnte, wäre vor allem die Reduzierung ihres eigenen verschwenderischen Ressourcenverbrauchs, d.h. ihres individuellen und produktiven Konsumtionsbedarfs, auf ein global verallgemeinerbares Niveau. Weiter die Änderung ihrer Handelsbeziehungen, der sog. Terms of trade, zugunsten der Entwicklungsländer, dann die Freigabe des dort angelegten Metropolenkapitals, außerdem unentgeltliche Hilfe bzw. Wiedergutmachung angerichteter Schäden, Technologietransfer, Schuldenerlaß u.a.m. Das alles wäre von seiten einer kommunistischen Gesellschaft plan- und umsetzbar, z.T. sogar relativ kurzfristig.

Darüber hinaus könnte Planung nur die Form von Kooperation und Abstimmung mit (den Staaten) der nichtkommunistischen Mehrheit der Weltbevölkerung annehmen, in deren Macht allein es liegen bliebe, ob eine gleichmäßige globale Entwicklung tatsächlich verwirklicht würde.

5 Reorganisation der Arbeitsprozesse in den Produktionsstätten, Beendigung der Kontrolle der Arbeiter durch Spezialisten, Produktionsplanung durch die Produzenten selbst, Neuzusammensetzung und Teilung der Arbeit, Reduktion der Arbeitshetze.

Wir sind also jetzt auf der Ebene der Einzelbetriebe. Das Erstaunliche ist, daß Du hier die Reorganisation der Arbeit und auch die Produktionsplanung durch die ProduzentInnen selbst für möglich hältst, während dafür auf der Ebene der Gesamtarbeit eine zusätzliche "Planung und Umsetzung" nötig sein soll. Dabei hättest Du die betriebliche Produktionsplanung nur mal praktisch durchspielen müssen, um auf die richtige Spur zu kommen.

Die ProduzentInnen der Einzelbetriebe sind mit der gesellschaftlichen Gesamtarbeit auf mehrfache Weise verbunden: 1. als produktive KonsumentInnen von Produktionsmitteln und Vorprodukten oder -leistungen, 2. als LieferantInnen an andere (produktive oder individuelle) KonsumentInnen, 3. als (bisher konkurrierende) Angehörige eines Produktionszweiges, 4. als KonsumentInnen der Produkte aller Produktionszweige, die für die individuelle (private und öffentliche) Konsumtion arbeiten. Wie würden, könnten, sollten die ProduzentInnen mit diesen Beziehungen umgehen? Sie ignorieren und darauf pochen, daß die betriebliche Produktionsplanung allein "durch die Produzenten selbst" zu bestimmen sei - im Rahmen eines allmächtigen Gesamtplans, der diese Beziehungen stellvertretend für sie regelt? Oder sie, d.h. den gesellschaftlichen Zusammenhang ihrer Arbeit, anerkennen und bewußt in die eigenen Hände nehmen und vollenden, was die Kapitalisten vorbereitet und z.T. selbst schon begonnen haben, also die Verbindung mit den LieferantInnen organisieren, um sich in deren Produktionsplanung "einzumischen", die Kommunikation mit den "KundInnen" organisieren und die eigene Produktionsplanung ihren Wünschen anpassen, "Zusammenarbeit und Wissensaustausch" mit den bisherigen KonkurrentInnen organisieren, um die gemeinsame Produktion zu optimieren, und sich an der "ständig einhergehenden Beratung und Auseinandersetzung über Inhalte und Formen der Bedürfnisbefriedigung", über Produktqualität, Innovationen und ökologische Nachhaltigkeit beteiligen? Die Antwort dürfte klar sein - es sei denn, die ProduzentInnen zögen es vor, bei der Aneignung der Produktionsbedingungen auf halbem Wege stehenzubleiben und die Lohnsklaverei bloß gegen eine Plansklaverei einzutauschen.

Ich will mich nicht lang bei den anderen Themen aufhalten. Sie zeigen nur, daß Du keine Praxis des Als ob aus der Kritik der gegebenen Praxis entwickelst, sondern dieser bloß allgemeine und offenbar nicht besonders durchdachte Forderungen entgegenstellst. Was heißt denn "Reorganisation der Arbeitsprozesse"? Welcher? Aller? Und warum und in welche Richtung? Wo ist das Verhältnis von Spezialisten und Arbeitern eines der Kontrolle? Was heißt "Neuzusammensetzung und Teilung der Arbeit"? Und warum nur "Reduktion" und nicht Beseitigung der Arbeitshetze? Dies nebenbei setzt voraus, was in der Aufzählung erst noch folgt:

Radikale Verkürzung der individuellen Arbeitszeit durch Verteilung der Gesamtarbeit auf alle Gesellschaftsglieder.

Hierzu siehe oben. Hinzufügen wäre noch, daß damit die durchschnittliche individuelle Arbeitszeit zu verkürzen wäre. Die Festlegung der tatsächlichen individuellen Arbeitszeit wäre Sache individueller Präferenzen im Rahmen betrieblicher und/oder kommunaler Spielräume.

6 Abbau der Trennung von Hand- und Kopfarbeit,

Was könnte das konkret heißen?

Hereinnahme des Forschungsprozesses in den Produktionsprozeß,

Das passiert doch schon längst. Oder willst Du auch alle Grundlagenforschung unter das Diktat der Nutzanwendung stellen? Selbst Industriekonzerne wie IBM unterhalten Forschungsabteilungen, die keinen unmittelbaren und garantierten Nutzen für den Produktionsprozeß haben.

hierbei weltweite Zusammenarbeit und Wissensaustausch jenseits kleinkrämerischer Patente der schwachsinnigen Konkurrenzwirtschaft.

Warum nur hierbei und nicht auch bei der zwischenbetrieblichen Kooperation?

7 Zügige Automation aller Arbeiten, die für Menschen physisch und psychisch keinen Gewinn bringen. Standardisierte, einfache Bedienbarkeit wird oberstes Ziel.

Was soll das sein - physischer Gewinn aus Arbeit? Alle Arbeit ist Verausgabung physischer Kräfte, also mehr oder weniger große physische Belastung. Nimm z.B. die Spät- und Nachtarbeit und überlege mal, in wievielen Bereichen sie unverzichtbar bliebe - Gesundheitswesen, Verkehr, Gastronomie, Stahlerzeugung, Energiesektor, Medien und und und. Diese Arbeiten könnten gar nicht alle automatisiert werden. Was aber den psychischen Gewinn angeht, so würde er abhängen von der gesellschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Arbeit, von der Anerkennung, die sie erhält, von der Organisation des Arbeitsprozesses und dem Grad an Selbst- und Mitbestimmung, die sie dem/der einzelnen gestattet und nicht zuletzt vom individuellen Bewußtsein der Arbeitenden. Anzustreben wären doch wohl solche Verhältnisse, unter denen jede Arbeit psychischen Gewinn bringt, der die unvermeidliche physische Belastung aufwiegen könnte. Nicht standardisierte, einfache Bedienbarkeit wäre dabei oberstes Ziel, sondern der Wechsel von qualifizierter und unqualifizierter, interessanter und monotoner, leichter und schwerer Arbeit usw. Ich habe jahrelang in der Fabrik fast nur Knöpfchen drücken müssen und weiß, wie nerv- und hirntötend solch einfache Maschinenbedienung ist. Es gibt allerdings Leute, die sich dabei wohlfühlen, weil sie schon so abgestumpft und unselbständig sind, daß sie vor jeder neuen, ungewohnten Arbeit Angst haben.

Im übrigen aber wäre jede technisch möglich Automatisierung noch lange nicht ökologisch vertretbar. Bisher war die Einsparung lebendiger Arbeit meistens mit einem erhöhten Energie- und Materialverbrauch verbunden, und zwar mit einem Verbrauch, der umgekehrt proportional zur Größe (bzw. Kleinheit) der noch verbliebenen Arbeit wächst. Die moderne Technik (Datenverarbeitung, Steuerung, Nanotechnik, Biotechnologie u.a.m.) enthält wahrscheinlich große Potentiale für die gleichzeitige Einsparung von Arbeit und Naturressourcen. Aber ein generelles Automatisierungsprogramm, das nur die Grenzen des technisch Möglichen anerkennt, wäre unvereinbar mit einem "rechten Maß" des Naturverbrauchs und einer "gleichmäßigen globalen Entwicklung".

8 Ständig einhergehenden gesellschaftliche Beratung und Auseinandersetzung über Inhalte und Formen der Bedürfnisbefriedigung (z.B. Mobilität: Individualverkehr <---> sinnvolle Alternativen).

Richtig. Aber diese "Beratung und Auseinandersetzung" wäre nicht auf die (private und öffentliche) individuelle Konsumtion zu beschränken, sie würde auch die produktive Konsumtion einschließen (müssen), wie das teilweise ja auch heute schon der Fall ist (siehe die Auseinandersetzungen um die Energiepolitik). Die gesellschaftliche Herrschaft über die Produktionsmittel müßte sich in der Beherrschung der Produktionszwecke und -folgen bestätigen. Nötig und möglich wäre also eine lebendige Öffentlichkeit, eine rege gesellschaftliche Kommunikation über alle Fragen der individuellen und produktiven Konsumtion, befreit vom Diktat des Verwertungs- und Wachstumszwanges, von der Herrschaft der Produktion über die Konsumtion, von Konkurrenzängsten, Betriebsgeheimnissen, Patentrechten und sonstigen privaten Vorbehalten. Was aber bliebe und überhaupt erst konsequent zur Geltung kommen könnte, wären Vorbehalte ökologischer, globaler, gattungsmäßiger Art. Engels meinte noch, daß die Menschen "zum ersten Male bewußte, wirkliche Herren der Natur (werden), weil und indem sie Herren ihrer eigenen Vergesellschaftung werden" (MEW 20: 264). Die seitherige Geschichte lehrt das Gegenteil: Herr(inn)en ihrer eigenen Vergesellschaftung können die Menschen nur (noch) werden, wenn und soweit sie sich den begrenzten Naturverhältnissen irdischer Zivilisation unterordnen. "Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen." (Marx, MEW 25: 784)

9 Der so bestimmte Konsumtionsbedarf bestimmt die Produktionsplanung, wobei das überkommene System Anfangsdaten in Überfülle bereit hält.

Gemeint ist offensichtlich, daß der individuelle Konsumtionsbedarf die Produktion(splanung) bestimmen sollte. Nun ist aber auch die Produktion zugleich Konsumtion (von Naturstoff und Arbeitskraft), die ebenfalls Gegenstand "gesellschaftlicher Beratung und Auseinandersetzung" und folglich auch irgendwie (jedenfalls nicht allein und linear durch den individuellen Konsumtionsbedarf) zu "bestimmen" wäre. Aber ok, worum es geht, ist das Verhältnis von individueller und produktiver Konsumtion, die Dominanz jener über diese. Die Frage ist allerdings, wie der individuelle Konsumtionsbedarf - und damit auch die Produktionsplanung - zu "bestimmen" wäre. Du umgehst diese Frage mit dem Postulat eines "so bestimmten Konsumtionsbedarfs". Aber "so", durch "ständig einhergehenden gesellschaftliche Beratung und Auseinandersetzung über Inhalte und Formen der Bedürfnisbefriedigung", wäre der Konsumtionsbedarf eben noch nicht bestimmt. Bestimmt bzw. bestimmbar würde er überhaupt erst durch die Umsetzung dieser "Beratung und Auseinandersetzung" in individuelle und kollektive Konsumtionsentscheidungen. Und die Grundlage des bestimmbaren Konsumtionsbedarfs wäre ja wohl das ebenso ständig einhergehenden Konsumverhalten der gesellschaftlichen Individuen (schließlich könnten sie nicht alle Konsumtion solange aufschieben, bis eine erst noch zu planende Produktion ihnen dazu die Mittel liefert), also die individuelle Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen für den privaten und öffentlichen Ver- und Gebrauch.

Wenn diese Nachfrage allein durch eine geänderte Art der Verteilung bzw. des Zugriffs auf Produkte und Dienstleistungen zu befriedigen wäre, bestünde die Produktionsplanung einfach in der planvollen Weiterführung des bisherigen Produktionsprozesses. Die ProduzentInnen müßten "nur" die bisher geld- und konkurrenzvermittelten Beziehungen untereinander und mit den Konsumenten bewußt übernehmen und kooperativ organisieren (die dazu nötige Informations- und Kommunikationstechnik ist schon heute vorhanden und wird derzeit weiter revolutioniert) und genug "Kundenorientierung", Flexibilität und Innovationsfreudigkeit aufbringen, um auf "normale" Veränderungen des Konsumverhaltens und der Konsumwünsche reagieren zu können. Sie müßten nur ordentlich Buch führen, um zu wissen, wie groß ihr bisheriger Arbeits-, Material- und Energieaufwand war und in welchem Masse sie ihn steigern, verringern oder umstrukturieren müßten, um dem veränderten individuellen bzw. dem (je nach der Tiefe der gesellschaftlichen Arbeitsteilung) veränderten produktiven Konsumtionsbedarf Rechnung zu tragen. Die Notwendigkeit einer darüber hinausgehenden Produktionsplanung könnte sich nur ergeben aus einer größeren Diskrepanz zwischen den bestehenden Produktionsstrukturen und -kapazitäten einerseits und der individuellen Nachfrage andererseits. Gegenstand der Planung wäre aber auch dann nicht die Organisation der (lebendigen und den in Produktionsmitteln vergegenständlichten) Gesamtarbeit, sondern wiederum nur deren notwendige Änderungen.

Eine kommunistische Revolution würde nun sicher gewaltige Diskrepanzen zwischen dem überkommenen Produktionsapparat und der individuellen Nachfrage erben, die nicht mehr an den Verkauf der Arbeitskraft und die davon abhängige Zahlungsfähigkeit gefesselt wäre. (Und der Protest dagegen wäre ja wahrscheinlich eine ihrer Motive.) Sie würden sich ausdrücken in Unter- bzw. Überkapazitäten einerseits und in unbefriedigter bzw. reduzierter Nachfrage andererseits. Jedenfalls unterstelle ich mal, daß Leute, die so emanzipiert sind, die gesellschaftliche Reproduktion selbst organisieren zu wollen, auch ein emanzipatorisches Bewußtsein haben und der individuellen Konsumtion gewisse egalitäre, ökologische und moralische Schranken auferlegen, also z.B. die Produktion von Luxusgütern, Schund- und Verschleißprodukten, gesundheitlich und ökologisch schädlichen Gütern und Dienstleistungen u.a.m. einstellen würden.

Die assoziierten ProduzentInnen würden also den Konsumtionsbedarf teils ermitteln, teils abschätzen, teils festlegen (können), je nachdem, und danach entsprechende Pläne zur Erweiterung, Einschränkung oder Umstellung ihrer Produktionskapazitäten auflegen (und den Zugang zu knappen Gütern und Leistungen vorläufig reglementieren oder rationieren müssen). Die vom "überkommenen System" bereitgehaltenen "Anfangsdaten" würden ihnen dabei nur bedingt nützlich sein, weil sie einen zentralen Bereich dieser Daten, nämlich die bisherige Arbeitsintensität, mittels "Rekrutierung" und Qualifizierung zusätzlicher Arbeitskräfte sicher schnellstens über den Haufen werfen würden (wodurch das Arbeitsvolumen in den gesellschaftlich notwendigen Produktionszweigen anstiege). Die Dauer bzw. das Tempo der notwendigen Produktionserweiterung und -umstellung für die verschiedenen Bereiche der individuellen Konsumtion würde abhängen vom Ausmaß der jeweiligen unbefriedigten Nachfrage, von der Ausdehnungs- und Lieferfähigkeit der Produktionsmittel herstellenden Industrien, von der Zahl und Qualifizierung der neu "rekrutierten" Arbeitskräfte (in beiden Abteilungen), von der weiteren technischen Entwicklung usw. Ihre Plandaten, z.B. jährliche Zuwachs- oder auch Schrumpfungsraten, Rationalisierungs- und Qualitätsziele, könnten daher ebensowenig fixe Vorgaben sein wie die angestrebten Konsumtionsbedarfe selbst, die ja weiterhin Gegenstand "gesellschaftlicher Beratung und Auseinandersetzung" blieben. Sie wären vielmehr aus der Erfahrung zu entwickelnde, ständig zu überprüfende und anzupassende Orientierungsdaten, die ihnen helfen können, Engpässe im System der kombinierten Gesamtarbeit ebenso wie am Bedarf vorbeigehende oder über ihn hinausschießende Produktion zu erkennen und abzustellen und so mit der Zeit die "Reorganisierung der Gesamtarbeit" als vernünftig proportionierter Kombination der verschiedenen Teilarbeiten zum Ziel zu führen.

Das Ziel selbst wäre dann auch kein Zustand, in dem ein vorab "bestimmter", fixierter Konsumtionsbedarf eine ebenso "bestimmte" Produktionsplanung nach sich zöge (das wäre in Wahrheit eine "Konsumtionsplanung", die gesellschaftlichen Stillstand in Konsumtion und Produktion voraussetzte), sondern ein Reproduktionsprozeß, bei dem die produktive Konsumtion als abhängige Variable der individuellen Konsumtion als der (relativ, d.h. im Rahmen des gesellschaftlich Akzeptierten, ökologisch Verträglichen usw.) unabhängigen Variablen zu folgen und zu dienen imstande wäre.

10 Die hierzu notwendige Arbeitszeit wird ermittelt, ...

Erst läßt Du eine anonyme Instanz "den" Konsumtionsbedarf "bestimmen", dessen volle Realisierung überhaupt erst in fernerer Zukunft möglich wäre, und nun soll sie auch noch die "hierzu notwendige Arbeitszeit" "ermitteln". Das aber ist ein Ding der Unmöglichkeit! Du "vergißt", daß 1. die gesellschaftliche Arbeit sich nicht in der Produktion von Konsumtionsmitteln erschöpft, sondern auch die dazu nötigen Produktionsmittel hervorbringen muß, und zwar mit Produktionsmitteln, die ihrerseits erst zu produzieren sind (die Produktionsmittel herstellende "Abteilung I" beansprucht heute fast zwei Drittel der jährlichen Gesamtarbeit), 2. nicht nur die Verteilung und Qualifikation der gesellschaftlichen Arbeitskraft zu reorganisieren wäre, sondern auch Verteilung, Umfang und Qualität der Produktionsmittel (in beiden Abteilungen), und 3. diese "Reorganisierung der Gesamtarbeit" ein langwieriger Umwälzungsprozeß wäre bzw. eine Vielzahl ineinandergreifender Prozesse, deren konkreter Verlauf von verschiedensten Faktoren abhinge (vom Wandel der individuellen Konsumtion selbst, von der Entwicklung der Technik, der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und der Arbeitsproduktivität, von der Material- und Energiebasis wie -effizienz usw.). Selbst unter der lebensfremden Annahme, daß sich der künftig einmal zu befriedigende individuelle Konsumtionsbedarf exakt "bestimmen" ließe (trotz weiter "einhergehender gesellschaftlichen Beratung und Auseinandersetzung"), müßte der "hierzu notwendige" produktive Konsumtionsbedarf und damit auch die "hierzu notwendige Arbeitszeit" als Teil dieses Bedarfs daher grundsätzlich unbestimmt bleiben (selbst wenn sich die Grenzen dieser Unbestimmtheit abschätzen ließen).

Statt Dich an die mögliche Praxis der assoziierten ProduzentInnen zu halten, abstrahierst Du von ihr, erhebst Dich im Geiste über die Gesellschaft und simulierst ein allwissendes und allmächtiges "Subjekt", das den gesamten Umwälzungsprozeß überschauen und beherrschen und von seinen vorherbestimmten Ergebnissen her "planen" (können) soll.

... alle überflüssige Arbeitszeit fällt weg (z.B. alle Jobs, die jetzt mit Geld zu tun haben, militärischer Komplex, Massen von Autoproduktion...), Reduktion der notwendigen gesellschaftlichen Arbeitszeit wird wichtigstes ökonomisches Prinzip.

Der "Wegfall" "überflüssiger Arbeitszeit" wäre sicher nicht als simples einmaliges Ereignis denkbar, sondern nur als Ergebnis einer Reihe von Prozessen, die zu organisieren, durchzusetzen und mit Arbeit verbunden wären. Geldvermögen und Forderungen/Verbindlichkeiten z.B. von Banken, Versicherungen usw. ließen sich wohl konfiszieren bzw. annullieren. Was aber könnte/sollte mit ihrem riesigen Immobilienbesitz geschehen? (Und wie - nebenbei - könnten/sollten die Ersparnisse und Versicherungen der bisher Lohnabhängigen behandelt werden?) Auch würden keineswegs "alle Jobs, die jetzt mit Geld zu tun haben", einfach wegfallen können. Im bisherigen Handelssektor blieben immer noch notwendige Arbeiten wie Transport, Lagerhaltung, Zubereitung und Beratung übrig. Und ob die Gesellschaft auf jede Form von Waffen- und Rüstungsproduktion verzichten könnte, halte ich für sehr zweifelhaft. Auch die "Massen von Autoproduktion" würden wohl nur in dem Masse wegfallen (können), wie das Bedürfnis nach individueller Mobilität abnähme oder/und mit anderen (öffentlichen) Verkehrsmitteln zu befriedigen wäre. Unzweifelhaft aber ist für mich, daß eine emanzipierte und emanzipatorische Gesellschaft nicht die "Reduktion der notwendigen gesellschaftlichen Arbeitszeit" zum "wichtigsten ökonomischen Prinzip" erheben könnte, sondern (nach Herstellung zuträglicher Arbeitsbedingungen) die Anpassung dieser notwendigen Arbeitszeit, d.h. des als notwendig geltenden individuellen und produktiven Konsumtionsbedarfs, an das "rechte Maß" eines nachhaltigen Naturverbrauchs.

11 Verteilung dieser zur Produktion von Gebrauchswerten notwendigen Arbeitszeit auf die einzelnen Zweige des Wirtschaftens sowie unter den Gesellschaftsmitgliedern ...

Nach dem unmöglich "so bestimmten Konsumtionsbedarf" und der unmöglichen "Ermittlung" "der hierzu notwendigen Arbeitszeit" nun also deren ebenso unmögliche "Verteilung auf die einzelnen Zweige des Wirtschaftens sowie unter den Gesellschaftsmitgliedern". Die Gesamtarbeit müßte und könnte nicht erst noch verteilt werden (von wem auch wohl?), weil sie nämlich schon verteilt wäre. Ebensowenig wie die gesellschaftlichen Individuen ihre Konsumtion aufschieben könnten, bis eine erst noch zu planende Produktion ihnen dazu die Mittel liefert, ebensowenig könnten die ProduzentInnen ihre Arbeit einstellen, bis eine allmächtige Behörde ihnen Ort, Art und Umfang der Arbeit zuteilt. Die Gesellschaft könnte gar nicht anders, als von der vorgefundenen, überkommenen Verteilung der Gesamtarbeit auszugehen, um überhaupt in der Lage zu sein, sie zu ändern. Und allein darum ginge es, um die (schrittweise) Änderung der gegebenen Verteilung der Gesamtarbeit auf die einzelnen Wirtschaftszweige und unter den (arbeitsfähigen) Gesellschaftsmitgliedern, und nicht um eine neu zu erfindende Disponierung der Gesamtarbeit überhaupt. Du vergißt (wieder), daß eine Neu- oder Umverteilung der gesellschaftlichen Arbeit 1. eine entsprechende Qualifizierung der gesellschaftlichen Arbeitskraft und 2. eine entsprechende Neu- oder Umverteilung der (wiederum erst noch zu produzierenden) Produktionsmittel voraussetzte, weshalb sie 3. nur in einem mehr oder weniger langen Prozeß realisierbar wäre. Für Dich scheint sich dieser Prozeß auf einen planerischen Kraftakt zu reduzieren. Offenbar ist Dir aber selbst nicht ganz wohl bei dem Gedanken an den monströsen bürokratischen Zentralismus, der nötig wäre, die Gesamtarbeit "auf die einzelnen Zweige des Wirtschaftens sowie unter den Gesellschaftsmitgliedern" zu verteilen, weshalb Du hinzufügst:

... in freiwilliger Vereinbarung entsprechend ihren Fähigkeiten - in Proportionen, die sicherstellen, daß die individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnisse befriedigt werden.

Das sind - entschuldige - schöne Phrasen. Die Freiwilligkeit würde zunächst noch ihre Grenzen haben, bedingt durch die beschränkten Fähigkeiten der meisten ProduzentInnen, die sie an bestimmte Tätigkeiten, Betriebe oder Wirtschaftszweige binden, bedingt auch durch die schlichte Notwendigkeit, die Produktion aufrechtzuerhalten, und bedingt durch die "Verteilung der Gesamtarbeit auf alle (arbeitsfähigen) Gesellschaftsglieder", die wahrscheinlich nicht nur, z.B. bei den bisherigen NichtarbeiterInnen, auf begeisterte Zustimmung stoßen dürfte. Und bis die Proportionen der verschiedenen Teilarbeiten die Befriedigung der "individuellen und (?) gesellschaftlichen Bedürfnisse" "sicherstellen" können, dürfte auch noch einige Zeit vergehen.

(Sicherlich gibt es anfangs noch Gruppen von Gebrauchswerten, die weltweit nicht sofort nach dem Bedürfnisprinzip verteilt werden können, einfach weil nicht genügend produziert werden kann. Ob hier ein Verteilungsmodus nach geleisteten Arbeitszeiten am Platze ist, muß überlegt, problematisiert werden auch an Hand ethischer Fragen und wird sich an der Praxis dann erweisen.)

Die weltweite Verteilung "nach dem Bedürfnisprinzip" würde nicht an unzureichenden Produktionskapazitäten scheitern, sondern daran, daß der größte Teil der Menschheit von einem möglichen Übergang zu kommunistischer Produktion noch himmelweit entfernt ist. Aber auch in einer kommunistischen Metropolengesellschaft würde das "Bedürfnisprinzip" wohl nicht nur "anfangs", sondern noch ziemlich lange eingeschränkt werden müssen, allerdings weniger aus Gründen der Produktionsstruktur, sondern eher aus Gründen der überkommenen Bedürfnisstruktur von Teilen der Gesellschaft.

Die Frage ist nun aber, welcher "Verteilungsmodus" an Stelle des "Bedürfnisprinzips" für den Zugriff der Individuen auf knappe (oder bewußt knapp gehaltene) Konsumtionsmittel gelten könnte oder sinnvollerweise gelten sollte. Daß der "Verteilungsmodus nach geleisteten Arbeitszeiten" problematisch wäre, finde ich auch. Dieser Modus wäre ein Rückfall hinter die heutige bürgerliche Sozialpolitik; schließlich müßten auch die nicht arbeitsfähigen Gesellschaftsmitglieder berücksichtigt werden (was z.B. die holländischen Rätekommunisten in ihren "Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung" schlicht vergessen; sie unterstellen, daß alle KonsumentInnen zugleich Arbeitende sind). Ich könnte mir z.B. vorstellen, daß es je nach Art der zu rationierenden Konsumtionsmittel sinnvoller wäre, mengenmäßige und zeitliche Beschränkungen einzuführen, vielleicht noch in Verbindung mit der Sanktionierung von Arbeits-, Energie- und Materialverschwendung. Aber welcher Modus oder welche Modi letzten Endes angewandt würde(n), müßte sich in der Tat wohl "an der Praxis dann erweisen". Und ich bin sicher: Wenn einmal der Übergang zu einer kommunistischen Produktionsweise zu einem Massenbedürfnis werden sollte, dann werden die Massen selbst auch die Art und Weise der Verteilung diskutieren und praktikable wie akzeptable Lösungen hervorbringen.

12 Die Recheneinheit des gesamten Wirtschaftens ist die Arbeitszeit. Die Aufgabe der Buchführung der notwendig zu leistenden Gesamtarbeit und ihrer Verteilung auf die einzelnen Zweige des Wirtschaftens, ihre stetige Umverteilung auf die Gebrauchswertproduktion entsprechend veränderten Konsumtionswünschen, ist die bewußte Übernahme der Funktion, die in der jetzigen kapitalistischen Produktion das Wertgesetz innehat: die Allokation und Distribution der Ressourcen.

Die Arbeitszeit wäre nicht "die", sondern eine "Recheneinheit" neben anderen, oder besser: eine Buchführungseinheit. Denn wer sollte mit ihr rechnen, welche Rechenoperationen ausführen und zu welchem Zweck? Deine Antwort: zwecks "Buchführung der notwendig zu leistenden Gesamtarbeit und ihrer Verteilung auf die einzelnen Zweige des Wirtschaftens". Du kommst von der zentralistischen Vorstellung nicht los, daß die Gesamtarbeit die zu bestimmende Ausgangsgröße sein müsse (auf Basis eines "so bestimmten Konsumtionsbedarfs"), aus der dann durch Division ("entsprechend den Bedürfnissen", den sie befriedigenden Gebrauchswerten und den "hierzu notwendigen Arbeitszeiten") die Größe der verschiedenen Teilarbeiten festzulegen sei. Operateur dieser Berechnung (und Subjekt der "Bestimmung", "Ermittlung", "Planung" und "Verteilung") könnte nur, auch wenn Dir die Konsequenz selber nicht geheuer ist, eine allmächtige zentrale Planungsinstanz oder -behörde sein, und die würde spätestens dann scheitern, wenn sie die "stetige Umverteilung" der Gesamtarbeit "auf die Gebrauchswertproduktion entsprechend veränderten Konsumtionswünschen" bewerkstelligen wollte. Diese Art der Produktionsplanung wäre das komplette Gegenteil kommunistischer Produktion. Die nämlich würde die gesellschaftliche Gesamtarbeit immer nur als veränderliche Summe der veränderlichen Teilarbeiten kennen, deren Umfang die assoziierten, kooperierenden ProduzentInnen selbst zu bestimmen hätten nach Maßgabe des ihnen bekannten individuellen und produktiven Konsumtionsbedarfs und der ihnen zuträglichen Arbeitsintensität. Die Buchführung über ihre Arbeitszeit würde ihnen dienen zur Kontrolle und bewußten Gestaltung ihrer Arbeitsprozesse, zur Vergleichung und Optimierung ihrer Arbeitsproduktivität, ihres Material- und Energieverbrauchs, und die einzige Rechenoperation, die sie anzustellen hätten, wäre die Bestimmung notwendiger oder erwünschter prozentualer Änderungen ihres bisherigen Arbeitsvolumens, allenfalls noch die Division ihres veränderlichen Arbeitsvolumens durch eine veränderliche Zahl von Händen und Köpfen.

Und wahrscheinlich würden sie empört bestreiten, daß ihr Verhältnis zur Arbeit(szeit) "die bewußte Übernahme der Funktion" sei, "die in der ... "kapitalistischen Produktion das Wertgesetz innehat: die Allokation und Distribution der Ressourcen". In der kapitalistischen Produktion macht sich das Wertgesetz in der Entwicklung der Profitrate(n) geltend, dem verrückten Maßstab einer Gesellschaft, in der der Reichtum an Produktionsmitteln wie die Konsumtion ihrer arbeitenden Mitglieder als Ballast des wirtschaftlichen "Erfolgs" gelten, in der die Gesamtarbeit eben nicht "entsprechend den Konsumtionswünschen" verteilt, sondern umgekehrt die Produktion die Konsumtion bestimmt, begrenzt und deformiert und in der die "Allokation und Distribution der Ressourcen" sich gegen die menschliche Arbeitskraft wie gegen die Natur richten. Diese Funktion kann nicht bewußt übernommen werden, sie kann nur bewußt ersetzt werden durch eine Produktionsweise, in der die Arbeit eben nicht als bloß quantitative und tendenziell zu eliminierende Größe zählt (und in einer konsequenten "Ökonomie der Zeit" wäre sie das), sondern immer auch als qualitativ besondere Arbeit, deren Aufwand vom erwünschten "Nutzeffekt" abhinge wie vom unvermeidlichen "Vernutzungseffekt" - auf die natürlichen Ressourcen und "Senken" nämlich.

13 Der gesellschaftliche Reichtum wird nicht mehr in Geld gemessen, sondern in frei verfügbarer Zeit für alle Produzenten zwecks Herausbildung aller ihrer produktiven Anlagen und Leidenschaften, einschließlich der Muße.

Ich weiß, so hat sich auch Marx ausgedrückt. Trotzdem kann ich nur bedingt zustimmen. Zum einen bliebe die Grundlage des gesellschaftlichen Reichtums immer noch ihr materielles Produktionspotential und -niveau. Zum anderen sollte bei kommunistischer Produktionsweise mit der Zeit die Arbeit selbst zur Bereicherung, zum "ersten Lebensbedürfnis", werden (können). Zum dritten hätte die disponible Zeit ihre Grenzen in der ökologisch noch vertretbaren Reduzierung der disponierten Zeit. Und zum vierten meine ich, daß eine kommunistische Gesellschaft angesichts der noch lange fortdauernden globalen Ungleichheit über die eigene Reproduktion hinaus Arbeit zur Unterstützung nachholender Gesellschaften zu leisten hätte.

Fazit: So richtig Dein Anspruch ist, "eine einleuchtende Form der Verwirklichung der vorhandenen objektiven Möglichkeit" zu umreißen, so wenig bist Du ihm selbst gerecht geworden. Die zwanghafte Neigung, die gesellschaftliche Gesamtarbeit einem vorherbestimmten Plan zu unterwerfen, führt Dich (auch wenn Du Dich spürbar dagegen sträubst) in die Sackgasse eines bürokratischen Zentralismus, den doch gerade die rätekommunistische Konzeption, an die Du anzuknüpfen meinst, so richtig kritisiert hat (auch wenn ihr dabei bestimmte Denkfehler unterlaufen sind).

Soviel für diesmal. Herzlichen Gruß, Werner

 

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