Nr.2/1998 |
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Teamsters in
Trouble Ron
Carey musste Gewerkschaftsvorsitz niederlegen
von DIANE FEELEY
Im vergangenen August, nur wenige Tage nach
dem herausragenden Sieg der Teamsters, der 1,4 Millionen
Mitglieder starken Transportarbeitergewerkschaft in den USA,
ueber UPS, verkuendete ein vom Gericht bestellter
Wahlbeamter, dass die Wahl des Gewerkschaftsvorsitzenden, Ron
Carey, wiederholt werden muss. Mehrere
hunderttausend Dollar Gewerkschaftsgelder, so die Anklage, seien
dafuer verwandt worden, Careys Wiederwahl abzusichern. Und
weil Carey eine so hohe moralische Autoritaet als
aufrechter Gewerkschaftskaempfer besitzt, waren
die, die ihm am naechsten standen, wie vor den Kopf geschlagen.
In den spaeten 80er Jahren waren die "Teamsters
for a Democratic Union" (TDU), eine Stroemung
unter den Mitgliedern, die fuer
innergewerkschaftliche Demokratie und gegen die damalige korrupte
und kriminelle Fuehrungsclique um den alten Vorsitzenden
James Hoffa kaempfte, an einer Klage beteiligt, die das
Justizministerium angestrengt hatte. Die TDU
forderten das Recht der Mitgliedschaft, den Vorstand selbst zu
waehlen, und akzeptierte, dass die Wahl unter der
Aufsicht der Regierung durchgefuehrt wuerde. Die TDU gewannen
die Klage. Die alte Gewerkschaftsfuehrung liess
sich darauf ein, im Glauben, es werde reichen,
einen Anschein von Demokratie zu wahren, ohne eine inhaltliche
Auseinandersetzung zu fuehren.
Ron Carey, zu der Zeit Vorsitzender eines grossen Teamsterverbands
bei UPS in New York City, wurde damals von den Reformern als
Kandidat gegen zwei Mitglieder der korrupten "alten
Garde" aufgestellt. Zu jedermanns
Ueberraschung setzte er sich in drei Wahlgaengen durch.
Einmal im Amt, machte Carey Schluss mit der Praxis,
dass Gewerkschafter in Fuehrungspositionen mehrere
Gehaelter beziehen konnten, verkaufte die
Flugzeuge, die sie zu nutzen pflegten und die ihren
verschwenderischen Lebensstil bezeugten, fuehrte Kampagnen, um
unorganisierte Beschaeftigte fuer die Gewerkschaft
zu gewinnen (nur 10 Prozent der abhaengig
Beschaeftigten in den USA sind gewerkschaftlich organisiert),
stellte 75 lokale Gewerkschaftsverbaende unter besondere
Verwaltung und setzte einen Prozess in Gang, die
oertlichen Gewerkschaften wieder den Mitgliedern
zuzuwenden. Er fuehrte auch einen eintaegigen wilden Streik gegen
UPS, um einen Angriff auf die Arbeitsbedingungen abzuwehren.
Unter Careys Vorsitz fuehrten die Teamsters auch
einen Kampf gegen das Nordamerikanische
Freihandelsabkommen (NAFTA) und begannen, Verbindungen mit
mexikanischen Arbeitern aufzunehmen.
Waehrend die neue Fuehrung des AFL-CIO ueber die
Organisierung von Nichtgewerkschaftsmitgliedern bisher nur
redet, ging Carey viel weiter: Er stand fuer
innergewerkschaftliche Demokratie, dafuer, dass
Gewerkschaftsmitglieder andere Mitglieder gewinnen, fuer eine durch
und durch saubere Gewerkschaft, und er war ein Gegner von
Konzepten der "Kooperation" mit der
Geschaeftsleitung oder "Teamfuehrung" in den
Betrieben, die die Beschaeftigten entwaffneten.
Obwohl ein wirklicher Reformer, war Carey niemals Mitglied der
TDU, obwohl er mit dieser Stroemung eng zusammenarbeitete. Er
konnte niemals fuer den Gedanken gewonnen werden,
dass eine Basisbewegung eine "Strategie" ist.
Fuer ihn musste eine Gewerkschaft wie ein leistungsfaehiger
Dienstleistungsbetrieb arbeiten, der die
Mitgliedschaft mobilisierte, wenn es darauf ankam.
In seiner ersten Kampagne um den Vorsitz der
Gewerkschaft war das Rueckgrat des Wahlkampfs sein oertlicher
Gewerkschaftsverband und die TDU. Doch kurze Zeit
nach seiner Wahl engagierte Carey mehrere politische
Berater mit engen Beziehungen zur Demokratischen Partei. 1996, bei
seiner zweiten Kandidatur, beauftragte er diese mit der
Wahlkampffuehrung. Darueber ist er gestolpert.
Die Vorwuerfe
Drei Mitglieder aus der Wahlkampfleitung, darunter auch
sein Wahlkampfmanager Jere Nash, haben bis heute die
Vorwuerfe zugegeben; sie erwarten Gefaengnisstrafen wegen
Postschwindel, unlauteren Absprachen und
Unterschlagung von Gewerkschaftsgeldern. Carey selbst hat jede
Kenntnis ueber ihre illegalen Machenschaften abgestritten.
Allerdings steht inzwischen fest, dass er einige
Schecks ueber grosse Geldsummen unterschrieben hat;
sie waren auf Organisationen ausgestellt, die von
den Teamsters nie groessere Betraege erhalten haben. Carey hat auf
diese Weise die Ueberweisung von 885.000 Dollar
Spenden im Zeitraum von zwei Wochen autorisiert. Zum Beispiel
stellte er einen Scheck ueber 400.000 an Citizen
Action, eine Gliederung der Demokratischen Partei, aus,
aber die Teamsters haben dieser Gruppe nie mehr als 10.000
Dollar bewilligt. Der Richter, der die Neuwahl anordnete und
Carey eine erneute Kandidatur versagte, Kenneth
Conboy, stuetzte sich bei seiner Entscheidung auf
diese Schecks. (Jere Nash behauptet, 538.000 Dollar davon seien fuer
Careys Kampagne gedacht gewesen.)
Carey hat dieses Geld nicht in die eigene Tasche gesteckt,
sondern fuer seinen Wahlkampf verwendet. Wahrscheinlich dachte
er, er koenne darauf nicht verzichten, wenn er die
Wahlen gewinnen und den Reformprozess fortfuehren
wollte. Wahrscheinlich dachte er auch, damit kein Problem zu
bekommen, weil so etwas in der Demokratischen und der
Republikanischen Partei absolut ueblich ist.
Aber selbst unabhaengig davon, ob Carey von den
Praktiken seiner Wahlhelfer etwas wusste oder nicht, die
politische Verantwortung dafuer traegt er allemal.
Am 17.November entschied der Vorsitzende des
Wahlbeschwerdeausschusses, Kenneth Conboy, dass Ron
Carey nicht ein weiteres Mal fuer das Amt des
Gewerkschaftsvorsitzenden kandidieren darf. Conboy begruendete seine
Entscheidung damit, er koenne sich nicht vorstellen,
dass Carey von den illegalen Aktivitaeten nichts gewusst
haben soll. Dennoch ist der Prozess der Wiederwahl
blockiert, weil Careys Widerpart, James Hoffa jr. (Sohn des
langjaehrigen, der verbrecherischen Fuehrungsclique
verbundenen Teamster- Vorsitzenden James Hoffa) ebenfalls
illegale Wahlkampfaktivitaeten vorgeworfen werden
(er soll 200.000 Dollar dafuer zweckentfremdet haben).
Carey hat Berufung gegen den Richterspruch eingelegt,
aber die meisten Beobachter nehmen an, dass er keinen
Erfolg damit haben wird. Der Independent Review
Board, das Kontrollorgan der Regierung, das die Wahlen
bei den Teamsters zu ueberwachen hatte, hat Carey unterdessen
wegen Missbrauch von Gewerkschaftsgeldern angeklagt.
Daraufhin hat Carey am 25.November sein Amt voruebergehend
niedergelegt. Den Vorsitz bei den Teamsters uebt
jetzt Tom Sever aus. Auf der anderen Seite
ist es noch lange hin, bis auch Hoffa
disqualifiziert wird. Schliesslich sind er und seine Leute Meister
im Geldwaschen. Hoffa ist ein Rechtsanwalt mit
Beziehungen zur weissen Kriminalitaet und zu Politikern der
extremen Rechten. Obwohl er nie als
Transportarbeiter beschaeftigt war, verstand es Hoffa anfangs, sich
ein attraktives Profil als "starker Fuehrer" zu
geben, der aus der Gewerkschaft wieder die maechtige
Organisation machen wuerde, die sie in den 50er
Jahren einmal war, als sein Vater den Vorsitz fuehrte. Jetzt, wo
Carey aus dem Rennen ist, macht Hoffa sich neue
Hoffnungen und fuehrt seine Angriffe gegen die TDU, indem er
behauptet, diese Gruppe sei das "fehlende
Bindeglied" in Careys Kampagne.
Rechte macht mobil Diesen
Vorwurf hat das "Wall Street Journal" aufgegriffen, die
eine systematische und boesartige Kampagne gegen Carey
fuehrt. Ein Unterausschuss des Repraesentantenhauses, bei
dem Peter Hoekstra den Vorsitz fuehrt, ein
gewerkschaftsfeindlicher Republikaner aus Michigan,
hat Kongress-Hearings durchgefuehrt, bei denen Abgeordnete
auftraten, die forderten, dass keine Gelder mehr zur
Unterstuetzung des Wahlkampfs eingesetzt werden
duerften, und Unterstuetzer Hoffas die Teamsters unter
Regierungskuratel setzen wollten. William Safire, ein rechter
Kolumnist der "New York Times", macht sich zum
Sprachrohr Hoekstras und versucht, auch die
(Reform-)Fuehrung des AFL-CIO mit in die Sache reinzuziehen,
indem er behauptet, das Geld der Teamsters sei auch durch
die Haende des Schatzmeisters des AFL-CIO geflossen. Schon
sieht er "den moeglichen Sturz von John
Sweeney" gekommen! Die Rechte hat die
Untersuchungen gegen den Gewerkschaftsvorstand zwar
nicht verursacht, aber sie versucht alles, den Vorfall weidlich in
ihrem Sinne auszuschlachten, um die Idee einer
demokratischen Reform der Gewerkschaften zu diskreditieren und
die massive Solidaritaet, die der UPS- Streik den
Teamsters gebracht hat, zu brechen. Die
TDU Wenige Tage nachdem Conboy seine
Entscheidung bekanntgegeben hatte, Carey duerfe
nicht mehr kandidieren, fuehrten die TDU (Teamsters for a
Democratic Union) ihre Jahreskonferenz durch. Die Konferenz
dient dazu, neue Mitglieder fuer die TDU zu gewinnen, eine
Aktionsperspektive fuer das kommende Jahr zu
entwerfen, das Fuehrungsteam zu staerken und vergangene
Erfolge zu feiern. 600 Teilnehmende verzeichnete der Kongress
diesmal -- soviel wie noch nie. Sie hatten den Schock der
Anschuldigungen gegen Carey zu verarbeiten; Carey
selbst trat dort auf und sprach zu den Versammelten.
Er raeumte die Moeglichkeit ein, dass es eine Reformliste auch
ohne ihn geben koenne.
Einige Berichterstatter waren ueberrascht ueber das Ausmass der
Sympathiebezeugungen von TDU-Mitgliedern mit Carey.
Doch das kann eigentlich nicht ueberraschen. Die
TDU-Mitglieder wissen, was seine kaempferische
Fuehrung fuer die Gewerkschaft bedeutet hat, und sie haben
sich auf den Standpunkt gestellt: im Zweifel fuer den
Angeklagten. Anders als die Presseleute hatten sie die 70
Seiten starke Begruendung von Richter Conboy nicht
gelesen und konnten nicht Tatbestaende in Betracht
ziehen, die sie nicht kannten. In einem
gewissen Sinn hat Carey den TDU eine Last genommen, als er davon
sprach, sein persoenliches Schicksal liege in den
Haenden der Richter, das Schicksal der Gewerkschaft hingegen
in der Hand der TDU. Auf dem Kongress diskutierten
die TDU ueber den neu abzuschliessenden Tarifvertrag im
Frachtbereich, der im Maerz ablaeuft. Er geht 120.000 Teamsters
an -- aber anders als bei UPS, wo das Unternehmen Superprofite
macht, steckt die Frachtindustrie in einer
wirtschaftlich prekaeren Lage. Trotzdem wollen die
Teamsters das Organisationsmodell bei UPS als Vorbild auch im
Frachtbereich nehmen. Die
Teamsters sind eine Industriegewerkschaft, die alle
Transportarbeiter in verschiedenen Bereichen organisiert:
Fahrer, Warenhaus- und Versandarbeiter,
Frachtleute. In der Gewerkschaft gibt es gut bezahlte
Beschaeftigte, aber auch solche, die zu einem Mindestlohn
arbeiten. Auf den Konferenzen der TDU treffen sich die
Beschaeftigten nach ihren Arbeitsbereichen, um gemeinsame
Probleme und Aktivitaeten zu besprechen. Auf der
Konferenz von 1997 gab es zum erstenmal ein Treffen von
Beschaeftigten im Autoverleih, ein Niedriglohnbereich, in dem
hauptsaechlich Frauen fast ohne gewerkschaftlichen
Schutz arbeiten. Sie wollen jetzt anstaendige Loehne und
Arbeitsbedingungen durchsetzen. Die
Konferenz hat zwei Resolutionen beschlossen. Eine in Solidaritaet
mit Carey und zur Unterstuetzung der Richtung, in der er
die Gewerkschaft in den letzten sechs Jahren gefuehrt
hat. In der zweiten Resolution beauftragt die
Konferenz die Fuehrung der TDU fuer den Fall, dass Carey
als Kandidat nicht in Frage kommt, einen anderen Reformer zu
unterstuetzen. Die Resolution lehnt eine "Versoehnung"
mit der "alten Garde" ausdruecklich ab.
Auf dem Kongress haben einige Linke vorgeschlagen,
ein Verteidigungskomitee fuer Ron Carey zu bilden und vor
dem Gerichtsgebaeude Streikposten aufzustellen. Sie
verwiesen vor allem auf die Angriffe der Rechten
gegen Carey und deuteten diese als Beweis dafuer, dass das Ganze
eine Offensive des Kapitals sei und dass man zum
Widerstand gegen die "Einmischung der Regierung" in
gewerkschaftseigene Angelegenheiten aufrufen
muesse. Diese Position ignoriert jedoch die Tatsache, dass es
ohne diese "Einmischung" niemals eine Wahl des
Gewerkschaftsvorsitzenden durch die Mitglieder gegeben haette.
Der Gang der Dinge legt eine andere Marschroute
nahe. Die TDU haben begonnen, die Konturen einer
Reformliste auszuarbeiten, und arbeitet an der
Kandidatenaufstellung. Drei sind bisher im Gespraech -- das zeigt,
welche Veraenderungen es in der Gewerkschaft seit
1991 gegeben hat. Keiner von ihnen ist landesweit bekannt und
jeder wird einen harten Kampf gegen Hoffa fuehren
muessen, dessen Name jeder kennt. Aber die TDU haben immer
harte Kaempfe fuehren muessen. Ihr Dasein hat damit
begonnen, dass sie ihr Recht, sich zu versammeln, mit
physischer Gewalt gegen bezahlte Schlaeger
durchsetzen musste. Jetzt, wo es so aussieht, als werde es striktere
finanzielle Auflagen fuer den Wahlkampf geben, werden
die Reformer wenigstens den Vorteil haben, dass sie wissen,
wie man einen wirksamen Basiswahlkampf fuehrt.
Die TDU gibt es nun seit 22 Jahren -- eine kleine,
mutige Organisation, die weiss, wie man einen
guten Kampf fuehrt, und keine Angst hat zu
verlieren. Eines ihrer groessten Probleme ist nur, dass es in
anderen US- Gewerkschaften keine Basisbewegungen mit
vergleichbarem Einfluss gibt. Dianne
Feeley ist Redakteurin der revolutionaer-sozialistischen
Monatszeitschrift "Against the Current". |