Nr.1/1998
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Studierende in der Bannmeile
Perspektiven des Protests weiter unklar
von Gerhard Klas

Informationen, die die Vorfaelle im Bereich der Bannmeile betreffen,
entnehmen sie bitte der Pressekonferenz der Polizei", war am
19.Dezember auf der Internetseite der Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftlichen Fakultaet (WiSo) der Universitaet Koeln zu
lesen. Die WiSo-Koeln als offizielle Pressestelle der
Studierendendemonstration vom 18.Dezember in Bonn unternahm in ihren
Erklaerungen nichts, um das von den Medien verbreitete Bild von "400
Autonomen, die mit Gewalt in die Bannmeile eindringen wollten" zu
widerlegen.

Entgegen dem in der Oeffentlichkeit verbreiteten Eindruck war naemlich
nicht eine kleine Gruppe von "Autonomen", sondern die grosse Mehrheit
der Studierenden in die Bannmeile eingedrungen, berichtet das
Koordinierungstreffen der Ruhr-Universitaeten. "Insbesondere aus Euren
Aeusserungen der Presse gegenueber koennen wir nur schliessen, dass
auch Ihr auf der Seite der ueberreagierenden Polizei, nicht aber auf
der Seite der Mehrheit der Protestierenden steht", so der Vorwurf der
Koordination an die WiSo-Fakultaet in Koeln. Auch andere Augenzeugen
sprechen von mehreren tausend Studierenden, die die Bannmeile als
"Symbol der undemokratischen Abschottung der Regierenden" bewusst
verletzt haetten.

"Die Idee, die Bannmeile zu durchbrechen, ging nicht von einigen
hundert Autonomen aus", berichtet ein Augenzeuge gegenueber der SoZ.
"Die Studenten fuehlten sich gewaltig verarscht, als sie durch
irgendwelche Nebenstrassen geleitet wurden", so der Student weiter.
3000 Demonstranten haetten kleinere Absperrungen der Polizei
durchbrochen. Daraufhin seien die Beamten mit mehreren Fahrzeugen
angerueckt und haetten die Strasse abgesperrt. Die Situation sei
eskaliert, als berittene Polizei wahllos auf Demonstranten
einpruegelte. Als zudem noch Reizgas versprueht worden sei, haetten
Studierende mit den Stoecken ihrer Transparente auf Polizisten
eingeschlagen. Nach mehr als zwei Stunden waeren die Demonstranten
jedoch in den Bonner Hofgarten gezogen, um die dortige
Abschlusskundgebung nicht zu verpassen.

Nach Angaben der Ruhr-Universitaeten gaben die Veranstalter der
Demonstration Opfern der Polizeigewalt trotz mehrerer Aufforderungen
keine Gelegenheit, zur Situation in der Bannmeile offiziell Stellung
zu nehmen. "Wir haetten erwartet, dass die Demoleitung bei der
Abschlusskundgebung die brutalen Polizeiuebergriffe auf Studierende
in aller Deutlichkeit verurteilt", so das enttaeuschte
Koordinierungstreffen der Ruhr- Universitaeten.

Doch nicht nur bei konkreten Aktionen werden die unterschiedlichen
Herangehensweisen der einzelnen Fraktionen in der Studierendenschaft
deutlich. Auch bei inhaltlichen Forderungen und strategischem Debatten
gehen die Vorstellungen weit auseinander. Andres Friedrichsmeier von
der Streik-AG in Bochum macht die Unterschiede an der
Gespraechsbereitschaft mit Politikern fest. Auf dem letzten Treffen
des studentischen Dachverbandes fzs im Dezember in Bonn habe die eine
Fraktion ihre Bereitschaft zu verhandeln an die Verschiebung des
neuen Hochschulrahmengesetzes gekoppelt, waehrend die andere -- vor
allem Streikkomitees aus dem Ruhrpott und aus Hessen -- zur Zeit
Gespraeche mit Politikern ganz ablehnte. Denn, so ihre Argumentation,
zunaechst sollte mit der Vernetzung der eingenen Aktionen begonnen
werden, um aus einer Position der Staerke heraus verhandeln zu
koennen.

Das ist gerade nicht der Fall, da bis auf die Berliner nur noch wenige
Hochschulen Vorlesungen boykottieren, die meisten ihre Streiks
ausgesetzt haben. Der "Bildung und Gesellschaft--Kongress" (BUG) in
der zweiten Januarwoche in Berlin soll deshalb Strukturen schaffen,
die auch kurzfristig in der Lage sind, neue Proteste zu organisieren.
Katja Raetz, ehemals hochschulpolitische Referentin im AStA der
FU-Berlin, richtet ihren Blick ueber den Tellerrand der Hochschule
hinaus und betont das Interesse an einer Zusammenarbeit mit der
Gewerkschaft OeTV. Dort stehen die Zeichen, sollte die jetzige
Tarifrunde scheitern, auf Streik. Friedrichsmeier befuerchtet indes,
die Differenzen zwischen den AktivistInnen in der Studierendenschaft
wuerden allenfalls einen Minimalkonsens zulassen, der nicht ueber
staendische Forderungen hinausgehe.