Nr.1/1998
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Weniger Personal, hoehere Umsaetze
Beschaeftigte der Telekom nach der Freigabe des Telefonmonopols

von Franz Mayer

Mit einem wahren "Marketing-Feuerwerk" an neuen Angeboten werde die
Telekom auf die neuen Konkurrenten reagieren, kuendigte Telekom-Boss
Ron Sommer an. Gleichzeitig eroeffnet der Telekom-Vorstand ein wahres
Trommelfeuer auf die Beschaeftigten.

Mehr Umsatz, mehr Gewinne, weniger Personal. So lassen sich die
Erfolgsmeldungen der Halbjahresbilanz 1997 der Deutschen Telekom AG
zusammenfassen. Nach eigenen Angaben stieg im ersten Halbjahr 1997 der
Umsatz um 7,3% im Vergleich zum Vorjahr auf insgesamt 32,9 Mrd. DM.
Der Vor-Steuergewinn wuchs von 0,9 auf 3,6 Mrd. DM. Die Aktionaere
koennen sich freuen: Ron Sommer verspricht ihnen fuer das
Geschaeftsjahr 1997 eine Dividendenzahlung von 1,20 DM pro Aktie. Die
Halbjahresbilanz der Telekom erweist sich allerdings bei genauerem
Hinsehen keineswegs als so glaenzend -- und das uebrigens auch in den
Augen der Manager.

Das Geschaeftsergebnis liegt um 3,2 Mrd. DM unter Plan. Insbesondere
beim Mobilfunk gibt es momentan grosse Probleme. Dort verliert das
Mobilfunknetz D1 immer mehr an Boden gegenueber dem Mannesmann-
Konkurrenzprodukt D2. Es scheint, als muesse DeTeMobil, eine
Tochtergesellschaft der Telekom, erstmals rote Zahlen schreiben.
Inzwischen musste der Chef von DeTeMobil, Lothar Hunsel, "freiwillig"
seinen Hut nehmen. Er habe sich sich zu sehr auf das Produktmarketing
konzentriert und darueber den Vertrieb vernachlaessigt, heisst es in
der Funkschau. "Unser Vertrieb ist nicht aggressiv genug", lautet die
Diagnose. Nun soll Kai-Uwe Ricke, der Sohn des ehemaligen
Telekom-Chefs Helmut Ricke, den Absatz der DeTeMobil wieder steigern.
Er wird das Unternehmen nun staerker auf indirekten Vertrieb ueber
Fachhaendler, Kaufhaeuser und Handwerker orientieren.

Konkurrenz noch nicht sehr fit

Auch an anderer Stelle rumort es. Geschaeftskunden-Vorstand Herbert
May musste einen Teil seiner Kompetenzen an seinen Kollegen Detlev
Buchal abgeben. May wird dafuer verantwortlich gemacht, dass die
Telekom wohl einen Teil ihrer Grosskunden nach dem 1.1.98 an die
Konkurrenz verlieren wird. Nach Angaben der Wirtschaftswoche haben
Karstadt, die Lufthansa und die Metallgesellschaft, sowie die
TV-Sender RTL und SAT 1 die Vertraege mit der Telekom gekuendigt und
sind zur Konkurrenz gewechselt. Ausserdem seien dem Vorstand durch
die Interconnection-Entscheidung von Postminister Boetsch Einnahmen
von rund einer halben Milliarde DM verlorengegangen, die angeblich
schon fest eingeplant gewesen seien. Diese Entscheidung legte die
Nutzungsgebuehr fuer die Telekom-Ortsnetze durch die Konkurrenten auf
2,7 Pfennig pro Minute fest, obwohl die Telekom einen Betrag von 6
Pfennig gefordert hatte.

Das Ueberwechseln von Telekom-Grosskunden zu den neuen Konkurrenten
kommt nicht sonderlich ueberraschend. Mannesman-Arcor, Otelo,
Viag-Interkom und andere Gesellschaften umwerben gerade dieses
Klientel mit Rabatten und Sonderangeboten. Auch der Telekom-Vorstand
geht davon aus, dass ihr Unternehmen in diesem Bereich Marktanteile
verlieren wird. Ob die Telekom momentan jedoch ueber das vom Vorstand
einkalkulierte Mass hinaus Kunden verlieren wird, erscheint hingegen
wenig wahrscheinlich. Bereits im Maerz 1997 schrieb der Spiegel: "Bis
auf vollmundige Ankuendigungen und bunte Plakate haben die
zukuenftigen Konkurrenten wenig zu bieten, und die aufstrebende
Branche ist noch weit davon entfernt, auf stabile
Geschaeftsgrundlagen setzen zu koennen."

Anfang Dezember hatte sich daran noch nicht viel geaendert.
Insbesondere Otelo und Viag-Interkom scheinen wegen massiver
technischer und organisatorischer Probleme weit hinter den Planungen
herzuhinken. Beide werden erheblich kleinere Broetchen backen
muessen, als sie urspruenglich angekuendigt hatten.

Und wenn der mutmassliche Hauptkonkurrent Mannesmann-Arcor es fuer
noetig befindet, in einer Spiegel-Anzeige stolz die Anwerbung von
Merckle/ Ratiopharm, einem nicht allzu grossen Telekom-Kunden,
vermelden zu muessen, ist das eher ein Zeichen von Schwaeche als von
Staerke. Die weniger zur Marktschreierei neigende Funkschau sieht
folglich auch im November 1997 fuer den 1.Januar 1998 keine Anzeichen
fuer einen Big Bang bei der Telekom.

Auf die Beschaeftigten abgewaelzt

Dem Telekom-Vorstand passen Meldungen ueber die Verschlechterung der
Auftragslage durch die Konkurrenz zur Zeit gut ins Konzept. Unter dem
Eindruck eines Bedrohungsszenarios laesst sich umso besser die
Notwendigkeit von "Kostensenkungen" gegenueber der eigenen Belegschaft
begruenden. Nicht umsonst wurden im Herbst vergangenen Jahres mit dem
Bekanntwerden der oben genannten Probleme bei der Telekom die
Personalabsenkungsvorgaben fuer 1998 kurzfristig noch einmal erhoeht.

Beschaeftigte der Telekom hatten auch in der Vergangenheit wenig zu
lachen. Im Verlauf des letzten Jahres wurden knapp 12.000
Arbeitsplaetze abgebaut, seit 1994 insgesamt mehr als 32.000. Bis zum
Jahr 2000 sind noch einmal weitere 30000 Entlassungen geplant. In
Managementkreisen wird bereits jetzt unter vorgehaltener Hand davon
gesprochen, dass entgegen bisheriger Aussagen bis zum Jahr 2000
weniger als 170.000 Menschen bei der Telekom arbeiten werden. Nur
wenn bis dahin alles optimal laeuft, koenne weiter von dieser Zahl
ausgegangen werden, heisst es jetzt.

Die Prognosen des Vorstandes weisen also darauf hin, dass es einen
weitergehenden Abbau von Arbeitsplaetzen geben wird. Der verlief
bisher weitgehend "sozialvertraeglich", denn es gab keine
"betriebsbedingten Kuendigungen". Das kann allerdings nicht darueber
hinwegtaeuschen, dass diese Arbeitsplaetze ein fuer allemal verloren
sind -- und das ist in jeder Hinsicht sozial unvertraeglich. Zumal
diese Spitzenleistung im Arbeitsplatzabbau in einer Branche erreicht
wird, der die Apologeten der "Informationsgesellschaft" das "grosse
Jobwunder" nachgesagt haben.

Es gehoert zu den vom Management zu verantwortenden Absurditaeten,
dass in letzter Zeit gerade der Servicebereich der Telekom stark
ausgeduennt wird. Dort wird das Personal von 38.000 (1994) auf 19000
(Ziel fuer 2000) reduziert.

Offensichtlich sollen Luecken im Servicebetrieb von den verbleibenden
KollegInnen durch Mehrarbeit gefuellt werden. Verstoesse gegen das
Arbeitszeitgesetz sind dort heute schon an der Tagesordnung. Aus Angst
vor Versetzungen in ungeliebte Abschieberessorts oder solche weit weg
vom Wohnort, unterwerfen sich die Beschaeftigten lieber den harten
Arbeitsbedingungen, die durch den Stellenabbau entstehen.

Urspruenglich waren durch den Tarifvertrag "Focus 98" bis zum 1.Januar
dieses Jahres betriebsbedingte Kuendigungen ausgeschlossen. Im Herbst
1997 einigten sich Telekom-Vorstand und Postgewerkschaft im
Tarifvertrag 33 (TV 33) darauf, den Ausschluss betriebsbedingter
Kuendigungen bis Ende 2000 zu verlaengern. Telekom-Finanzchef Kroeske
hat angesichts der Kosten, die der Tarifvertrag verursacht, getobt.

Nach Gewerkschaftschaftsaussagen sei Personalchef Klinkhammer, der
sich fuer diesen Vertrag eingesetzt hatte, anschliessend unter Druck
geraten. Der Abschluss des TV 33 erfolgte vor der
"Interconnection"-Entscheidung des Postministers. Waeren die
Ergebnisse der Entscheidung schon vorher bekannt gewesen, haette der
Vorstand den Tarifvertrag nicht unterschrieben, so die Gewerkschafter
weiter.

Schon vorher seien Teile des Vorstands "wild entschlossen" gewesen, ab
Januar 1998 betriebsbedingte Kuendigungen auszusprechen. Ihren
Ausschluss bis Ende 2000 wertet die Deutsche Postgewerkschaft (DPG)
als grossen Erfolg. Bemerkenswert sei, dass der TV33 keinerlei
Lohnkuerzungen beinhalte. Zum Vergleich: Bei VW wurden solche
Massnahmen zur Beschaeftigungssicherung mit Lohneinbussen bis zu 14%
erkauft.

Dennoch musste auch die DPG einige Kroeten schlucken. Betroffen sind
vor allem Beschaeftigte, deren Arbeitsplaetze neuen
Rationalisierungsmassnahmen zum Opfer fallen. Fuer sie wird ein
Ressort "Projekt Management Service" (PMS) eingerichtet, dessen
hochtrabender Name kaschieren soll, dass es sich bei PMS um ein
unternehmensinternes Abschiebegleis handelt. In diesem Ressort
koennen Mitarbeiter beliebig in einem "Tripel" (jeweils drei
Niederlassungen, z.B. Wuerzburg, Bamberg und Bad Kissingen bilden ein
Tripel) versetzt werden. Die Mitbestimmungsmoeglichkeiten des
Betriebsrats sind ausgeschaltet und die soziale Zumutbarkeitsgrenze
wurde zum Nachteil der Beschaeftigten verschoben.

Nach Aussagen von Telekom-Personalchef Klinkhammer soll das Ressort
PMS nur 2--3 Jahre, also bis zum Auslaufen des Tarifvertrags, Bestand
haben. Da angesichts der umfangreichen Rationalisierungsmassnahmen im
Konzern nicht davon auszugehen ist, dass viele Leute aus dem PMS
einen Dauerarbeitsplatz bei der Telekom finden werden, steht zu
befuerchten, dass diese Menschen nach Auslaufen des TV 33 von
betriebsbedingten Kuendigungen bedroht sind.

Neues Entlohnungssystem

"Wir haben uns fuer die kommenden Monate einen steigenden Aktienkurs
zum Ziel gesetzt. Wenn wir unsere Hausaufgaben konsequent erledigen,
also vor allem die Kosten kontinuierlich senken, bin ich sicher, dass
die T-Aktie bald wieder anzieht", sagte Finanzchef Kroeske gegenueber
der Zeitschrift Capital.

Also wie gehabt: Damit die Profite der Reichen steigen, muessen
Arbeitsplaetze fallen und Noch-Beschaeftigte mehr schwitzen -- fuer
weniger Lohn natuerlich. "Unsere Personalkosten sinken nicht rasch
genug. Wir arbeiten zur Zeit an einem Massnahmenprogramm", so Kroeske
weiter.

Nach Aussagen von Funktionaeren der DPG erscheint dem Telekom-Vorstand
vor allem die Gehaltssituation bei den Tochterunternehmen
unangemessen. Bisher hatten die Beschaeftigten dort die gleiche
Entlohnung erhalten. Bei der Gruendung der DeTeMobil haetten schon 5%
der Mitarbeiter Gehaltskuerzungen hinnehmen muessen, so die
Gewerkschafter. Doch auch das war dem Unternehmensvorstand zu wenig.

Bei der juengsten Ausgliederung der Rechenzentren in die DeTeCSM
bekamen die Betroffenen die neue Vorstandslinie bereits auf ihrem
Lohnzettel zu spueren: 50--60% der Beschaeftigten verdienen weniger
als vorher. Zwar gibt es fuer die momentan Angestellten eine
Besitzstandswahrung. Aber die neu eingestellten KollegInnen sind von
den neuen Gehaltskuerzungen voll betroffen.

Die neue Linie soll anscheinend auch in den Verhandlungen um einen
Entgelttarifvertrag fuer den Gesamtkonzern durchgeboxt werden. Bereits
seit geraumer Zeit fuehren Telekom-Vorstand und Postgewerkschaft
darueber Kamingespraeche.

Ein neuer Entgelttarifvertrag soll den Uebergang vom Bezahlungssystem
des oeffentlichen Dienstes zum dem in der Privatindustrie weit
verbreiteten "analytischen Funktionsbewertungssystem" vollziehen.
Einig sind sich Gewerkschaft und Telekom ueber die "nicht
leistungsabhaengigen" Alters-, Orts-, Kinder- und Familienzuschlaege
des oeffentlichen Dienstes, die der besonderen Lebenssituation der
Beschaeftigten Rechnung tragen. Sie sollen kuenftig nicht mehr
tarifvertraglich garantiert sein.

Momentan scheinen die Verhandlungen jedoch wegen Differenzen ueber die
Hoehe des Grundgehalts zu stocken. Die DPG fordert 100% des
gegenwaertigen Gehaltsniveaus. Fuer Personalchef Klinkhammer soll das
gegenwaertige Gehalt hingegen ein Maximalwert sein, den die
Beschaeftigten nur nach Zuteilung aller "leistungsabhaengigen"
Anteile und einer vom Erreichen der "persoenlichen Zielvereinbarung"
abhaengigen Zusatzpraemie bekommen koennen.

Die DPG ringt sich trotz der offensichtlichen Provokationen des
Vorstands nicht zu einem Abbruch der Verhandlungen durch. Sie beraubt
sich damit des einzigen Druckmittels, der Mobilisierung der Basis.
Insofern steht zu befuerchten, dass der Vorstand mit diesem Teil
seines "Massnahmenprogramms" durchkommt. Neben den Beschaeftigten,
deren Taetigkeit jetzt niedriger eingestuft wird, werden besonders
die ueber 40jaehrigen und Eltern mehrerer Kinder finanziell deutlich
schlechter dastehen als bisher.

Ein Erfolg in dieser Tarifrunde wird den Vorstand zu weiteren
Dreistigkeiten ermutigen. Vieles deutet darauf hin, dass in naher
Zukunft weitere Leistungszulagen gekuerzt werden sollen.

Weniger Personal, gleiche Kosten

DPG-Funktionaere weisen im Zusammenhang mit dem bisherigen
Personalabbau auf ein widerspruechliches Phaenomen hin. Obwohl im
letzten Jahr fuenf Prozent weniger Personal im Unternehmen
arbeiteten, seien die Personalkosten nur um ein Prozent gefallen.
Denn im Zuge der Gruendung von Tochterunternehmen seien gleichzeitig
eine Vielzahl von wohldotierten Geschaeftsfuehrer- und
Assistentenstellen geschaffen worden. Nach Aussagen des DPG-Bezirks
Stuttgart gibt es mittlerweile insgesamt 14.500 hochbezahlte Posten
in den diversen Zentralen. Was urspruenglich als Strategie gedacht
war, um gewerkschaftliche Strukturen zu unterlaufen und zu
schwaechen, erweist sich nun als extrem kostspielig.

Das wird jetzt angeblich auch vom Vorstand als "Problem" angesehen.
Massnahmen gegen den "Wasserkopf" werden jedoch voraussichtlich nicht
eingefuehrt werden, denn in Vorstandkreisen ist man der Meinung, dass
in der Telekom AG "Fuehrungskraefte" zu schlecht bezahlt sind. Ron
Sommer selbst (Grundgehalt ca 1,5 Mio. DM) und seine Vorstandscrew
werden ueber Shareholder Value und sonstige Nebeneinkuenfte ihr
Gehalt noch weiter aufbessern. Und selbst wenn mal einer aus diesem
Kreis wegen offenkundiger Unfaehigkeit seinen Hut nehmen muss, droht
ihm angesichts grosszuegiger Abfindungsregelungen keine harte
Landung.

Ueber sonderlich prophetische Gaben brauchen Beobachter nicht zu
verfuegen um vorauszusagen, dass die Beschaeftigten der Telekom die
ersten, wenn auch nicht einzigen Verlierer der Freigabe des
Telefonmonopols sein werden. Sie sollen zu jedem Opfer bereit sein,
das ihnen vom Vorstand im Namen des Wettbewerbs, des Aktienkurses und
damit steigender Shareholder- Value-Einkommen fuer die Vorstaende
abverlangt wird. Dadurch, dass im Telekom-Konzern neoliberale Ideen
die absolute Prioritaet haben und sich die Postgewerkschaft statt als
Gegenmacht in der Rolle des Comanagements uebt, stehen die Zeichen
fuer die Verteidigung der sozialen Rechte der Beschaeftigten derzeit
mehr als schlecht.