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Nr.16 onlineversion

Berliner Erklaerung

"Wir wollen ein anderes Buendnis" - Gegen den Richtungswechsel in der Gewerkschaftspolitik

Mit einer "Berliner Erklaerung", die der Landesbezirksvorstand am 22. Februar verabschiedete, hat sich die HBV Berlin ausgesprochen kritisch in die Debatte um das "Buendnis fuer Arbeit" und in die Diskussion um ein neues DGB-Grundsatzprogramm eingeschaltet. Bis Redaktionsschluss hatten ErstunterzeichnerInnen aus fast allen Einzelgewerkschaften das Papier unterschrieben.

"Ein grundsaetzlicher Richtungswechsel der Gewerkschaftsbewegung wird hier eingeleitet, mit diesen Buendnis-Vorschlaegen werden Grundsatzpositionen aufgegeben. Das gewerkschaftliche Prinzip "Gleicher Lohn fuer gleiche Arbeit soll fallen", so die Einschaetzung zur Initiative des IG-Metall-Vorsitzenden und zur DGB-Programmdiskussion. Hier spiegele sich die Auffassung wider, dass der Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit nach dem Wegfall der Systemkonkurrenz nicht mehr existent sei. "Aufgrund unserer Erfahrung sind wir weiterhin der Ansicht: Lohnverzicht schafft keine Arbeitsplaetze", heisst es vor dem Hintergrund des Zwickel-Vorschlages, der so beschrieben wird: "330.000 Arbeitsplaetze im Austausch fuer Lohnsteigerungen nur in Hoehe des Inflationsausgleichs - Abbau der UEberstunden - Einstiegstarife fuer Langzeitarbeitslose - mehr Zeitsouveraenitaet (wann gearbeitet wird, bestimmt allerdings die Unternehmensleitung). Die Antwort des Metallarbeitgeber-Verbandes - Sicherung des "Standortes Deutschland" mit dem Drei-Saeulen-Lohnmodell - laufe auf moderne Tageloehnerei hinaus. Und: "Gleiches gilt, wenn die Ladenschlusszeiten fallen sollten und die KollegInnen sich mit 590-Mark-Jobs/West, 500-Mark-Jobs/Ost wiederfinden." In der Erklaerung wird vor einer anderen gefaehrlichen Dimension gewarnt: "Die Fortsetzung der Diskussion betreibt die CSU mit dem eingeforderten "Buendnis fuer Deutschland". Die Gefahr eines nationalistisch und rassistisch gepraegten Konkurrenzverhaltens unter Beschaeftigten verschaerft sich zusehends, soziale Spaltung und Entsolidarisierung werden gefoerdert." In der Gewerkschaftsbasis werde der Irrglaube geschuert, innerhalb dieser Wirtschaftsordnung Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplaetzen zwingen und das auch noch kontrollieren zu koennen. Gleichzeitig liesse die Agitation von Arbeitgebervertretern wie Murmann, Stihl, Stumpfe und ihren SympathisantInnen in der Politik ein fertiges Konzept zur Beseitigung des Sozialstaats befuerchten: "Kuerzung der Arbeitslosenhilfe, Wegfall von Krankenkassenleistungen, Kuerzung der Lohnfortzahlung bei Krankheit, weniger Sozialhilfe, Rentenkuerzung, Anhebung des Rentenalters usw. Daran sollen die Menschen nach und nach gewoehnt werden." Kritisch wird angemerkt, dass die Gewerkschaften Alternativen zur Schaffung von Arbeitsplaetzen wie Arbeitszeitverkuerzung, soziale Grundsicherung, gerechte Bedingungen fuer Teilzeitarbeit und fest vereinbarte Mindestloehne kaum mehr verhandeln. "Waehrend der Umbau des Sozialstaates fuer Arbeitgeberverbaende und einige DGB- und Gewerkschaftsvorsitzende laengst beschlossene Sache und angeblich unvermeidbar ist, wollen wir fuer eine Wende zu unseren Gunsten kaempfen", betonen die VerfasserInnen und UnterzeichnerInnen der "Berliner Erklaerung". "Die laengst ueberfaellige Offensive der Gewerkschaften findet mit diesem "Buendnis" nicht statt. Die Gewerkschaften werden funktionalisiert und eingebunden in den Klassenkampf von oben. Gewerkschaft als Ordnungsmacht statt Gegenmacht ist fuer uns keine Alternative." Wie die Umverteilung von unten nach oben verlaeuft, wird an zwei Beispielen verdeutlicht: "1980 sind die Unternehmen noch im Durchschnitt mit 33,6 Prozent Steuern belastet worden. 1993 waren es nur noch 18,3 Prozent. Die Unternehmergewinne sind in den letzten 10 Jahren um ueber 150 Prozent gestiegen, waehrend die Realloehne im gleichen Zeitraum sanken." Die neue Etappe des Lohnraubs und Sozialabbaus sei in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik ohne Beispiel und die Arbeitgeberseite spreche ganz ungeniert aus, womit die Menschen bei dem "Buendnis" zu rechnen haetten. Genannt werden unter anderem folgende Punkte: - mehr Arbeit fuer weniger Lohn mit der groesseren Wahrscheinlichkeit, erwerbslos zu werden - Frauen muessen weiterhin die Arbeitsplaetze zugunsten der Maenner raeumen - die Erwerbslosen haben noch weniger Arbeitslosenhilfe, muessen dafuer aber mit mehr Repressalien und schlechteren Chancen auf bezahlte Arbeit rechnen.

"Wir rufen auf zur Gegeninitiative", heisst es in der "Berliner Erklaerung" abschliessend, "denn wir wollen ein Buendnis anderer Art: Das der Gewerkschaften mit den Beschaeftigten, mit den Erwerbslosen, den Mittellosen und den Benachteiligten! Ein Buendnis mit den Organisationen, die der sozialen und geistigen Verelendung etwas entgegensetzen wollen. Wir fordern die Diskussion und Vorbereitung zum gemeinsamen Widerstand aller Betroffenen, um diese Kriegserklaerung der Kapitaleigner und ihres politischen Personals abzuwehren.

Gerade die Gewerkschaften muessen neue Hoffnung wecken und gemeinsam mit den Genannten fuer diese Interessen kaempfen."

Der Wortlaut der Erklaerung kann auf der trend panorama-seite nachgelesen werden.

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