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Nr.19 onlineversion

Diskriminierung als Betriebspolitik bei BSHG?

Das Bosch-Siemens-Hausgeraetewerk (BSHG) hat viel Geld zur Verfuegung gestellt, um mit Abfindungen die KollegInnen auslaendischer Herkunft, die Kranken, Aelteren, Schwerbehinderten und all denen, die fuer den Betrieb ihre Gesundheit ruiniert haben, zum Verlassen des Betriebs zu bewegen. Grosszuegigkeit? Nein! Sie wissen, dass ein Frontalangriff gegen eine kampferprobte Belegschaft nach hinten losgehen muss, und dass sie mit einem ,billigeren" Sozialplan ihrem Ziel - einer olympiareifen Belegschaft - keinen Schritt naeher kommen koennen.

Wir haben mit Mehmet, einem Kollegen aus dem Vertrauenskoerper von BSHG, gesprochen.

Beschreibe bitte kurz eure Situation im Betrieb!

Die Geschaeftsleitung hat am 25.2.1997 dem Betriebsrat offiziell verkuendet, dass der ,Eurowaescher" (neues Geraetemodell) in Zukunft nur dann in Berlin gefertigt werden kann, wenn der Betriebsrat ganz neuen Rahmenbedingungen zustimmt. Dazu gehoeren Arbeitszeitverlaengerung, Lohnsenkung, Samstagsarbeit als Normalarbeitszeit und als wichtigster Punkt Mitarbeiterauswahl. Es soll keine Uebernahmegarantie fuer zur Zeit im Betrieb arbeitende Kollegen und Kolleginnen geben, aber unbefristete und befristete Saisonarbeitskraefte. Auf Anfrage des Betriebsrates, welche Kriterien fuer die Uebernahme von KollegInnen beruecksichtigt wuerden, lautete die Antwort des Personalchefs, diese muessten sich in den naechsten zwei Jahren anstrengen und nicht krank werden. Das bedeutet fuer uns Leistungsverdichtung bis zur Erschoepfung, Massenentlassungen und die Liquidierung saemtlicher sozialer Standards.

Wen trifft diese Politik?

In den letzten vier Jahren wurden bei BSHG 600 KollegInnen entlassen, darunter waren mehr als 500 MigrantInnen. Die Geschaeftsleitung hat extra fuenf Dolmetscher eingestellt, die die tuerkischsprachigen KollegInnen weichkochen sollten, damit diese Aufhebungsvertraege und Fruehpensionierungen akzeptieren wuerden. Durch den massiven Druck von Arbeitgeberseite haben diejenigen unterschrieben, die zu den Aelteren und Schwerbeschaedigten gehoeren, diejenigen, die in vielen Jahren ihre Gesundheit und ihr Privatleben fuer den Betrieb ruiniert haben.

Der Betrieb gilt in Berlin als kampfstark...

Die meisten MigrantInnen wurden in den 70iger Jahren als Fliessband-, Akkord- und SchichtarbeiterInnen eingestellt. Da sie in erster Linie unter unzureichenden Arbeitsbedingungen leiden mussten, stellte es fuer sie quasi eine Notwendigkeit dar, Gewerkschaftsmitglied zu werden. In Tarifauseinandersetzungen waren sie oft an Arbeitsniederlegungen und Kaempfen auf der Strasse beteiligt, weil sie nicht pro forma fuer Lohnerhoehungen, sondern in erster Linie um die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen gekaempft haben. Unter den MigrantInnen war der Anteil, der sich aktiv fuer die Interessen der ArbeitnehmerInnen engagierte, besonders hoch. Viele von ihnen bemuehten sich im Laufe der Jahre um Mitarbeit im Betriebsratsgremium oder im Vertrauenskoerper. Aus diesem Kern wurden bei BSHG seit den 70er Jahren kaempferische Strukturen aufgebaut. Seit knapp zwei Jahren gibt es in einigen Betrieben eine Betriebsvereinbarung zur Gleichstellung.. Wir haben im Betrieb darueber diskutiert, es aber bis heute nicht geschafft, eine solche Betriebsvereinbarung abzuschliessen. So wie der Arbeitgeber seit 1990 nur deutsche KollegInnen eingestellt hat, so hat er gleichzeitig die MigrantInnen bei Qualifizierungsmassnahmen ausgegrenzt. Bei Lohnerhoehungen werden sie ebenfalls in aller Regel benachteiligt. Viele aeltere auslaendische KollegInnen sind gesundheitlich nicht mehr in der Lage, am Fliessband zu arbeiten. Der Arbeitgeber verweigert sehr oft, diesen KollegInnen einen angemessenen Arbeitsplatz zur Verfuegung zu stellen. Deshalb ist eine Betriebsvereinbarung zur Gleichstellung in hohem Masse notwendig, obwohl auch betont werden muss, dass solche Vereinbarungen lediglich Symbolcharakter besitzen.

Was erwartet Ihr von der IG Metall?

Wir werden im Betrieb vielen Schwierigkeiten gegenueberstehen, weil unsere gesamten Arbeitsplaetze gefaehrdet sind. Allein koennen wir die in den naechsten Jahren bei BSHG auftretenden Probleme nicht loesen, deshalb sehen wir die IG Metall in der Pflicht, sich mit allen Betrieben, die von Entlassungen bedroht sind, zu koordinieren und einen gemeinsamen Kampf zu organisieren. Die Debatten um den ,Standort Deutschland" und das Buendnis fuer Arbeit sowie die letzten Aeusserungen von Klaus Zwickel sind ein Zeichen dafuer, dass selbst die IG Metall nicht in der Lage war, der Massenarbeitslosigkeit ein alternatives und entschlossenes Konzept im Interesse der ArbeitnehmerInnen entgegenzusetzen. Die KollegInnen auslaendischer Herkunft sind bei BSHG wie in ganz Deutschland, die Hauptbetroffenen der neuen Wirtschaftspolitik. Wir erwarten deshalb von der IG Metall, dass sie sich nicht an der Ausgrenzungspolitik gegenueber MigrantInnen beteiligt.

Wie reagiert ihr auf die Aktionen der Geschaeftsleitung?

Mit der entschlossenen Haltung unseres IG Metall-Vertrauenskoerpers wurde auch die Angst der KollegInnen gesprengt. Am 6.3. hatten wir eine Betriebsversammlung mit Transparenten und so. Teilgenommen haben auch Gewerkschafter anderer Berliner Siemensbetriebe. Es bildet sich ein Netzwerk, um dem Konzern Positionen im Ausspielen von Standorten zu entreissen. Nach Nauen und Saragossa (Spanien) bauen wir Kontakte auf. Den Apparat und die Schulen der IG Metall brauchen wir an unserer Seite. Das hat auch schon einzelne Erfolge gezeigt: die Geschaeftsleitung hat am Tag nach der Betriebsversammlung alle Punkte der sogenannten Standortsicherung zurueckgenommen, inklusive der Arbeitslosigkeit 1. Klasse.

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