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Nr.19 onlineversion

"Kameradschaften" oder "Baeumchen wechsel Dich"

Aktivisten der von Verboten betroffenen neonazistischen Vereinigungen verschaffen sich wieder mal eine neue Verpackung.

Seit den Verboten rechtsextremer Gruppen und Vereine haben sich in der bundesweiten Nazi-Szene mehrere Konzepte zur Reorganisierung herausgebildet. In Berlin wird von der gewaltbereiten Nazi-Szene das Konzept der "Unabhaengigen Kameradschaften" praktiziert. Hier gibt es zehn solcher Zusammenschluesse u. a. in Marzahn, Hohenschoenhausen, die Kameradschaft Beusselkiez in Tiergarten, Treptow, Hellersdorf, Mitte, Koepenick. Diese "Kameradschaften" verfolgen das Ziel, eine von einer grossen Zentrale unabhaengige, also jeweils autonom agierende ,Zellenstruktur" in den Bezirken aufzubauen. Die von aussen kaum ersichtliche Struktur der ,Zellen" ist fuer staatliche Organe zudem eine Argumentationshilfe gaenzlich auf noch so duerftige Behinderungsmassnahmen zu verzichten. Viele dieser Kameradschaften setzen sich aus ehemaligen Mitgliedern der verbotenen ,Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), aber auch der ebenfalls verbotenen ,Nationalistischen Front" (NF) zusammen. Sie sind eng mit dem Wahlverein ,Die Nationalen e V." vernetzt. Ihre Mitgliedschaften ueberschneiden sich zum Teil. Fuer die gewaltbereite Nazi-Szene in Berlin haben bisher jedoch nur drei "Kameradschaften" Schluesselfunktionen in der Nazi-Vernetzung: Marzahn, Treptow und Beusselkiez. Eine der mitgliederstaerksten ist die "Kameradschaft Marzahn" mit ca. 25 Personen. Sie wurde vom stellvertretenden Bundesvorsitzenden der "Jungen Nationaldemokraten", Andreas Storr, aufgebaut. Storr ist zugleich Autor in der "Berlin-Brandenburger-Zeitung" (BBZ) der ,Nationalen". Die Marzahner Kameradschaft organisierte wesentlich den Aufmarsch am 1. Mai in Marzahn, zu dem ca. 300 Nazis aus dem gesamten Bundesgebiet angereist waren. Auch der am 15. 2. 97 geplante Aufmarsch der JN war wesentlich von ihnen organisiert.

Die "Treptower Kameradschaft" ist im Kern identisch mit dem Aktivistenkreis der ehemaligen Treptower FAP. Sie machten sich nicht einmal die Muehe ihre Herkunft zu verschleiern, sondern ueberklebten alte FAP-Aufkleber einfach mit dem neuen Kameradschafts-Logo. Sogar das alte FAP-Postfach in Treptow blieb weiterhin in Betrieb. Initiatoren und Kader sind nach wie vor Detlef Nolde (ehem. Cholewa) und Tino Stange. Nolde kandidierte Ende `95 zu den Abgeordnetenhauswahlen fuer ,Die Nationalen e.V." und ist ebenfalls Autor in der BBZ. Die ,Kameradschaft Treptow" gibt ein eigenes Schulungsblaettchen, die ,Voelkischen Blaetter", heraus. Die ,Kameradschaft Beusselkiez" wird von dem ehemaligen FAP-Kader Mike Penkert angefuehrt, der ebenfalls fuer "Die Nationalen e.V." zur Wahl antrat. Die ,Kameradschaft Beusselkiez" bezieht sich auf die gleich-namige ,HJ- Kameradschaft" aus den Jahren 1931/32.

Dies wird ganz offen gezeigt, sei es, dass sie in ihrem Abzeichen ein Symbol der Waffen-SS verwenden oder als Kontakt-person ,H. J. Quex" angeben. Mit dem Film ,Hitler Junge Quex" wurde der Moabiter Nazi Herbert Norkus, der Janu-ar `32 nach einer Auseinandersetzung mit Nazi-Gegnern starb, propagandistisch zum NS-Mythos erkoren.

Der Kern dieser Kameradschaft be-steht hauptsaechlich aus ehemaligen und aktiven Republikanern, die mehrmals durch ihre Gewalttaetigkeit in Tiergarten aufgefallen sind. Obwohl die Aktivisten dieser Kameradschaft polizeibekannt sind, konnten zwei von ihren - Michael Aulich und Nicolas Wernicke - ihre braune Gesinnung in eine gruene Uniform verpacken und einen Posten bei der "Freiwilligen-Polizeireserve" ergattern.

Ihren Ueberbau finden die Kameradschaften bei den "Nationalen". So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Kader unter den Kameradschaftsmitgliedern zum Teil Autoren in der faschistischen ,Berlin- Brandenburger-Zeitung" sind.

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