November 1996
Nr.18 onlineversion
Erneut Uebergriffe
Seit Anfang Oktober ist es in Brandenburg wieder haeufiger zu
rassistischen Uebergriffen gekommen. In der Nacht zum 4. Oktober zerstoerten
Rechtsradikale die Einrichtung einer Pizzeria in Trebbin, suedlich von Berlin.
Fuenf Maenner stuermten die von einem Libanesen betriebene Gaststaette und
groelten Parolen wie ,Auslaender ausraeuchern". Die Polizei nahm vier
teilweise aus rechtsradikalen Zusammenhaengen bekannte 22-26jaehrige fest. In
derselben Pizzeria hatten sich drei italienische Bauarbeiter am 30. September
aufgehalten, die spaeter am Abend von den Randalierern mit Baseballschlaegern
schwer verletzt wurden.
Am 3. Oktober haben vier Jugendliche in Potsdam einen Kenianer auf
Strassenbahngleise gestossen und getreten. Ein zu Hilfe eilender Afrikaner
blieb unverletzt. Als sie zu anderen Potsdamern in ein Auto fluechteten,
zerschlugen die vier Angreifer unter rassistischen Parolen eine Scheibe.
Razzia bei Verleger-Treffen
Vierzehn Redakteure und Verleger des aus fuenf neofaschistischen
Regionalzeitungen bestehenden Zeitungsverbundes um die ,Berlin-
Brandenburger-Zeitung" hatten sich am 7. September in einer Gaststaette im
hessischen Hochheim zu einem Arbeitstreffen versammelt. Fuer neun der
Anwesenden im Alter zwischen 20 und 70 Jahren aus Berlin, Mainz, Villingen,
Luedenscheid und dem Ruhrgebiet endete das Treffen jedoch im Frankfurter
Polizeigewahrsam. Die Polizei hatte die Teilnehmer der Versammlung durchsucht
und neben umfangreichen schriftlichen Unterlagen und Disketten auch Abzeichen
verbotener neofaschistischer Organisationen gefunden. Gegen zwei Neofaschisten
wird nun wegen Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Abzeichen
verfassungswidriger Organisationen ermittelt.
Ehemaliges Vermoegen der IG Farben Chemie wird nicht
rueckuebertragen
Die Liquidationsgesellschaft der IG Farben Chemie hat keinen
Anspruch auf Rueckuebertragung von Vermoegen in der ehemaligen DDR. Das
entschied das Bundesverfassungsgericht. Eine gegen diese Rechtsauffassung
gerichtete Verfassungsbeschwerde nahmen die Richter nicht zur Entscheidung an.
Es geht dabei um die von den Liquidatoren des nach dem Krieg aufgeloesten
Grosskonzerns angestrebte Rueckuebertragung von siebzehn in Sachsen-Anhalt
gelegenen Betrieben. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, das Urteile
der Vorinstanzen nicht zu beanstanden sind. Diese waren von einer Enteignung
der IG Farben auf der Grundlage eines Kontrollratsgesetzes von Ende 1945
ausgegangen.
Fahrradkorso gegen Faschismus
Am 9. September 1945 versammelten sich Zehntausende, darunter auch
Opfer des Faschismus im Neukoellner Seelenbinder-Stadion an der Oderstrasse.
Daraus entstand die Tradition, am zweiten Septemberwochenende Veranstaltungen
zur Erinnerung an die Opfer von Faschismus und Krieg durchzufuehren. In diesem
Jahr wurde versucht, die Erinnerung und Mahnung an die Opfer des Faschismus in
der Gedenkstaette Ploetzensee mit aktuellen Fragestellungen von Asyl und
Abschiebehaft zu verbinden. So berichtete ein vor dem Faschismus nach
Frankreich Geflohener von seiner damaligen Situation als er einen
Ausweisungsbescheid nach Nazideutschland erhalten hatte. Anschliessend gab es
einen Fahrradkorso zu historischen wie aktuellen Orten von (Neo-)Faschismus
und Widerstand in Moabit und Mitte zum ,Tag der Mahnung, Erinnerung und
Begegnung" im Lustgarten.