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Nr.17 onlineversion

Menschenrechte werden mit Füßen getreten!

Gruppe der GewerkschafterInnen gegen Rassismus und Faschismus in der Türkei

Vom 2. Mai bis 8. Juni reiste eine Gruppe der GewerkschafterInnen gegen Rassismus und Faschismus im Rahmen eines Bildungsurlaubs in die Türkei, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen kennenzulernen. Dabei wollten wir sowohl die Diskussion mit Gewerkschaften führen als auch Informationen über die Verletzung der Menschenrechte im Land bekommen. Aus aktuellem Anlaß handelt dieser Teil des Reiseberichtes von der Verletzung der Menschenrechte.

In Istanbul trafen wir mit Vertretern des IHD, einer türkischen Menschenrechts-Organisation zusammen, die uns über die aktuelle Lage im Land informierte. Zwei Themen standen im Mittelpunkt dieses Gesprächs: Aktionen zur „Habitat", der UNO-Konferenz zur Wohnungs- und Siedlungspolitik und der Hungerstreik von ca. 8000 Gefangenen gegen Folter und unmenschliche Haftbedingungen in den Gefängnissen.

Warum protestiert der IHD gegen „Habitat" in der Türkei?

Die erste Weltkonferenz vor 20 Jahren hat ausreichenden Wohnraum zum grundlegenden Menschenrecht erklärt. "Die Grundlage ist ein gesundes und gesichertes Wohnen, eine gesunde und sichere und nachhaltige Besiedlung ist ein grundlegendes menschliches Bedürfn is".

In einem Land, in dem drei Millionen kurdischer Bauern zur Umsiedlung gezwungen werden, wo von 5000 kurdischen Dörfern 2500 entvölkert wurden, ist die Abhaltung dieser Konferenz ein Hohn auf diese Prinzipien.

Das Gastgeberland Türkei gibt sich für die Abhaltung dieser Konferenz einen demokratischen Anstrich, jedoch ist außerhalb des "Habitat-Geländes" nichts davon zu bemerken. Im Stadtzentrum lebende Transvestiten und Transsexuelle wurden schon im Vorfeld der K onferenz mit Verhaftungen, Folter und Wohnungsräumungen terrorisiert. Ein Teil Istanbuls wurde während der Konferenz zur visumpflichtigen Zone, um die Habitat gesichert und ungestört durchführen zu können.

Am 8. Juni hat die Polizei die wöchentliche Sitzdemonstration von Angehörigen vermißter Gefangener aufgelöst. Sie schlugen mit Schlagstöcken auf Angehörige, Menschenrechtler und die ihre Solidarität bezeugenden ausländischen Habitat-Besucher ein. 1500 Menschen wurden in diesem Zusammenhang verhaftet. Die Treffpunkte von demokratischen Organisationen wurden von starken Polizeikräften belagert. Leute, die diese Einrichtungen betreten oder verlassen wollen, wurden wahllos festgenommen. Dies betraf: den Menschenrechtsverein in Istanbul (IHD), die Stiftung für Sozialforschung (TAV), das Büro der Freiheits- und Solídaritäts Partei (ÖDP), das Büro der Gewerkschaft der Werktätigen im öffentlichen Dienst (KESK).

Die Foundation for Social Studies bittet alle darum, per Telefon oder Fax bei den Regierungsstellen der Türkei zu protestieren nach dem Anlaß und dem Verantwortlichen dieser Aktion zu fragen, sich nach dem Verbleib der Festgenommen zu erkundigen.

Der Gouverneur von Istanbul: (Tel) 0090 212 522 08 74; (Fax) 0090 212 512 20 86

Menschenrechtsverein IHD (Tel) 0090 212 244 44 23

Worum geht es bei dem Hungerstreik?

In der Türkei befinden sich heute ca. 60.000 Menschen in 650 Gefängnissen. Davon sind ca. 11.000 politische Gefangene. Seit Anfang Mai sind nach und nach über 8.000 Menschen in den Hungerstreik getreten. Der Hungerstreik ist für die Gefangenen die letzte M öglichkeit, sich gegen unmenschliche Haftbedingungen und gegen jeglichen Verstoß gegen ihre Menschenwürde zu wehren. Die wichtigsten Forderungen, die durchgesetzt werden sollen, sind: Rücktritt des Justizministers Mehmet Agar (Er war seit 1988 Polizeipräsi dent, wurde in den USA für spezielle Sonderaufgaben der Polizei ausgebildet und war seit 1992 oberster Polizeipräsident der Türkei. In seiner Verantwortung stehen zahlreiche durch Folter Gestorbene und `Verschwundene'). Beendigung der Folter und der Drohun gen während der Transporte zum Gericht. Keine Verhinderung der politischen und juristischen Verteidigung vor Gericht. Für eine sofortige medizinische Betreuung von erkrankten Gefangenen, die kranken Gefangenen sollen nicht mehr an Händen und Füßen angekett et werden.

In der Zwischenzeit sind Angehörige von politischen Gefangenen in einen Solidaritätshungerstreik getreten. Das Büro der HADEP (Demokratische Volkspartei) in Diyarbakir, in dem sich hungerstreikende Angehörige aufhalten, ist seit dem 10. Mai von der Polizei umstellt, es werden keine Besucher hineingelassen, die Strom- und Wasserversorgung wurde gesperrt.

Die Menschen befinden sich in einem lebensbedrohlichen Zustand. Zwei Gefangene haben sich aus Protest gegen die brutale Unterdrückung selbst angezündet. Am 28. Mai wurden in Diyarbakir Gefangene, die sich in einem kritischen Zustand befinden, von Gefängnis wärtern und türkischen Soldaten angegriffen. Es wurden Ketten, Eisenstangen und Holzlatten gegen die sehr geschwächten Gefangenen eingesetzt, um sie gewaltsam zur Aufgabe ihrer Aktion zu zwingen. Von 19 Gefangenen, die unter dem Vorwand des Transports in e in Krankenhaus aus dem Gefängnis verlegt wurden, fehlt jede Spur.

Für uns waren die Informationen über diese Vorgänge, die Ursachen für Migration, Flucht und Vertreibung sind, ein wichtiger Anstoß für unsere weitere Arbeit gegen Rassismus und die Demontage demokratischer Rechte hier, wie z.B. das Asylrecht.

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