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Nr.17 onlineversion

Damit der Mensch nicht unter die Räder kommt, oder wenn Charlie Chaplin das gewußt hätte

In Hamburg wurde im August letzten Jahres auf Druck der IG BAU ein "Bündnis für legale Beschäftigung - illegale Beschäftigung bekämpfen" gegründet. Mitglieder dieses Bündnisses sind der DGB Nordmark, die Einzelgewerkschaften, die Unternehmensverbände Hamburgs und Schleswig- Holsteins, des Landesarbeitsamtes Nord, die Landesregierung Schleswig- Holstein, der Hamburger Senat, die Handelskammer und die Handwerkskammer.

Das Bündnis verfaßte eine gemeinsame Erklärung, die teilweise vom DGB in einem Flugblatt im Oktober `95 veröffentlicht wurde.

Läßt man die staatstragende gemeinsame Analyse beiseite, so reduziert sich der Schwerpunkt der Erklärung auf Optimierung staatlicher Kontrolle und Abgleichung der Datenbestände verschiedener Ämter. Im O-Ton lautet das: "Sie (die Beteiligten) verständigen sich auf eine Doppelstrategie von effektiver Ahndung und Prävention, die Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite gleichermaßen im Blick hat." Gemeint ist damit der Aufbau eines "schlagkräftigen Teams aus rund 100 gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Arbeitsverwaltung, des Zolls und der Polizei", die ihre Ermittlungsergebnisse mit den Datenbeständen der beteiligten Institutione (Ausländerbehörde, Handwerkskammer, Ordnungsämter, Sozialversicherungsträger, Finanzämter) abgleichen.

Strafbar gewordene Unternehmer haben, neben der Androhung von behördlichen Ausschreibungen ausgeschlossen zu werden, lediglich - was aber unwahrscheinlich ist - nur noch mit ihrem schlechten Gewissen zu kämpfen.

Dann nämlich, wenn sie ihre Selbstverpflichtung, bestehende Gesetzte einzuhalten, mißachten. Die illegal Beschäftigten hingegen werden mit Bußgeldern und Betrugsanzeigen in ihrer Existenz bedroht, MigrantInnen müssen sogar mit ihrer Abschiebung rechnen.

Mit einem farbigen Flugblatt wurde für das Bündnis geworben, das bekannte Motiv aus dem Charlie Chaplin Film `Moderne Zeiten', in dem er lächelnd, eingeklemmt zwischen zwei riesigen Zahnrädern, Schrauben anzieht, mußte als Symphatieträger herhalten. Es ist schon infam, Charlie Chaplin, der mit seinen sozialkritischen Filmen immer Partei für die Underdogs genommen hat, hier als Aufmacher gegen illegal Beschäftigte zu benutzen.

Den Rundungen der Zahnräder nachempfunden, sagt die Schriftbotschaft in gelbblauen Lettern: „Damit der Mensch nicht unter die Räder kommt - Beschäftigung sichern - Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!". Gehört die Vorderseite mit Sicherheit zu den besseren DG B-Aufmachern, so stellt die Rückseite des Flugblatts in perfider Weise die neue, am nationalen Massenkonsens ausgerichtete grundsatzprogrammgewendete Politik des DGB vor. Hat das Flugblatt vordergründig unter der Überschrift "Illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit" sowohl Unternehmer als auch illegal Beschäftigte im Blick, so wird dennoch klar, daß die Hauptbeschuldigten diejenigen sind, die alltäglich das Sozialsystem "mißbrauchen", 100 Milliarden DM weniger an Sozialversicherungsbeiträgen einzahlen und den Deutschen illegal die Stellen wegnehmen. Zwar wird auch unternehmerisches Handeln angeprangert und gewerkschaftliche Lösungen in Richtung Entsendegesetz angeboten, doch mit keinem Wort wird die Arbeits- und Lebenssituation von illegal lebenden und arbeitenden Menschen thematisiert. Statt dessen endet der Text mit dem Aufruf: "Helfen Sie mit, daß illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit ein Ende haben! Wenden Sie sich an die Gewerkschaft oder den DGB vor Ort."

Auf diese Veröffentlichung folgte ein DGB-ExpertInnenforum am 27.2.1996, zu dem unter Ausschluß der Öffentlichkeit neben den handverlesenen RepräsentantInnen der oben genannten Institutionen auch Parteien, Krankenkassen und die DAG eingeladen wurden. Ein K omitee "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" mobilisierte mit einer Kundgebung gegen diese DGB-Politik. Unter dem wachen Auge eines Dokumentationstrupps versammelten sich etwa 30 KollegInnen vor dem Gewerkschaftshaus.

In einem späteren Protestbrief des Ortsvereins Hamburg der IG Medien wird beschrieben, daß die TeilnehmerInnen der Konferenz zu einem anderen Eingang geführt wurden und die Polizei, nachdem sie die Kundgebung für nicht angemeldet und damit strafbar erklärt hatte, anfing die Protestierenden zu fotografieren. Die KollegInnen der IG Medien schrieben an den früheren GdP Funktionär und heutigen DGB Kreisvorsitzenden: "Wer hat die Polizei geholt? Woher nimmt sie sich das Recht, Kolleginnen und Kollegen vor dem Ge werkschaftshaus zu fotografieren? Was macht die Polizei mit den Fotos? Sollen wir die Möglichkeit, daß wir künftig bei Betreten des Gerwerkschaftshauses von der Polizei fotografiert werden können, einfach hinnehmen oder wollen wir das einmal klären?" Mit d em Flugblatt, das das Komitee "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" auf der Kundgebung verteilte, wendet es sich gegen die Politik des DGB, die zu einer Spaltung führt. "Anstatt für eine Solidarisierung von legal und illegal Beschäftigten in den Betrieben und einen gemeinsamen Kampf für tarifliche Entlohnung einzutreten, verbündet sich die DGB-Spitze mit der staatlichen Repressionsmaschine. (...) Im Rahmen der Orientierung auf einen nationalen Konsens unter Auschluß von eingewanderten Beschäftigten leistet der DGB rassistischen Erklärungsmustern für Erwerbslosigkeit und Lohndumping Vorschub. (...) Statt für Razzien einzutreten und gegen SchwarzarbeiterInnen vorzugehen, ist die Solidarität aller hier lebenden Menschen gegen Polizeiwillkür, Abschiebungen und Niedriglöhne gefragt." Im Anschluß an die Konferenz des DGB gab es, neben dem schon oben erwähnten Protestbrief der IG Medien, noch einen offenen Brief von 80 ÖTV- und 30 HBV-KollegInnen. Unter der Überschrift „So geht es auf keinen Fall" befürworten die Unter zeichnerInnen einen anderen Umgang mit den Problemen der Massenarbeitslosigkeit und deren Folgen: "Es wäre zeitgerecht einzusehen, daß angesichts der Internationalisierung der Märkte und der Kapitalstrategien Arbeitsplatzpatriotismus nicht nur eine falsche, sondern auch stumpfe Waffe ist."

Der Brief der IG Medien ist an einigen Stellen noch deutlicher. Er stellt klar, daß "eine Beschäftigung ohne Arbeitserlaubnis (...) gleichzeitig auch immer eine schlechterbezahlte, (...) eine prekäre Beschäftigung" ist.

Sie verweisen darauf, daß ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse nicht nur in der Baubranche zunehmen, sondern fast überall, beispielsweise im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Garten- und Landschaftsbau, im Transportsektor und nicht zuletzt in der Medien industrie. "Das Wesen der Sache ist also der überall stattfindende Verfall des Preises für die Arbeitskraft und das ist prinzipiell unabhängig davon, ob die Arbeitskraft über die Grenze gekommen ist oder nicht."

Folgerichtig schreiben sie: "Wer gegen die Beschäftigung zu Niedrigstlöhnen ist, muß den Streit mit den Unternehmern wollen. ...Wenn die Verteidigung der elementaren Interessen der Beschäftigten in der Krise nur noch in solcherart Bündnissen und auf Konfer enzen zwischen Hauptamtlichen und Unternehmern stattfinden soll, ist es zwangsläufig, daß die DGB-Gewerkschaften kein Anziehungspunkt mehr für die jüngere Generation sind."

Wie brutal sich die rassistische Stimmung auf den Baustellen und in den Köpfen einiger GewerkschaftsfunktionärInnen zuspitzt, zeigt auch ein offener Brief, der in Hamburg von Betriebsräten der Philip Holzmann AG verschickt wurde. In diesem vierseitigen Brief mit dem Titel: "Armes Deutschland - Die Zerstörung des Standortes D" wird die bekannte Mißbrauchthese verbreitet. ArbeitsmigrantInnen brächten selbst bei Mindestlohnbedingungen nicht soviel Geld in die Steuer- und Sozialversicherungskassen ein, wie dies es Land braucht. "Mit der Öffnung der Grenzen für die Arbeitnehmer der EU-Staaten sowie für die Arbeitnehmer der ost- und südosteuropäischen Länder werden die deutschen Arbeitnehmer unter Druck gesetzt." Wirtschaft und Politik hätten nur das Interesse, den Abstieg auf das Sozialniveau der ärmsten europäischen Staaten vorzubereiten. Dementsprechend fordern sie "politische Maßnahmen zum Stop der Beschäftigung von Kontingentarbeitnehmern, Absicherung der europäischen Bürgerinnen und Bürger nach dem Lebensstand ard ihrer Länder" und die „Abschottung der Grenzen für den Zustrom von Arbeitnehmern aus allen Ländern...." Ihre Botschaft ist eindeutig: Deutschland den Deutschen.

Kontakt zu der Hamburger KollegInnengruppe über: Peter Bremme, c/o HBV-Ortsverwaltung, Besenbinderhof 60, 20097 Hamburg, Tel. 040/2858413

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