Nr.15 onlineversion
Kurzmeldungen:
Gnade der späten Geburt...
Hier ein Beispiel, wie unsensibel manche Einzelgewerkschaften ihre Öffentlichkeitsarbeit betreiben: Das völlig berechtigte Anliegen zum Erhalt des Ladenschlußgesetzes wird mit einer "schwarzen Kralle" dokumentiert, die nach dem Gesetz greifen will. Ganz abgesehen vom fehlenden modernen Erscheinungsbild einer Zeitgemäßen Gewerkschaftsorganisation (wollen wir doch sein, oder???), die sich in jeder Publikation widerspiegeln sollte, wird eine Geschichte vom bösen schwarzen Mann wieder aufgewärmt, daß uns schwindelig wird! Hier ist oft Gedankenlosigkeit die Ursache, die sich auch auf Nachfrage nicht zu legen scheint ('Das sehe ich nicht so...'). Gerade Gewerkschaftsmitglieder müssen wesentlich sensibler darauf achten, mit welchen Mitteln in dieser Gesellschaft Menschen anderer Hautfarbe oder Nationalität diskriminiert werden. Gerade diese Darstellungsweise einer "schwarzen Kralle" ist in neonazistischen Publikationen zu finden, von denen sich jede/r Gewerkschafter/in gar nicht genug distanzieren kann.
Wir greifen solche Beispiele auf, um einen Denkprozeß darüber in
Gang zu setzen, wie wir selbst auch beteiligt sind an der schleichenden
Verfestigung von rassistischen Strukturen. Wenn Ihr ähnlichem Material von
Gewerkschaften begegnet, schickt es uns bitte (Redaktion RAG; Brunnenstr.
125-127; 13355 Berlin) und macht vor allen Dingen die Macher/innen darauf
aufmerksam, was Ihr dabei empfindet.
Vertriebenen-Treffen in Berlin
Am 3.9.95 fand in Charlottenburg der "Tag der Heimat" des Bundes der Vertriebenen (BdV) in der Sömmeringhalle statt. Wie schon in all den Jahren zuvor wurde die Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten beklagt und dieses als Unrecht beklagt, das wieder rückgängig gemacht werden müsse. Mit dabei waren wieder Rechte aller Coleur von Burschenschaftlern über smarte kurzhaarige junge Männer, die rechtsextreme Flugblätter verteilten, bis hin zur Trachtentanzomi aus Schlesien, die sich mit bestehenden Grenzen nicht abfinden will. Der Berliner Vertriebenen-Chef Gerhard Dewitz hatte schon im Vorfeld gegenüber der Presse über "rote Halunken" und "widerliche linke Fieslinge" gewettert.
Redner und Schirmherren stellen bei diesen Veranstaltungen stets hochrangige
Politiker der CDU, SPD und FDP. Nach dem Münchener Sudetendeutschen
Abstecher von Antje Vollmer sind nun anscheinend auch die Grünen
mit dabei. Der Schirmherr in Berlin ist seit Jahren der Regierende Bürgermeister
Eberhard Diepgen.
Opfer von Neonazis sollte abgeschoben werden
Der 22jährige Namibier Lucas N. war 1991 Opfer eines Überfalls von
etwa 30 deutschen Rassisten, die ein Wohnheim in Wittenberge überfielen,
den er nur knapp, jedoch schwer verletzt überlebte. Nun sollte er von
deutschen Behörden abgeschoben werden, obwohl der Prozeß gegen die Täter
von damals noch nicht mal eröffnet wurde. Er ist der wohl einzige
Belastungszeuge bei diesem Mordanschlag, der damals ein breites öffentliches
Echo erfuhr. Sein Aufenthalt wurde erst nach starkem öffentlichen Druck in
letzter Minute verlängert.
Illegalen Arbeitern droht Ausweisung
Ende September wurden in Leipzig bei einer Razzia vom Arbeits-, Hauptzoll-
und Ordnungsamt sowie der Polizei auf einer Baustelle 27 illegal beschäftigte
polnische Bauarbeiter aufgegriffen. Nachdem Beweismittel sichergestellt wurden
stellte sich heraus, daß die Arbeiter "ausbeuterisch gehalten"
worden seien, so ein Sprecher des Leipziger Arbeitsamtes. Neben niedrigen
Stundenlöhnen waren sie in einem völlig verwahrlosten Nebengebäude
ohne Sanitärtrakt untergebracht. Daraufhin hatte die Behörde gegen die
Arbeiter nicht nur ein Ermittlungsverfahren wegen illegaler Beschäftigung
eingeleitet. Die Arbeiter sollen aus Deutschland ausgewiesen werden und dürfen
durch einen entsprechenden Vermerk im Paß für eine bestimmte Zeit
nicht einreisen. Zudem wurde ein Ermittlungsverfahren gegen eine
Altbausanierungsfirma GmbH aus Darmstadt eingeleitet, ein Verfahren wegen des
Verstoßes gegen das Schwarzarbeitergesetz eingeleitet und ein Bußgeld
von 130.000 DM angedroht.
Kundgebung vor Polizeiwache im Wedding
Im Sommer 95 gab es eine Serie von Razzien gegen einen afrikanischen Laden in der Schwedenstraße im Wedding: Eine Truppe von Männern suchte innerhalb von zweieinhalb Monaten den Laden fünfmal auf, davon einmal nachts. Sie behaupteten, Zivilpolizisten zu sein, wiesen sich aber nicht aus, kontrollierten Pässe, verhafteten KundInnen und durchwühlten den Laden. Hierfür gaben sie weder einen Grund an, noch hatten sie einen Durchsuchungsbefehl. Erst auf Nachfragen auf der Wache Pankstraße stellte sich heraus, daß es sich um Zivilbeamte der AGA ("Arbeitsgruppe gezielte Ausländerbeobachtung") handelte.
Am 2. August 1995, beim letzten Auftauchen der Truppe, eskalierte die Situation: Eine im Laden arbeitende afrikanische Frau wurde von den Zivilpolizisten angegriffen und verletzt; ihr wurde die Bluse zerrissen und sie mußte sich mit nacktem Oberkörper auf die Straße stellen, bis sie in die Wache auf der Pankstraße gebracht wurde. Dort wurde sie zwei Stunden festgehalten, ärztliche Hilfe wurde ihr nicht gewährt. Am 21. September gab es deshalb eine Kundgebung vor dem Polizeiabschnitt 16 in der Pankstraße im Wedding, zu der auch die GewerkschafterInnen gegen Rassismus und Faschismus aufgerufen hatten. Etwa 150 Leute machten auf dem Gehweg vor der Wache mit Transparenten und Reden auf rassistische Übergriffe durch die Polizei aufmerksam.
Die Kundgebung soll nicht die letzte Aktion in diesem Zusammenhang gewesen
sein, ein Bündnis aus verschiedenen Gruppen wird die Entwicklung (nicht nur
im Wedding) weiter beobachten.
Wer ist Herr Piper?
Der Herr Pieper hat uns eine Gegendarstellung geschickt. Damit unsere werte Leserschaft überhaupt weiß, um wen es sich dabei handelt, nochmal zur Erinnerung:
Bereits in RAG Nr.10 berichteten wir über einen dubiosen Gesprächszirkel in Berlin, der sich "Dienstagsgespräch" nannte. Diese Runde stellte eine "Art Kontakthof zwischen führenden Personen aus Wirtschaft, Politik, Medien und Rechtsradikalen"1 dar. Es kam zum Skandal, als öffentlich wurde, daß auch der Pressesprecher von Innensenator Heckelmann, Christoph Bonfert, regelmäßig an dieser Runde teilnahm, und sich dort u.a. mit Rechtsextremisten von der "Jungen Freiheit" traf.
Organisator dieses Zirkels war der Unternehmensberater Hans-Ulrich Pieper, von der Firma Pieper und Partner, Agentur für integrierte Kommunikation. Pieper ist kein unbeschriebenes Blatt. Der heute 47jährige, machte bereits mit 20 Schlagzeilen: Der Berliner Extradienst vom 12. Juni 1968 berichtete über eine Schlägergruppe, die einen Überfall auf das Zentrum des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) organisiert hatte: "Die NPD hat gegen den Chef der Gruppe, ... Hans-Ulrich Pieper, Vorsitzender der Peter-Fechter-Jugend und Propagandareferent der Jungen Nationaldemokraten ein Ausschlußverfahren eingeleitet."2 Weil er die Angehörigen der Peter-Fechter-Jugend aufgerufen haben soll, sich Uniformen zuzulegen sowie Karate- und Schießausbildungen durchzuführen. Später wurde Pieper dann Pressesprecher der REPs in München, und kandidierte für diese Partei 1990 zum Münchner Stadtrat, und für die darauffolgenden Landtagswahlen stnad er ebenfalls für die REPs auf der Liste.
Pieper werden weitreichende Verbindungen in Politik und Wirtschaft nachgesagt, er war zeitweise auch Pressesprecher des Rüstungskonzerns Rheinmetall in Düsseldorf.
Diese guten Verbindungen scheint er auch woanders hin zu haben: "Nach Beobachtungsergebnissen der Polizei war Pieper am 1. Mai 1993 Teilnehmer einer Veranstaltung der rechtsextremen Deutsch-Europäischen Studiengesellschaft (DESG). (...)Pieper besuchte auch das Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerk e.V., wo bekannte Neonazis zusammensitzen, wie Ursula Schaffer, die alljährlich in Zusammenarbeit mit der Wiking-Jugend Heldengedenkfeiern in Halbe ausrichtete, Oliver Werner vom Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten, zuvor Nationale Alternative, Ulli Boldt, der der inzwischen verbotenen Nationalistischen Front angehörte, Oliver Schweigert (FAP), ein Gefolgsmann Kühnens, und Christian Wendt, ebenfalls vom harten Kern der Berliner Neonazis."3
Heute ist Pieper Mitglied der FDP, die nicht nur in Berlin zunehmend von Rechtsradikalen unterwandert wird.
1 Franziska Hundseder, Rechte machen Kasse, München 1995, S. 160
2 Zit. n. Franziska Hundseder, ebenda, S. 160
3 Franziska Hundseder, ebenda, S. 163
Gegendarstellung:
In der RAG-Ausgabe Nr. 14, S. 21 behaupten Sie in dem Artikel "Offen rechts oder öffentlich-rechtlich?": "Mit dabei war er natürlich auch beim Berliner Dienstagsgespräch, veranstaltet von einem ehemaligen Mitglied der verfassungsfeindlichen NPD, Hans-Ulrich Pieper, der in seiner Jugend durch Angriffe auf den SDS und die SPD auffiel."
Diese Behauptungen sind unzutreffend. Ich war nie Mitglied der verfassungsfeindlichen NPD. Ich habe auch nie den SDS oder die SPD angegriffen.
Hans-Ulrich Pieper
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Der RAG ist nach dem Pressegesetz verpflichtet, Gegendarstellungen unabhängig
von ihrem Wahrheitsgehalt zu veröffentlichen.