September 1995

zurück zur titelseite/inhalt

Nr.14 onlineversion

Das "neue" Asylrecht

Man könnte einen Überblick über das "neue" Asylrecht auch mit den Worten beginnen: "Es war einmal ein Asylrecht...". Das heißt zwar nicht, daß es den verfassungsrechtlichen Grundsatz "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." nicht mehr gibt. Dieser findet sich aber in einem neu geschaffenen Grundgesetzartikel, der überwiegend aus verfassungsrechtlichen Einschränkungen dieses Grundsatzes besteht.

Diese Einschränkungen schlagen sich im Asylverfahrensgesetz nieder und führen zu erheblichen Neuerungen. So ist bei der Einreise aus einem Land der Europäischen Gemeinschaft das Asylrecht ebenso ausgeschlossen, wie bei einer Einreise aus einem "sicheren Drittstaat", wobei es sich hierbei um die übrigen Nachbarstaaten der BRD handelt. Daher besteht letztlich nur noch ein Anspruch auf asylrechtliche Prüfung für Personen mit ungeklärtem Einreiseweg oder Einreise auf dem Luftweg (hier mit besonderem "Flughafenverfahren").

Dazu kommt die Ablehnung eines Asylantrages als "offensichtlich unbegründet" mit der Konsequenz erheblich verkürzter Fristen zur Klageeinlegung sowie dem Verlust des Aufenthaltsrechts. Um dieses Aufenthaltsrecht für die Dauer des Verfahrens sicherzustellen, muß ein besonderer Eilantrag gestellt werden (einstweiliger Rechtschutzantrag), der allerdings nur in einem beschleunigten schriftlichen Verfahren ohne Beweisaufnahme beim Verwaltungsgericht behandelt wird.

Ziel dieser Maßnahmen ist die Begrenzung der Anzahl der Personen, die sich auf das Asylrecht im Antragswege berufen können bzw. der Personen, die von vorneherein ein garantiertes Aufenthaltsrecht für das gesamte Asylverfahren einschließlich des Gerichtsverfahrens haben. Dieses war auch bereits weitgehend Gegenstand der politischen Auseinandersetzungen um die Änderung des Asylrechtes.

Eine weitere Verschärfung des Asylrechtes findet sich an versteckterer Stelle: Die Rechtsmittelfristen für die Anfechtung einer Ablehnung eines Asylantrages sind verkürzt worden. Diese beginnen mit der "ordnungsgemäßen Zustellung" des Bescheides an die Asylbewerber. Während in anderen Rechtsstreitigkeiten eine Zustellung nur durch persönliche Übergabe oder Übersendung an die offizielle Meldeadresse möglich ist, ist der Kreis der Zustellungsmöglichkeiten für Asylbewerber erheblich erweitert worden. So sind zum Beispiel Zustellungen möglich an die letzte der Behörde bekannten Anschrift.

Gleichzeitig schafft das Asylverfahrensgesetz die Pflicht der Meldung der Anschriftenänderung für die Asylbewerber. Dieses wird von vielen Asylbewerbern nicht verstanden, da sie zumindest in der Anfangszeit ihres Asylverfahrens ihre Anschrift nur auf Weisung der neben den Asylbehörden zuständigen Ausländerbehörden wechseln. So gibt es eine Vielzahl von Fällen, in denen sich die Asylbewerber um ordnungsgemäße polizeiliche Anmeldung bemüht haben, diese aber nicht der Asylbehörde gemeldet haben - mit der Folge, daß der ablehnende Bescheid an eine alte Adresse übersandt wurde und die Fristen verstrichen.

Eine weitere Einschränkung des Asylrechtes ist darin zu sehen, daß die den Asylbewerbern nach dem Asylbewerbergesetz zur Verfügung gestellten Geldmittel sich in vielen Fällen auf ein Taschengeld von 80 DM pro Monat beschränkt. Das macht die Finanzierung einer anwaltlichen Vertretung in einem solchen rechtlich zum Teil sehr schwierigen Verfahren fast unmöglich. Die Inanspruchnahme von Prozeßkostenhilfe kann dieses Problem nicht lösen, da die Gerichte diese nur gewähren, wenn eine Klage Erfolgsaussichten hat. Dieses ist bei einer derzeitigen Anerkennungsquote von unter 10% nicht sehr häufig, und bei Ablehnung des Antrages ist der Großteil der anwaltlichen Arbeit bereits erledigt, so daß dieser dann vom Asylbewerber seine Bezahlung verlangt. Auch dieses Kostenrisiko ist ein Faktor, der sich auf die Wahrnehmung der Rechte, die sich aus dem Asylverfahren ergeben, auswirkt.

Die aufgezählten Beispiele sind nicht abschließend, sondern repräsentativ für eine Reihe weiterer Regelungen, so daß sich jeder selbst seine Meinung bilden kann, ob es ein neues Asylrecht noch gibt. Die rechtlichen Vorschriften sind letztlich die Konsequenz aus der politischen Auffassung, daß es eigentlich nur "nicht schützenswerte" Wirtschaftsflüchtlinge gibt. Somit haben sich auch andere grundlegende Anforderungen an die Sicherung von Rechten in diesem Gesetz kaum niedergeschlagen.

"Eiskalte Maschinerie, so wie es jetzt läuft"

August Lang, früherer bayerischscher Innen- und Justizminister, als Rechtsanwalt machte er Erfahrungen mit dem Asylrecht, äußerte sich in einem Interview mit der taz:

"Ich hätte bei der Gesetztsänderung besser aufpassen sollen. Aber ich habe nicht damit gerechnet, daß die Maschinerie so eiskalt läuft, wie ich es jetzt erlebt habe.

(...) der Antrag wird abgelehnt, und alle Rechtsmittel nützen nichts. Das Verwaltungsgericht lehnt die aufschiebende Wirkung ab, das Amtsgericht erklärt die Abschiebung für sofort vollstreckbar.

Wie eine EDV-Maschine lief das Ganze ab. Uns am Schluß hört man dann: "Der kann ja sien Verfahren vom Ausland aus weiterbetreiben" - obwohl wir seit seiner Abschiebung nach Kroatien am 9. Juli nicht einmal wissen, ob er noch lebt. Man muß sich die Denkhaltung dieser Leute mal vorstellen: Vollkommen zynisch."

taz: Aber dieser Ablauf ist doch typisch - und ein Ergebnis des neuen Asylrechts.

"Natürlich. Aber wenn man das so macht, dann braucht man eigentlich überhaupt kein Verfahren mehr. Wenn ein Asylverfahren im Vollzug abläuft wie ein Automat, braucht man keinen Richter mehr."

zurück zum seitenanfang