September 1995

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Nr.14 onlineversion

Unbekannte Leichen - bekannte Ursachen

18 Flüchtlinge in einem LKW einer Schlepperorganisation erstickt - Das Tägliche Sterben an den Grenzen

In Sri Lanka herrscht seit Jahrzehnten Krieg. Im Juli startete die Regierung wieder eine militärische Großoffensive gegen die tamilische Bevölkerung im Norden. Viele Menschen flüchten vor dem Krieg. Von den westeuropäischen Botschaften wird kein Einreisevisum mehr vergeben.

Westeuropa ist so für Flüchtlinge auf legalem Weg nicht mehr erreichbar.

Sri Lanka ist nur eines von vielen Ländern in der Welt, in denen Krieg und Hunger herrschen und gegen die das reiche Westeuropa seine Grenzen dicht gemacht hat.

Die Flüchtlinge müssen jeden Preis an Schlepperorganisationen zahlen, die einen illegalen Grenzübertritt organisieren. Viele bezahlen mit ihrem Leben!

Am 15.7. fand die ungarische Polizei an der ungarisch/österreichischen Grenze einen LKW. Im Wagen waren Flüchtlinge aus Sri Lanka eingeschlossen. Der LKW war von einer Schlepperorganisation abgestellt worden, die die Flüchtlinge nach Deutschland bringen sollte. 18 Flüchtlinge waren erstickt.

Das waren nicht die ersten Menschen, die auf ihrer Flucht für die Abschottung der westeuropäischen Grenzen mit dem Leben bezahlten. Im August 94 versuchten 22 Menschen die polnisch/deutsche Grenze zu überqueren. Sie sollten durch die Neiße waten. An dem Tag hatte der Fluß Hochwasser. Viele konnten nicht schwimmen. Sechs Menschen ertranken. Die Leichen wurden auf einem Acker verscharrt mit einem Kreuz "N.N." - no name.

In Ungarn wurde die Polizei auf den LKW aufmerksam, weil sich Anwohner über den Verwesungsgeruch beschwerten. So erfuhr die Öffentlichkeit davon. Der Tod der Flüchtlinge an der deutsch/polnischen Grenze wurde nur bekannt, weil eine tamilische Flüchtlingsgruppe zusammen mit der Antirassistischen Initiative Berlin nach einem Flüchtling suchte. Aber das Sterben an der Grenze ist Alltag! Nur ein kurzer Auszug aus dem Polizeibericht 94:

Wasserleichen in der Neiße:

1.3.94 Zittau 1 unbekannter Mann, polnische Seite.

22.3. Guben 1 unbekannter Mann, deutsche Seite.

25.4. Rothenburg 1 Rumänin, Ehemann und Kind erreichten dt. Ufer.

Die Liste ist lang.

Die Toten werden als Unbekannte irgendwo verscharrt. Die Angehörigen erfahren nichts. Ein Flüchtling ist kein Mensch und ein toter Flüchtling nur eine unbekannte Leiche. Seit das Schengener Abkommen in Kraft getreten ist, hat sich West-Europa komplett gegen Flüchtlinge abgeriegelt und die Grenzen hochgerüstet. Flüchtlinge sollen in den sogenannten sicheren osteuropäischen Drittstaaten bleiben, von denen sie in der Regel sofort in die Herkunftsländer abgeschoben werden. Seitdem findet das Sterben an den Grenzen statt.

Flüchtlingsorganisationen warfen Innenminister Kanther vor, durch diese Politik an dem Sterben Mitschuld zu tragen. Auf diesen Vorwurf reagierte Kanther mit der Forderung nach Verschärfung des Grenzschutzes.

Das Problem, daß Menschen ihre Flucht nicht überleben, sieht er in den Schlepperorganisationen. Die Deutschen müßten das Schengener Abkommen strikt anwenden und immer mehr verstärken, um diesen das Handwerk zu legen. Keine Rede davon, daß Menschen sich an Schlepperorganisationen wenden müssen, weil nur diese es ihnen ermöglichen, in ein Land zu fliehen, zu dem ihnen ansonsten der Zugang versperrt ist.

In Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, soll nicht mal Platz sein für einen Bruchteil der 30 Mio. Menschen, die weltweit auf der Flucht sind!

Es gibt keinen Frieden mit der Asylpolitik der BRD und Westeuropas!

Schluß mit dem Sterben an den Grenzen!

Freier Zugang für Flüchtlinge und Bleiberecht für Alle!

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