mitte 1995

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Nr.12 onlineversion

Der lange Weg von A über E und I bis zum "Kollegen" Kowalsky...

...oder Bericht von der 17. Bundesjugendkonferenz der IG Metall im Januar 95

Ihr Kolleginnen und Kollegen sollt mal nicht meckern! - Es gibt doch noch motivierte IG-Metall-Jugendliche (!), die auf diese Bundesjugendkonferenz nach Sprockhövel fahren, um sich freiwillig (!!) von einer Bürokratie-Papier-Lawine überrollen zu lassen.

Vieles konnten wir durch den Blätter-Schnee nicht so richtig wahrnehmen, jedoch bei einigen Themen sahen und hörten wir ganz klar.

Was sind A und E und I? - Dazu sei uns eine kleine Einführung in Bürokratiekunde erlaubt: A, E und I sind Abkürzungen für Begriffe in einer äußerst komplexen Konferenzstruktur: A=Anträge, E=Ergänzungsanträge oder Entschließungen und I=Initiativanträge. (Es gibt aber auch noch B's und eine ABK und eine A.m.Ä. und eine Ann.Mat.F6 und und und... auf jeden Fall was ziemlich kompliziertes für Nicht-Konferenzler.) Fakt ist: A, E, I sollen den Ablauf der Konferenz ordnen und Themenblöcke behandeln. Da mußten wir uns erst mal durchwühlen.

Es gab in diesem Jahr folgende Themenblöcke: Organisationsentwicklung/Richtlinien, Mitgliederentwicklung, Berufliche Bildung, Tarifpolitik, Jugendbildungsarbeit, Antirassismus, Internationale Solidarität, Friedenspolitik und (wie könnte es auch anders sein) den Block Verschiedenes.

Über drei Blöcke möchten wir hier intensiver berichten. (Den Rest könnt Ihr ja dann im Wortprotokoll nachlesen, vorausgesetzt Ihr kommt da 'ran.)

Internationale Solidarität

Wie schon von allen erwartet, wurde der Antrag auf "Unterstützung des kurdischen Volkes" am härtesten diskutiert. Die AntragstellerInnen forderten darin: "Stellen wir uns der Diffamierung des kurdischen Befreiungskampfes entgegen! ... Treten wir ein gegen die pauschal kriminalisierenden Maßnahmen des deutschen Innenministers Kanther hinsichtlich kurdischer Vereine und Organisationen..." Dummerweise wurde dieser Antrag, der eigentlich alles auf den Punkt brachte, zurückgezogen. Ein Ergänzungsantrag trat an dessen Stelle, der die genannten Aspekte eher oberflächlich behandelte. (Ob Mann/Frau da wohl vor einer härteren Auseinandersetzung mit den türkischen Gewerkschaftsmitgliedern kneifen wollte?)

Immerhin wurde der Antrag zum Thema "Solidarität mit Cuba" angenommen. Dieser richtete sich gegen die Blockade und forderte im groben die Entwicklung, Weiterführung und Unterstützung von Hilfsprojekten in Cuba durch die IG-Metall. Positiv herauszuheben wäre, daß ein cubanischer Kollege die Möglichkeit hatte die Situation im Land näher darzulegen.

Die Delegation aus Nicaragua hingegen, die drei Tage anwesend war und nur fünf Minuten Redezeit kurz vor ihrer Abreise zugeteilt bekam, während die Eröffnungsreden der hauptamtlichen Konferenzteilnehmer fast zwei Stunden dauerten. (Ob das wohl unbedingt nötig war?) Schade, wir hätten gerne mehr gehört, als die Danksagung für die bisher geleistete Unterstützung. Na, wenigstens kam bei der anschließenden Geldsammlung ein ansehnlicher Betrag von 2400,- DM zusammen, der netterweise von Seiten der Abteilung Kasse des Vorstandes verdoppelt wurde.

Friedenspolitik

Zu diesem Block standen "nur" zwei Anträge zur Debatte: "Neue Weltordnung und Rolle der Bundeswehr" und "Frieden und Abrüstung - IG-Metall-Jugend gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr". Gemäß unserer Erwartung wurden diese mal ohne längeren "Rederausch" angenommen, wofür wir dann auch sehr dankbar waren.

Antirassismus

Auch hierzu gab es nur zwei Anträge, dafür war der erste gleich elf Seiten lang. (Für diesen weitreichenden Aufsatz möchten wir uns nun extra beim Jugendausschuß des Vorstandes der IG-Metall bedanken.) Den Titel wollen wir euch nicht vorenthalten:" Für eine friedliche, menschliche, demokratische und multikulturelle Gesellschaft; Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus, gegen Antisemitismus und rechtsextreme Entwicklungen", und weiter heißt es "Arsch hoch - Zähne auseinander" (Welch jugendlicher Slang!) Dank auch an die anderen KollegInnen, die der Meinung waren, diesen Antrag noch ergänzen zu müssen (Insgesamt wurden vier Ergänzungsanträge angeknüpft. Macht zusammen 17 Seiten.) Und wie das bei solch ausschweifenden Sachen meist ist, am Ende kommen wieder keine konkreten Aktionen heraus, außer ein Verweis auf "Courage". Aber halt! Die Aktionen für die Zukunft sollten ja sowieso am Ende der Konferenz in Arbeitsgruppen besprochen werden. Nur mußten diese Arbeitsgruppen wegen Zeitmangels gestrichen werden. Ja, ja - so ist das nun mal. Immer wenn's anfängt interessant zu werden... . Na jedenfalls konnte sich der Kollege Yilmaz Karahasan (Vorstand) nach langen Protesten dazu durchringen, zu erklären, daß der Jugendausschuß des Vorstandes sich darum kümmern wird. (Heißt daß nun, daß wir uns auf ein Wochenendseminar im grünen Ruhrgebiet freuen dürfen?)

Was das mit "Kollege" Kowalsky zu tun hat?

Im Themenblock Bildung ging es ja u.a. um die zukünftigen Inhalte der Jugendbildungsarbeit. Wie im RAG 11 schon behandelt, gab es ein Papier der IG-Metall-Grundsatzabteilung, wonach der "Interessensgegensatz zwischen Kapital und Arbeit" nicht mehr Inhalt der Bildungsarbeit sein sollte. Im Beirat, dem höchsten Gremium zwischen den Gewerkschaftstagen, wurden schon dagegen Proteste angebracht, so auch auf der Bundesjugendkonferenz. Viele RednerInnen distanzierten sich von diesem Papier, und in den Reihen hörten wir Gemurmel wie "Grundsatzabteilung an die Drehbank".

"Zufälligerweise" ist "Kollege" Kowalsky Mitglied der Grundsatzabteilung. Wärend die einen noch überlegten, ob Kowalsky ihr Kollege sei, gingen andere schon mal ans Mikro und forderten zu dem von ihm geschriebenen Buch "Rechtsaußen... und die verfehlten Strategien der deutschen Linken" und dem der "Jungen Freiheit" gegeben Interview (näheres ebenfalls RAG 11) eine Stellungnahme.

Diese hörten wir auch prompt, was uns sehr verwunderte, da er sich auf dem Gewerkschaftstag nicht persönlich äußerte. Nebenbei fragten wir uns auch, warum er eigentlich überhaupt auf unserer Konferenz war, ist er doch weder im Jugendausschuß, noch in anderen Positionen, die mit "Jugend" zu tun haben. (Typisch! Lieber bezahlt die Gewerkschaft Kost und Logis für eine beträchtliche Zahl hauptamtlicher "Berufsjugendliche", statt mehr Gasthörerplätze für interessierte Jugendliche, die vor Ort dann IG-Metall-Arbeit leisten, zu schaffen. Um das dann durchzuziehen, werden, wie oben schon erwähnt, Anreiseverbote ausgesprochen.)

Aber zurück zum Inhalt der Stellungnahme: Sein Buch erschien im "Ullstein-Verlag", allseits als rechtskonservativ bekannt. "Kollege" Kowalsky erklärte dazu, er hätte kein Problem damit, dort sein Buch verlegen zu lassen, da "Ullstein" auch Marx und Brandt gedruckt hätte.(Wie lächerlich!) Jedoch ist das, was er in diesem Buch als "Kritik an Antifa-Strategien" verkauft, nach genaueren Hinsehen auch nichts anderes als rechtskonservatives Gedanken-"gut".

Sein Interview mit der "Jungen Freiheit" verteidigte er damit, früher auch schon in linken Zeitschriften thematisch ähnliche Positionen vertreten zu haben. Er hätte geglaubt, die Schreiberlinge wären sich ihrer journalistischen Verantwortung bewußt und würden ihn wahrheitsgemäß wiedergeben. (Donnerwetternochmal! Wie kann ein politisch gebildeter Mensch so naiv sein?) Wichtige Aussagen, wie die Forderung nach einer offensiveren Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten wären unter den Tisch gefallen. Das anschließende Eingeständnis, er würde nie wieder der "Jungen Freiheit" ein Interview geben, war auch nicht gerade überzeugend, da er das Recht auf Gegendarstellung nicht nutzte.

Und was versteht er nun unter einer "offensiveren Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten"? Er ist der Meinung, wenn die Rechten nicht zu uns kommen, sollten wir zu ihnen gehen. (Da konnten wir uns endlich mal auf die Schultern klopfen.) Machen wir doch - nur meist in anderer Absicht, als ihm wohl recht wäre. Wir halten nämlich nicht so viel von sinnlosen Gesprächen mit den angeblich "politisch verirrten Kindern aus zerrütteten Elternhäusern".

Bei seinen Abschlußworten kamen wir uns dann endgültig verarscht vor. Dieser lautete sinngemäß: "Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lest nicht so oft die "Junge Freiheit! Da stehen nämlich selten so intelligente Interviews drin, wie das mit mir geführte." Sollte das nun lustig sein? Wir haben den Witz jedenfalls nicht verstanden.

Und die Moral von der Geschicht:

Lange Konferenzen bringen n... . Nein, nein-ganz so konnten wir das auch nicht bewerten. Konferenzen scheinen ja doch ganz gut für die Orientierung und den Meinungsaustausch zu sein. Es waren ja auch Anträge dabei, die mal etwas frischen Wind durch den Sitzungssaal wirbelten. So z.B. die Forderung: "Praktikum für Vorstandsangestellte" (zwecks Basisarbeit in den Verwaltungsstellen). Wir müssen auch feststellen, daß viele Anträge mit hohem Niveau diskutiert wurden. Nur Diskussionen lenken allzu oft von konkreter Arbeit ab. Was haben wir nicht alles schon beschlossen und doch nicht umgesetzt.

Also:

Weniger schwafeln - mehr anpacken!


Kowalsky und kein Ende

Schon im letzten RAG berichteten wir über die konservativen Tendenzen in der Abteilung Grunsatzfragen beim IG Metall Hauptvorstand. Inzwischen gibt es auch eine Schrift der "Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Rechtsextremismus" der Lübecker IG Metall zu dieser Thematik. Die Arbeitsgruppe betrachtet dies "als kleinen Diskussionsbeitrag innerhalb der Organisation im Vorfeld des Gewerkschaftstages". Die Lübecker KollegInnen setzen sich kritisch mit den Positionen der Abteilung Grundsatz zum Antifaschismus und zur Bildungspolitik auseinander. Da der Abdruck des achtseitigen Diskussionspapiers den Rahmen des RAG sprengen würde, empfehlen wir allen Interessierten es zu bestellen:

Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Rechtsextremismus

c/o IG Metall-Verwaltungsstelle Lübeck

Holstentorplatz 1-5, 23552 Lübeck

Tel. 0451/71 581, Fax: 0451/ 73 651

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