mitte 1995

zurück zur titelseite/inhalt

Nr.12 onlineversion

Der Berliner Landesschulrat Pokall:

Mitglied im erzreaktionären Geheimbund 'Opus Dei'?

In seiner Ausgabe 2/95 brachte der Spiegel einen Bericht über den rechtsgerichteten katholischen Orden Opus Dei. Darin wird auch berichtet, daß der Berliner Landesschulrat Hans-Jürgen Pokall "eifriger Besucher" des Berliner Opus Dei-Zentrum sei. Pokall ist immerhin höchster Schulaufsichtsbeamter für das Berliner Bildungswesen. Grund genug sich genauer mit diesem Geheimbund zu beschäftigen.

Was ist "Opus Dei"? - Die Organisation Opus Dei ("Werk Gottes") wurde 1928 von dem spanischen Priester José Maria Escriva gegründet. Sie verstand sich als Orden katholischer Laien. In den folgenden Jahren entwickelte sich das Opus Dei zu einem streng antikommunistischen und straff organisierten fundamentalistischen "Stoßtrupp Gottes". Escriva bezeichnete beispielsweise den Nationalsozialismus als "Kreuzzug gegen den Kommunismus". Das Opus, das sich als "milicia", Kampftruppe, bezeichnet, "wurde unter der faschistischen Dikatatur Francos zu einer Art katholischer Prätorianer-Garde Spaniens. Verdeckt und trickreich, mit eiserner Disziplin und elitärem Gedankengut besetzten Ordenmitglieder des Opus Schlüsselpositionen in Wirtschaft, Kirche und Politik."1 So beherrschte der Orden in der Spätphase des spanischen Faschismus schließlich große Teile der spanischen Industrie- und Bankenszene. Diese Förderer der Franco-Diktatur etablierten sich bis heute wirtschaftlich und religiös im katholischen Europa und darüber hinaus, wo immer möglich: "In 87 Ländern zählt das Werk Gottes gegenwärtig rund 75.000 Mitglieder, die Sympathisanten nicht eingerechnet. 694 Presseorgane, 52 Radio- und TV-Stationen und verschiedene Nachrichtenagenturen werden von Opus Dei kontrolliert."2 Aufschwung nahm die Entwicklung des Opus insbesondere durch den jetzigen Papst, der beträchtliche Sympathien für diese Fundamentalisten besitzt. 1992 vollzog Papst Johannes Paul II. die "Seligsprechung" Escrivas.

Elitewahn

Das Opus betrachtet sich keineswegs als eine Massen-, sondern als eine Art geheimbündlerische Eliteorganisation, die insbesondere Leute aus den Oberschichten aufnehmen will. Die Angehörigen der Führungsgremien des Ordens werden "Numerarier" genannt, sie sind in der Regel Akademiker, und verpflichten sich zu Besitzlosigkeit, Keuschheit und absolutem Gehorsam. Sie leben oft zusammen in Opus-Zentren, wie z.B. der Möckernstraße 68. Darüberhinaus gibt es die "Supernumerarier", die einem beliebigen Beruf nachgehen, heiraten dürfen, und unter der geistlichen Führung des Opus in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen aktiv sind. "Für Infiltration und Initiativen im Bereich des Gesundheits- und Bildungswesens oder sozialer Institutionen pflegt das Opus-Kader sorgfältig Verbindungen zu assozierten Nichtmitgliedern, den sogenannten Cooperatores. Sie werden in Bewegung gesetzt, wenn es gilt, wirklich diskret vorzugehen."3

Die Selbstgeißelung der Opus-Mitglieder (Männer und Frauen tragen täglich zwei Stunden ein mit Dornen gespicktes Metallband um den Oberschenkel), die Zensur von Büchern (das Opus soll einen eigenen Index mit über 1000 Titeln erstellt haben), Filmen und Zeitungen (die z.B. in Opuseigenen Studentenheimen stattfindet) macht den totalitären und sektenhaften Charakter dieser Organisation deutlich. Die Mitglieder stehen offenbar permanent unter einem psychischen Druck, den man als eine Art Gehirnwäsche bezeichnen kann.

Die Ideologie dieses Geheimbundes ist rechtskatholischer Fundamentalismus. Es wird ein kriegerischer Männlichkeits- und Führerkult genauso gepredigt wie strikte Unterordnung und extreme Sexualfeindlichkeit. Um den Ansprüchen ihrer Führer gerecht zu werden und ihre Ziele durchzusetzen, heiligt für die Opus Leute der Zweck die Mittel. Wie weit gesteckt ihre autoritären Ziele sind, ist in ihrer internen Zeitschrift "Cronica" ausgedrückt:"Wir haben den großen Ehrgeiz, die Institutionen der Völker, der Wissenschaft, Kultur, Zivilisation, Politik, Kunst und sozialen Beziehungen zu heiligen und zu christianisieren."

Die Strukturen des Opus Dei, das in Deutschland seit über 40 Jahren aktiv ist, werden nur selten sichtbar: "In Aachen etwa ist es dem Opus Dei gelungen, ein engmaschiges Netz zu knüpfen, zu dem kommunale Spitzenpolitiker, Richter, Schulräte, Parteifunktionäre, Unternehmer sowie ein Verleger zählen. Der langjährige Oberbürgermeister von Aachen und jetzige Europaabgeordneter der CDU Kurt Malangrè, 60, gehört nach eigenem Bekunden seit 40 Jahren dem Opus Dei an."4

Das Opus in Berlin

Nach der Wiedervereinigung begannen die Opus-Leute ihre Stützpunkte in Berlin auszubauen, auch um von hier aus die Länder des ehemaligen Ostblocks zu missionieren. Dabei tritt man nicht als offiziell als "Opus Dei" auf, sondern nennt sich "Berlin-Brandenburgischer Kulturverein" oder "Zentrum Feldmark" für "Jugend- und Erwachsenenbildung". Das Zentrum des Opus befindet sich in der Kreuzberger Möckernstraße 68: "Sieben Opus-Anhänger wohnen derzeit in der Möckernstraße, darunter ein spanischer Opus-Priester sowie der Direktor des Neuropathologischen Instituts am West-Berliner Uni-Klinikum, Jorge Cervós-Navarro".5 Ein weiterer Stützpunkt wird in der Eisenacher Straße 119 in Schöneberg unterhalten.

Escriva schärfte seinen Jüngern immer ein, "daß sie die Namen der anderen Mitglieder verschweigen sollten, und niemanden ihre eigene Zugehörigkeit zum Opus Dei verraten dürfen"6.

Hans-Jürgen Pokall jedenfalls erklärte dem Spiegel, er sei kein Mitglied dieser Organisation und im Opus-Zentrum wäre er immer nur als "Begleiter" seiner Frau Carola. Carola Pokall und Tochter sind langjährige Mitglieder des Opus. Pokall sorgt für Ordnung: Vor kurzem wurde der für Religionsfragen zuständige Referent in Pokalls Behörde, der Theologe A. Meiser, von seinem Amt entbunden. Er hatte die konservative Schulpolitik kritisiert.

Das CDU-Mitglied Pokall, dessen Ernnenung durch Schulsenator Kleemann (CDU) von Anfang an umstritten war, scheint die Tradition von rechten Landesschulräten in Berlin fortzusetzen: Sein Vorgänger Herbert Bath tat sich schon mit rassistischen Äußerungen und einer Nähe zu rechtsextremen Organisationen hervor.

1 J. Vontobel u.a., Das Paradies kann warten - Gruppierungen mit totalitärer Tendenz, Zürich 1993; herausgegeben im Auftrag der Erziehungsdirektion des Kantons Zürich.

2 Vontobel u.a., ebd.

3 Vontobel u.a., ebd.

4 Der Spiegel, 2/1995

5 Der Spiegel, 2/1995

6 M. Kirfel, W. Oswalt (Hrsg.), Die Rückkehr der Führer - Modernisierter Rechtsradikalismus in Westeuropa, Wien 1991

zurück zum seitenanfang