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Nr.16 onlineversion

Luebeck: Nachrichtensperre und ein Motiv, das keinen Sinn macht

Am 18. Januar 1996 brannte das Asylbewerberheim in der Luebecker Neuen Hafenstrasse voellig ab. Zehn Menschen starben, viele Fluechtlinge wurden verletzt. Der 18. Januar war fuer Rechtsradikale kein beliebiger Tag, sondern der 125jaehrige Jahrestag der deutschen Reichsgruendung. An diesem Tag gab es mindestens zwei weitere Anschlaege bei Hannover und Hamburg.

Nach der am 23. Januar verhaengten Nachrichtensperre uebernahmen die Medien die von den Verfolgungsbehoerden veroeffentlichte Version: Hiernach soll der Libanese Safwan E. den Brand gelegt haben, obwohl alles darauf hindeutet, dass der 21jaehrige nicht der Taeter ist. Als Tatmotiv unterstellten die Ermittler Streitigkeiten zwischen ethnischen Gruppen innerhalb des Heims. Die Heimbewohner selbst wissen davon nichts. Ausloeser fuer die Nachrichtensperre war ein Interview mit Gustave S., in dem er einen Streit mit Safwan E. verneinte. Gerade dieser Streit soll aber das angebliches Motiv fuer die Brandstiftung gewesen sein.

Auch SOKONI e.V., der Dachverband afrikanischer Gruppen in Hamburg, weigert sich, die Version der Ermittler zu akzeptieren, nach der Safwan E. der Verantwortliche fuer den Brand sein soll. In einer Erklaerung von SOKONI heisst es: "Uns werden die schlimmsten Verbrechen gegen unsere eigenen Familien angelastet. Der Hass deutscher Taeter, ihr Interesse zu diskriminieren, zu verfolgen und zu toeten wird auf uns, 'die Fremden' uebertragen. Wir nehmen diese absurden Verleumdungen nicht tatenlos hin. Schuldig sind Faschisten, Medien, Polizei, Justiz und alle, die beteiligt oder unbeteiligt zusehen."

Die Verhaftung von Safwan E. stuetzt sich lediglich auf Aussagen, die er angeblich gegenueber einem Sanitaeter der Feuerwehr auf der Fahrt ins Krankenhaus gemacht haben soll. Dieser will dabei "wir waren es" gehoert haben. Safran E. behauptet dagegen "sie waren es" (die fremdenfeindlichen Deutschen) gesagt zu haben. Das dies ein nur sehr duennes Taeterkonstrukt ist spielt fuer die Ermittler keine Rolle und auch die Unterstuetzungskampagne fuer die Opfer verlaeuft seit der Praesentation von Safran E. als Brandstifter eher schleppend.

Safwan E. sitzt seitdem in U-Haft und die Moeglichkeiten eines Anschlags von aussen sind schon zwei Wochen nach dem verheerenden Brand nicht mehr weiter verfolgt worden. Der Brandherd lag nach Auskunft von Brandsachverstaendigen im ersten Stock. Die Frage, ob Fremde in das Haus eindringen konnten, wurde nicht geklaert. Beschaeftigte haben bezeugt, dass die Tuer immer offen stand, da nur die Betreuer einen Schluessel hatten. Ausserdem waren nach Aussagen der Bewohner die Scheibe in der Haustuer und einige Fensterscheiben seit Monaten kaputt.

Es bleiben also unendlich viele Fragen offen:

- Warum soll ein 21jaehriger das Haus ausgerechnet in dem Stockwerk anzuenden, in dem seine Familie wohnt, sich dann schlafen legen, uebers Dach gerettet werden und danach der Feuerwehr bei der Rettung der Verletzten helfen?
- Warum gab es eine Nachrichtensperre?
- Warum hatten es alle so eilig, einen rassistischen Anschlag auszuschliessen?
- Warum wiegt die Aussage eines deutschen Feuerwehrmannes so viel mehr, als die der Fluechtlinge?
- Warum hat die Polizei es nicht mal fuer noetig gehalten, frueheren Hinweisen auf Brandanschlagsversuche nachzugehen?

Deutschland im Fruehjahr 1996 - Alles ganz normal?

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