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Nr.4 onlineversion

Rechtliche Möglichkeiten für antirassistische Arbeit

Der AK gegen Rassismus und Neofaschismus der IG-Metall hat als Anhang an seine Handlungshilfe (siehe RAG 1) Paragraphen und Gesetze mit Beispielen gefüllt. Es geht darum, formales Recht als Werkzeug nutzbar zu machen, bei der Organisierung gegen schikanierende Vorgesetzte oder um die Geschäftsleitung zu zwingen sich konkret auf die Seite schikanierter oder belästigter KollegInnen zu schlagen und nicht nur Plakate "für mehr Mut" aufzuhängen. Natürlich haben auch wir die Erfahrung gemacht, sich in Auseinandersetzungen auf die eigene Kraft zu verlassen, d. h. die der Kollegen und nicht auf scheinbares Recht. Spielraum für unser Handeln erreichen wir vor allem durch gemeinsame Aktionen. Gleichzeitig kann es im Betrieb helfen auch rechtlich abgesichert zu sein, z. B. nach einer Rede auf der Betriebsversammlung oder bei der Organisierung gegen schikanierende Vorgesetzte.

Aus diesen Gründen dokumentieren wir diesen zweiten Teil der Handlungshilfe des AK der IG-Metall, der ausschließlich auf Paragraphen abhebt.

* Das Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz ist innerhalb der Grenzen des Arbeitsvertrages (zumindest also während der Pausen, aber auch sonst, soweit der Arbeitsablauf nicht beeinträchtigt wird) durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG), also die allgemeine Handlungsfreiheit, gewährleistet. Da solche Gespräche oft der Wiederherstellung des gestörten Betriebsfriedens dienen, dürften auch die Vorgesetzten in aller Regel hierfür Verständnis haben. Bei Betriebsratsmitgliedern gehören solche Gespräche zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsarbeit und sind durch §37 Abs. 2 BetrVG abgedeckt.

* Die Vertrauensleute haben ebenso wie die einzelnen Arbeitnehmer das Recht, nach §39 bzw. 69 BetrVG die Sprechstunden des Betriebsrates bzw. der Jugend- und Auszubildendenvertretung aufzusuchen oder den Betriebsrat/Jugend- und Auszubildendenvertretung auch sonst während der Arbeitszeit in Anspruch zu nehmen. Hierfür erforderliche Versäumnis von Arbeitszeit berechtigt den Arbeitgeber nicht zur Minderung des Arbeitsentgeltes. Im Einzelfall kann es erforderlich sein, die Betriebsvertretung gemeinsam mit mehreren Arbeitnehmern aufzusuchen, um das Problem dort vorzutragen. In jedem Falle muß man sich vor dem Besuch des Betriebsrates in der Abteilung abmelden.

* Nach §84 Abs. 1 BetrVG hat jeder Arbeitnehmer das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebes zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebes benachteiligt, ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt. Zur Unterstützung oder Vermittlung kann ein Mitglied des Betriebsrates hinzugezogen werden, was auf jeden Fall empfehlenswert ist. Dieses Beschwerderecht kann auch von mehreren Arbeitnehmern gemeinsam ausgeübt werden.

* Die Vertrauensleute sollten aber vorrangig darauf dringen, daß Beschwerden von Arbeitnehmern bei derartigen Vorfällen gemäß §85 BetrVG unmittelbar beim Betriebsrat angebracht werden. Der Betriebsrat muß dann beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinwirken und kann bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Beschwerde sogar die Einigungsstelle anrufen.

* Dem Arbeitnehmer dürfen aus der Ausübung dieser Beschwerderechte keine Nachteile entstehen (§84 Abs. 2 und §85 Abs. 3 BetrVG).

* §75 BetrVG schützt die Arbeitnehmer vor Diskriminierung und vor Beeinträchtigung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. Danach hat auch der Betriebsrat darüber zu wachen, daß alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigungen oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechtes muß danach unterbleiben, ebenso jede Benachteiligung wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen. Auch der Betriebsrat hat die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Die Verpflichtungen aus §75 treffen insbesondere den Arbeitgeber, der diese Grundsätze bei Ausübung seiner Weisungsrechte beachten muß. Verstößt der Arbeitgeber gegen die in dieser Vorschrift genannten Grundsätze, dann ist der Betriebsrat berechtigt, dem Arbeitgeber diese Pflichtverletzung gerichtlich untersagen zu lassen. Besonders bei diskriminierendem Verhalten oder Äußerungen gegenüber ausländischen ArbeitnehmerInnen kann der Betriebsrat die Ausübung des Weisungsrechtes durch den Arbeitgeber zur Sicherung der Gleichbehandlung und zum Schutz der Persönlichkeitsrechte einfordern.

* Auch aus den allgemeinen Aufgaben des Betriebsrates nach §80 Abs. 1 BetrVG ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten für den Betriebsrat, neofaschistische und rassistische Vorgänge zu unterbinden. Nach Ziffer 1 dieser Vorschrift muß der Betriebsrat die Durchführung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Betriebsverein- barungen überwachen. Auch nach dieser Vorschrift muß der Betriebsrat auf Beachtung des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer und der Diskriminierungsverbote dringen. Wird durch einen Vorfall eine Betriebsvereinbarung (z. B. eine Arbeitsordnung) verletzt, kann der Betriebsrat dies nach dieser Vorschrift rügen. Zur Wiederherstellung des Arbeitsfriedens in der Abteilung kann der Betriebsrat auch nach Ziffer 2 der Vorschrift "Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber beantragen".

* Nach Ziffer 3 dieser Vorschrift muß der Betriebsrat "Anregungen von Arbeitnehmern und der Jugend- und Auszubildendenvertretung entgegennehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinwirken". Nach Ziffer 4 muß er "die Eingliederung Schwerbehinderter und sonstiger schutzbedürftiger Personen fördern". Nach Ziffer 7 dieser Vorschrift hat der Betriebsrat auch die allgemeine Aufgabe, "die Eingliederung ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern".

* Der Betriebsrat hat ferner nach §77 Abs. 1 BetrVG das Recht, vom Arbeitgeber zu verlangen, daß dieser Betriebsvereinbarungen ihrem Regelungsinhalt entsprechend im Betrieb anwendet und die durch die Betriebsvereinbarung geschaffene Ordnung verwirklicht. Auch hiernach kann die Durchführung einer Arbeitsordnung im Betrieb, gegen die möglicherweise verstoßen wurde, durchgesetzt werden.

* Nach §87 Abs. 1 Ziffer 1 BetrVG hat der Betriebsrat in allen Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb ein Mitbestimmungsrecht. Die Durchsetzung dieses Mitbestimmungsrechtes ist Einigungsstellenfähig.

* Schließlich hat der Betriebsrat nach §104 BetrVG das Recht, vom Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung betriebsstörender Arbeitnehmer zu verlangen. Voraussetzung hierfür ist, daß ein Arbeitnehmer durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in §75 Abs. 1 enthaltenenen Grundsätze den Betriebsfrieden wiederholt ernstlich störte. Der Betriebsrat kann dieses Recht beim Arbeitsgericht einklagen.

* Zweifel entstehen auch oft bei der Frage, inwieweit sich Betriebsrat und Vertrauensleute bei der Abwehr neofaschistischer Verhaltensweisen auch politisch äußern dürfen. §74 Abs. 2 BetrVG verbietet dem Betriebsrat lediglich eine parteipolitische Betätigung, nicht aber jegliche allgemeinpolitische Äußerung. Wenn die Propaganda neofaschistischer Parteien dazu führt, daß Sympathisanten dieser Parteien Arbeitnehmer im Betrieb in ihren Rechten beeinträchtigen, kann auch der Betriebsrat dazu Stellung nehmen. Dies berührt noch nicht die Notwendigkeit für den Betriebsrat, sich parteipolitischer Betätigung zu enthalten.

* Nach §45 BetrVG können solche Vorfälle auch auf Betriebs- und Abteilungsversammlungen angesprochen werden, da sie die Arbeitnehmer des Betriebes unmittelbar betreffen. Das Recht des Vertrauenskörpers, hierzu in Flugblättern Stellung zu nehmen, folgt aus der Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften (Art. 9 Abs. 3 GG).

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