zurück zur titelseite/inhalt

Nr.4 onlineversion

"Als ob wir dafür ausgebildet werden sollen zu wissen wo der Müll hinkommt"

Während einer Veranstaltung im DGB-Jugendzentrum in der Brunnenstraße schilderte eine türkische Auszubildende rassistische Vorurteile und Anmache, die ihr im Betrieb und in der Berufsschule begegnen.

Sie erzählte auch von Situationen, in denen es nicht mehr nur genügte sich mit Worten zu verteidigen. Auch wir halten es für notwendig rassistischen Dummköpfen bewußt entgegenzutreten.

Im folgenden drucken wir ein Gespräch mit ihr ab.

Deine Eltern sind vor zwanzig Jahren aus der Türkei nach Berlin gekommen. Du bist hier geboren und machst im KaDeWe eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau.

Erlebst Du auch während Deiner Ausbildung rassistische Anmache?

In meinem Lehrjahr sind noch drei andere türkische Auszubildende. Die eine mußte jeden Morgen vor dem Substituten (Verkaufsleiter) einen Knicks machen und sich umdrehen damit er sie begutachten kann. Außerdem mußten wir, die turkischen Azubis viel häufiger als die anderen den Müll wegbringen und die Container rausschieben. Eine von uns mußte gar das Büro des Verkaufsleiters saubermachen und die Blumen gießen. Als er mich dazu aufforderte habe ich ihm widersprochen.

Nach diesen ganzen Vorfällen sind wir zum Betriebsrat. Der Betriebsrat hat mit dem Substituten geredet und eine Verwarnung ausgesprochen. Seitdem traut er sich nicht mehr so viel. Aber der denkt bestimmt noch immer genauso, wie er früher gedacht hat, aber er spricht es wenigstens nicht mehr aus.

Wie haben sich die anderen Azubis während der Konflikte verhalten?

Die sind auf jeden Fall auf unserer Seite.

Gibt es im KaDeWe ausländische MitarbeiterInnen?

Ja, erst in letzter Zeit sind über dreißig ausländiche Leute eingestellt worden.

Aber Probleme gibt es leider noch genug! Zum Bespiel: Eine deutsche Kollegin meinte zu mir, daß es mir kaum anzumerken sei, daß ich Türkin sei. Darauf solle ich auch noch stolz sein. Ich habe ihr heftig widersprochen.

Der neue türkische Auszubildende wurde von seinen Mitazubis mit den Worten: "Oh Scheiße schon wieder ein scheiß Türke", am Arbeitsplatz empfangen.

Auch in der Kantine ist es als wäre eine Mauer zwischen den Tischen. Auf der einen Seite sitzen die AusländerInnen, auf der anderen die Deutschen.

Es gibt in der Kantine auch kein Essen für islamische Leute. Wir essen ja kein Schweinfleisch und doch gibt es Tage, wo nur Gerichte mit Schweinefleisch angeboten werden. Es gibt auch vegetarisches Essen, aber wir wollen nicht jeden Tag vegetarisch essen.

Die Einstellung der Kunden zu ausländischen Mitarbeitern ist auch eine andere als zu deutschen. Neulich wollte eine Kundin einen Flaschenkorb kaufen. Die ausländische Kollegin zeigt ihr den Flaschenkorb. Darauhin fragt die Kundin, ob damit Flaschen getragen werden können? Die Kollegin lächelte bei der Frage. Darauf schrie die Kundin, sie wäre doch Ausländerin und wage trotzdem sie auszulachen. Die Kundin hat sich daraufhin bei einer deutschen Mitarbeiterin über ihre angebliche Frechheit beschwert.

Ausländische KollegInnen werden auch viel seltener von Kunden angesprochen, weil sie denken, wir verstehen kein Deutsch.

Dabei arbeiten wir doch in dem großen Kaufhaus wo täglich 'zig tausende Touristen einkaufen und alle ein andere Sprache sprechen. Wir können behilflich sein mit unserem Türkisch, Englisch, Französisch. Ich verstehe gar nicht, wieso wir nicht akzeptiert sind.

Habt Ihr eine Jugendvertretung?

Die verhalten sich ziemlich neutral und sagen nichts. Bei Problemen hören sie einem schon zu.

Schade ist, daß kein einzigster ausländischer Azubi in der JAV vertreten ist. Noch trauen wir uns nicht, aber bei der nächsten Wahl will ich mich aufstellen lassen.

Wie ist es in der Berufsschule?

Wir sind zwei türkische Schülerinnen in der Klasse. Ich bin die einzigste, die die Sache der AusländerInnen vertritt.

Zwei deutsche Schüler, die hinter mir sitzen sagen oft: "Ja, die Scheiß-Ausländer, Türken sind alle Randalierer." Ich habe mich umgedreht und ihn angeschaut. Er guckt mich auch an und quatscht aber trotzdem weiter. Es kommt ja nicht oft vor, daß ich ausflippe. Aber hier habe ich vor Wut den Tisch umgeworfen. Ich sagte zu ihnen sie sollen das nach der Schule bereden oder so leise, daß ich das nicht höre.

Ich wollte mit ihnen nach der Schule darüber reden aber sie sind schnell abgehauen. Da habe ich ein paar Freunden von mir Bescheid gesagt. Sie sind dann zur Schule gekommen und haben mit denen gequatscht.

Danach haben sie sich tausend mal bei mir entschuldigt und gesagt, daß es nie wieder vorkommt. Ich sagte, wenn ihr Angst habt, warum riskiert ihr so ´ne große Schnauze. Seitdem unterhalten wir uns schon, aber ich weiß nicht was sie reden, wenn ich mich umdrehe.

In der Parallelklasse soll ein Mädchen gesagt haben, daß sie bei einem Ausländer die Straßenseite wechselt.

Aber wenn du diese Leute fragst, wo sie zum Essen hingehen sagen sie auch zum Chinesen, zum Italiener oder zu Türken.

zurück zum seitenanfang