Mao Werke


Mao Tse-tung:

DIE WAHRHEIT ÜBER DIE "VERMITTLUNG" DER USA UND DIE PERSPEKTIVEN DES BÜRGERKRIEGS IN CHINA

-Gespräch mit dem amerikanischen Korrespondenten A. T. Steele-

(29. September 1946)

Frage Steeles: Glauben Sie, daß die Vermittlungsbestrebungen der USA im chinesischen Bürgerkrieg gescheitert sind? Wenn die USA ihre jetzige Politik weiter betreiben, wohin wird das führen?

Antwort Mao Tse-tungs: Ich zweifle sehr daran, daß die Politik der USA-Regierung eine Politik der "Vermittlung"1 ist. Auf Grund der Tatsache, daß die USA Tschiang Kai-schek eine ansehnliche Hilfe zukommen lassen, damit er einen Bürgerkrieg von noch nie dagewesenem Umfang führen kann, ist die Politik der USA-Regierung darauf gerichtet, unter dem Deckmantel einer sogenannten Vermittlung Tschiang Kai-schek in jeder Beziehung zu stärken und die demokratischen Kräfte in China durch Tschiang Kai-scheks Massaker-Politik zu unterdrücken, um China praktisch in eine USA-Kolonie zu verwandeln. Die Fortführung dieser Politik wird bestimmt den entschlossenen Widerstand aller Patrioten in ganz China hervorrufen.

Frage: Wie lange wird der chinesische Bürgerkrieg dauern? Was wird sein Ergebnis sein?

Antwort: Wenn die USA-Regierung ihre gegenwärtige Politik der Unterstützung Tschiang Kai-scheks aufgibt, ihre in China stationierten Truppen zurückzieht und die Vereinbarung einhält, die auf der Moskauer Konferenz der Außenminister der Sowjetunion, der USA und Großbritanniens getroffen wurde,2 kann der chinesische Bürgerkrieg sicherlich bald ein Ende nehmen. Andernfalls besteht die Möglichkeit, daß daraus ein langdauernder Krieg wird. Dieser würde einerseits natürlich dem chinesischen Volk viel Leiden bringen, andererseits aber würde sich das chinesische Volk bestimmt zusammenschließen, seine Existenz behaupten und über seine eigenen Geschicke entscheiden. Wie groß auch die Schwierigkeiten und Entbehrungen sein mögen, das chinesische Volk wird bestimmt die vor ihm stehende Aufgabe erfüllen, Unabhängigkeit, Frieden und Demokratie zu erkämpfen. Keine in- oder ausländische Unterdrückungsgewalt kann es hindern, diese Aufgabe zu erfüllen.

Frage: Halten Sie Tschiang Kai-schek für den "natürlichen Führer" des chinesischen Volkes? Wird die Kommunistische Partei Chinas unter keinen Umständen Tschiang Kai-scheks Fünf-Punkte-Forderung3 akzeptieren? Wenn die Kuomintang versucht, eine Nationalversammlung ohne Teilnahme der Kommunistischen Partei einzuberufen,4 welche Schritte wird dann die Kommunistische Partei unternehmen?

Antwort: So etwas wie einen "natürlichen Führer" gibt es nirgends in der Welt. Wenn Tschiang Kai-schek die politischen, militärischen, ökonomischen und sonstigen Probleme Chinas gemäß dem im Januar dieses Jahres unterzeichneten Waffenstillstandsabkommen5 und den gemeinsamen Beschlüssen der Politischen Konsultativkonferenz6 behandelt - und nicht gemäß den von ihm in den sogenannten fünf Punkten oder in zehn Punkten gestellten einseitigen Forderungen, die dem Abkommen und den gemeinsamen Beschlüssen zuwiderlaufen -, werden wir immer noch gewillt sein, mit ihm zusammenzuarbeiten. Die Nationalversammlung muß von allen politischen Parteien und Gruppen gemeinsam einberufen werden, wie das in den von der Politischen Konsultativkonferenz angenommenen Beschlüssen vorgesehen wurde; sonst werden wir entschieden dagegen auftreten.

ANMERKUNGEN

1. Im Dezember 1945 sandte die USA-Regierung George C. Marshall als Sonderbotschafter des Präsidenten nach China und benutzte die "Vermittlung bei den militärischen Zusammenstößen zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei Chinas" als einen Deckmantel, um die aggressiven Kräfte der USA und das Regime der Kuomintang-Reaktionäre auf verschiedene Weise zu stärken. Damit er Zeit gewinne, den Bürgerkrieg vorzubereiten, nahm Tschiang Kai-schek auf Veranlassung des USA-Imperialismus die Forderung der Kommunistischen Partei Chinas und des chinesischen Volkes, den Bürgerkrieg einzustellen, scheinbar an. Im Januar 1946 unterzeichneten Vertreter der Kuomintang-Regierung und der Kommunistischen Partei Chinas ein Waffenstillstandsabkommen, erließen einen Feuereinstellungsbefehl und bildeten eine "Dreier-Gruppe" sowie ein ,Exekutiv-Hauptquartier für militärische Vermittlung in Peiping", denen auch amerikanische Vertreter angehörten. Während seiner "Mittlertätigkeit" half Marshall den Kuomintang-Truppen mit allen möglichen Tricks, die befreiten Gebiete zuerst im Nordosten und später in Nord-, Ost- und Zentralchina anzugreifen; er betätigte sich intensiv bei der Ausbildung und Ausrüstung der Kuomintang-Truppen und lieferte Tschiang Kai-schek eine Unmenge von Waffen und anderem Kriegsmaterial. Bis Juni 1946 hatte Tschiang Kai-schek 80 Prozent der Gesamtstärke der regulären Kuomintang-Truppen (Gesamtstärke ungefähr zwei Millionen Mann) an der Front massiert, um die befreiten Gebiete anzugreifen; mehr als 540 000 Mann dieser Truppen wurden unmittelbar von den USA-Streitkräften mit Kriegsschiffen und Flugzeugen transportiert. Im Juli, als die Vorbereitungen beendigt waren, entfesselte Tschiang Kai-schek einen das ganze Land erfassenden konterrevolutionären Krieg. Daraufhin gaben am 10. August Marshall und der USA-Botschafter in China, Leighton Stuart, eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie mit dem Ziel, Tschiang Kai-schek freie Hand in seinem Bürgerkrieg zu lassen, verkündigten, daß die "Vermittlung" gescheitert sei.

2. Das bezieht sich auf die Vereinbarung über China, die im Dezember 1945 auf der Moskauer Konferenz der Außenminister der Sowjetunion, der USA und Großbritanniens getroffen wurde. In dem Kommunique der Moskauer Konferenz hieß es, die Außenminister der drei Mächte "bekräftigen erneut, daß sie an der Politik der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas festhalten". Die Außenminister der Sowjetunion und der USA kamen überein, daß die sowjetischen und amerikanischen Truppen sobald wie möglich von China zurückgezogen werden sollten. Die Sowjetunion hielt diese Vereinbarung getreulich ein. Lediglich auf wiederholte Bitten der Kuomintang-Regierung verschob die Sowjetarmee das Datum ihres Abzugs. Am 3. Mai 1946 vollendete die Sowjetarmee die Räumung Nordostchinas. Aber die USA-Regierung brach in jeder Hinsicht ihr Wort, weigerte sich, ihre Truppen zurückzuziehen, und verschärfte ihre Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten.

3. Bei zwei Gelegenheiten, im Juni und August 1946, stellte Tschiang Kai-schek seine "Fünf-Punkte-Forderung" an die Kommunistische Partei Chinas, wobei er erklärte, daß er nur dann gedenke, den Bürgerkrieg einzustellen, wenn die Kommunistische Partei Chinas diese Forderung annähme. Darin wird der Rückzug der Chinesischen Volksbefreiungsarmee aus folgenden Orten verlangt: (1) aus allen Gebieten südlich der Lunghai-Eisenbahn; (2) von der ganzen Tsingtao-Tsinan Eisenbahnlinie; (3) aus Tschengdö und dem Gebiet südlich von Tschengdö; (4) aus dem größten Teil Nordostchinas; und (9) aus allen Gebieten, die durch die Streitkräfte des Volkes der befreiten Gebiete seit dem 7. Juni 1946 in den Provinzen Schantung und Schansi aus der Hand der Marionettentruppen befreit wurden. Die Kommunistische Partei Chinas wies diese konterrevolutionären Forderungen kategorisch zurück.

4. Gemäß den Beschlüssen der Politischen Konsultativkonferenz, die im Januar 1946 tagte, sollte die Nationalversammlung eine Versammlung der Demokratie und des Zusammenschlusses sein, an der alle politischen Parteien und Gruppen teilnehmen würden und die nach der Durchführung der auf der Politischen Konsultativkonferenz gefaßten Vereinbarungen unter der Leitung einer reorganisierten Regierung zusammenzutreten hätte. Am 11. Oktober 1946 besetzten die Kuomintang-Truppen Dschangdjiakou, und dieser "Sieg" verdrehte der Tschiangkaischek-Clique den Kopf. Unter offener Verletzung der Beschlüsse der Politischen Konsultativkonferenz verordnete die Tschiangkaischek-Clique noch am gleichen Nachmittag die Einberufung einer spalterischen und diktatorischen "Nationalversammlung", die ausschließlich unter der Kontrolle der Kuomintang stand. Diese "Nationalversammlung" wurde am 15. November 1946 in Nanking offiziell eröffnet, aber die Kommunistische Partei Chinas, die demokratischen Parteien und Gruppen und das ganze Volk bekämpften und boykottierten sie entschieden.

5. Siehe "Die Offensive Tschiang Kai-scheks durch einen Selbstverteidigungskrieg zerschlagen", Anmerkung 1, vorliegender Band, S. 92.

6. Siehe "Die Offensive Tschiang Kai-scheks durch einen Selbstverteidigungskrieg zerschlagen", Anmerkungen, vorliegender Band, S. 92 ff.

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