Mao Werke


Mao Tse-tung:

X. DIE ALTEN UND DIE NEUEN DREI VOLKSPRINZIPIEN

(Teil 2)

Die bürgerlichen Ultrakonservativen verstehen überhaupt nichts von geschichtlichen Wandlungen, ihre Kenntnisse sind fast gleich Null. Sie kennen weder den Unterschied zwischen dem Kommunismus und den Drei Volksprinzipien noch den Unterschied zwischen den alten und den neuen Drei Volksprinzipien.

Wir Kommunisten anerkennen "die Drei Volksprinzipien als politische Basis für die antijapanische nationale Einheitsfront"; wir anerkennen, daß "die Drei Volksprinzipien für das heutige China unerläßlich sind und unsere Partei bereit ist, für ihre restlose Verwirklichung zu kämpfen" ; wir anerkennen, daß das kommunistische Minimalprogramm und die politischen Leitsätze der Drei Volksprinzipien einander in den Grundzügen gleichen. Von welchen Drei Volksprinzipien ist jedoch dabei die Rede? Es sind dies keine anderen als die von Dr. Sun Yat-sen im Manifest des I. Nationalkongresses der Kuomintang neugedeuteten Drei Volksprinzipien. Ich wünsche, die Herren Ultrakonservativen würden, wenn sie sich inmitten ihrer emsigen Beschäftigung mit "Einschränkung der Kommunistischen Partei", "Zersetzung der Kommunistischen Partei", "Bekämpfung der Kommunistischen Partei" u. dgl. auch noch ein wenig selbstgefällige Muße gönnen wollten, einmal ganz kurz einen Blick in dieses Manifest werfen. Dr. Sun Yat-sen sagte nämlich darin: "Das ist die authentische Interpretation der Drei Volksprinzipien der Kuomintang." Daraus folgt, daß nur diese Drei Volksprinzipien die echten Drei Volksprinzipien sind; alle anderen sind falsch. Allein die im Manifest des 1. Nationalkongresses der Kuomintang gegebene Interpretation ist "authentisch", alle anderen sind Pseudointerpretationen. Es ist doch wohl anzunehmen, daß dies kein von den Kommunisten in die Welt gesetztes "Gerücht" ist, denn ich und viele Kuomintang-Mitglieder waren dabei, als das Manifest beschlossen wurde.

Das Manifest scheidet zwei Epochen in der Geschichte der Drei Volksprinzipien voneinander. Vorher waren es Drei Volksprinzipien einer alten Kategorie, die Drei Volksprinzipien der alten bürgerlichdemokratischen Revolution in einem halbkolonialen Land, die Drei Volksprinzipien der alten Demokratie, die alten Drei Volksprinzipien.

Nachher wurden sie zu Drei Volksprinzipien einer neuen Kategorie, zu den Drei Volksprinzipien der neuen bürgerlich-demokratischen Revolution in einem halbkolonialen Land, zu den Drei Volksprinzipien der Neuen Demokratie, zu den neuen Drei Volksprinzipien. Nur diese allein können die revolutionären Drei Volksprinzipien der neuen Periode sein.

Diese revolutionären Drei Volksprinzipien der neuen Periode, also die neuen oder die echten Drei Volksprinzipien, sind die Drei Volksprinzipien der drei politischen Hauptrichtlinien - Bündnis mit Rußland, Bündnis mit der Kommunistischen Partei, Unterstützung der Bauern und Arbeiter. Wenn diese drei politischen Hauptrichtlinien nicht vorhanden sind oder wenn auch nur eine einzige von ihnen fehlt, dann sind es in der neuen Periode entweder falsche oder nur halbe Drei Volksprinzipien.

Erstens müssen die revolutionären Drei Volksprinzipien, die neuen oder die echten Drei Volksprinzipien, solche sein, die das Bündnis mit Rußland einschließen. Wie die Dinge heute stehen, ist es völlig klar, daß, wenn man nicht eine Politik des Bündnisses mit Rußland betreibt, sich nicht mit dem Land des Sozialismus verbündet, man unvermeidlich eine Politik des Bündnisses mit dem Imperialismus einschlägt, sich mit den imperialistischen Mächten verbündet. Ist nicht nach 1927 gerade das eingetreten? Sobald sich der Kampf zwischen der sozialistischen Sowjetunion und den Imperialisten noch mehr verschärft, wird sich China auf die eine oder andere Seite schlagen müssen; das ist eine unabweisliche Tendenz. Sollte es denn unmöglich sein, sich weder nach der einen noch nach der anderen Seite hin zu neigen? Nein, das ist eine Illusion. Die ganze Welt wird in die eine oder die andere dieser beiden Fronten einbezogen werden, und von da ab wäre eine "neutrale" Stellung in der Welt bloß ein betrügerischer Terminus. Vor allem für China, das gegen eine imperialistische Macht kämpft, die tief in sein Territorium eingedrungen ist, wäre ohne die Hilfe der Sowjetunion an einen endgültigen Sieg nicht zu denken. Wenn man auf das Bündnis mit Rußland verzichtet und sich mit dem Imperialismus verbündet, dann muß man das Adjektiv "revolutionär" streichen, und die Drei Volksprinzipien verwandeln sich in reaktionäre Drei Volksprinzipien. Schließlich und endlich gibt es ja keine "neutralen" Drei Volksprinzipien, sondern bloß revolutionäre oder konterrevolutionäre. Wäre es nicht heroisch, wenn man nach den früheren Worten Wang Djing-wes einen "Kampf gegen die Angriffe von beiden Seiten"14 ausprobierte und demnach die Drei Volksprinzipien eines solchen "Kampfes" akzeptierte? Leider hat aber ihr Erfinder, Wang Djing-we, selbst diese Art von Drei Volksprinzipien aufgegeben (oder "zurückgezogen") und sich solchen Drei Volksprinzipien zugewandt, die ein Bündnis mit dem Imperialismus enthalten. Wäre es aber nicht, wie andere argumentieren, durchaus revolutionär, wenn man zwischen dem östlichen und dem westlichen Imperialismus differenzierte und sich, im Gegensatz zu Wang Djing-we, der es mit dem östlichen Imperialismus hält, mit einigen imperialistischen Mächten im Westen verbündete, um sich gegen den östlichen Imperialismus zu wenden? Doch, ob es einem gefällt oder nicht, die westlichen Imperialisten wollen die Sowjetunion und den Kommunismus bekämpfen; schließt du dich ihnen an, so heißen sie dich nordwärts marschieren, und aus deiner Revolution wird Essig. Wie die Dinge also stehen, müssen die revolutionären Drei Volksprinzipien - die neuen, die echten Drei Volksprinzipien - das Bündnis mit Rußland einschließen, keinesfalls aber ein Bündnis mit dem Imperialismus gegen Rußland.

Zweitens müssen die revolutionären Drei Volksprinzipien - die neuen, die echten Drei Volksprinzipien - solche sein, die das Bündnis mit der Kommunistischen Partei einschließen. Verbündet man sich nicht mit den Kommunisten, dann bekämpft man sie. Der Antikommunismus ist die Politik des japanischen Imperialismus und Wang Djing-wes; wollt ihr die Kommunistische Partei bekämpfen? Ausgezeichnet! Sie werden euch einladen, in ihre antikommunistische Firma einzutreten. Macht man sich aber da nicht des Landesverrats verdächtig? Ihr könntet sagen, ihr ginget nicht mit Japan, sondern mit anderen Ländern. Aber das ist doch lächerlich. Mit wem immer du auch gehen solltest, es wäre, wenn gegen die Kommunistische Partei gerichtet, Landesverrat, denn du könntest dann nicht mehr den japanischen Aggressoren Widerstand entgegensetzen. Ihr könntet sagen, ihr würdet unabhängig, auf euch allein gestellt, die Kommunisten bekämpfen. Das sind doch Hirngespinste. Können denn die "wackeren Recken" in einem kolonialen bzw. halbkolonialen Land ein so gewaltiges konterrevolutionäres Unternehmen bewältigen, ohne sich auf die imperialistischen Kräfte zu stützen? Früher habt ihr die Kräfte fast des gesamten Weltimperialismus mobilisiert, um zehn lange Jahre hindurch die Kommunistische Partei zu bekämpfen, doch vergebens; und jetzt solltet ihr urplötzlich imstande sein, sie "selbständig" zu bekämpfen? Gewisse Leute außerhalb des Grenzgebiets sollen dem Vernehmen nach gesagt haben: "Es ist gut, die Kommunisten zu bekämpfen, aber es kommt nichts dabei heraus." Wenn das nicht ein bloßes Gerücht ist, so ist diese Redensart nur zur einen Hälfte falsch; denn was ist schon "Gutes" an der "Bekämpfung der Kommunisten"? Doch die andere Hälfte stimmt: Es kommt wirklich nichts dabei heraus. Und der Grund dafür liegt im wesentlichen nicht bei den Kommunisten, sondern bei dem einfachen Volk; denn es liebt die Kommunistische Partei und mag nicht deren "Bekämpfung". Das einfache Volk ist unerbittlich; es wird euch an die Kehle gehen, wenn ihr in einer Zeit, da der Feind der Nation tief in unser Territorium eingedrungen ist, die Kommunistische Partei bekämpft. Das ist gewiß; wer sich gegen die Kommunisten stellt, muß darauf gefaßt sein, zu Staub zerrieben zu werden. Habt ihr keine Lust, zu Staub zerrieben zu werden, dann laßt lieber diese Bekämpfung bleiben. Das ist unser aufrichtiger Rat an alle antikommunistischen Recken. Somit ist es sonnenklar, daß die heutigen Drei Volksprinzipien das Bündnis mit der Kommunistischen Partei einschließen müssen, andernfalls würden sie zunichte. Das ist eine Existenzfrage der Drei Volksprinzipien. Enthalten sie das Bündnis mit der Kommunistischen Partei, dann bestehen sie; dienen sie dem Kampf gegen die Kommunistische Partei, dann hören sie zu bestehen auf. Kann jemand das Gegenteil beweisen?

Drittens müssen die revolutionären Drei Volksprinzipien - die neuen, die echten Drei Volksprinzipien - solche sein, die eine Politik der Unterstützung der Bauern und Arbeiter einschließen. Wer keine solche Politik will, wer nicht ehrlich und aufrichtig den Bauern und Arbeitern beisteht, wer das im Testament Sun Yat-sens niedergelegte Vermächtnis, man müsse "die Volksmassen wecken", nicht vollzieht, der bereitet die Niederlage der Revolution vor und obendrein seine eigene Niederlage. Stalin sagte, daß "die nationale Frage dem Wesen der Sache nach eine Bauernfrage ist"15. Das bedeutet, daß die chinesische Revolution ihrem Wesen nach eine Bauernrevolution ist und daß der gegenwärtige Widerstand gegen die japanische Aggression seinem Wesen nach ein antijapanischer Widerstand der Bauernschaft ist. Die Politik der Neuen Demokratie bedeutet ihrem Wesen nach, daß man den Bauern zur Macht verhilft. Die neuen, die echten Drei Volksprinzipien sind ihrem Wesen nach Prinzipien einer Bauernrevolution. Kultur der Massen bedeutet dem Wesen der Sache nach die Hebung des Kulturniveaus der Bauern. Der Widerstandskrieg gegen Japan ist seinem Wesen nach ein Bauernkrieg. Wir leben jetzt in einer Zeit der "Theorie des In-die-Berge-Gehens"16, und alles - die Versammlungen, die verschiedene Arbeit, der Unterricht, die Herausgabe von Zeitungen, das Verfassen von Büchern, die Veranstaltung von Theateraufführungen - spielt sich in den Bergen ab, geschieht dem Wesen der Sache nach für die Bauern. Und alles, was für den Widerstandskrieg und für das Leben benötigt wird, geben uns dem Wesen der Sache nach die Bauern. Mit dem "Wesen" ist hier das Grundlegende gemeint, womit die anderen Volksschichten durchaus nicht unterschätzt werden sollen, wie dies Stalin selbst erläutert hat. Daß die Bauern achtzig Prozent der Bevölkerung Chinas bilden, weiß jedes Schulkind. Deshalb bildet die Bauernfrage die Grundfrage der chinesischen Revolution, sind die Kräfte der Bauern ihre Hauptkraft. Zahlenmäßig stehen die Arbeiter an zweiter Stelle in der Bevölkerung Chinas. Es gibt in China Millionen Industriearbeiter und Dutzende von Millionen Handwerker und Landarbeiter. Ohne die Arbeiter in den verschiedenartigen Gewerben könnte China nicht leben, denn sie sind die Produzenten in der gewerblichen Wirtschaft. Ohne die moderne Industriearbeiterklasse kann die Revolution nicht siegen, denn diese Klasse ist die Führerin der chinesischen Revolution, sie ist die revolutionärste Klasse. Unter diesen Umständen müssen die revolutionären, die neuen, die echten Drei Volksprinzipien unbedingt eine Politik der Unterstützung der Bauern und Arbeiter einschließen. Sollte es irgendwelche Drei Volksprinzipien geben, die keine derartige Bauern- und Arbeiterpolitik enthalten, die nicht ehrlich und aufrichtig den Bauern und Arbeitern Beistand leisten und die dem Vermächtnis "Die Volksmassen wecken!" nicht nachkommen, dann werden solche Drei Volksprinzipien bestimmt untergehen.

Daraus ist ersichtlich, daß solche Drei Volksprinzipien, die von den drei politischen Hauptrichtlinien - Bündnis mit Rußland, Bündnis mit der Kommunistischen Partei, Unterstützung der Bauern und Arbeiter - losgelöst sind, keine Zukunft haben. Alle ehrlichen Anhänger der Drei Volksprinzipien müssen sich dies ernsthaft überlegen.

Diese auf den drei politischen Hauptrichtlinien basierenden Drei Volksprinzipien - also die revolutionären, die neuen, die echten Drei Volksprinzipien - sind die Drei Volksprinzipien der Neuen Demokratie, sind eine Weiterentwicklung der alten Drei Volksprinzipien, sind eine große Leistung Dr. Sun Yat-sens, sind das Produkt jener Epoche, in der die chinesische Revolution zu einem Bestandteil der sozialistischen Weltrevolution geworden ist. Nur diese Drei Volksprinzipien sind es, von denen die Kommunistische Partei sagte, daß sie "für das heutige China unerläßlich sind", und sie verkündete, daß sie "bereit ist, für ihre restlose Verwirklichung zu kämpfen". Und es sind nur diese Drei Volksprinzipien, die dem politischen Programm der Kommunistischen Partei Chinas für das Stadium der demokratischen Revolution, d. h. ihrem Minimalprogramm, in den Grundzügen gleichen.

Was die alten Drei Volksprinzipien betrifft, so sind sie ein Produkt der alten Periode der chinesischen Revolution. Damals war Rußland ein imperialistischer Staat, und man konnte natürlich keine Politik des Bündnisses mit ihm betreiben; im Land selbst gab es keine Kommunistische Partei, und es konnte natürlich keine Politik des Bündnisses mit der Kommunistischen Partei geben; die Arbeiter- und Bauernbewegung hatte noch nicht in vollem Maße ihre politische Bedeutung an den Tag gelegt und die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich gezogen, so daß es natürlich keine Politik des Bündnisses mit den Arbeitern und Bauern geben konnte. Daher gehören die Drei Volksprinzipien aus der Zeit vor der Reorganisation der Kuomintang im Jahre 1924 zur alten Kategorie, sie sind veraltet. Hätten sie sich nicht zu den neuen Drei Volksprinzipien entwickelt, wäre auch die Kuomintang nicht vorwärtsgekommen. Der weitblickende Sun Yat-sen erkannte dies, gewann die Hilfe der Sowjetunion und der Kommunistischen Partei Chinas und gab den Drei Volksprinzipien eine neue Interpretation, um sie mit den der neuen Geschichtsperiode entsprechenden Eigentümlichkeiten auszustatten; so kam es zur Einheitsfront zwischen den Drei Volksprinzipien und dem Kommunismus sowie zur erstmaligen Zusammenarbeit zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei, so wurde die Sympathie des ganzen Volkes gewonnen und die Revolution von 1924-1927 in die Wege geleitet.

Die alten Drei Volksprinzipien waren zu ihrer Zeit revolutionär, sie spiegelten die historischen Eigentümlichkeiten der alten Periode wider. Wenn jedoch in der neuen Periode, nachdem bereits die neuen Drei Volksprinzipien ins Leben getreten sind, immer noch das alte Zeug verzapft wird, wenn man jetzt, da es schon einen sozialistischen Staat gibt, gegen ein Bündnis mit Rußland Stellung nimmt, wenn man jetzt, da schon die Kommunistische Partei existiert, gegen ein Bündnis mit ihr auftritt, und wenn man jetzt, nachdem die Arbeiter und Bauern bereits aufgewacht sind und ihre politische Stärke demonstriert haben, sich einer Politik der Unterstützung der Bauern und Arbeiter widersetzt, dann werden derartige Drei Volksprinzipien etwas Reaktionäres, es fehlt in ihnen jedes Verständnis für die Zeitumstände. Die Reaktion, die nach 1927 hereinbrach, war eben das Ergebnis eines solchen Unverständnisses für die Erfordernisse der Zeit. Ein altes Sprichwort sagt: "Wer die Zeichen der Zeit versteht, ist ein großer Mann." Ich hoffe, daß die Anhänger der Drei Volksprinzipien dies heute beherzigen werden.

Würden die Drei Volksprinzipien in die alte Kategorie fallen, dann hätten sie in den Grundzügen nichts Gemeinsames mit dem kommunistischen Minimalprogramm, da sie dann der Vergangenheit angehörten und veraltet wären. Sollte es irgendwelche Drei Volksprinzipien geben, die sich gegen Rußland, gegen die Kommunistische Partei, gegen die Bauern und Arbeiter richteten, dann wären es reaktionäre Drei Volksprinzipien, die nicht nur nicht das geringste mit dem kommunistischen Minimalprogramm gemein hätten, sondern ein Feind des Kommunismus wären, und man brauchte über nichts mehr Worte zu verlieren. Auch das sollten sich die Anhänger der Drei Volksprinzipien reiflich überlegen.

Wie dem auch immer sei, gewissenhafte Menschen werden, solange die Aufgabe, den Imperialismus und Feudalismus niederzuringen, nicht im wesentlichen erfüllt ist, die neuen Drei Volksprinzipien nicht preisgeben. Das tun nur die großen und kleinen Wang Djing-wes. Wie sehr aber auch diese Leute solche antirussischen, antikommunistischen, bauern- und arbeiterfeindlichen drei Pseudo-Volksprinzipien forcieren mögen, es werden sich dennoch zweifellos Menschen mit Gewissen und Gerechtigkeitssinn finden, die nach wie vor die echten Drei Volksprinzipien Sun Yat-sens unterstützen werden. Wenn es nach dem reaktionären Umsturz von 1927 noch viele Anhänger der echten Drei Volksprinzipien gab, die den Kampf für die Sache der chinesischen Revolution fortsetzten, so wird heute, da der Feind der Nation tief in unser Land eingedrungen ist, ihre Zahl zweifellos tausendmal größer sein. Wir Kommunisten werden mit allen wahren Anhängern der Drei Volksprinzipien eine lange Zeit hindurch unentwegt zusammenarbeiten, und wir werden nur Landesverräter und unverbesserliche Antikommunisten, nie aber einen Freund, wer immer es auch sei, abweisen.

XI. DIE KULTUR DER NEUEN DEMOKRATIE

Vorher haben wir die historischen Besonderheiten der chinesischen Politik in der neuen Periode sowie die Frage der neudemokratischen Republik erläutert. Wir können nun zur Frage der Kultur fortschreiten.

Eine gegebene Kultur ist die ideologische Widerspiegelung der Politik und Wirtschaft der betreffenden Gesellschaft. Es gibt in China eine imperialistische Kultur, die die politische und wirtschaftliche Beherrschung - oder partielle Beherrschung - des Landes durch den Imperialismus widerspiegelt. Diese Art von Kultur wird nicht nur von jenen Kulturinstitutionen gefördert, die von den Imperialisten direkt verwaltet werden, sondern auch von einigen jedes Schamgefühls baren Chinesen. Zu dieser Kategorie gehören alle jene Kulturerzeugnisse, in denen sich Versklavungsideen äußern. Es gibt ferner in China eine halbfeudale Kultur, die die halbfeudale Politik und die halbfeudale Wirtschaft widerspiegelt; zu ihren Vertretern gehören jene, die den Kult um Konfuzius und das Studium der konfuzianischen Kanons befürworten, die alte Ethik und die alten Ideen predigen, gegen die neue Kultur und die neuen Ideen auftreten. Die imperialistische Kultur und die halbfeudale Kultur sind sehr einträchtige Brüder, sie haben auf dem Gebiet der Kultur ein reaktionäres Bündnis geschlossen und bekämpfen die neue Kultur Chinas. Diese reaktionäre Kultur dient dem Imperialismus und der Feudalklasse, sie muß hinweggefegt werden. Wird sie nicht hinweggefegt, dann kann keinerlei neue Kultur aufgebaut werden. Ohne Niederreißen gibt es keinen Aufbau, ohne Eindämmen kein Fließen, ohne Stillstand keine Bewegung; zwischen der einen und der anderen Kultur tobt ein Kampf auf Leben und Tod.

Was die neue Kultur betrifft, so ist sie eine ideologische Widerspiegelung der neuen Politik und Wirtschaft, denen sie dient.

Wie wir schon im 3. Kapitel festgestellt haben, änderte sich seit dem Aufkommen einer kapitalistischen Wirtschaft in China allmählich der Charakter der chinesischen Gesellschaft; sie ist keine völlig feudale Gesellschaft mehr, sondern wurde zu einer halbfeudalen Gesellschaft, obgleich die feudale Wirtschaftsweise noch überwiegt. Im Vergleich zur feudalen Wirtschaftsweise ist die kapitalistische eine neue Wirtschaft. Zugleich mit der neuen, der kapitalistischen Wirtschaft entstanden und entwickelten sich auch neue politische Kräfte, nämlich die politischen Kräfte der Bourgeoisie, des Kleinbürgertums und des Proletariats. Und das, was auf ideologischem Gebiet die neuen ökonomischen und politischen Kräfte widerspiegelt und ihnen dient, ist die neue Kultur. Ohne kapitalistische Wirtschaft, ohne die Bourgeoisie, das Kleinbürgertum und das Proletariat, ohne die politischen Kräfte dieser Klassen hätte die neue Ideologie, die neue Kultur nicht entstehen können.

Die neuen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Kräfte bilden die revolutionären Kräfte Chinas, die der alten Politik, Wirtschaft und Kultur als Widerpart gegenüberstehen. Diese alte Politik, alte Wirtschaft und alte Kultur setzen sich aus zwei Bestandteilen zusammen: aus der eigenen halbfeudalen Politik, Wirtschaft und Kultur Chinas und aus der Politik, Wirtschaft und Kultur des Imperialismus, wobei die letzteren in dem Bündnis dominieren. Das alles ist Unrat und muß restlos zerstört werden. Der Kampf zwischen dem Alten und dem Neuen in der chinesischen Gesellschaft ist ein Kampf zwischen den neuen Kräften der breiten Volksmassen (der revolutionären Klassen) und den alten Kräften des Imperialismus und der Feudalklasse. Dieser Kampf zwischen dem Alten und dem Neuen ist ein Kampf zwischen Revolution und Konterrevolution. Dieser Kampf dauert nun schon, vom Opiumkrieg an gerechnet, volle hundert Jahre und von der Revolution von 1911 an gerechnet nahezu dreißig Jahre.

Wie aber bereits ausgeführt wurde, teilt sich die Revolution gleichfalls in eine neue und eine alte; was in einer gewissen Geschichtsperiode neu war, verwandelt sich in einer anderen in etwas Altes. Die hundert Jahre bürgerlich-demokratischer Revolution in China zerfallen in zwei Abschnitte: einen früheren von achtzig Jahren und einen späteren von zwanzig Jahren. Jeder der beiden Abschnitte hat seine grundlegende historische Besonderheit, und zwar gehörte die bürgerlich-demokratische Revolution in den ersten achtzig Jahren zur alten Kategorie, während sie in den letzten zwanzig Jahren auf Grund der Wandlungen in der internationalen und inneren politischen Lage in die neue Kategorie fiel. Die Besonderheit des früheren Abschnitts ist die alte Demokratie, die des späteren - die Neue Demokratie. Dieser Unterschied gilt ebenso für die Kultur wie für die Politik.

Worin drückt sich nun dieser Unterschied auf kulturellem Gebiet aus? Diese Frage soll nachstehend geklärt werden.

XII. DIE HISTORISCHEN BESONDERHEITEN DER CHINESISCHEN KULTURREVOLUTION

An der kulturellen oder ideologischen Front in China bilden die Zeitabschnitte vor, beziehungsweise nach der Bewegung des 4. Mai zwei voneinander verschiedene Geschichtsperioden.

Vor der Bewegung des 4. Mai ging an der chinesischen Kulturfront ein Kampf zwischen der neuen Kultur der Bourgeoisie und der alten Kultur der Feudalklasse vor sich. Diesen Charakter trugen der Kampf zwischen dem modernen Schulsystem und dem System der kaiserlichen Examenpartei, der Kampf zwischen neuen und alten, westlichen und chinesisch-traditionellen Lehren. Das, was man damals modernes Schulsystem bzw. neue oder westliche Lehren nannte, bestand im wesentlichen in den von den Vertretern der Bourgeoisie benötigten Naturwissenschaften sowie bürgerlichen sozialpolitischen Lehren (ich sage "im wesentlichen", denn ihnen waren noch viele giftige Überreste aus der Feudalzeit Chinas beigemischt). Zu jener Zeit spielten die Ideen der sogenannten neuen Lehren eine revolutionäre Rolle, indem sie die chinesischen feudalen Ideen bekämpften, und dienten der bürgerlichdemokratischen Revolution der alten Periode. Weil aber die chinesische Bourgeoisie kraftlos und die Welt bereits ins Zeitalter des Imperialismus eingetreten war, konnten sich diese bürgerlichen Ideen nur einige wenige Runden schlagen, dann wurden sie von dem reaktionären Bündnis der Versklavungsideologie des ausländischen Imperialismus und der "Zurück-zur-guten-alten-Zeit"-Ideologie des chinesischen Feudalismus zurückgeworfen; kaum hatte dieses reaktionäre ideologische Bündnis zu den ersten leichten Gegenschlägen ausgeholt, als die sogenannten neuen Lehren die Fahnen einrollten, die Trommeln verpackten und zum Rückzug bliesen; sie büßten ihre Seele ein und behielten nur die äußere Hülle bei. Die alte bürgerlich-demokratische Kultur war im Zeitalter des Imperialismus bereits angefault und ohnmächtig, mußte daher unvermeidlich unterliegen.

Anders war es nach der Bewegung des 4. Mai. An der Kulturfront Chinas traten völlig neue, unverbrauchte Streitkräfte auf den Plan, nämlich die von den chinesischen Kommunisten geleiteten Kräfte der kommunistischen Kultur und Ideologie, d. h. die Weltanschauung des Kommunismus und die Theorie von der sozialen Revolution. Die Bewegung des 4. Mai fand im Jahre 1919 statt, und die Gründung der Kommunistischen Partei Chinas erfolgte im Jahre 1921, womit auch die Arbeiterbewegung ihren eigentlichen Anfang nahm. All dies ereignete sich im Gefolge des ersten Weltkriegs und der Oktoberrevolution, also zu jener Zeit, als in der ganzen Welt die nationale Frage und die revolutionäre Bewegung in den Kolonialländern ein anderes Aussehen bekamen. Da wurde der Zusammenhang zwischen der chinesischen Revolution und der Weltrevolution ganz offenkundig. Weil nun frische politische Kräfte auf die politische Bühne Chinas getreten waren, nämlich das chinesische Proletariat und die Kommunistische Partei Chinas, marschierten jene frischen kulturellen Streitkräfte, neu eingekleidet und neu ausgerüstet, im Verein mit allen Verbündeten, mit denen ein Bündnis möglich war, in Gefechtsformation auf und entfalteten eine heroische Offensive gegen die imperialistische und die feudale Kultur. Auf allen Gebieten der Gesellschaftswissenschaften sowie der Literatur und Kunst - in der Philosophie wie in der Wirtschaftslehre, in den politischen und Militärwissenschaften wie in der Geschichtswissenschaft, in der Literatur wie in der Kunst (darunter in der Theater- und Filmkunst, in der Musik, Skulptur und Malerei) - nahmen diese frischen Streitkräfte eine imposante Entwicklung. Was immer sie in den letzten zwanzig Jahren unter Beschuß nahmen, von den Ideen bis zu den Formen (z. B. die Literatursprache), erlebte eine große Revolution. Ihr Einfluß war so weitreichend, ihre Gewalt so ungestüm, daß ihnen einfach kein Feind widerstehen konnte. Die von ihr mobilisierten Kräfte hatten hinsichtlich der zahlenmäßigen Stärke in keiner einzigen Geschichtsperiode Chinas ihresgleichen. Und der größte und mutigste Bannerträger dieser neuen Kulturarmee war Lu Hsün. Er war der Oberkommandierende der chinesischen Kulturrevolution, war nicht nur ein großer Schriftsteller, sondern auch ein großer Denker und ein großer Revolutionär. Lu Hsün war ein unbeugsamer Charakter, ohne jede Spur von Servilität und Kriechertum, und das ist bei kolonialen und halbkolonialen Völkern die schätzenswerteste Eigenschaft. Lu Hsün war der korrekteste, tapferste, standhafteste, treueste, feurigste, bis dahin beispiellose Nationalheld an der Kulturfront, der als Repräsentant der großen Mehrheit der Nation die Stellungen des Feindes erstürmte. Die Richtung Lu Hsüns ist die Richtung der neuen Kultur der chinesischen Nation.

Vor der Bewegung des 4. Mai trug die neue chinesische Kultur die Wesensmerkmale der alten Demokratie, war sie ein Bestandteil der kapitalistischen Kulturrevolution der Weltbourgeoisie. Nach der Bewegung des 4. Mai nahm sie jedoch die Charakterzüge der Neuen Demokratie an und wurde zu einem Bestandteil der sozialistischen Kulturrevolution des Weltproletariats.

Vor der Bewegung des 4. Mai war die neue Kulturbewegung Chinas, die chinesische Kulturrevolution, von der Bourgeoisie geleitet worden, die noch immer eine führende Rolle spielte. Nach der Bewegung des 4. Mai blieben die Kultur und Ideologie dieser Klasse sogar hinter deren Politik zurück, so daß sie keinerlei führende Rolle mehr innehaben konnten, sondern höchstens noch bis zu einem gewissen Grad als Verbündete in revolutionären Perioden dienten, wobei die Führung in diesem Bündnis notwendigerweise der Kultur und Ideologie des Proletariats zufiel. Das ist eine eherne Tatsache, die niemand bestreiten kann.

Die neudemokratische Kultur ist die antiimperialistische und antifeudale Kultur der breiten Volksmassen; heute ist sie die Kultur der antijapanischen Einheitsfront. Sie läßt sich nur von der proletarischen Kultur und Ideologie leiten, d. h. von den Ideen des Kommunismus, niemals aber von der Kultur und Ideologie irgendeiner anderen Klasse. Mit einem Wort, die neudemokratische Kultur ist die antiimperialistische und antifeudale Kultur der breiten Volksmassen unter Führung des Proletariats.

XIII. VIER PERIODEN

Die Kulturrevolution ist die ideologische Widerspiegelung der politischen und ökonomischen Revolution und dient ihnen. Ebenso wie in der politischen Revolution gibt es in China auch in der Kulturrevolution eine Einheitsfront.

Die zwanzigjährige Geschichte der Einheitsfront auf dem Gebiet der Kulturrevolution zerfällt in vier Perioden. Die erste Periode dauerte zwei Jahre, von 1919 bis 1921, die zweite sechs Jahre, von 1921 bis 1927, die dritte zehn Jahre, von 1927 bis 1937, und die vierte umfaßt die letzten drei Jahre bis zum jetzigen Zeitpunkt.

Die erste Periode datiert von der Bewegung des 4. Mai 1919 bis zur Gründung der Kommunistischen Partei Chinas im Jahre 1921. Sie stand vor allem im Zeichen der Bewegung des 4. Mai.

Die Bewegung des 4. Mai richtete sich sowohl gegen den Imperialismus wie gegen den Feudalismus. Ihre hervorragende historische Bedeutung liegt in einem Wesenszug, wie ihn die Revolution von 1911 noch vermißt hatte, nämlich in ihrem konsequenten, kompromißlosen Kampf gegen den Imperialismus und den Feudalismus. Die Bewegung des 4. Mai besaß diese Eigenschaft, weil sich damals die kapitalistische Wirtschaft in China um einen Schritt vorwärtsentwickelt hatte und für die damalige chinesische revolutionäre Intelligenz neue Hoffnungen auf die nationale Befreiung Chinas aufkamen, als sie sah, wie die drei imperialistischen Großmächte Rußland, Deutschland und Österreich-Ungarn zusammenbrachen und die zwei imperialistischen Großmächte England und Frankreich geschwächt wurden, während das russische Proletariat einen sozialistischen Staat errichtete und sich in Deutschland, Ungarn und Italien das Proletariat zur Revolution erhob. Die Bewegung des 4. Mai war eine Antwort auf den Ruf der damals angebrochenen Weltrevolution, auf den Ruf der Revolution in Rußland und auf den Ruf Lenins. Sie war ein Bestandteil der proletarischen Weltrevolution. Obwohl in der Periode der Bewegung des 4. Mai die Kommunistische Partei Chinas noch nicht existierte, gab es doch schon eine große Zahl von Intellektuellen, die der Revolution in Rußland zustimmten und sich die elementaren Ideen des Kommunismus angeeignet hatten. Die Bewegung des 4. Mai war in ihren Anfängen die revolutionäre Bewegung einer Einheitsfront, in der sich drei Gruppen von Menschen zusammengefunden hatten: kommunistische Intellektuelle, revolutionäre kleinbürgerliche Intellektuelle und bürgerliche Intellektuelle (letztere bildeten den rechten Flügel der Bewegung). Ihre Schwäche bestand darin, daß sie sich lediglich auf Intellektuelle beschränkte, daß keine Arbeiter und Bauern an ihr teilnahmen. Als sie sich jedoch zur Bewegung des 3. Junil8 entwickelt hatte, beteiligten sich an ihr nicht bloß die Intellektuellen, sondern auch breite Massen von Proletariern, Kleinbürgern und Bourgeois, und sie wurde zu einer das ganze Land umspannenden revolutionären Bewegung. Die von der Bewegung des 4. Mai eingeleitete Kulturrevolution war eine Bewegung, die einen konsequenten Kampf gegen die feudale Kultur führte; eine so große und gründliche Kulturrevolution hatte es in der chinesischen Geschichte bis dahin noch nicht gegeben. Sie erwarb sich bedeutende Verdienste, indem sie ihre zwei großen Fahnen aufpflanzte: "Nieder mit der alten Moral, hoch die neue Moral!" und "Nieder mit der alten Literatur, hoch die neue Literatur!" Dieser Kulturbewegung war es noch nicht möglich, unter den breiten Massen der Arbeiter und Bauern populär zu werden. Sie stellte zwar die Losung auf: "Die Literatur für das einfache Volk!", jedoch in der Praxis mußte sich damals das "einfache Volk" lediglich auf die kleinbürgerliche und bürgerliche Intelligenz der Städte beschränken, d. h., es war damit die Intelligenz des Stadtbürgertums gemeint. Die Bewegung des q. Mai hat ideologisch wie auch hinsichtlich der Heranbildung von Kadern die Gründung der Kommunistischen Partei Chinas im Jahre 1921, dann die Bewegung des 30. Mai 1928 sowie den Nordfeldzug vorbereitet: Der größte Teil der bürgerlichen Intellektuellen, die den rechten Flügel der Bewegung des 4. Mai bildeten, schloß dann in der zweiten Periode einen Kompromiß mit dem Feind und ging auf die Seite der Reaktion über.

In der zweiten Periode, die durch die Gründung der Kommunistischen Partei Chinas, die Bewegung des 30. Mai und den Nordfeldzug gekennzeichnet ist, wurde die zur Zeit der Bewegung des 4. Mai gebildete Einheitsfront der drei Klassen fortgeführt und ausgebaut, wurde die Bauernschaft in sie einbezogen und auf politischem Gebiet eine Einheitsfront aller dieser Klassen hergestellt - das war die erstmalige Zusammenarbeit zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei. Dr. Sun Yat-sen war nicht nur deshalb ein großer Mann, weil er an der Spitze der großen Revolution von 1911 stand (obwohl diese bloß eine demokratische Revolution der alten Periode war), sondern auch weil er imstande war, "sich dem Lauf der Welt anpassend, den Bedürfnissen der Massen entsprechend", die drei revolutionären politischen Hauptrichtlinien des Bündnisses mit Rußland, des Bündnisses mit der Kommunistischen Partei sowie der Unterstützung der Bauern und Arbeiter aufzustellen, die Drei Volksprinzipien neu zu interpretieren und so die auf die drei politischen Hauptrichtlinien begründeten neuen Drei Volksprinzipien ins Leben zu rufen. Früher hatten die Drei Volksprinzipien die Kreise der Lehrerschaft, der Wissenschaftler und Gelehrten sowie der Jugend nur wenig berührt, weil sie weder die antiimperialistische Parole noch die Parole des Kampfes gegen die feudale Gesellschaftsordnung und die feudale Kultur und Ideologie enthielten. Bis dahin waren sie die alten Drei Volksprinzipien gewesen und wurden von den Menschen als eine Fahne jener Leute betrachtet, die sich ihrer als Notbehelf bedienten, um Machtpositionen in der Regierung zu erjagen, d. h., um zu Beamtenposten zu gelangen, als eine Fahne rein politischer Karriere. Dann kamen die neuen Drei Volksprinzipien mit ihren drei politischen Hauptrichtlinien. Dank der Zusammenarbeit zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei sowie dank den gemeinsamen Anstrengungen der revolutionären Mitglieder beider Parteien fanden die neuen Drei Volksprinzipien Verbreitung über ganz China - bei einem Teil der Lehrer, der Wissenschaftler und Gelehrten und bei den breiten Massen der studierenden Jugend. Das war einzig und allein dem Umstand zuzuschreiben, daß sich die ursprünglichen Drei Volksprinzipien zu den auf die drei politischen Hauptrichtlinien begründeten antiimperialistischen, antifeudalen, neudemokratischen Drei Volksprinzipien weiterentwickelt hatten. Ohne diese Entwicklung wäre es unmöglich gewesen, die Ideen der Drei Volksprinzipien zu verbreiten.

In dieser Periode wurden die revolutionären Drei Volksprinzipien zur politischen Grundlage der Einheitsfront zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei sowie zwischen allen revolutionären Klassen; und da es hieß: "Der Kommunismus ist ein guter Freund der Drei Volksprinzipien", bildeten diese beiden Lehren eine Einheitsfront. Klassenmäßig war es eine Einheitsfront zwischen dem Proletariat, der Bauernschaft, dem städtischen Kleinbürgertum und der Bourgeoisie. Die beiden Parteien führten - mit dem kommunistischen Organ Hsiangdao Dschoubao (Führer durch die Woche) und der Schanghaier Kuomintang-Zeitung Minguo Jibao (Republikanisches Tageblatt) sowie den verschiedenen Lokalblättern als Kampfstellungen - gemeinsam eine antiimperialistische Propaganda durch, bekämpften gemeinsam das auf dem Kult um Konfuzius und dem Studium der konfuzianischen Kanons beruhende feudale Bildungssystem, nahmen gemeinsam Stellung gegen die im antiken feudalen Gewand steckende alte Literatur und klassische Literatursprache und traten gemeinsam für die neue Literatur und die allgemeinverständliche Literatursprache ein, die den Antiimperialismus und Antifeudalismus zum Inhalt hatten. Während der militärischen Operationen in der Provinz Kuangtung und während des Nordfeldzugs impften sie der chinesischen Armee antiimperialistische und antifeudale Ideen ein, wodurch die Armee reformiert wurde. Sie stellten unter den Millionenmassen der Bauern die Losungen "Nieder mit den korrupten Beamten!" und "Nieder mit den Tuhao und Liäschen!" auf, so daß große revolutionäre Bauernkämpfe ausgelöst wurden. Dank all dem sowie dank der Hilfe der Sowjetunion konnte der Sieg im Nordfeldzug errungen werden. Kaum aber hatte die Großbourgeoisie von der Staatsmacht Besitz ergriffen, als sie sofort dieser Revolution ein Ende setzte und hiermit eine neue politische Situation geschaffen wurde.

Die dritte Periode war die neue revolutionäre Periode von 1927-1937. Da gegen Ende der vorhergegangenen Periode im revolutionären Lager eine Veränderung vor sich gegangen war, sich die chinesische Großbourgeoisie dem reaktionären Lager des Imperialismus und der feudalen Kräfte zugewandt hatte und ihr die nationale Bourgeoisie Folge leistete, so daß im revolutionären Lager von den ursprünglichen vier Klassen nun drei verblieben - das Proletariat, die Bauernschaft und die übrigen Schichten des Kleinbürgertums (einschließlich der revolutionären Intelligenz) -, trat die chinesische Revolution nach diesem Zeitpunkt unvermeidlich in eine neue Periode ein, in welcher allein die Kommunistische Partei Chinas die Massen zur Revolution führte. Diese Periode war einerseits durch konterrevolutionäre "Einkreisungs- und Ausrottungsfeldzüge", andererseits aber durch eine Vertiefung der Revolution gekennzeichnet. Die konterrevolutionären "Einkreisungs- und Ausrottungsfeldzüge" waren von zweierlei Art: es waren militärische und kulturelle "Feldzüge". Auch die Vertiefung der Revolution war von zweierlei Art: es war eine Vertiefung sowohl der Revolution im Dorf wie der Kulturrevolution. Angestachelt durch die Imperialisten, wurden die konterrevolutionären Kräfte im ganzen Land und in der ganzen Welt für die "Einkreisungs- und Ausrottungsfeldzüge" mobilisiert, die sich über einen Zeitraum von zehn langen Jahren hinzogen und deren Grausamkeit einmalig in der Weltgeschichte war. Mehrere hunderttausend Kommunisten und junge Studenten wurden niedergemetzelt, mehrere Millionen Arbeiter und Bauern bestialischen Repressalien unterworfen. Die für all das Verantwortlichen zweifelten anscheinend nicht daran, daß sie den Kommunismus und die Kommunistische Partei "vom Erdboden vertilgen" könnten. Das Ergebnis war aber gerade umgekehrt: beide Arten von "Feldzügen" erlitten schmählich Schiffbruch. Die militärischen "Feldzüge" hatten zur Folge, daß die Rote Armee nach Norden marschierte, um den Widerstand gegen die japanische Aggression zu entfalten; die kulturellen "Feldzüge" hatten zur Folge, daß im Jahre 1938 die revolutionäre Bewegung der Jugend vom 9. Dezember ausbrach. Und das gemeinsame Ergebnis beider Arten von "Feldzügen" war das Erwachen des ganzen Volkes. Das sind drei positive Ergebnisse. Das erstaunlichste dabei ist, daß die kulturellen "Feldzüge" auch in den Kuomintang-Gebieten völlig scheiterten, wo die Kommunistische Partei in keiner einzigen Kulturinstitution auch nur die geringste Möglichkeit hatte, Widerstand zu leisten. Wie erklärt sich das? Sollte man nicht auch darüber gründlich nachdenken? Gerade inmitten solcher "Einkreisungs- und Ausrottungsfeldzüge" wurde Lu Hsün, der seiner Überzeugung nach ein Kommunist war, zur großen Persönlichkeit der chinesischen Kulturrevolution.

Das negative Ergebnis der konterrevolutionären "Feldzüge" war der Einfall der japanischen Imperialisten in China. Das ist der wichtigste Grund, warum unser ganzes Volk bis auf den heutigen Tag die zehnjährige antikommunistische Kampagne so sehr verabscheut.

In den Kämpfen dieser Periode hielt die revolutionäre Seite an der antiimperialistischen und antifeudalen Neuen Demokratie der breiten Volksmassen und an deren neuen Drei Volksprinzipien fest, während die konterrevolutionäre Seite unter dem Kommando der Imperialisten das despotische Regime des Blocks der Grundherrenklasse und der Großbourgeoisie ausübte. Dieses despotische Regime würgte auf politischem sowie auf kulturellem Gebiet die drei politischen Hauptrichtlinien Sun Yat-sens und seine neuen Drei Volksprinzipien ab und beschwor ein großes Unheil über die chinesische Nation herauf.

Die vierte Periode ist die Periode des gegenwärtigen Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression. In der Zickzackbewegung der chinesischen Revolution ist es wieder einmal zu einer Einheitsfront der vier Klassen gekommen. Der Umfang der Einheitsfront ist aber viel breiter geworden; ihrer Oberschicht gehören viele Leute an, die sich an der Macht befinden, ihre mittlere Schicht umfaßt die nationale Bourgeoisie und das Kleinbürgertum, ihre Unterschicht schließt das gesamte Proletariat ein, so daß alle Bevölkerungsschichten zu Bundesgenossen geworden sind, die sich entschlossen dem japanischen Imperialismus widersetzen. Die erste Phase dieser Periode dauerte bis zum Fall von Wuhan. In dieser Zeit herrschte im ganzen Land auf allen (Gebieten eine gehobene Stimmung; auf dem Gebiet der Politik gab es eine Tendenz zur Demokratisierung, auf dem der Kultur erfolgte eine verhältnismäßig breite Mobilisierung der Kräfte. Nach dem Fall von Wuhan begann die zweite Phase, in der die politische Lage viele Veränderungen erfuhr; ein Teil der Großbourgeoisie kapitulierte vor dem Feind, und ein anderer Teil trug sich ebenfalls mit dem Gedanken, den Widerstandskrieg bald zu beenden. Auf dem Gebiet der Kultur spiegelte sich diese Situation in der reaktionären Tätigkeit von Yä Tjing[l], Dschang Djün-mai und anderen sowie im Fehlen der Rede und Pressefreiheit wider.

Um diese Krise zu überwinden, muß man einen entschlossenen Kampf gegen alle jene Ansichten führen, die gegen den Widerstandskrieg, gegen den Zusammenschluß und gegen den Fortschritt gerichtet sind; falls diese reaktionären Ansichten nicht zerschlagen werden, ist auf die siegreiche Beendigung des Widerstandskriegs nicht zu hoffen. Was sind die Perspektiven dieses Kampfes? Das ist die große Frage, die das ganze Volk bewegt. Nach den inneren und internationalen Bedingungen zu urteilen, ist dem chinesischen Volk der Sieg gewiß, wieviel Schwierigkeiten auch immer auf dem Weg des Widerstandskriegs noch bevorstehen mögen. Nimmt man die ganze Geschichte Chinas, so übertrifft der in den zwanzig Jahren seit der Bewegung des 4. Mai erzielte Fortschritt nicht nur den der vorangegangenen achtzig Jahre, sondern geradezu alles, was es in den früheren Jahrtausenden an Fortschritt gegeben hat. Kann man sich nicht vorstellen, welche Fortschritte China in weiteren zwanzig Jahren machen wird? Das Wüten all der finsteren Kräfte des In- und Auslands hat unserer Nation großes Unglück gebracht; dieses Wüten zeugt aber nicht nur davon, daß jene finsteren Kräfte noch stark sind, sondern auch davon, daß sie einen letzten Verzweiflungskampf führen, daß sich die Volksmassen allmählich dem Sieg nähern. Das gilt für China, und das gilt auch für den gesamten Osten und für die ganze Welt.

XIV. ABWEICHUNGEN IN DER FRAGE DES WESENS DER KULTUR

Alles Neue wird im Feuer harter Kämpfe geschmiedet. Das trifft auch auf die neue Kultur zu, die auf ihrem Zickzackweg, den sie in den zwanzig Jahren gegangen ist, drei Wendungen mitmachte, wobei alles Gute und alles Schlechte erprobt wurde.

Die Ultrakonservativen der Bourgeoisie sind in Fragen der Kultur ebenso völlig im Unrecht wie in Fragen der politischen Macht. Sie verstehen nicht die historischen Besonderheiten der neuen Periode in China, erkennen die neudemokratische Kultur der breiten Volksmassen nicht an. Ihr Ausgangspunkt ist das despotische Regime der Bourgeoisie, das auf dem Gebiet der Kultur einen bürgerlichen Kulturdespotismus darstellt. Ein Teil der zur sogenannten europäisch-amerikanischen Fraktion gehörenden Kulturschaffendenl9 (ich spreche nur über einen Teil von ihnen), die seinerzeit die Feldzüge der Kuomintang-Regierung zur "Kommunistenausrottung" auf kulturellem Gebiet praktisch unterstützt haben, scheint jetzt wiederum derartige politische Maßnahmen wie "Einschränkung der Kommunistischen Partei" und "Zersetzung der Kommunistischen Partei" zu unterstützen. Diese Leute wünschen nicht, daß die Arbeiter und Bauern in der Politik ihr Haupt erheben, und ebensowenig wünschen sie, daß die Arbeiter und Bauern im Bereich der Kultur ihre Stimme vernehmen lassen. Dieser Weg des Kulturdespotismus, den die Ultrakonservativen der Bourgeoisie eingeschlagen haben, führt nicht weiter, da für ihn, ebenso wie für den Despotismus der politischen Macht, die inneren und internationalen Voraussetzungen fehlen. Daher sollte auch der Kulturdespotismus besser "zurückgezogen" werden.

Was die Richtlinie für unsere Nationalkultur betrifft, so nehmen darin die Ideen des Kommunismus den führenden Platz ein, und wir müssen uns bemühen, in der Arbeiterklasse den Sozialismus und Kommunismus zu propagieren sowie darüber hinaus die Bauernschaft und die übrigen Volksmassen in entsprechender Weise Schritt für Schritt im Geiste des Sozialismus zu erziehen. Nichtsdestoweniger ist unsere Nationalkultur als Ganzes derzeit noch nicht sozialistisch.

Weil die Politik, die Wirtschaft und die Kultur der Neuen Demokratie sämtlich unter der Führung des Proletariats stehen, weisen sie sozialistische Elemente auf, und zwar nicht irgendwelche Elemente, sondern solche, die eine entscheidende Rolle spielen. Jedoch sind jeweils die Politik, die Wirtschaft und die Kultur in ihrer Gesamtheit noch nicht sozialistisch, sondern neudemokratisch. Da die grundlegende Aufgabe der Revolution in ihrem gegenwärtigen Stadium hauptsächlich im Kampf gegen den ausländischen Imperialismus und den einheimischen Feudalismus besteht, ist sie eine bürgerlich-demokratische Revolution und noch keine auf den Sturz des Kapitalismus abzielende sozialistische Revolution. Was die Sphäre der Nationalkultur anbelangt, so wäre es unrichtig anzunehmen, daß sie gegenwärtig in ihrer Gesamtheit sozialistisch sei oder sein müsse. Das hieße die Propagierung der kommunistischen Ideologie mit der praktischen Durchführung des gegenwärtigen Aktionsprogramms verwechseln, hieße das Festhalten am Standpunkt des Kommunismus und die Anwendung kommunistischer Methoden bei der Untersuchung von Problemen, bei der Betreibung wissenschaftlicher Forschung, bei der Verrichtung verschiedener Arbeit und bei der Schulung von Kadern mit der allgemeinen Richtlinie für die nationale Volksbildung und Kultur im Stadium der chinesischen demokratischen Revolution verwechseln. Eine Nationalkultur mit sozialistischem Inhalt muß eine sozialistische Politik und Wirtschaft widerspiegeln. In unserer Politik und Wirtschaft gibt es sozialistische Elemente, und diese spiegeln sich auch in den sozialistischen Elementen unserer Nationalkultur wider; dennoch hat sich bei uns, wenn man die Gesellschaft als Ganzes nimmt, noch keine völlig sozialistische Politik und Wirtschaft herausgebildet, so daß es noch keine völlig sozialistische Nationalkultur geben kann. Da die gegenwärtige chinesische Revolution ein Bestandteil der proletarisch-sozialistischen Weltrevolution ist, ist auch die gegenwärtige neue Kultur Chinas ein Bestandteil der neuen, sozialistischen Kultur des Weltproletariats, ist sie deren großer Bundesgenosse; dieser Bestandteil enthält wohl sehr bedeutende Elemente der sozialistischen Kultur, ist aber, wenn man eben die Nationalkultur als Ganzes nimmt, noch nicht als eine völlig sozialistische Kultur, sondern als eine antiimperialistische und antifeudale neudemokratische Kultur der breiten Volksmassen Teilhaber der sozialistischen Kultur des Weltproletariats. Da die gegenwärtige chinesische Revolution ohne die Führung durch das chinesische Proletariat undenkbar ist, muß auch die gegenwärtige neue Kultur Chinas unter der Führung der Kultur und Ideologie des chinesischen Proletariats stehen, d. h. sich von den Ideen des Kommunismus leiten lassen. Diese Führung bedeutet jedoch im gegenwärtigen Stadium, daß die breiten Volksmassen zur politischen und kulturellen Revolution gegen Imperialismus und Feudalismus geführt werden; somit ist zur Zeit im ganzen genommen der Inhalt der neuen Nationalkultur noch kein sozialistischer, sondern ein neudemokratischer.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß man jetzt die Propaganda der kommunistischen Ideen ausdehnen und das Studium des MarxismusLeninismus intensivieren muß; andernfalls wird man nicht nur außerstande sein, die chinesische Revolution in das künftige sozialistische Stadium überzuleiten, sondern auch die gegenwärtige demokratische Revolution nicht zum siegreichen Ende führen können. Wir müssen jedoch einen Unterschied machen zwischen der Propaganda der kommunistischen Ideologie und Gesellschaftsordnung einerseits und der praktischen Durchführung des neudemokratischen Aktionsprogramms andererseits; desgleichen müssen wir unterscheiden zwischen der Anwendung der kommunistischen Theorie und Methode bei der Untersuchung von Problemen, bei der Betreibung wissenschaftlicher Forschung, bei der Verrichtung verschiedener Arbeit und bei der Schulung von Kadern einerseits und der neudemokratischen Richtlinie für die Nationalkultur als Ganzes andererseits. Die beiden Seiten in einen Topf zu werfen wäre zweifellos höchst unangebracht.

Man sieht also, daß der Inhalt der neuen Nationalkultur Chinas im gegenwärtigen Stadium weder der bürgerliche Kulturdespotismus noch der reine proletarische Sozialismus ist, sondern vielmehr die antiimperialistische und antifeudale Neue Demokratie der breiten Volksmassen, geleitet von der proletarisch-sozialistischen Kultur und Ideologie.

XV. EINE NATIONALE, WISSENSCHAFTLICHE UND MASSENKULTUR

Die neudemokratische Kultur ist national. Sie ist gegen imperialistische Unterdrückung gerichtet und verficht die Würde und Unabhängigkeit der chinesischen Nation. Sie gehört unserer Nation und trägt unsere nationalen Züge. Sie verbindet sich mit allen sozialistischen und neudemokratischen Kulturen anderer Nationen, stellt zu ihnen Beziehungen der gegenseitigen Bereicherung und Befruchtung her, bildet gemeinsam mit ihnen eine neue Weltkultur; doch kann sie sich nie und nimmer mit der reaktionären imperialistischen Kultur welcher Nation auch immer verbinden, denn unsere Kultur ist eine revolutionäre nationale Kultur. China muß sehr viel von der fortschrittlichen Kultur des Auslands in sich aufnehmen als Rohmaterial für seine eigene kulturelle Nahrung; diesbezüglich ist noch sehr wenig getan worden. Das gilt nicht nur für die gegenwärtigen sozialistischen und neudemokratischen Kulturen; wir müssen auch von den ausländischen Kulturen früherer Epochen, zum Beispiel von der Kultur verschiedener kapitalistischer Länder im Zeitalter der Aufklärung, alles das in uns aufnehmen, was uns heute nützen kann. Alles Ausländische muß jedoch so behandelt werden wie unsere Speise, die im Mund zerkaut, im Magen und Darm verarbeitet, mit Speichel und Sekreten des Verdauungsapparats durchsetzt, in verwertbare und wertlose Bestandteile zerlegt wird, worauf die Schlacken ausgeschieden und die Nährstoffe absorbiert werden, so daß unser Körper Nutzen von der Speise hat; das Ausländische darf keineswegs mit Haut und Haaren roh verschlungen, kritiklos einverleibt werden. Eine "pauschale Verwestlichung"20 zu befürworten ist falsch. Die formalistische Absorption ausländischer Dinge kam China in der Vergangenheit teuer zu stehen. Ebenso müssen auch die chinesischen Kommunisten bei der Anwendung des Marxismus auf die chinesischen Verhältnisse die allgemeingültige Wahrheit des Marxismus mit der konkreten Praxis der chinesischen Revolution in vollem Ausmaß und in angemessener Weise vereinigen, d. h. mit den nationalen Besonderheiten Chinas integrieren, und nur dann wird der Marxismus - durch eine bestimmte nationale Form - brauchbar sein; auf keinen Fall darf er subjektivistisch und schematisch angewendet werden. Die Schematiker unter den Marxisten treiben nur Scherz mit dem Marxismus und der chinesischen Revolution; für sie gibt es keinen Platz in den Reihen der chinesischen Revolutionäre. Die chinesische Kultur muß ihre eigene Form, d. h. die nationale Form, haben. National in der Form und neudemokratisch dem Inhalt nach - das ist unsere neue Kultur von heute.

Die neudemokratische Kultur ist wissenschaftlich. Sie richtet sich gegen alle feudalen und abergläubischen Anschauungen, will die Wahrheit in den Tatsachen suchen, tritt für die objektive Wahrheit, für die Einheit von Theorie und Praxis ein. Hierauf bezüglich ist die Schaffung einer Einheitsfront gegen Imperialismus, Feudalismus und Aberglauben zwischen dem wissenschaftlichen Denken des chinesischen Proletariats und jenen bürgerlichen Materialisten und Naturwissenschaftlern Chinas, die noch fortschrittlich gesinnt sind, möglich; niemals aber kann eine Einheitsfront mit irgendwelchem reaktionären Idealismus hergestellt werden. In ihrer politischen Tätigkeit können die Kommunisten eine antiimperialistische und antifeudale Einheitsfront mit gewissen Idealisten, ja sogar mit religiös Gläubigen bilden, doch können sie sich keinesfalls mit deren idealistischen Auffassungen, beziehungsweise religiösen Dogmen einverstanden erklären. In der langen Periode des Bestehens der Feudalgesellschaft in China wurde die glänzende Kultur der alten Zeit geschaffen. Es ist eine unerläßliche Bedingung für die Entwicklung der neuen nationalen Kultur und für die Hebung des nationalen Selbstvertrauens, daß wir den Entwicklungsprozeß der klassischen Kultur sichten, ihre feudalen Schlacken wegräumen und die in ihr enthaltenen demokratischen Werte assimilieren; unter keinen Umständen darf man aber alles in Bausch und Bogen kritiklos übernehmen. Man muß einen Unterschied machen zwischen all dem faulen Zeug aus alter Zeit, das von der herrschenden Feudalherrenklasse hinterlassen wurde, und der herrlichen alten Volkskultur, das heißt dem, was mehr oder weniger demokratischen und revolutionären Charakter trägt. Die neue Politik und neue Wirtschaft des heutigen China haben sich aus der alten Politik und Wirtschaft der früheren Zeiten entwickelt, und ebenso ist die gegenwärtige neue Kultur aus der alten klassischen Kultur hervorgegangen; wir müssen daher unsere Geschichte in Ehren halten, dürfen keineswegs das historische Band durchschneiden. Die Achtung für die Geschichte bedeutet jedoch, ihr einen bestimmten wissenschaftlichen Platz einzuräumen, die dialektische Entwicklung der Geschichte zu achten, nicht aber die Vergangenheit zu preisen, die Gegenwart zu schmähen und jedes beliebige feudale Gift zu loben. Was die Volksmassen und die studierende Jugend betrifft, ist die Hauptsache, daß sie angeleitet werden, vorwärts zu blicken und nicht rückwärts.

Die neudemokratische Kultur gehört den breiten Massen und ist daher demokratisch. Sie muß den werktätigen Massen der Arbeiter und Bauern dienen, die mehr als neunzig Prozent der Nation ausmachen, und allmählich zu ihrer eigenen Kultur werden. Zwischen den Kenntnissen, die man den revolutionären Kadern und den breiten revolutionären Massen übermittelt, muß sowohl ein gradueller Unterschied bestehen als auch eine Verbindung vorhanden sein; man muß zwischen Niveauhebung und Popularisierung differenzieren, aber auch beides verknüpfen. Die revolutionäre Kultur ist für die breiten Volksmassen eine machtvolle Waffe der Revolution. Vor der Revolution ist sie eine ideologische Vorbereitung für die Revolution; während der Revolution ist sie ein notwendiger und wichtiger Frontabschnitt innerhalb der allgemeinen revolutionären Front. Und jene, die revolutionäre Kulturarbeit leisten, nehmen auf verschiedener Ebene die Kommandoposten an dieser Kulturfront ein. "Ohne revolutionäre Theorie kann es auch keine revolutionäre Bewegung geben"21; man sieht, welche Bedeutung die revolutionäre Kulturbewegung für die praktische revolutionäre Bewegung hat. Sowohl diese Kulturbewegung wie diese praktische Bewegung sind von den Massen getragen. Daher müssen alle fortschrittlichen Kulturschaffenden im Widerstandskrieg gegen Japan ihre eigenen Kulturtruppen besitzen, und diese sind eben die breiten Massen des Volkes. Revolutionäre Kulturschaffende, die keine Fühlung mit den Volksmassen haben, gleichen "Kommandeuren ohne Armee", und ihre Feuerkraft ist nicht imstande, den Feind niederzuwerfen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Schriftzeichen unter bestimmten Bedingungen reformiert, muß die Sprache den Volksmassen nähergebracht werden; man muß begreifen, daß die Volksmassen der unerschöpfliche Springquell der revolutionären Kultur sind.

Eine nationale, wissenschaftliche und Massenkultur - das ist die antiimperialistische und antifeudale Kultur der breiten Volksmassen, das ist die Kultur der Neuen Demokratie, das ist die neue Kultur der chinesischen Nation.

Die neudemokratische Politik, die neudemokratische Wirtschaft und die neudemokratische Kultur ergeben zusammengenommen die Republik der Neuen Demokratie, sie sind sowohl dem Namen nach wie in der Tat die Republik China, sind jenes neue China, das wir errichten wollen.

Das Neue China ist in Sicht, laßt es uns willkommen heißen 1 Die Mastspitzen des Schiffes zeigen sich schon am Horizont. Klatschen wir dem Neuen China - Beifall! Begrüßen wir das Schiff!

Streckt beide Hände aus, das Neue China ist unser!

ANMERKUNGEN

1) Die Zeitschrift Dschungguo Zenbua wurde im Januar 1940 in Yenan gegründet. Der vorliegende Artikel erschien zuerst in ihrer ersten Nummer.

2) Siehe W. I. Lenin, "Noch einmal über die Gewerkschaften, die gegenwärtige Lage und die Fehler Trotzkis und Bucharins".

3) Karl Marx, "Zur Kritik der politischen Ökonomie", Vorwort.

4) Siehe Karl Marx, "Thesen über Feuerbach", These 11.

5) J. W. Stalin, "Der Oktoberumsturz und die nationale Frage".

6) Siehe W. I. Lenin, "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus".

7) Nach dem Verrat Tschiang Kai-scheks an der Revolution unternahm die Kuomintang-Regierung eine Reihe antisowjetischer Aktionen: Am 13. Dezember 1927 wurde der sowjetische Vizekonsul in Kanton von Kuomintang-Leuten erschossen; am darauffolgenden Tag erließ die Nankinger Kuomintang-Regierung eine Verfügung über den "Abbruch der Beziehungen mit Rußland", entzog den sowjetischen Konsuln in den Provinzen die Anerkennung und befahl den Handelsunternehmungen der Sowjetunion in den Provinzen, ihre Tätigkeit einzustellen. Im August 1929 organisierte Tschiang Kai-schek, von den Imperialisten angestiftet, Provokationen gegen die Sowjetunion in Nordostchina, die zu militärischen Zusammenstößen führten.

8) Kemal war ein Repräsentant der türkischen Handelsbourgeoisie nach dem ersten Weltkrieg. Zu jener Zeit veranlaßten die britischen Imperialisten ihren Vasallen Griechenland, eine bewaffnete Aggression gegen die Türkei zu unternehmen, Das türkische Volk besiegte im Jahre 1922 mit sowjetischer Hilfe die griechischen Truppen. Im Jahre 1923 wurde Kemal zum Präsidenten der Türkei gewählt. Stalin sagte:

Die kemalistische Revolution ist die Revolution einer Oberschicht, die Revolution der nationalen Handelsbourgeoisie, zu der es im Verlauf des Kampfes gegen die fremdländischen Imperialisten kam und die sich in ihrer weiteren Entwicklung im Grunde genommen gegen die Bauern und Arbeiter, ja gegen die Möglichkeiten einer Agrarrevolution richtet.

Vgl. J. W. Stalin, "Eine Besprechung mit Studenten der Sun-Yat-sen-Universität".

9) Genosse Mao Tse-tung verweist hier auf Dschang Djün-mai und dessen Clique. Nach der Bewegung des 4. Mai trat Dschang Djün-mai öffentlich gegen die Wissenschaft auf und predigte eine metaphysische Lehre, die er "spirituelle Kultur" nannte. Er erhielt deswegen den Spitznamen "Metaphysik-Gaukler". Auf Anregung Tschiang Kai-scheks veröffentlichte er im Dezember 1938 einen "Offenen Brief an Herrn Mao Tse-tung", in dem er eine unverschämte Propaganda für die Auflösung der Achten Route-Armee und der Neuen Vierten Armee sowie des Grenzgebiets Schensi-Kansu-Ningsia betrieb, um den japanischen Aggressoren und Tschiang Kai-schek als Helfershelfer zu dienen.

10) Aus einer Deklaration über die Herstellung der Zusammenarbeit zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei, die das ZK der KPCh im September 1937 veröffentlichte.

11) Siehe Sun Yat-sea, "Vorlesungen über das Prinzip des Volkswohls", 1924, zweite Vorlesung.

12) Tschen Li-fu, eins der Oberhäupter des Geheimdienstes der Tschiangkaischek-Clique, hatte einige reaktionäre Strolche angeworben, die ein von Unsinnigkeiten strotzendes Machwerk fabrizierten, das mit Vitalismus betitelt war. Dieses Geschreibsel, das unter dem berüchtigten Namen des Tschen Li-fu erschien, machte Reklame für den Faschismus der Kuomintang.

13) Diese Losung wurde schamlos von dem Militärmachthaber Yän Hsi-schan propagiert, einem Vertreter der großen Grundherren und Kompradoren der Provinz Schansi.

14) Waag Djing-we schrieb, nachdem er 1927 die Revolution verraten hatte, einen Artikel unter der Überschrift "Kampf gegen die Angriffe von beiden Seiten".

15) Stalin hielt am 30. März 1925 in der jugoslawischen Kommission des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale die Rede "Zur nationalen Frage in Jugoslawien"; er sagte:

. . . daß die Bauernschaft die Hauptarmee der nationalen Bewegung abgibt, daß es ohne Bauernarmee keine machtvolle nationale Bewegung gibt noch geben kann. Die nationale Frage dem Wesen der Sache nach eine Bauernfrage ist.

l6) Als Genosse Mao Tse-tung Nachdruck auf die revolutionären Stützpunktgebiete in den Gegenden legte, verhöhnten dies die Dogmatiker in der Kommunistischen Führung eine "Theorie des In-die-Berge-Gehens". Genosse Mao Tse-tung benutzt hier den spöttischen Ausdruck der Dogmatiker, um die gewaltige Rolle der revolutionären Stützpunktgebiete auf dem Lande darzutun.

17) Mit dem modernen Schulsystem ist das Unterrichtssystem nach dem Muster der kapitalistischen Länder Europas und Amerikas gemeint. Das System der kaiserlichen Examen ist jenes feudale Prüfungssystem, das von alters her in China bestanden hatte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts forderten die aufgeklärten chinesischen Intellektuellen die Abschaffung des Systems der kaiserlichen Examen und die Einführung des modernen Schulsystems.

18) Die patriotische Bewegung des 4. Mai 1919 trat Anfang Juni in ein neues Stadium ein. Dieses begann am 3. Juni, als die Pekinger Studenten den Unterdrückungsmaßnahmen des Militärs und der Polizei trotzten, Kundgebungen veranstalteten und öffentliche Reden hielten. Die Studenten traten in den Streik, und die Studentenstreiks entwickelten sich zu Streikaktionen der Arbeiter und Kaufleute in Schanghai, Nanking, Tientsin, Hangdschou, Wuhan, Djiudjiang sowie an verschiedenen Orten der Provinzen Schantung und Anhui. So verwandelte sich die Bewegung des 4. Mai in eine breite Massenbewegung, an der das Proletariat, das städtische Kleinbürgertum und die nationale Bourgeoisie teilnahmen.

19) Mit den "zur europäisch-amerikanischen Fraktion gehörenden Kulturschaffenden" sind jene Leute gemeint, deren Vertreter Hu Schi und andere waren.

20) Die ..pauschale Verwestlichung" wurde von einem Teil der bürgerlichen Fachgelehrten befürwortet. Sie priesen vorbehaltlos die längst überlebte westliche bürgerliche Kultur, deren Kernstück der Individualismus ist, und forderten, daß China alles, was es in den kapitalistischen Ländern Europas und Amerikas gibt, restlos nachahme. Sie nannten das "pauschale Übernahme alles aus dem Westen Kommenden".

21) W. I. Lenin, Was tun!, Kapitel I, Abschnitt 4.

ANMERKUNGEN DES ÜBERSETZERS

[1] Yä Tjing - Renegat der Kommunistischen Partei, Trotzkist; nach seinem Verrat ein Soldschreiber beim Geheimdienst der Kuomintang.