(Oktober 1933)
Diese Version aus: Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band I, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1968, S.157-160)
1. GRUNDHERREN
|157|
Als Grundherren bezeichnet man jene, die Grund und Boden besitzen, selbst
nicht arbeiten oder nur Nebenarbeiten verrichten und von der Ausbeutung
der Bauern leben. Die Eintreibung des Pachtzinses ist die Hauptform der
Ausbeutung durch die Grundherren, die daneben auch Leihgeschäfte betreiben,
Landarbeiter anstellen oder Industrie- bzw. Handelsunternehmen besitzen
können. Die Hauptform der grundherrlichen Ausbeutung ist jedoch die
Ausbeutung der Bauern durch die Eintreibung des Pachtzinses. Die Verwaltung
der Ländereien der öffentlichen Hand und die Pachteinnahmen von
Grund und Boden der Schulen [1] sind ebenfalls Formen der Ausbeutung
durch Eintreibung des Pachtzinses.
Grundherren, die, obwohl ruiniert, dennoch nicht arbeiten, sondern von
Gaunereien und Erpressungen oder von der Unterstützung durch Verwandte
und Freunde leben, wobei ihre Lebensbedingungen besser sind als die der
einfachen Mittelbauern, gelten nichtsdestoweniger als Grundherren.
Die Militärmachthaber, Bürokraten, Tuhao und Liäschen
sind die politischen Repräsentanten der Grundherrenklasse, sind die
grausamsten unter den Grundherren. Weniger einflußreiche Tuhao und
Liäschen trifft man häufig auch unter den Großbauern an.
|158| Personen, die den Grundherren bei der Eintreibung des Pachtzinses und
bei der Führung der Wirtschaft helfen, deren Hauptexistenzquelle die
Ausbeutung der Bauern durch den Grundherrn ist und deren Lebensbedingungen
besser sind als die der einfachen Mittelbauern, sind den Grundherren gleichzustellen.
Personen, deren Hauptexistenzquelle die Ausbeutung durch Wucher ist
und deren Lebensbedingungen besser sind als die der einfachen Mittelbauern,
werden Wucherer genannt; sie sind den Grundherren gleichzustellen.
2. GROSSBAUERN
Die Großbauern besitzen in der Regel Grund und Boden, manchen von ihnen gehört jedoch nur ein Teil des von ihnen bearbeiteten Bodens, während sie den anderen Teil hinzugepachtet haben; andere besitzen überhaupt kein eigenes Land und haben den ganzen von ihnen bearbeiteten Boden in Pacht. Die Großbauern besitzen in der Regel relativ mehr und bessere Produktionsinstrumente und mehr Umlaufskapital, arbeiten selbst mit, jedoch die Quelle des Großteils oder eines Teils ihrer Einnahmen ist stets die Ausbeutung. Die Hauptform der Ausbeutung durch die Großbauern ist die Ausbeutung von Lohnarbeitern (Knechten). Gleichzeitig können die Großbauern auch einen Teil ihres Landes verpachten und dafür Pachtzins erhalten oder sich mit Leihgeschäften befassen oder Industrie- bzw. Handelsunternehmen besitzen. Die meisten Großbauern verwalten auch Ländereien der öffentlichen Hand. Als Großbauer muß auch betrachtet werden, wer, im Besitz einer ziemlich großen Fläche fruchtbaren Landes, zwar seinen Boden selbst bearbeitet und keine Lohnarbeiter beschäftigt, aber durch Eintreibung von Pachtzins, durch Wucher oder auf andere Weise die Bauern ausbeutet. Die großbäuerliche Ausbeutung trägt ständigen Charakter, und die Einnahmen daraus bilden bei vielen Großbauern den Hauptteil ihres Gesamteinkommens:
3. MITTELBAUERN
Viele Mittelbauern besitzen eigenes Land. Manche Mittelbauern besitzen
nur einen Teil des von ihnen bearbeiteten Bodens, während
|159|
sie den
anderen Teil gepachtet haben; manche haben überhaupt kein eigenes
Land und haben den ganzen von ihnen bearbeiteten Boden in Pacht. Die Mittelbauern
besitzen in gewissem Umfang eigene Ackergeräte. Die Existenzquelle
der Mittelbauern ist ausschließlich oder hauptsächlich ihre
persönliche Arbeit. Die Mittelbauern Beuten in der Regel keine fremde
Arbeitskraft aus; viele von ihnen werden selber ausgebeutet, indem sie
kleinere Beträge als Pachtzins oder Darlehenszinsen zahlen. Die Mittelbauern
verkaufen jedoch in der Regel nicht ihre Arbeitskraft. Ein gewisser Teil
der Mittelbauern (die wohlhabenden Mittelbauern) Beuten in geringem Ausmaße
fremde Arbeitskraft aus, aber diese Ausbeutung trägt keinen ständigen
Charakter und bildet nicht die Hauptquelle ihrer Einnahmen.
4. ARME BAUERN
Manche arme Bauern sind Eigentümer eines Teils des von ihnen bearbeiteten
Bodens, aber sie haben nicht genügend Ackergeräte; andere besitzen
überhaupt kein Land, sondern nur wenige Ackergeräte. Die armen
Bauern sind in der Regel gezwungen, Boden zu pachten, und sie werden ausgebeutet,
da sie Pachtzins und Darlehenszinsen zahlen und ihre Arbeitskraft zu einem
kleinen Teil verkaufen müssen.
Während die Mittelbauern in der Regel ihre Arbeitskraft nicht zu
verkaufen brauchen, sind die armen Bauern in der Regel gezwungen, ihre
Arbeitskraft zu einem kleinen Teil zu verkaufen - das ist das Hauptkriterium,
durch das der Unterschied zwischen den Mittelbauern und den armen Bauern
bestimmt wird.
5. ARBEITER
Die Arbeiter (einschließlich der Landarbeiter) haben in der Regel
weder Land noch Ackergeräte; nur manche von ihnen besitzen winzige
Parzellen und einige Geräte. Die Arbeiter beziehen ihren Lebensunterhalt
ausschließlich oder hauptsächlich durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft.
ANMERKUNGEN
* Diese Arbeit wurde von Genossen Mao Tse-tung im Oktober 1933 geschrieben, um Abweichungen, die bei der Durchführung der Bodenreform vorgekommen waren, zu korrigieren und zur richtigen Lösung der Bodenfrage beizutragen; sie wurde seinerzeit von der Zentralen Demokratischen Arbeiter- und Bauernregierung als ein Dokument angenommen, in welchem die Kriterien für die Bestimmung der Klassenzugehörigkeit im Dorfe festgelegt sind.
1) In den Dörfern Chinas gab es viel Grundbesitz der öffentlichen Hand. Das waren Ländereien, die politischen Körperschaften, wie beispielsweise den Verwaltungen der Distrikte oder der Gemeinden, gehörten; Ländereien der Sippen, wie beispielsweise solche, die zum Ahnentempel einer Sippe gehörten; Grundstücke der Religionsgemeinschaften, wie beispielsweise jene, die zu buddhistischen oder taoistischen Tempeln, katholischen Kirchen oder Moscheen gehörten; Böden, deren Erträge für die Bedürfnisse der sozialen Fürsorge oder der öffentlichen Wohlfahrt bestimmt waren, wie zum Beispiel solche, die der öffentlichen Vorratsbildung für Hilfeleistung im Falle einer Hungersnot dienten, oder solche, die dem Fonds für den Bau und die Instandsetzung von Straßen und Brücken gehörten; Grundstücke, deren Erträge für pädagogische Zwecke bestimmt waren, wie beispielsweise solche, die Schulen gehörten. Alle diese Ländereien lagen größtenteils in den Händen der Grundherren und Großbauern, und die Bauern hatten nur bei der Verwaltung eines kleinen Teils dieser Grundstücke ein Mitspracherecht.