Mao Werke


Mao Tse-tung:

TSCHIANG KAI-SCHEK PROVOZIERT DEN BÜRGERKRIEG*

 

* Ein Kommentar, den Genosse Mao Tse-tung für die Hsinhua-Nachrichtenagentur geschrieben hat.

 

(13. August 1945)

 

Ein Sprecher der Propagandaabteilung des Zentralexekutivkomitees der Kuomintang bezeichnete in einer Erklärung den Vom Oberkommandierenden der 18. Armee, Tschu Teh, am 10. August im Hauptquartier in Yenan erlassenen Befehl1, in dem eine Frist für die Kapitulation des Feindes und der Marionetten festgelegt wurde, als "anmaßendes und illegales Vorgehen". Diese Stellungnahme ist absurd bis zur Lächerlichkeit. Danach müßte man logischerweise zu folgendem Schluß kommen: Oberkommandierender Tschu Teh hat falsch gehandelt, als er gemäß der Potsdamer Deklaration und dem Kapitulationsangebot des Feindes den ihm unterstellten Truppen befahl, den Feind und die Marionetten zur Übergabe zu veranlassen; es wäre hingegen richtig und legal gewesen, hätte er dem Feind und den Marionetten geraten, die Übergabe zu verweigern. Kein Wunder, daß der Häuptling der chinesischen Faschisten, der Autokrat und Volksfeind Tschiang Kai-schek, es noch vor der tatsächlichen Kapitulation des Feindes gewagt hat, den antijapanischen Streitkräften in den befreiten Gebieten zu "befehlen", sie "haben bis auf weitere Anordnungen in ihren Stellungen zu verharren", sie sollten also mit gebundenen Händen dem Feind gestatten, über sie herzufallen. Kein Wunder, daß eben derselbe Faschistenhäuptling es gewagt hat, den sogenannten Untergrundstreitkräften (bei denen es sich in Wirklichkeit um Marionettentruppen handelt, die sich für die "Rettung des Vaterlands auf Umwegen"3 einsetzen, und um die Angehörigen des mit den Japanern und den Marionetten kollaborierenden Geheimdienstes Dai Li4) und den Marionettentruppen zu "befehlen", daß sie "die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der örtlichen öffentlichen Ordnung übernehmen", während er aber den antijapanischen Streitkräften in den befreiten Gebieten nicht gestattet, gegen den Feind und die Marionetten "eigenmächtig vorzugehen". Mit dieser Vertauschung von Feind und Landsleuten liefert Tschiang Kai-schek fürwahr ein Selbstbekenntnis, ein lebendiges Bild seines ganzen inneren Wesens, das von jeher auf Verschwörungen mit dem Feind und den Marionetten sowie auf Liquidierung der Andersgesinnten gerichtet ist. Doch die antijapanischen Volksstreitkräfte in den befreiten Gebieten Chinas werden keineswegs auf seine perfiden Pläne hereinfallen. Sie wissen: Der Befehl des Oberkommandierenden Tschu Teh ist gerade eine konsequente Durchführung des Paragraphen 2 der Potsdamer Deklaration, daß "der Krieg gegen Japan so lange fortzusetzen ist, bis dieses den Widerstand einstellt". Und die sogenannten Befehle Tschiang Kaischeks sind gerade ein Verstoß gegen die von ihm selbst unterzeichnete Potsdamer Deklaration. Man braucht nur diese beiden Tatsachen zu vergleichen und kann ersehen, wer nicht "getreulich die Bestimmungen der von den Alliierten Mächten gemeinsam gefaßten Beschlüsse einhält".

Sowohl die Stellungnahme des Sprechers der Propagandaabteilung des zentralexekutivkomitees der Kuomintang als auch die "Befehle" Tschiang Kai-scheks sind von Anfang bis Ende darauf angelegt, einen Bürgerkrieg zu provozieren; ihr Ziel besteht darin, in dem Augenblick, da die Aufmerksamkeit des In- und Auslands auf die bedingungslose Kapitulation Japans konzentriert ist, einen Vorwand zu suchen, um sobald nur der Widerstandskrieg beendet ist - sofort auf den Bürgerkrieg umzuschalten. In Wirklichkeit sind die Kuomintang-Reaktionäre jämmerliche Dummköpfe. Sie wollen den Befehl des Oberkommandierenden Tschu Teh über die Kapitulation und Entwaffnung der feindlichen und Marionettentruppen zum Verwand nehmen. Kann man das etwa einen schlauen Vorwand nennen? Nein. Wenn sie einen solchen Vorwand finden, beweist das nur, daß den Kuomintang-Reaktionären der Feind und die Marionetten näherstehen als die eigenen Landsleute, daß ihnen diese verhaßter sind als jene. Die Ereignisse von Tschunhua5 waren offenkundig ein Überfall der Truppen Hu Dsung-nans auf das Grenzgebiet Schensi-Kansu-Ningsia mit dem Ziel, einen Bürgerkrieg zu provozieren, und dennoch bezeichneten die Kuomintang-Reaktionäre sie als "Gerüchte-Offensive" der Kommunistischen Partei Chinas. Da der von den Kuomintang-Reaktionären nach langem Suchen in den Tschunhua-Ereignissen gefundene Vorwand von der öffentlichen Meinung im In- und Ausland sofort durchschaut worden ist, sagen sie nunmehr, die Achte Route-Armee und die Neue Vierte Armee sollten nicht fordern, daß die feindlichen und Marionettentruppen ihnen die Waffen aushändigen. In den acht Jahren des Widerstandskriegs hatten die Achte Route-Armee und die Neue Vierte Armee genug darunter zu leiden, daß sie zugleich von Tschiang Kai-schek und den Japanern angegriffen und eingekreist wurden, und jetzt, wo das Ende des Widerstandskriegs unmittelbar bevorsteht, gibt Tschiang Kai-schek den Japanern (und auch seinen geliebten Marionettentruppen) einen Wink, sie sollten nicht der Achten Route-Armee und der Neuen Vierten Armee die Waffen übergeben, sondern "nur mir, Tschiang Kai-schek". Dabei unterließ er es, die fehlenden Worte hinzuzufügen: " . . . damit ich diese Waffen dazu verwenden kann, die Kommunisten zu töten und den Frieden in China und in der Welt zu torpedieren." Etwa nicht? Was kann denn das Ergebnis sein, wenn man den Japanern sagt, sie sollten die Waffen Tschiang Kai-schek aushändigen, und den Marionettentruppen, sie müßten "die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der örtlichen öffentlichen Ordnung übernehmen"? Das Ergebnis kann doch nur sein, daß die Verschmelzung der Regimes von Nanking und Tschungkings sowie die Zusammenarbeit zwischen Tschiang Kai-schek und den Marionetten an die Steile der "chinesisch-japanischen Zusammenarbeit" sowie der Zusammenarbeit zwischen den Japanern und den Marionetten tritt und daß der "Antikommunismus und Aufbau des Landes" der Japaner und Wang Djing-wes durch den "Antikommunismus und Aufbau des Landes" Tschiang Kai-scheks ersetzt wird. Ist das denn keine Verletzung der Potsdamer Deklaration? Kann denn da noch Zweifel bestehen, daß an dem Tag, da der Widerstandskrieg zu Ende ist, das ganze Volk von der ernsten Gefahr eines Bürgerkriegs bedroht wäre? Wir rufen jetzt alle Landsleute und alle Alliierten Mächte auf, gemeinsam mit dem Volk der befreiten Gebiete vorzugehen, um diesen den Weltfrieden bedrohenden Bürgerkrieg in China zu verhindern.

Wer hat schließlich das Recht, die Kapitulation der Japaner und der Marionetten entgegenzunehmen? Einzig und allein auf die eigenen Anstrengungen und den Beistand des Volkes gestützt, haben die antijapanischen Streitkräfte der befreiten Gebiete Chinas, denen die Kuomintang-Regierung jegliche Lieferung verweigert und die sie nicht einmal anerkannt hat, selbständig weite Gebiete des Landes mit mehr als hundert Millionen Einwohnern befreit sowie 56 Prozent der in China eingefallenen feindlichen Armee und 95 Prozent der Marionettentruppen durch Abwehr- und Angriffsaktionen gefesselt. Hätte es nicht diese Streitkräfte gegeben, wo wäre dann China heute! Offen gesagt, auf dem Territorium Chinas haben nur die antijapanischen Streitkräfte der befreiten Gebiete das Recht, die Kapitulation der feindlichen und Marionettentruppen entgegenzunehmen. Was Tschiang Kai-schek betrifft, so bestand seine Politik darin, mit verschränkten Armen zuzuschauen und auf den Sieg zu warten; er hat in der Tat nicht das geringste Recht, die Kapitulation des Feindes und der Marionetten entgegenzunehmen.

Wir verkünden allen Landsleuten und den Völkern der ganzen Welt: Das Oberste Kommando in Tschungking kann das chinesische Volk und die wahren antijapanischen Streitkräfte Chinas nicht vertreten; das chinesische Volk fordert für die antijapanischen Streitkräfte der chinesischen befreiten Gebiete das Recht, unter dem Befehl des Oberkommandierenden Tschu Teh direkt ihre Vertreter zu entsenden, die sich an der Entgegennahme der Kapitulation und an der militärischen Kontrolle Japans durch die vier Alliierten Mächte beteiligen, sowie das Recht der Teilnahme an der künftigen Friedenskonferenz. Sollte dieser Forderung nicht Genüge getan werden, würde dies das chinesische Volk als überaus ungehörig betrachten.

ANMERKUNGEN

1. Am 20. August 1945 erließ Oberkommandierender Tschu Teh vom Hauptquartier in Yenan aus einen Befehl an alle Streitkräfte der befreiten Gebiete betreffend die Kapitulation der japanischen Eindringlinge. Der Befehl lautet:

Japan hat seine bedingungslose Kapitulation angeboten, und die alliierten Mächte werden zusammenkommen, um auf der Grundlage der Potsdamer Deklaration Maßnahmen für die Entgegennahme der Kapitulation zu erörtern. Ich erteile hiermit allen Streitkräften der befreiten Gebiete folgenden Befehl:

1) In Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Potsdamer Deklaration soll jede antijapanische Truppeneinheit der befreiten Gebiete den in ihrer Nachbarschaft in Städten und Marktflecken sowie an Hauptverkehrslinien befindlichen feindlichen Truppen und Kommandostellen die Aufforderung übermitteln, innerhalb einer bestimmten Frist alle ihre Waffen unseren Kampftruppen auszuhändigen; wenn sie das getan haben, werden unsere Truppen im Einklang mit unseren Bestimmungen über die gute Behandlung der Kriegsgefangenen ihr Leben gewährleisten.

2) Jede antijapanische Truppeneinheit der befreiten Gebiete soll allen in ihrer Nachbarschaft befindlichen Marionettentruppen und -behörden die Aufforderung übermitteln, mit ihren Einheiten noch vor der Unterzeichnung der Kapitulationsakte durch die japanischen Eindringlinge auf unsere Seite überzugehen und ihre Reorganisierung oder Auflösung abzuwarten; wer dies bis zum angegebenen Zeitpunkt nicht getan hat, muß sämtliche Waffen übergeben.

3) Alle antijapanischen Streitkräfte der befreiten Gebiete müssen jene feindlichen und Marionettentruppen, die sich weigern zu kapitulieren und die Waffen auszuhändigen, entschlossen vernichten.

4) Unsere Streitkräfte haben die Vollmacht, ihre Einheiten zu entsenden, damit sie die vom Feind und von den Marionetten okkupierten Städte, Marktflecken und Hauptverkehrslinien übernehmen und besetzt halten, eine Militärkontrolle errichten, die Ordnung aufrechterhalten und Kommissare ernennen, denen alle Verwaltungsangelegenheiten in den betreffenden Gebieten obliegen; wer Sabotage treibt oder Widerstand leistet, wird ausnahmslos als Landesverräter bestraft werden.

Hierauf erließ das Hauptquartier in Yenan am 11. August sechs aufeinanderfolgende Befehle. Ihnen zufolge hatten die Streitkräfte des befreiten Gebiets Schansi-Suiyüan unter Führung des Genossen Ho Lung, des befreiten Gebiets Schansi-Tschahar-Hopeh unter Befehl des Genossen Niä Jung-dschen und des befreiten Gebiets Hopeh-Jehot-Liaoning in die Innere Mongolei und nach dem Nordosten zu marschieren; die Streitkräfte des befreiten Gebiets Schansi sollten die Gegend längs der Eisenbahnlinie Datung-Pudschou und das Tal des Fen-Flusses von den japanischen und den Marionettentruppen säubern; sämtliche Streitkräfte der befreiten Gebiete waren angewiesen, an allen vom Feind kontrollierten Hauptverkehrslinien aktive Offensivaktionen zu unternehmen, um die japanischen und Marionettentruppen zur Übergabe zu zwingen. Die Einheiten der Befreiungsarmee aller befreiten Gebiete führten diese Befehle entschlossen aus und errangen bedeutende Siege.

2. Es handelt sich um die am 26. Juli 1945 auf der Potsdamer Konferenz von China, Großbritannien und den USA abgegebene Deklaration, in der Japan zur Kapitulation aufgefordert wurde. Die Hauptpunkte der Potsdamer Deklaration besagten: Der japanische Militarismus müsse ein für allemal restlos beseitigt werden; die Streitkräfte Japans seien völlig zu entwaffnen; die japanische Rüstungsindustrie müsse demontiert werden; die japanischen Kriegsverbrecher seien vor Gericht zu stellen; die Kairo-Deklaration müsse durchgeführt werden, d. h., Japan habe die geraubten Territorien wie Korea und die zu China gehörenden Gebiete - die Mandschurei, Taiwan, die Penghu-Inselgruppe - aufzugeben und sich auf die Inseln Hondo, Hokkaido, Kiuschu, Schikoku und verschiedene kleinere Inseln zu beschränken; die Streitkräfte der Alliierten Mächte sollten bis zur Errichtung einer demokratischen japanischen Regierung Japan besetzt halten. Die Sowjetunion unterzeichnete ebenfalls die Potsdamer Deklaration, nachdem sie am 6. August 1945 Japan den Krieg erklärt hatte.

3. Es handelt sich um die von den Kuomintang-Reaktionären während des Widerstandskriegs gegen Japan ausgeübte niederträchtige Praxis der Kapitulation vor Japan und des Kampfes gegen die Kommunistische Partei. Die Kuomintang-Reaktionäre wiesen einen Teil ihrer Truppen und ihrer Regierungsbeamten an, sich den japanischen Eindringlingen zu ergeben und dann, als Marionettentruppen und -beamte, gemeinsam mit den japanischen Truppen die befreiten Gebiete anzugreifen. Solche Praxis wurde arglistig für "Rettung des Vaterlands auf Umwegen" ausgegeben.

4. Gemeint ist hier der vom Direktor des Untersuchungs- und Statistischen Büros des Ministerrats der Kuomintang, Dai Li, geleitete Geheimdienst, der eine der riesigen Geheimdienstorganisationen der Kuomintang war.

5. Gemeint ist der von den Kuomintang-Truppen im Juli 1947 unternommene Überfall auf Tschunhua, Hsünyi und Yaohsiän im Bezirk Guandschung des Grenzgebiets Schensi-Kansu-Ningsia. Siehe "Die Lage nach dem Sieg im Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression und unser Kurs", Anmerkung 6, vorliegender Band, S. 21.

6. Das Marionettenregime der Verräterclique von Wang Djing-we befand sich in Nanking, das Regime Tschiang Kai-scheks zu jener Zeit in Tschungking. Die "Verschmelzung der Regimes von Nanking und Tschungking" war eine vom japanischen Imperialismus und von der projapanischen Gruppe in der Kunmintang ausgeheckte politische Intrige.

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