Mao Werke


Mao Tse-tung:

DIE MILLIONENMASSEN FÜR DIE ANTIJAPANISCHE NATIONALE EINHEITSFRONT GEWINNEN *

(Mai 1937)


aus: Mao Tse-Tung, Ausgewählte Werke Band I, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1968, S.335-347


|335| Genossen! Im Verlauf der Diskussionen in den letzten Tagen habt ihr meinen Bericht "Die Aufgaben der Kommunistischen Partei Chinas in der Periode des Widerstandskampfes gegen die japanische Aggression" gebilligt; nur einige Genossen brachten Einwände vor. Da sie ziemlich wichtig sind, werde ich in meinem Schlußwort zuerst auf diese Einwände eingehen, bevor ich andere Fragen behandle.


DIE FRAGE DES FRIEDENS 

Unsere Partei hat annähernd zwei Jahre für den inneren Frieden gekämpft. Nach dem 3. Plenum des Zentralexekutivkomitees der Kuomintang sagten wir, daß dieser Frieden errungen ist, daß der Zeitabschnitt des "Kampfes um den Frieden" vorüber war, daß die neue Aufgabe darin bestand, "den Frieden zu festigen". Dabei wiesen wir darauf hin, daß diese neue Aufgabe mit dem "Kampf um die Demokratie" verbunden ist, d. h. den Frieden durch den Kampf um die Demokratie zu festigen. Einige Genossen behaupten jedoch, daß diese unsere Meinung unhaltbar sei. Sie müssen entweder zu entgegengesetzten Schlußfolgerungen gelangt sein oder zwischen diesen und unseren Schlußfolgerungen schwanken. Denn sie sagen: "Japan zieht sich zurück [1], die Schwankungen Nankings werden stärker, die Widersprüche zwischen den beiden Nationen werden schwächer, während
|336| die Widersprüche innerhalb des Landes im Anwachsen begriffen sind." Geht man von einer solchen Einschätzung aus, dann kann selbstverständlich von einem neuen Zeitabschnitt und einer neuen Aufgabe nicht die Rede sein, dann kehrt die Situation des alten Zeitabschnitts zurück, oder die Situation wird noch schlimmer. Aber ich meine, daß eine solche Ansicht nicht richtig ist.

Wenn wir sagen, daß der Frieden errungen ist, bedeutet das keineswegs, daß der Frieden gefestigt ist; im Gegenteil, wir sagen, daß er labil ist. Die Herstellung des inneren Friedens und die Konsolidierung dieses Friedens sind zwei verschiedene Dinge. In der Geschichte ist eine zeitweilige Umkehr möglich, und die Sache des Friedens kann auch Rückschläge erleiden. Die Ursachen dafür liegen in der Existenz des japanischen Imperialismus und der Landesverräter, der projapanischen Gruppe. Jedoch ist nach den Sian-Ereignissen der innere Frieden eine Tatsache geworden. Diese Lage hat sich infolge verschiedener Umstände herausgebildet (Japans grundlegende Politik zum Angriff; das Eintreten der Sowjetunion sowie Großbritanniens, der USA und Frankreichs für den inneren Frieden in China; der Druck von Seiten des chinesischen Volkes; der Friedenskurs der Kommunistischen Partei während der Sian-Ereignisse und ihre auf die Einstellung der antagonistischen Gegenüberstellung der beiden politischen Mächte gerichtete Politik; die Differenzierung innerhalb der Bourgeoisie, die Differenzierung ,in den Reihen der Kuomintang usw.), und allein Tschiang Kai-schek ist außerstande, den inneren Frieden herzustellen oder ihn zu hintertreiben. Um den inneren Frieden zu hintertreiben, müßte er gegen viele Kräfte kämpfen und sich den japanischen Imperialisten und der projapanischen Gruppe nähern. Es besteht kein Zweifel darüber, daß die japanischen Imperialisten und die projapanische Gruppe immer noch versuchen, den Bürgerkrieg in China zu verlängern. Und wenn der Frieden bisher nicht konsolidiert ist, dann eben aus diesem Grund. Bei der gegebenen Sachlage lautet unsere Schlußfolgerung: nicht zurückkehren zu den alten Losungen "Stellt den Bürgerkrieg ein!" oder "Kämpft um den Frieden!", sondern noch einen Schritt vorwärts tun und die neue Losung "Kämpft um die Demokratie!" ausgeben. Denn das ist der einzige Weg, den inneren Frieden zu konsolidieren und den Widerstandskrieg gegen Japan zu führen. Warum geben wir die dreieinige Losung aus: "Festigt den Frieden", "Kämpft um die Demokratie!" und "Führt den Widerstandskrieg gegen Japan l"? Weil wir den Wagen der
|337| Revolution ein Stück vorantreiben wollen, weil die Lage uns bereits gestattet, einen neuen Schritt vorwärts zu tun. Wer die Tatsachen bestreitet, daß es einen neuen Zeitabschnitt und eine neue Aufgabe gibt, daß in der Kuomintang eine "Wendung begonnen" hat, und wer dann mit derselben Logik die Erfolge jener Kräfte bestreitet, die seit anderthalb Jahren den Kampf um den Frieden innerhalb des Landes führen, der wird auf der Stelle treten und nicht einen Schritt vorwärts tun.

Warum haben diese Genossen eine derart falsche Einschätzung? Weil sie bei der Beurteilung der gegenwärtigen Lage nicht davon ausgehen, was an ihr grundlegend ist, sondern von vielen Erscheinungen, die lokalen und zeitweiligen Charakter haben (die Diplomatie Satos, der Gerichtsprozeß in Sudschou [2], die Niederschlagung von Streiks, die Verlegung der Nordostarmee nach dem Osten [3], die Abreise Yang Hu-tschengs ins Ausland [4], usw.), und all das ergibt in ihren Augen ein so düsteres Bild. Wir sagen, daß in der Kuomintang eine Wendung begonnen haber gleichzeitig stellen wir fest, daß die Kuomintang keine volle Wendung vollzogen hat. Es ist doch nicht anzunehmen, daß die zehnjährige reaktionäre Politik der Kuomintang sich radikal ändern kann ohne neue, vermehrte und größere Anstrengungen unsererseits und von seiten des ganzen Volkes. Nicht wenige sich "Linke" nennende Leute, die auf die Kuomintang tüchtig zu schimpfen pflegten, die während der Sian-Ereignisse verlangten, daß Tschiang Kai-schek getötet wird, und sich für einen "Durchbruch durch den Paß von Tungguan" [5] aussprachen, fragen jetzt, wo gleich nach Herstellung des Friedens solche Ereignisse wie der Gerichtsprozeß in Sudschou eintreten, ganz erstaunt: "Warum geht dann Tschiang Kai-schek schon wieder so vor?" Diese Menschen sollten begreifen, daß die Kommunisten oder Tschiang Kai-schek weder Götter noch isolierte Einzelpersonen sind, sondern jeweils Angehörige einer Partei, einer Klasse. Die Kommunistische Partei vermag die Revolution Schritt für Schritt voranzutreiben, aber sie ist außerstande, alle Übel im Land über Nacht restlos zu liquidieren. Tschiang Kaischek und die Kuomintang haben begonnen, eine Wendung vorzunehmen, aber ohne noch bedeutendere Anstrengungen des ganzen Volkes werden sie sich gewiß nicht über Nacht völlig von dem ganzen Schmutz säubern können, der sich im Laufe von zehn Jahren angesammelt hat. Wenn wir sagen, daß das Land sich zum inneren Frieden, zur Demokratie und zum Widerstandskrieg hinbewegt, so bedeutet
|338| das jedoch keineswegs, daß man die alten 'Übel - den Bürgerkrieg, die Diktatur und den Nichtwiderstand - ohne Anstrengungen restlos beseitigen kann. Alte Übel, alter Schmutz, zeitweilige Rückschläge in der Entwicklung der Revolution und mögliche Umkehr - das alles kann nur durch Kampf und Anstrengungen, und zwar durch langwierigen Kampf und langwierige Anstrengungen überwunden werden.

Man sagt: "Sie sind darauf versessen, uns zu vernichten." Das ist richtig. Sie versuchen stets, uns zu vernichten. Ich erkenne die Richtigkeit dieser Einschätzung voll und ganz an. Nur ein Schlafender kann das unberücksichtigt lassen. Aber es geht darum, ob sich die Methoden, nach denen sie uns vernichten wollen, geändert haben. Ich denke, sie haben sich geändert. Von der Politik des Krieges und der Massaker sind sie zu einer Politik der Reformen und des Betrugs, von einer "harten" zu einer "weichen" Politik, von einer militärischen Taktik zu einer politischen Taktik übergegangen. Wie erklären sich diese Änderungen? Da die Bourgeoisie und die Kuomintang dem japanischen Imperialismus gegenüberstehen, sind sie gezwungen, zeitweilig einen Verbündeten im Proletariat zu suchen, genauso wie wir einen Verbündeten in der Bourgeoisie suchen. Von dieser Lage muß man bei der Einschätzung der gegebenen Frage ausgehen. Und wenn in der internationalen Arena die französische Regierung von der Feindschaft gegen er der Sowjetunion zu einem Bündnis mit ihr übergegangen ist, [6] tut sie das aus den gleichen Beweggründen. Auf dem Gebiet der Innenpolitik werden auch bei uns militärische Aufgaben von politischen Aufgaben abgelöst. Aber wir brauchen weder Intrigen noch Tricks. Unser Ziel besteht darin, uns mit allen Elementen der Bourgeoisie und der Kuomintang, die mit dem Widerstandskampf sympathisieren, zu vereinigen und auf diese Weise gemeinsam den japanischen Imperialismus zu besiegen.

DIE FRAGE DER DEMOKRATIE

Man sagt: "Es ist ein Fehler, das Schwergewicht auf die Demokratie zu legen. Man muß das Schwergewicht nur auf den Widerstand gegen die japanische Aggression legen, denn ohne unmittelbare Aktionen gegen die japanische Aggression kann es auch keine Bewe-
|339| gung für Demokratie geben; die Mehrheit fordert nicht die Demokratie, sondern nur den Widerstand gegen die japanische Aggression; es ist notwendig, die Bewegung des 9. Dezember zu wiederholen."

Gestattet mir zuerst einige Fragen aufzuwerfen. Kann man behaupten, die Mehrheit habe in dem zurückgelegten Zeitabschnitt (von der Bewegung des 9. Dezember 1935 bis zum 3. Plenum des Zentralexekutivkomitees der Kuomintang im Februar 1937) nur den Widerstand gegen die japanische Aggression und nicht den inneren Frieden gefordert? War es etwa ein Fehler, das Schwergewicht auf den inneren Frieden zu legen? Konnte es ohne unmittelbare Aktionen gegen die japanische Aggression keine Bewegung für den inneren Frieden geben? (Sowohl die Sian-Ereignisse als auch das 3. Plenum des Zentralexekutivkomitees der Kuomintang fielen bereits in die Zeit nach der Beendigung des Widerstandskampfs gegen die japanische Aggression in der Provinz Suiyüan; und auch heute gibt es nichts Gleiches wie den Widerstandskampf in Suiyüan oder wie die Bewegung des 9. Dezember.) Jedermann weiß, daß für den Widerstand gegen Japan der innere Frieden notwendig war, daß es ohne einen solchen Frieden keinen Widerstand gegen die japanische Aggression geben konnte und daß dieser Frieden die Voraussetzung für den Widerstand gegen die japanische Aggression darstellte. In dem vergangenen Zeitabschnitt (von der Bewegung des 9. Dezember bis zum 3. Plenum des Zentralexekutivkomitees der Kuomintang) drehten sich alle direkten oder indirekten Aktionen gegen die japanische Aggression um den Kampf für den inneren Frieden. Der innere Frieden war in dem vergangenen Zeitabschnitt das Hauptkettenglied, das Wesentlichste der antijapanischen Bewegung.

Auch in dem neuen Zeitabschnitt ist die Demokratie das Wesentlichste für den Widerstand gegen die japanische Aggression; und für die Demokratie eintreten heißt für den Widerstand gegen die japanische Aggression eintreten. Der Widerstand und die Demokratie bedingen sich gegenseitig genauso, wie sich der Widerstand und der innere Frieden oder die Demokratie und der innere Frieden einander bedingen. Die Demokratie ist die Gewähr für den Widerstand, während der Widerstand für die Entwicklung der Bewegung für die Demokratie günstige Bedingungen schaffen kann.

Wir hoffen, daß es in dem neuen Zeitabschnitt viele direkte und indirekte Kämpfe gegen die japanische Aggression geben wird, und es wird auch der Fall sein; das wird einen Anstoß zur Entfaltung des
|340| Widerstandskriegs gegen Japan geben und die Bewegung für die Demokratie stark fördern. Aber der Kern und das Wesen der uns von der Geschichte gestellten revolutionären Aufgabe ist der Kampf um die Demokratie. Ist es dann ein Fehler, das Schwergewicht immer wieder auf die Demokratie zu legen? Nein, ich glaube nicht.

"Japan zieht sich zurück, Großbritannien und Japan sind geneigt, ein Gleichgewicht herzustellen, die Schwankungen Nankings verstärken sich" - diese unbegründeten Befürchtungen sind durch mangelndes Verständnis für die Gesetze der historischen Entwicklung hervorgerufen. Denn käme es in Japan zu einer Revolution und zöge es sich deshalb tatsächlich aus China zurück, so würde das der chinesischen Revolution helfen und unseren Wünschen entsprechen. Das wäre der Beginn des Zerfalls der internationalen Aggressionsfront. Warum macht man sich darum Sorgen? Allerdings ist es noch nicht soweit. Die Diplomatie Satos ist auf die Vorbereitung eines großen Krieges gerichtet, und wir stehen vor einem solchen Krieg. Die Politik der Schwankungen Englands wird zu keinerlei Ergebnissen führen. Das ist durch das Auseinandergehen der Interessen Englands und Japans vorausbestimmt. Wenn Nanking lange schwankt, wird es zum Feind des ganzen Volkes, und seine eigenen Interessen erlauben auch nicht, daß es weiterhin schwankt. Eine solche Erscheinung wie ein zeitweiliger Rückzug vermag allgemeine historische Gesetzmäßigkeiten nicht aufzuheben. Ebendeshalb kann man nicht bestritten, daß es einen neuen Zeitabschnitt gibt, daß man die Aufgaben des Kampfes um die Demokratie stellen muß. Mehr noch, die Losung des Kampfes um die Demokratie ist in jedem Fall am Platz. Denn jedermann weiß, daß das chinesische Volk zu wenig, aber nicht zu viel Demokratie hat. Auch die Tatsachen zeigen: Die Feststellung, daß wir uns in einem neuen Zeitabschnitt befinden, und die Aufgabenstellung, um die Demokratie zu kämpfen, bringen uns dem bewaffneten Widerstand gegen die japanische Aggression einen Schritt näher. Die Zeit ist vorwärtsgeschritten, und wir wollen die Uhr nicht zurückstellen.

Man fragt: "Warum legt man das Schwergewicht auf die Nationalversammlung?" Ebendarum, weil die Nationalversammlung alle Seiten des Lebens wird beeinflussen können, weil sie die Brücke von der reaktionären Diktatur zur Demokratie darstellt, weil sie für die Landesverteidigung von Bedeutung ist, weil sie eine rechtmäßige Institution ist. Die Forderungen nach Rückeroberung von Osthopeh
|341| und Nordtschahar, nach Bekämpfung des Schmuggels, nach Bekämpfung der "wirtschaftlichen Zusammenarbeit" und andere Forderungen - wie sie von unseren Genossen gestellt wurden - sind völlig richtig; sie widersprechen nicht im geringsten dem Kampf um Demokratie und auch nicht der Nationalversammlung. Die einen und die anderen ergänzen sich gegenseitig, aber im Mittelpunkt stehen dennoch die Nationalversammlung und die Freiheit für das Volk.

Der tagtägliche Kampf gegen die japanische Aggression und für die Verbesserung der Lebensbedingungen des Volkes muß sich mit der Bewegung für die Demokratie verbinden. Das ist völlig richtig, und keiner kann das bestreiten. Im gegenwärtigen Zeitabschnitt sind Demokratie und Freiheit die zentralen und wesentlichen Dinge.

DIE FRAGE DER PERSPEKTIVEN DER REVOLUTION

Einige Genossen warfen die Frage nach den Perspektiven der Revolution auf, und ich kann darauf nur kurz antworten.

Wenn ein Werk aus zwei Teilen besteht, so kann man erst dann, wenn man den ersten Teil beendet hat, den zweiten Teil schreiben. Eine entschlossene Führung der demokratischen Revolution ist die Voraussetzung für den Sieg des Sozialismus. Wir kämpfen für den Sozialismus, und das unterscheidet uns von jedem Anhänger der revolutionären Drei Volksprinzipien. Die gegenwärtigen Anstrengungen müssen darauf gerichtet sein, das künftige große Ziel zu erreichen; dieses große Ziel aus dem Auge verlieren heißt aufhören, Kommunist zu sein. Und in den gegenwärtigen Anstrengungen nachlassen heißt ebenfalls aufhören, Kommunist zu sein.

Wir sind Verfechter der Theorie des Hinüberwachsens der Revolution [7], wir sind für das Hinüberwachsen der demokratischen in die sozialistische Revolution. Die demokratische Revolution wird unter der Losung der demokratischen Republik einige Entwicklungsetappen durchlaufen. Der Übergang von der Vormacht der Bourgeoisie zur Vormacht des Proletariats wird ein langwieriger Prozeß des Kampfes sein, eines Kampfes um die Hegemonie, dessen Ausgang von der Tätigkeit der Kommunistischen Partei zur Hebung des Bewußtseinsund Organisationsgrades des Proletariats sowie der Bauernschaft und des städtischen Kleinbürgertums abhängen wird.

|342| Ein fester Verbündeter des Proletariats ist die Bauernschaft und nach dieser das städtische Kleinbürgertum. Die Bourgeoisie hingegen ist unser Rivale im Kampf um die Hegemonie.

Um die Schwankungen und die Inkonsequenz der Bourgeoisie zu überwinden, müssen wir uns auf die Kräfte der Volksmassen stützen und eine richtige Politik betreiben; sonst wird die Bourgeoisie die Oberhand über das Proletariat gewinnen.

Wir wollen ein Hinüberwachsen ohne Blutvergießen und müssen danach streben; ob wir das erreichen werden, hängt jedoch von der Stärke der Volksmassen ab.

Wir sind Verfechter der Theorie des Hinüberwachsens der Revolution, wir sind keine Anhänger der trotzkistischen Theorie der "permanenten Revolution" [8]. Wir sind der Meinung, daß wir zum Sozialismus gelangen werden, nachdem alle notwendigen Entwicklungsstufen der demokratischen Republik durchlaufen sind. Wir sind gegen eine Nachtrabpolitik, aber auch gegen Abenteurertum und Fiebrigkeit.

Die Teilnahme der Bourgeoisie an der Revolution wegen ihres zeitweiligen Charakters abzulehnen und das Bündnis mit der antijapanischen Fraktion der Bourgeoisie (in einem halbkolonialen Land) als Kapitulantentum zu bezeichnen - das ist eine trotzkistische These, der wir nicht zustimmen können. Heute ist gerade das Bündnis mit der antijapanischen Fraktion der Bourgeoisie eine notwendige Brücke auf dem Weg zum Sozialismus.

DIE FRAGE DER KADER

Will man eine große Revolution führen, muß man eine große Partei haben, muß man zahlreiche erstklassige Kader besitzen. Die große, in der Geschichte beispiellose Revolution in China mit seiner 450-Millionen-Bevölkerung kann nicht verwirklicht werden, wenn sie von einem abgekapselten Grüppchen geführt wird oder wenn die Partei nur engstirnige, kurzsichtige, unfähige Führer und Funktionäre hat. Die Kommunistische Partei Chinas ist schon lange eine große politische Partei. Sie hat in der Periode der Reaktion Verluste erlitten, aber sie bleibt trotzdem eine große politische Partei, hat viele gute Führer und Funktionäre, und dennoch reichen diese noch nicht aus. Wir müssen die Parteiorganisationen über das ganze Land erweitern,
|343| wir müssen zielbewußt Zehntausende Funktionäre heranbilden, wir brauchen Hunderte erstklassige Führer der Massen. Diese Funktionäre und Führer sollen den Marxismus-Leninismus verstehen, politische Weitsicht haben, fähig sein ihre Arbeit zu leisten, Opferbereitschaft besitzen, imstande sein selbständig Probleme zu lösen, bei Schwierigkeiten nicht schwanken, treu und ergeben der Nation, der Klasse und der Partei dienen. Gestützt auf solche Kader verbindet sich die Partei mit ihren Mitgliedern und mit den Massen, und gestützt auf die entschlossene Führung der Massen durch diese Kader wird die Partei ihr Ziel, den Feind niederzuschlagen, erreichen. Solche Kader müssen frei sein von Selbstsucht, Neigung zu individuellem Heldentum und Geltungsdrang, von Trägheit, Passivität und überheblichem Sektierertum, sie müssen uneigennützige Helden ihrer Nation und ihrer Klasse sein; das sind die Eigenschaften und der Stil, die von den Kommunisten, den Funktionären und Führern der Partei verlangt werden. Das ist das geistige Vermächtnis von Zehntausenden gefallenen Mitgliedern, Tausenden Funktionären und Dutzenden der besten Führer der Partei. Wir müssen uns zweifelsohne diese Eigenschaften aneignen, uns noch besser umformen, uns auf ein noch höheres revolutionäres Niveau erheben. Aber auch das genügt noch nicht: Man muß sich noch eine Aufgabe stellen, nämlich die Aufgabe, in der gesamten Partei und im ganzen Land zahlreiche neue Kader, neue Führer zu ermitteln. Unsere Revolution hängt von den Kadern ab. Wie Stalin sagt: "Die Kader entscheiden alles." [9]

DIE FRAGE DER INNERPARTEILICHEN DEMOKRATIE

Zur Erreichung dieses Ziels ist die innerparteiliche Demokratie notwendig. Wenn wir die Partei stark machen wollen, müssen wir den demokratischen Zentralismus verwirklichen, damit sich die Aktivität der ganzen Partei entfaltet. In der Periode der Reaktion und des Bürgerkriegs trat bei uns der Zentralismus etwas stärker in Erscheinung. In dem neuen Zeitabschnitt muß sich der Zentralismus eng mit der Demokratie verbinden. Man muß durch Verwirklichung der Demokratie die Aktivität der gesamten Partei entwickeln, durch Entwicklung der Aktivität der gesamten Partei zahlreiche Kader schmieden, die Überreste des Sektierertums liquidieren und die ganze Partei fest wie Stahl zusammenschließen.
 
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DIE EINMÜTIGKEIT DER KONFERENZ UND DIE GESCHLOSSENHEIT DER GESAMTEN PARTEI

Nach entsprechenden Erläuterungen sind die Meinungsverschiedenheiten in politischen Fragen auf der Konferenz beseitigt und Einmütigkeit ist erreicht worden. Die früheren Differenzen zwischen der Linie des Zentralkomitees und der von einzelnen Genossen verfolgten Rückzugslinie sind ebenfalls überwunden. [10] Das zeigt, daß die Reihen unserer Partei bereits sehr fest geschlossen sind. Diese Geschlossenheit ist die wichtigste Grundlage der gegenwärtigen nationalen und demokratischen Revolution, da nur über die Geschlossenheit der Kommunistischen Partei die Einheit der ganzen Klasse und der ganzen Nation erreicht werden kann, und nur durch die Einheit der ganzen Klasse und der ganzen Nation kann der Feind besiegt, können die Aufgaben der nationalen und demokratischen Revolution erfüllt werden.

DIE MILLIONENMASSEN FÜR DIE ANTIJAPANISCHE NATIONALE EINHEITSFRONT GEWINNEN

Es ist das Ziel unserer richtigen politischen Linie und unserer festen Geschlossenheit, die Millionenmassen für die antijapanische nationale Einheitsfront zu gewinnen. Die breiten Massen des Proletariats, der Bauernschaft und des städtischen Kleinbürgertums müssen durch unsere propagandistische, agitatorische und organisatorische Arbeit erfaßt werden. Weitere Arbeit ist ferner erforderlich, damit die für den Widerstand gegen die japanische Aggression eintretende Fraktion der Bourgeoisie ein Bündnis mit uns eingeht. Damit die Politik der Partei zur Politik der Volksmassen wird, ist es erforderlich, daß wir lange, beharrliche, zähe, schwierige, geduldige und umsichtige Anstrengungen machen. Ohne solche Anstrengungen ist ein Erfolg unmöglich. Die Bildung der antijapanischen nationalen Einheitsfront, ihre Festigung und die Lösung der vor ihr stehenden Aufgaben, die Schaffung einer demokratischen Republik in China können von unseren Anstrengungen für die Gewinnung der Massen keineswegs getrennt werden. Wenn es uns im Ergebnis unserer Anstrengungen gelingt, die Millionenmassen unter unsere Führung zu bringen, dann werden wir alle Aufgaben unserer Revolution rasch erfüllen können. Mit unseren Anstrengungen werden wir gewiß den japanischen Imperialismus niederschlagen und unsere vollständige nationale und soziale Befreiung erlangen.

 

ANMERKUNGEN:

* Schlußwort des Genossen Mao Tse-tung auf der Landeskonferenz der Kommunistischen Partei Chinas, die im Mai 1937 stattfand.

1 Nach den Sian-Ereignissen nahmen die japanischen Imperialisten vorübergehend eine gemäßigte Positur ein, um die Kuomintang-Behörden zur Untergrabung des inneren Friedens in China, der sich damals schon anbahnte, und zum Bruch der sich allmählich herausbildenden antijapanischen nationalen Einheitsfront zu veranlassen. Die autonome Marionettenregierung der Inneren Mongolei sandte - angestiftet von den japanischen Eindringlingen - zweimal (im Dezember 1936 und im März 1937) offene Telegramme an die Kuomintang-Regierung in Nanking, um ihre Unterstützung zu bekunden. Der japanische Außenminister Sato, der selbst auftrat, um Tschiang Kai-schek auf seine Seite zu ziehen, erklärte heuchlerisch, daß Japan seine bisherigen Beziehungen zu China ändern werde und China helfen wolle, eine politische Vereinigung und die Wiederherstellung der Wirtschaft zu erreichen. Anderseits schickten die Japaner eine sogenannte "wirtschaftliche Studiengruppe" mit dem Finanzmagnaten Kenji Kodama an der Spitze nach China, angeblich mit dem Ziel, China in seinen Bemühungen "um den Abschluß der Organisierung eines modernen Staates" zu unterstützen. Mit der sogenannten "Diplomatie Satos" und dem "Rückzug Japans", den manche durch die Lügenmanöver der japanischen Imperialisten irregeführte Leute zu erkennen glaubten, sind alle diese aggressiven Umtriebe gemeint.

2 Im November 1936 verhaftete die Kuomintang-Regierung in Schanghai sieben Führer der Bewegung für den Widerstand gegen die japanische Aggression zur Rettung des Vaterlands (Schen Djün-ju und andere). Im April 1937 erhob der Staatsanwalt des Kuomintang-Obergerichts in Sudschou "Anklage" gegen Schen Djün-ju und andere. Sie wurden angeklagt, "die Republik gefährdet zu haben", mit derselben erdichteten Beschuldigung, mit welcher die Kuomintang-Behörden alle patriotischen Bewegungen zu brandmarken pflegten.

3 Vor den Sian-Ereignissen hatte die an der Grenze der Provinzen Schensi und Kansu stationierte Nordostarmee unmittelbaren Kontakt mit der in Nordschensi stehenden Roten Armee und war deshalb ihrem starken Einfluß ausgesetzt. Das Ergebnis war dann auch, daß es zu den Sian-Ereignissen kam. Im März 1937 befahlen die Kuomintang-Reaktionäre der Nordostarmee kategorisch, ihre Standorte nach Osten in die Provinzen Honan und Anhui zu verlegen, um dadurch die zwischen der Roten Armee und der Nordostarmee angeknüpften Verbindungen abzubrechen und diese Gelegenheit zur Spaltung der Reihen der Nordostarmee auszunutzen.

4 Yang Hu-tscheng war ein militärischer Führer im Nordwesten; neben Dschang Hsüä-liang war er der Initiator der Sian-Ereignisse. Deshalb wurden ihre Namen gekoppelt, und sie wurden "Dschang-Yang" genannt. Nach der Freilassung Tschiang Kai-scheks begleitete Dschang Hsüä-liang ihn nach Nanking. In Nanking wurde Dschang Hsüä-liang sofort verhaftet. Yang Hu-tscheng wurde im April 1937 auf Befehl der Kuomintang-Reaktionäre seines Postens enthoben und war gezwungen, ins Ausland zu gehen. Nach Ausbruch des Widerstandskriegs in China kehrte er in die Heimat zurück und beabsichtigte, am Kampf gegen Japan teilzunehmen. Aber er wurde ebenfalls von Tschiang Kai-schek verhaftet und für die restliche Zeit seines Lebens eingekerkert. Im September 1949, als sich die Volksbefreiungsarmee Tschungking näherte, wurde Yang Hu-tscheng im Konzentrationslager ermordet.

5 Der Paß von Tungguan ist ein wichtiger strategischer Punkt an jener Stelle, wo die Provinzen Schensi, Honan und Schansi zusammenstoßen. Zur Zeit der SianEreignisse standen die Kuomintang-Truppen hauptsächlich ostwärts von Tungguan. Zu dieser Zeit bestanden einige Leute, die sich als "Linke" bezeichneten (darunter auch Dschang Guo-tao), auf einen "Durchbruch durch den Paß von Tungguan", das heißt einen Angriff gegen die Kuomintang-Truppen zu unternehmen. Dieser Vorschlag widersprach dem Kurs des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas auf friedliche Regelung der Sian-Ereignisse.

6 Nach der Oktoberrevolution in Rußland betrieb der französische Imperialismus lange Zeit eine feindselige Politik gegenüber der Sowjetunion. Kurz nach der Oktoberrevolution - in den Jahren 1918 bis 1920 - beteiligte sich die französische Regierung aktiv an der bewaffneten Intervention der r4 Länder gegen Sowjetrußland. Nachdem diese Intervention gescheitert war, setzte die französische Regierung die reaktionäre Politik der Isolierung der Sowjetunion fort. Erst im Mai 1935, unter dem Einfluß der friedlichen Außenpolitik der Sowjetunion auf das französische Volk sowie wegen der Bedrohung Frankreichs durch das faschistische Deutschland schloß Frankreich mit der Sowjetunion einen Beistandspakt ab. Aber später hielt die reaktionäre Regierung Frankreichs diesen Pakt nicht ehrlich ein.

7 Siehe Karl Marx und Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, Kapitel IV; W. I. Lenin, Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution, Abschnitt 1z und 1;; Geschichte der KPdSU (B), Kurzer Lehrgang, Kapitel III, Abschnitt 3.

8 Siehe J. W. Stalin, Über die Grandlagen des Leninismus, Abschnitt III; Die Oktoberrevolution und die Taktik des russischen Kommunisten, Abschnitt II; Zu den Fragen des Leninismus, Abschnitt III.

9 Siehe J. W. Stalin, "Rede im Kremlpalast vor den Absolventen der Akademien der Roten Armee", Mai 1935. In dieser Rede sagte Genosse Stalin, daß "von allen wertvollen Kapitalien die es in der Welt gibt, das wertvollste und entscheidendste Kapital die Menschen, die Kader sind. Man muß begreifen, daß unter unseren heutigen Verhältnissen ,die Kader alles entscheiden`."

10 Gemeint sind die Differenzen zwischen der Linie des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas und der von Dschang Guo-tao verfolgten Rückzugslinie in den Jahren 1931/1936· Siehe "Über die Taktik im Kampf gegen den japanischen Imperialismus", Anmerkung 22 (vorliegender Band, S. 205 ). Wenn Genosse Mao Tse-tung hier davon spricht, daß "die Differenzen überwunden sind", meint er die Vereinigung der Einheiten der 4. Frontarmee der Roten Armee mit den Einheiten der Zentralen Roten Armee. Was aber den späteren offenen Verrat Dschang Guo-taos anbelangt, der in das Lager der Konterrevolution überlief, so gehört das bereits nicht zu den Fragen der Linie der Führung, sondern zu den verräterischen Handlungen Dschang Guo-taos persönlich.

 


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