Mao AW Band IV

Mao Werke


Mao Tse-tung: 

WARUM MUSS MAN DAS WEISSBUCH DISKUTIEREN ?

(28. August 1949)


Diese Version aus: Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band IV, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1969, S. 471-476


Wir haben das Weißbuch der USA und das Begleitschreiben Achesons in drei Artikeln kritisiert ("Ein Eingeständnis der Hilflosigkeit"1, "Fort mit den Illusionen, bereit zum Kampf!" und "Lebwohl Leighton Stuart!"). Unsere Kritik hat in den demokratischen Parteien und Gruppen, den Massenorganisationen, der Presse; den Universitäten und Schulen und unter den demokratischen Persönlichkeiten aller Bevölkerungskreise im ganzen Land allgemeine Aufmerksamkeit erregt und eine breite Diskussion ausgelöst; es wurden viele richtige und nützliche Erklärungen, Interviews und Kommentare veröffentlicht. Es werden verschiedenartige Aussprachen über das Weißbuch durchgeführt, und die ganze Diskussion ist noch in Entwicklung begriffen. Bei der Diskussion geht es um die Beziehungen zwischen China und den USA, zwischen China und der Sowjetunion, um die Beziehungen zwischen China und dem Ausland während der letzten hundert Jahre, um die Wechselbeziehungen zwischen der chinesischen Revolution und den revolutionären Kräften der ganzen Welt, um die Beziehungen zwischen den Kuomintang-Reaktionären und dem chinesischen Volk, um die Haltung, welche die demokratischen Parteien und Gruppen, die Massenorganisationen und die demokratischen Persönlichkeiten aller Bevölkerungskreise im Kampf gegen den Imperialismus einzunehmen haben, um die Einstellung, die die Liberalen oder sogenannten demokratischen Individualisten zu den gesamten inneren und äußeren Beziehungen des Landes einzunehmen haben, darum, wie man den neuen imperialistischen Intrigen begegnet, usw. Das alles ist sehr gut und von hohem erzieherischem Wert.

Die ganze Welt diskutiert jetzt über die chinesische Revolution und das Weißbuch der USA. Das ist kein Zufall; es zeigt, welche große Bedeutung die chinesische Revolution für die ganze Weltgeschichte hat. Was uns Chinesen betrifft, so haben wir im wesentlichen den Sieg in unserer Revolution errungen, doch hatten wir lange Zeit keine Gelegenheit, ausführlich über die Wechselbeziehungen zwischen dieser Revolution und den verschiedenen Faktoren im In- und Ausland zu diskutieren. Eine solche Diskussion ist notwendig, und jetzt, bei der Erörterung des Weißbuchs der USA, hat sich die Gelegenheit dazu gefunden. Wir hatten bis jetzt keine Gelegenheit, eine solche Diskussion zu führen, weil die Revolution im wesentlichen noch nicht gesiegt hatte, weil die chinesischen und ausländischen Reaktionäre die großen Städte von den befreiten Gebieten des Volkes abgeschnitten hatten und weil einige Aspekte der Widersprüche durch die Entwicklung der Revolution noch nicht vollständig zum Vorschein gebracht worden waren. Das hat sich jetzt geändert. Der größte Teil Chinas wurde befreit, alle Seiten der inneren und äußeren Widersprüche sind vollständig zum Vorschein gekommen, und gerade zu diesem Zeitpunkt veröffentlichen die USA das Weißbuch. Damit bietet sich die Gelegenheit zur Diskussion.

Das Weißbuch ist ein konterrevolutionäres Dokument, das ganz offen die Intervention der USA-Imperialisten in China bekundet. In dieser Hinsicht ist der Imperialismus von der gewohnten Bahn abgewichen. Die große, siegreiche chinesische Revolution hat einen Teil oder eine Fraktion der Clique der USA-Imperialisten gezwungen, zur Erwiderung der Angriffe eines anderen Teils oder einer anderen Fraktion gewisse authentische Materialien über ihre Aktionen gegen das chinesische Volk zu veröffentlichen und daraus reaktionäre Schlußfolgerungen zu ziehen; anders hätten sie nicht weiterwursteln können. Die Tatsache, daß Enthüllung an die Stelle von Geheimhaltung tritt, zeigt, daß der Imperialismus von seiner gewohnten Bahn abgewichen ist. Noch vor wenigen Wochen, bevor das Weißbuch veröffentlicht wurde, haben die Regierungen der imperialistischen Staaten trotz tagtäglicher konterrevolutionärer Aktivität in ihren Äußerungen und offiziellen Dokumenten niemals die Wahrheit gesagt, sondern sie haben stets alles aufgebauscht oder zumindest gewürzt mit Beteuerungen von Humanität, Gerechtigkeit und Tugend. Das gilt bis auf den heutigen Tag für den britischen Imperialismus, der lange Erfahrung im Schwindel und Betrug hat, sowie für einige kleinere imperialistische Staaten. Die neuerdings arrivierte, emporgekommene, neurasthenische amerikanische imperialistische Gruppe - Truman, Marshall, Acheson, Leighton Stuart und andere -, die sich einerseits der Opposition des Volkes und andererseits der Opposition einer anderen Fraktion ihres eigenen Lagers gegenübersieht, hat es für notwendig und tunlich erachtet, einige (aber nicht alle) ihrer konterrevolutionären Aktivitäten zu enthüllen, um mit den Gegnern im eigenen Lager argumentieren zu können, welche konterrevolutionäre Taktik klüger sei. Auf diese Weise haben sie versucht, ihre Gegner zu überzeugen, um die ihrer Meinung nach klügere konterrevolutionäre Taktik weiter fortsetzen zu können. Zwei konterrevolutionäre Fraktionen haben miteinander gewetteifert. Die eine sagte: "Unsere Methode ist die beste." Die andere sagte: "Unsere ist die beste." Als der Streit am hitzigsten war, legte plötzlich eine Fraktion ihre Karten auf den Tisch und trumpfte dabei mit vielen ihrer früheren wertvollen Tricks auf - so entstand das Weißbuch.

Und so ist das Weißbuch zum Lehrmaterial für das chinesische Volk geworden. Viele Jahre lang glaubte eine Anzahl von Chinesen (zu einer Zeit eine große Anzahl) nur die Hälfte von dem, was wir Kommunisten zu vielen Fragen zu sagen hatten, vor allem zur Frage des Wesens des Imperialismus und des Sozialismus, und sie dachten: "Vielleicht ist das gar nicht so." Diese Lage hat sich seit dem 5. August 1949 geändert. Acheson hat ihnen nämlich eine Lektion erteilt; er sprach in seiner Eigenschaft als Außenminister der USA. Einige seiner Fakten und Schlußfolgerungen stimmen mit dem überein, was wir Kommunisten und andere fortschrittliche Menschen gesagt haben. Danach konnten die Menschen nicht umhin, uns zu glauben, und vielen öffnete es die Augen - "So also stand es wirklich!"

Acheson beginnt sein Begleitschreiben an Truman mit einer Geschichte darüber, wie er das Weißbuch zusammengestellt hat. Sein Weißbuch, sagt er, unterscheide sich von allen anderen; es sei sehr objektiv und sehr offen:

Das ist ein offenes Protokoll über eine äußerst komplizierte und zutiefst unglückliche Periode im Leben eines großen Landes, mit dem sich die Vereinigten Staaten seit langem durch Bande engster Freundschaft verknüpft fühlen. Kein verfügbares Material wurde weggelassen, auch wenn es kritische Feststellungen zu unserer Politik enthielt oder eine Grundlage für zukünftige Kritik bilden könnte. Die unserem System innewohnende Kraft liegt in der Empfänglichkeit der Regierung für eine informierte und kritische öffentliche Meinung. Es ist gerade eine solche informierte und kritische öffentliche Meinung, die totalitäre Regierungen, ob rechtsgerichtet oder kommunistisch, nicht dulden können und die sie auch nicht zulassen.

Gewisse Bindungen bestehen zwischen dem chinesischen und dem amerikanischen Volk. Durch gemeinsame Anstrengungen beider Völker könnten sich diese Bindungen in Zukunft zur "engsten Freundschaft" entwickeln. Die Hindernisse aber, die die chinesischen und amerikanischen Reaktionäre ihnen in den Weg steilen, hemmten und hemmen noch immer stark diese Bindungen. Außerdem haben die Reaktionäre beider Länder ihren Völkern viele Lügen erzählt und viele schmutzige Streiche gespielt, das heißt, sie haben viel üble Propaganda verbreitet und allerhand schlechte Taten begangen, daher ist die Bindung zwischen beiden Völkern keineswegs eng zu nennen. Was Acheson als "Bande engster Freundschaft" bezeichnet, sind Bindungen zwischen den Reaktionären beider Länder und nicht zwischen ihren Völkern. Acheson ist hier weder objektiv noch offen, er verwechselt die Beziehungen zwischen zwei Völkern mit denen zwischen den Reaktionären zweier Länder. Der Sieg der chinesischen Revolution und die Niederlage der chinesischen sowie der USA-Reaktionäre ist für die Völker dieser beiden Länder das freudigste Ereignis, das ihnen je begegnet ist, und die gegenwärtige Zeit ist die glücklichste ihres Lebens. Im Gegensatz dazu ist es nur für Truman, Marshall, Acheson, Leighton Stuart und andere Reaktionäre in den USA sowie für Tschiang Kai-schek, Kung Hsiang-hsi, Sung Dsi-wen, Tschen Lifu, Li Dsung-jen, Bai Tschung-hsi und andere chinesische Reaktionäre eine wirklich "äußerst komplizierte und zutiefst unglückliche Periode" ihres Lebens.

In der Beurteilung der öffentlichen Meinung haben die Achesons die öffentliche Meinung der Reaktionäre mit der öffentlichen Meinung des Volkes verwechselt. Für die öffentliche Meinung des Volkes sind die Achesons durchaus nicht "empfänglich", sie sind ihr gegenüber ausnahmslos blind und taub. Seit Jahren haben sie sich gegenüber der Opposition der Völker der USA, Chinas und der übrigen Welt gegen die reaktionäre Außenpolitik der USA-Regierung taub gestellt. Was meint Acheson mit seiner "informierten und kritischen öffentlichen Meinung"? Nichts anderes als die zahlreichen Propagandaeinrichtungen, zum Beispiel die Zeitungen, Nachrichtenagenturen, Zeitschriften und Radiostationen, die von den zwei reaktionären Parteien in den USA, den Republikanern und Demokraten, kontrolliert werden, und die darauf spezialisiert sind, Lügen zu verbreiten und den Völkern zu drohen. Ganz richtig sagt Acheson von diesen Dingen, daß die Kommunisten (und auch die Völker) sie wirklich "nicht dulden können und auch nicht zulassen". Aus diesem Grund haben wir die imperialistischen Informationsbüros geschlossen, den imperialistischen Nachrichtenagenturen verboten, ihre Berichte an die chinesische Presse zu senden, und ihnen die Freiheit genommen, weiterhin ungehindert auf chinesischem Boden die Seele des chinesischen Volkes zu vergiften.

Die Behauptung, daß eine von der Kommunistischen Partei geführte Regierung eine "totalitäre Regierung" sei, ist auch eine Halbwahrheit. Es handelt sich dabei um eine Regierung, die die Diktatur oder Alleinherrschaft über einheimische und ausländische Reaktionäre ausübt und keinem von ihnen die Freiheit gewährt, eine konterrevolutionäre Tätigkeit zu entfalten. So sind die Reaktionäre wütend geworden und schimpfen: "Totalitäre Regierung!" Ehrlich gesagt, das ist bis aufs i-Tüpfelchen wahr, sofern es sich um die Macht der Volksregierung handelt, Reaktionäre zu unterdrücken. Diese Macht ist nun in unserem Programm festgelegt, sie wird auch in unserer Verfassung verankert sein. Ebensowenig wie ohne Nahrung und Kleidung kann ein siegreiches Volk auch nicht einen Augenblick ohne diese Macht bestehen. Sie ist eine ausgezeichnete Sache, ein schützender Talisman, ein Wunder wirkendes Erbstück, das von Generation auf Generation übergehen muß und das man auf keinen Fall ungenutzt beiseite legen darf, solange nicht der Imperialismus im Ausland und die Klassen im Inland gründlich und restlos beseitigt sind. Je lauter die Reaktionäre "totalitäre Regierung" schreien, desto deutlicher wird der Wert dieses Schatzes. Doch die Behauptung Achesons ist auch zur Hälfte falsch. Innerhalb des Volkes ist eine Regierung der demokratischen Diktatur des Volkes unter Führung der Kommunistischen Partei nicht diktatorisch oder autokratisch, sondern demokratisch. Sie ist des Volkes eigene Regierung. Die Mitarbeiter dieser Regierung müssen die Stimme des Volkes ehrfurchtsvoll respektieren. Zugleich sind sie auch Lehrer des Volkes und schulen es durch Selbsterziehung oder Selbstkritik.

Was die "rechtsgerichtete totalitäre Regierung" betrifft, von der Acheson spricht, so nimmt die USA-Regierung seit dem Sturz der faschistischen Regierungen in Deutschland, Italien und Japan den ersten Platz unter derartigen Regimes in der Welt ein. Alle bürgerlichen Regierungen, auch die Regierungen der deutschen, italienischen und japanischen Reaktionäre, die von den Imperialisten geschützt werden, gehören zu dieser Kategorie. Die Tito-Regierung in Jugoslawien ist nun zum Komplicen dieser Bande geworden. Die amerikanische und die britische Regierung gehören zu der Art, bei der allein eine einzige Klasse, die Bourgeoisie, die Diktatur über das Volk ausübt. In jeder Hinsicht steht diese Art von Regierung im Gegensatz zu einer Volksregierung; sie betreibt eine sogenannte Demokratie für die Bourgeoisie, dem Volk gegenüber ist sie jedoch diktatorisch. Die Regierungen Hitlers, Mussolinis, Tojos, Francos und Tschiang Kai-scheks entledigten sich dieses Schleiers der intern-bürgerlichen Demokratie oder hatten sich seiner überhaupt gar nicht erst bedient. Da der Klassenkampf in diesen Ländern höchst intensiv war, hielten sie es für vorteilhafter, diesen Schleier abzulegen oder sich seiner einfach nicht zu bedienen, damit das Volk ihn nicht für seine Zwecke ausnutze. Die Regierung der USA hüllt sich noch immer in einen Schleier der Demokratie, der aber von den amerikanischen Reaktionären auf ein winziges Stückchen zusammengeschnitten wurde und außerdem sehr an Farbe verloren hat; er ist lange nicht mehr das, was er zur Zeit Washingtons, Jeffersons und Lincolns2 war. Das liegt an dem zugespitzten Klassenkampf. Wenn der Klassenkampf weiter an Schärfe gewinnt, wird der Schleier der USA-Demokratie bestimmt in alle vier Winde verfliegen.

Daraus ersieht man, wie viele Fehler Acheson begeht, sobald er seinen Mund öffnet. Das ist unvermeidlich, weil er ein Reaktionär ist. Fragt man, inwieweit sein Weißbuch ein "offenes Protokoll" ist, so meinen wir, daß es sowohl offen als auch nicht offen ist. Die Achesons sind offen, sofern sie sich einbilden, daß ihre Offenheit ihrer Partei oder Fraktion Vorteile bietet. Sonst sind sie es nicht. Offenheit vorzutäuschen ist eine Kriegslist.

ANMERKUNGEN

1. Ein Kommentar der Redaktion der Iisinhua-Nachrichtenagentur vom 12. August 1949

2. George Washington (1732-1799), Thomas Jefferson (1743-1826) und Abraham Lincoln (1805-1865) waren bekannte bürgerliche Staatsmänner in der Frühzeit der USA. Washington war Oberbefehlshaber der aufständischen Armee der Kolonien während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs (1775-1783) und erster Präsident der Vereinigten Staaten. Jefferson verfaßte die amerikanische "Unabhängigkeitserklärung" und war Präsident der Vereinigten Staaten. Lincoln trat für die Abschaffung der Negersklaverei in den USA ein und leitete während seiner Präsidentschaft den Krieg gegen die Sklavenhalter der Südstaaten (1861-1865); 1862 erließ er die "Proklamation über die Befreiung der Negersklaven".

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