Mao AW Band IV

Mao Werke


Mao Tse-tung: 

ÜBER DIE DEMOKRATISCHE DIKTATUR DES VOLKES

Zum 28. Jahrestag der Kommunistischen Partei Chinas

(30. Juni 1949)


Diese Version aus: Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band IV, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1969, S. 437-452


Der 1. Juli 1949 kennzeichnet die Tatsache, daß die Kommunistische Partei Chinas bereits 28 Jahre alt ist. Wie ein Mensch hat sie auch ihre Kindheit, ihre Jugend, ihr Erwachsensein und ihr Greisenalter. Die Kommunistische Partei Chinas hat bereits ihre Kindheit hinter sich. Sie ist auch kein Halbwüchsiger mehr, sondern ist bereits erwachsen. Wenn ein Mensch alt wird, geht er seinem Lebensende entgegen. Dasselbe gilt auch für eine Partei. Wenn die Klassen verschwinden, werden alle Werkzeuge des Klassenkampfes - die politischen Parteien und der Staatsapparat - ihre Funktionen verlieren, nicht weiter benötigt werden, deswegen werden sie allmählich absterben und ihre historische Mission beenden, und die menschliche Gesellschaft wird zu einer höheren Stufe aufsteigen. Unsere Partei steht im Gegensatz zu bürgerlichen Parteien. Diese haben Angst, von der Aufhebung der Klassen, der Staatsmacht und der Parteien zu sprechen. Wir aber erklären offen, daß wir einen zähen Kampf gerade für die Schaffung jener Voraussetzungen führen, die das Verschwinden aller dieser Einrichtungen beschleunigen werden. Die Führung durch die Kommunistische Partei und die Staatsmacht der Volksdiktatur - das sind solche Voraussetzungen. Wer diese Wahrheit nicht anerkennt, ist kein Kommunist. Junge Genossen, die den Marxismus-Leninismus nicht studiert haben und eben erst in die Partei eingetreten sind, begreifen vielleicht noch nicht diese Wahrheit. Sie müssen sie begreifen, erst dann werden sie eine richtige Weltanschauung besitzen. Sie müssen begreifen, daß die gesamte Menschheit den Weg der Abschaffung der Klassen, der Staatsmacht und der Parteien beschreiten muß; das ist nur eine Frage der zeit und der Voraussetzungen. Die Kommunisten der ganzen Welt sind weiser als die Bourgeoisie. Sie begreifen die Gesetze, die das Bestehen und die Entwicklung der Dinge bestimmen. Sie verstehen die Dialektik und sehen weiter. Der Bourgeoisie gefällt diese Wahrheit deshalb nicht, weil sie nicht gestürzt werden will. Gestürzt zu werden, wie z. B. augenblicklich die Kuomintang-Reaktionäre von uns gestürzt werden und in der Vergangenheit der japanische Imperialismus von uns und den Völkern anderer Länder gestürzt wurde, ist für die Gestürzten schmerzlich und unvorstellbar. Für die Arbeiterklasse, das werktätige Volk und die kommunistische Partei handelt es sich nicht um die Frage, gestürzt zu werden, sondern darum, angestrengt für die Schaffung der Voraussetzungen für das durchaus natürliche Verschwinden der Klassen, der Staatsmacht und der politischen Parteien zu arbeiten, damit die Menschheit in das Reich der Großen Harmonie [1] eintreten kann. Wir haben hier die fernen Perspektiven des Fortschritts der Menschheit nur flüchtig erwähnt, um die Fragen, die wir nachstehend behandeln wollen, klarzustellen.

Unsere Partei ist 28 Jahre alt. Es ist allgemein bekannt, daß sie diese 28 Jahre nicht friedlich, sondern unter Schwierigkeiten durchlebt hat. Wir mußten gegen einheimische und ausländische Feinde sowie gegen Feinde innerhalb der Partei und außerhalb ihrer Reihen kämpfen. Wir sind Marx, Engels, Lenin und Stalin dankbar, die uns die Waffe dazu gaben. Diese Waffe ist kein Maschinengewehr, sondern der Marxismus-Leninismus.

Lenin schilderte 1920 in seinem Buch Der "Linke Radikalismus", die Kinderkrankheit im Kommunismus, wie die Russen nach einer revolutionären Theorie gesucht haben1. Es bedurfte mehrerer Jahrzehnte voller Mühsal und Leiden, ehe die Russen den Marxismus fanden. Die Verhältnisse in China glichen oder ähnelten in vieler Hinsicht denen in Rußland vor der Oktoberrevolution. Die feudale Unterdrückung war die gleiche. Sie ähnelten einander in ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Rückständigkeit. Beide Länder waren zurückgeblieben, China sogar in einem noch stärkeren Maße. Beiden Ländern war es gemein, daß die fortschrittlichen Menschen um der nationalen Erneuerung willen auf der Suche nach revolutionärer Wahrheit keine schweren und bitteren Kämpfe scheuten.

Nachdem China 1840 den Opiumkrieg verloren hatte, suchten die fortschrittlichen Chinesen unter unzähligen Schwierigkeiten die Wahrheit in den westlichen Ländern. Hung Hsiu-tjüan, Kang Yu-we2, Yän Fu3 und Sun Yat-sen waren Vertreter dieser Gruppe von Persönlichkeiten, die sich vor der Geburt der Kommunistischen Partei Chinas nach dem Westen wandten, um die Wahrheit zu suchen. Damals lasen die nach Fortschritt strebenden Chinesen alle möglichen Bücher, die neue Kenntnisse aus dem Westen vermittelten. Die Zahl der Chinesen, die zum Studium nach Japan, Großbritannien, den USA, Frankreich und Deutschland geschickt wurden, erreichte erstaunliche Ausmaße. Daheim wurden die kaiserlichen Examen abgeschafft, und moderne Schulen4 schossen empor wie Bambussprossen nach einem Frühlingsregen; alle Bemühungen wurden gemacht, um vom Westen zu lernen. Auch ich betrieb in meiner Jugend solche Studien. Das war die Kultur der bürgerlichen Demokratie des Westens, die sogenannten neuen Lehren, welche die Soziallehren und Naturwissenschaften jener Zeit einschlossen, im Gegensatz zur Kultur des chinesischen Feudalismus, das heißt zu den sogenannten alten Lehren. Eine recht lange Zeit hindurch hegten diejenigen, die sich die neuen Lehren angeeignet hatten, die Zuversicht, daß diese China retten würden, und außer den Anhängern der alten Lehren hegten nur sehr wenige unter ihnen irgendwelche Zweifel daran. Der einzige Weg, das Land zu retten, lag in seiner Reform, und der einzige Weg zur Reform bestand darin, vom Ausland zu lernen. Von den ausländischen Staaten jener Zeit waren nur die westlichen kapitalistischen Länder fortschrittlich, denen es gelungen war, moderne bürgerliche Staaten aufzubauen. Die Japaner hatten beim Lernen vom Westen Erfolge erzielt, und die Chinesen wünschten nun auch, von den Japanern zu lernen. In den Augen der Chinesen jener Zeit galt Rußland als rückständig, und nur wenige wollten von ihm lernen. So war es, wie die Chinesen seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts vom Ausland lernten.

Die imperialistische Aggression zerstörte die Träume der Chinesen, vom Westen zu lernen. Es war sonderbar - warum verübten die Lehrer immer wieder Aggressionen gegen ihre Schüler? Die Chinesen haben vom Westen nicht wenig gelernt, aber sie konnten nichts davon durchführen, konnten ihre Ideale nie verwirklichen. Ihre zahlreichen Kämpfe, selbst solch eine die ganze Nation umfassende Bewegung wie die Revolution von 1911, endeten sämtlich mit einer Niederlage. Die Zustände im Land verschlechterten sich mit jedem Tag und machten das Leben unerträglich. Zweifel tauchten auf, vermehrten sich und wurden immer stärker. Der erste Weltkrieg erschütterte den ganzen Erdball. Die Russen vollbrachten die Oktoberrevolution und gründeten den ersten sozialistischen Staat der Welt. Die bis dahin latenten und den Ausländern unsichtbaren revolutionären Energien des großen Proletariats und der Werktätigen Rußlands brachen plötzlich unter der Führung Lenins und Stalins hervor - ähnlich einem Vulkanausbruch -, und das chinesische Volk und die ganze Menschheit begannen die Russen mit anderen Augen zu sehen. Damals, und nur damals, traten die Chinesen in eine ganz neue Ära in ihrem Denken und Leben ein. Die Chinesen fanden den Marxismus-Leninismus, diese für die ganze Welt gültige allgemeine Wahrheit, und das Antlitz Chinas begann sich zu wandeln.

Die Chinesen gelangten zum Marxismus durch Vermittlung der Russen. Vor der Oktoberrevolution waren den Chinesen nicht nur Lenin und Stalin, sondern auch Marx und Engels unbekannt. Die Geschützsalven der Oktoberrevolution brachten uns den Marxismus-Leninismus. Die Oktoberrevolution half den fortschrittlichen Menschen der ganzen Welt und auch Chinas, mit der proletarischen Weltanschauung als Instrument die Geschicke eines Landes zu untersuchen und ihre eigenen Probleme neu zu erwägen. Den Weg der Russen gehen, so lautete die Schlußfolgerung. 1919 ereignete sich in China die Bewegung des 4. Mai, und 1921 wurde die Kommunistische Partei Chinas gegründet. Sun Yat-sen, der schon jede Hoffnung verloren hatte, kam mit der Oktoberrevolution und der Kommunistischen Partei Chinas in Berührung. Er begrüßte die Oktoberrevolution, die russische Hilfe für die Chinesen und die Bereitschaft der Kommunistischen Partei Chinas, mit ihm zusammenzuarbeiten. Sun Yat-sen starb, und Tschiang Kai-schek kam an die Macht. In der langen Zeitspanne von 22 Jahren hat Tschiang Kai-schek China in eine verzweifelte Situation gezerrt. In diese Periode fällt der antifaschistische zweite Weltkrieg, in dem die Sowjetunion die Hauptkraft bildete. Drei imperialistische Großmächte wurden niedergeschlagen und zwei andere geschwächt. Nur eine imperialistische Großmacht auf der ganzen Welt blieb unversehrt: die USA. Aber die Vereinigten Staaten befanden sich in einer schweren inneren Krise. Sie wollten die ganze Welt versklaven; sie halfen Tschiang Kai-schek mit Waffen bei der Ermordung von Millionen Chinesen. Unter der Leitung der Kommunistischen Partei Chinas führte das chinesische Volk nach der Vertreibung der japanischen Imperialisten drei Jahre lang einen Volksbefreiungskrieg und hat im wesentlichen den Sieg errungen.

Damit haben die Zivilisation der westlichen Bourgeoisie, die bürgerliche Demokratie und der Plan für eine bürgerliche Republik allesamt in den Augen des chinesischen Volkes Schiffbruch erlitten. Die bürgerliche Demokratie wich der von der Arbeiterklasse geführten Volksdemokratie, die bürgerliche Republik wich der Volksrepublik. Dadurch wurde die Möglichkeit geschaffen, über die Volksrepublik zum Sozialismus und Kommunismus, zur Aufhebung der Klassen und zu einer Welt der Großen Harmonie zu gelangen. Kang Yu-we schrieb Das Buch über die Große Harmonie, aber den Weg zur Großen Harmonie fand er nicht, und er konnte ihn auch gar nicht finden. Bürgerliche Republiken gibt es im Ausland, aber in China konnte es keine geben, weil China ein von den Imperialisten unterdrücktes Land war. Der einzige Weg führt über eine von der Arbeiterklasse geführte Volksrepublik.

Alles andere wurde ausprobiert, führte aber zum Mißerfolg. Von denjenigen, die sich nach all dem anderen sehnten, sind einige gefallen, einige aufgewacht und andere im Begriff, ihre Vorstellungen zu ändern. Die Ereignisse entwickeln sich so rasch, daß viele das Gefühl haben, überrumpelt worden zu sein und von neuem lernen zu müssen. Diese Gemütsverfassung ist verständlich, und wir begrüßen den wohlgemeinten Wunsch, von neuem zu lernen.

Die Vorhut des chinesischen Proletariats studierte nach der Oktoberrevolution den Marxismus-Leninismus und gründete die Kommunistische Partei Chinas. Unmittelbar darauf trat sie in den politischen Kampf und errang erst jetzt, nachdem sie im Laufe von 28 Jahren einen Weg voller Windungen und Wendungen zurückgelegt hatte, den grundlegenden Sieg. Aus den Erfahrungen dieser 28 Jahre haben wir die gleiche Schlußfolgerung gezogen, wie sie Sun Yat-sen kurz vor seinem Tod in seinem Testament aus "vierzigjähriger Erfahrung" gezogen hat, nämlich: die feste Überzeugung, daß wir, um den Sieg zu erringen, "die Volksmassen wecken und uns zum gemeinsamen Kampf mit jenen Nationen der Welt verbünden müssen, die uns als gleichberechtigt behandeln". Sun Yat-sen hatte eine andere Weltanschauung als wir und ging bei der Untersuchung und Behandlung der Probleme von einem anderen Klassenstandpunkt aus; aber in der Frage, wie man gegen den Imperialismus kämpfen müsse, kam er in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer Schlußfolgerung, die im Grunde mit der unseren übereinstimmte.

Seit dem Tod Sun Yat-sens sind 24 Jahre vergangen, und unter der Führung der Kommunistischen Partei Chinas hat die chinesische Revolution in Theorie und Praxis gewaltige Fortschritte erzielt und Chinas Antlitz von Grund aus verändert. Bis jetzt hat das chinesische Volk folgende zwei hauptsächliche und grundlegende Erfahrungen gewonnen: 1. Im Land selbst muß man die Volksmassen wecken. Das bedeutet die Arbeiterklasse, die Bauernschaft, das städtische Kleinbürgertum und die nationale Bourgeoisie zusammenschließen, unter Führung der Arbeiterklasse eine einheimische Einheitsfront bilden und davon ausgehend einen von der Arbeiterklasse geführten, auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruhenden Staat der demokratischen Diktatur des Volkes gründen. 2. Nach außen hin müssen wir uns mit jenen Nationen der Welt, die uns als gleichberechtigt behandeln, und mit den Volksmassen aller Länder zum gemeinsamen Kampf verbünden. Das bedeutet Bündnis mit der Sowjetunion, Bündnis mit den Ländern der Volksdemokratie und Bündnis mit dem Proletariat und den breiten Volksmassen der übrigen Länder zur Bildung einer internationalen Einheitsfront.

"Ihr neigt euch nach einer Seite." Das stimmt. Die 40-jährige Erfahrung Sun Yat-sens und die 28-jährige Erfahrung der Kommunistischen Partei haben uns gelehrt, uns nach einer Seite zu neigen, und wir sind zutiefst davon überzeugt, daß wir uns, um den Sieg zu erlangen und ihn zu festigen, nach einer Seite neigen müssen. Die in diesen 40 bzw. 28 Jahren gesammelten Erfahrungen zeigen, daß sich alle Chinesen ohne Ausnahme entweder nach der Seite des Imperialismus oder nach der Seite des Sozialismus neigen müssen. Dazwischen auf dem Zaun sitzen ist unmöglich, einen dritten Weg gibt es nicht. Wir sind gegen die reaktionäre Clique Tschiang Kai-scheks, die auf der Seite des Imperialismus steht, und wir sind auch gegen die Illusionen über einen dritten Weg.

"Ihr seid zu herausfordernd." Wir sprechen davon, wie wir mit den in- und ausländischen Reaktionären, das heißt mit den Imperialisten und ihren Lakaien, umzugehen haben, nicht mit irgend jemandem sonst. Diesen Reaktionären gegenüber besteht die Frage gar nicht, ob man herausfordernd ist oder nicht. Sie bleiben sich gleich, ob man sie herausfordert oder nicht, weil sie eben Reaktionäre sind. Nur durch eine klare Abgrenzung zwischen Reaktionären und Revolutionären, durch die Entlarvung der Intrigen und Verschwörungen der Reaktionäre, durch Aufbringen von Wachsamkeit und Aufmerksamkeit in den Reihen der Revolutionäre, durch Steigerung unseres Kampfwillens und Dämpfung der Arroganz des Feindes können wir die Reaktionäre isolieren, sie besiegen oder verdrängen. Vor einer wilden Bestie darf man nicht die geringste Feigheit zeigen. Wir müssen von Wu Sung auf dem Djingyang-Grat5 lernen. Wie Wu Sung die Dinge sah, frißt der Tiger vom Djingyang-Grat Menschen, ganz gleich, ob man ihn herausfordert oder nicht. Entweder muß der Tiger getötet werden, oder man wird von dem Tiger gefressen - eins von beiden.

"Wir wollen Handel treiben." Vollkommen richtig, Handel wird betrieben werden. Wir sind nur gegen jene in- und ausländischen Reaktionäre, die uns vom Handeltreiben abhalten, sonst gegen niemanden. Jedermann soll wissen, daß es niemand anderes sind als die Imperialisten und deren Lakaien - die reaktionäre Clique Tschiang Kai-scheks -, die uns daran hindern, mit ausländischen Staaten Handel zu treiben, und sogar daran, mit ihnen diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Erst wenn wir durch Zusammenschluß aller einheimischen und internationalen Kräfte die in- und ausländischen Reaktionäre zerschlagen haben, werden wir Handel treiben und diplomatische Beziehungen mit allen Staaten auf der Grundlage der Gleichberechtigung, des gegenseitigen Vorteils und der gegenseitigen Achtung der territorialen Integrität und Souveränität aufnehmen können.

"Der Sieg ist auch ohne internationale Hilfe möglich." Das ist eine irrige Ansicht. In einer Epoche, in der der Imperialismus existiert, kann eine wahre Volksrevolution in keinem Land siegen, ohne in verschiedenster Form von den internationalen revolutionären Kräften Unterstützung zu erhalten. Selbst wenn der Sieg errungen ist, ist es unmöglich, ihn ohne solche Unterstützung zu festigen. Dies war auch, wie Lenin und Stalin uns schon vor langem gelehrt haben, bei dem Sieg der Großen Oktoberrevolution und dessen Konsolidierung der Fall. Ebenso verhielt es sich bei der Niederschlagung dreier imperialistischer Mächte im zweiten Weltkrieg und bei der Errichtung der volksdemokratischen Staaten. Das gleiche gilt auch heute und in Zukunft für Volkschina. Man möge doch überlegen: Wenn die Sowjetunion nicht existierte, wenn der Sieg im antifaschistischen zweiten Weltkrieg ausgeblieben wäre, wenn der japanische Imperialismus nicht niedergeschlagen worden wäre, wenn die Länder der Volksdemokratie nicht entstanden wären, wenn sich die unterdrückten Nationen des Ostens nicht zum Kampf erhöben, wenn die Volksmassen in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan und den anderen kapitalistischen Ländern nicht einen Kampf gegen die über sie herrschenden reaktionären Cliquen führten - wenn es all das zusammengenommen nicht gäbe, dann wäre der Druck der auf uns lastenden internationalen reaktionären Kräfte gewiß um ein Vielfaches stärker, als er jetzt ist. Hätten wir unter diesen Umständen siegen können? Offenbar nicht. Genauso unmöglich wäre es, den bereits errungenen Sieg zu konsolidieren. Das chinesische Volk hat überreiche Erfahrung in diesen Dingen. Diese Erfahrung hat schon längst ihren Niederschlag in jenen Worten gefunden, die Sun Yat-sen auf seinem Totenbett über die Notwendigkeit der Vereinigung mit den internationalen revolutionären Kräften sagte.

"Wir benötigen die Hilfe der britischen und der amerikanischen Regierung." In der heutigen Zeit ist auch das eine kindische Vorstellung. Die gegenwärtigen Herrscher Großbritanniens und der USA sind immer noch Imperialisten, würden sie einem Volksstaat Hilfe erweisen? Wenn wir mit diesen Ländern Handel trieben, und angenommen, daß sie künftig bereit sein würden, uns zu gegenseitig vorteilhaften Bedingungen Geld zu leihen, aus welchem Grund täten sie dann dies? Weil die Kapitalisten dieser Länder sich bereichern und die Bankiers Zinsen bekommen wollen, um sich aus ihrer eigenen Krise zu retten, nicht aber, weil sie etwa dem chinesischen Volk helfen wollen. Die kommunistischen Parteien sowie die fortschrittlichen Parteien und Gruppen dieser Länder dringen jetzt bei ihren Regierungen darauf, mit uns Handel zu treiben und sogar diplomatische Beziehungen mit uns herzustellen. Das ist eine gute Absicht, das ist eine Hilfe, das kann man nicht mit den Handlungen der Bourgeoisie dieser Länder auf die gleiche Stufe stellen. Sun Yat-sen appellierte während seines ganzen Lebens unzählige Male an die kapitalistischen Länder um Hilfe. Doch alles war vergebens, er erhielt im Gegenteil eine schonungslose Abfuhr. In seinem ganzen Leben erhielt Sun Yat-sen nur einmal internationale Hilfe, und zwar Hilfe seitens der Sowjetunion. Die Leser mögen das Testament Dr. Sun Yat-sens zur Hand nehmen. Darin ermahnte er die Menschen eindringlich, nicht nach Hilfe von den imperialistischen Ländern Ausschau zu halten, sondern "sich mit jenen Nationen der Welt zu verbünden, die uns als gleichberechtigt behandeln". Dr. Sun Yat-sen hatte seine Erfahrung gemacht; er hatte Schaden erlitten, war betrogen worden. Wir müssen seiner Worte eingedenk sein und dürfen uns nicht wieder betrügen lassen. International gesehen gehören wir auf die Seite der antiimperialistischen Front, an deren Spitze die Sowjetunion steht, und echte und freundschaftliche Hilfe können wir nur auf dieser Seite, nicht aber auf der Seite der imperialistischen Front suchen.

"Ihr seid diktatorisch." Liebenswerte Herren, ihr habt recht, gerade das sind wir. Alle Erfahrungen, die das chinesische Volk jahrzehntelang gesammelt hat, lehren uns, die demokratische Diktatur des Volkes oder die demokratische Alleinherrschaft des Volkes durchzusetzen - jedenfalls läuft beides auf ein und dasselbe hinaus -, das heißt, den Reaktionären das Recht auf Meinungsäußerung zu entziehen und nur dem Volk dieses Recht vorzubehalten.

Wer ist das Volk? Im gegenwärtigen Stadium setzt sich das Volk in China aus der Arbeiterklasse, der Bauernschaft, dem städtischen Kleinbürgertum und der nationalen Bourgeoisie zusammen. Unter Führung der Arbeiterklasse und der Kommunistischen Partei schließen sich diese Klassen zusammen, um ihren eigenen Staat zu bilden und ihre eigene Regierung zu wählen; sie üben eine Diktatur, eine Alleinherrschaft über die Lakaien des Imperialismus aus - über die Grundherrenklasse und die bürokratische Bourgeoisie sowie ihre Repräsentanten, nämlich die Kuomintang-Reaktionäre und deren Helfershelfer -, unterdrücken diese Leute, gestatten ihnen nur, sich gut aufzuführen, und verbieten ihnen, sich in Wort und Tat ungehörig zu benehmen. Wenn sie sich in Wort oder Tat ungehörig benehmen, werden diese Leute sofort in ihre Schranken gewiesen und bestraft werden. Innerhalb des Volkes wird jedoch die Demokratie verwirklicht. Das Volk genießt das Recht auf Rede-, Versammlungs-, Koalitionsfreiheit und andere Freiheiten. Das Stimmrecht wird nur dem Volk, nicht aber den Reaktionären zugestanden. Diese beiden Seiten, die Demokratie für das Volk und die Diktatur über die Reaktionäre bilden zusammen die demokratische Diktatur des Volkes.

Weshalb muß man so vorgehen? Das ist doch jedermann klar. Wenn man nicht so vorginge, würde die Revolution fehlschlagen, würde das Volk ins Unglück gestürzt und der Staat zugrunde gerichtet werden.

"Wollt ihr denn nicht die Staatsmacht beseitigen?" Jawohl, das wollen wir, aber noch nicht jetzt. Wir können das heute noch nicht. Weshalb? Weil der Imperialismus noch besteht, weil es im Land noch Reaktionäre, noch Klassen gibt. Unsere Aufgabe besteht gegenwärtig darin, den Staatsapparat des Volkes - das sind hauptsächlich die Volksarmee, die Volkspolizei und die Volksgerichte - zu stärken, um die Landesverteidigung zu festigen und die Interessen des Volkes zu schützen. Unter dieser Bedingung kann China unter der Führung der Arbeiterklasse und der Kommunistischen Partei sicheren Schrittes den Übergang von einem Agrarland in ein Industrieland, von einer Gesellschaft der Neuen Demokratie in eine sozialistische und kommunistische Gesellschaft vollziehen, die Klassen aufheben und die Große Harmonie verwirklichen. Der Staatsapparat, also die Armee, die Polizei, die Gerichtshöfe u. a., ist das Instrument zur Unterdrückung einer Klasse durch eine andere. Gegenüber den feindlichen Klassen ist er ein Instrument der Unterdrückung, stellt er eine Gewalt dar und ist keine "humane" Einrichtung. "Ihr seid nicht 'human'." Das stimmt. Gegenüber der reaktionären Tätigkeit der Reaktionäre und der reaktionären Klassen üben wir keineswegs humane Politik aus. Wir verfolgen lediglich innerhalb des Volkes eine humane Politik, nicht aber in bezug auf die reaktionäre Tätigkeit der Reaktionäre und der reaktionären Klassen, die außerhalb der Reihen des Volkes stehen.

Der Staat des Volkes schützt das Volk. Nur wenn das Volk seinen eigenen Staat besitzt, kann es mit demokratischen Methoden im Maßstab des ganzen Landes und unter Beteiligung aller sich selbst erziehen und umerziehen, sich vom Einfluß der in- und ausländischen Reaktionäre freimachen (heute ist dieser Einfluß noch sehr stark, er wird noch eine lange Periode hindurch bestehen und kann nicht schnell beseitigt werden), die in der alten Gesellschaft erworbenen schlechten Gewohnheiten und Gedanken korrigieren, kann es verhüten, daß es von den Reaktionären auf falsche Wege verleitet wird, kann es weiter vorwärtsschreiten - der sozialistischen und kommunistischen Gesellschaft entgegen.

Die von uns dazu angewandten Methoden sind demokratisch, das heißt Methoden der Überzeugung, nicht aber solche des Zwangs. Gesetzesübertreter aus dem Volk muß man gleichfalls bestrafen, ins Gefängnis stecken oder sogar zum Tode verurteilen; doch werden das einige wenige einzelne Fälle sein, die sich grundsätzlich von der Diktatur über die reaktionäre Klasse als eine Klasse unterscheiden.

Nach dem Sturz der Herrschaft der reaktionären Klassen und Cliquen wird man deren Angehörigen, sofern sie keine Rebellionen anzetteln, keine Sabotageakte verüben oder keine Unruhe stiften, ebenfalls Boden oder Arbeitsplätze geben, damit sie ihren Lebensunterhalt erwerben und sich durch ihre Arbeit zu neuen Menschen ummodeln können. Wenn sie nicht arbeiten wollen, wird der Staat des Volkes sie zur Arbeit zwingen. Unter ihnen wird auch eine propagandistische und Erziehungsarbeit geleistet werden, und zwar so sorgfältig und gründlich, wie wir sie bei kriegsgefangenen Offizieren durchgeführt haben. Auch das kann man als "humane Politik" bezeichnen, aber sie wird den Angehörigen der ursprünglich feindlichen Klassen von uns aufgezwungen und kann nicht mit der Selbsterziehungsarbeit, die wir innerhalb des revolutionären Volkes durchführen, auf eine Stufe gestellt werden.

Eine solche Ummodelung der Angehörigen der reaktionären Klassen kann nur ein Staat der demokratischen Diktatur des Volkes unter Führung der Kommunistischen Partei vollbringen. Wenn diese Arbeit mit Erfolg geleistet wird, werden die hauptsächlichen Ausbeuterklassen Chinas - die Grundherrenklasse und die bürokratische Bourgeoisie, d. h. die Klasse der Monopolkapitalisten - ein für allemal beseitigt sein. Es verbleibt die nationale Bourgeoisie; in der gegenwärtigen Phase kann an vielen unter ihren Angehörigen schon ein gutes Stück entsprechender Erziehungsarbeit geleistet werden. Wenn der Zeitpunkt kommt, den Sozialismus zu verwirklichen, also die Privatunternehmungen zu verstaatlichen, werden wir einen Schritt weiter zu ihrer Erziehung und Ummodelung gehen. In den Händen des Volkes befindet sich ein starker Staatsapparat, und man braucht eine Rebellion der nationalen Bourgeoisie nicht zu fürchten.

Ein ernstes Problem ist die Erziehung der Bauern. Die bäuerliche Wirtschaft ist zersplittert. Nach den Erfahrungen der Sowjetunion wird die Vergesellschaftung der Landwirtschaft eine lange Zeit brauchen und eine umsichtige Arbeit erfordern. Ohne die Vergesellschaftung der Landwirtschaft kann es keinen vollständigen, gefestigten Sozialismus geben. Die Vergesellschaftung der Landwirtschaft muß mit der Entwicklung einer mächtigen Industrie, deren Rückgrat die staatlichen Unternehmungen bilden, Schritt halten 6. Der Staat der demokratischen Diktatur des Volkes muß das Problem der Industrialisierung des Landes systematisch lösen. Da Wirtschaftsprobleme in diesem Artikel nicht ausführlich behandelt werden sollen, will ich auf sie nicht näher eingehen.

Im Jahre 1924 nahm der 1. Nationalkongreß der Kuomintang, der von Sun Yat-sen persönlich geleitet wurde und an dem sich auch die Kommunisten beteiligten, ein berühmtes Manifest an. In diesem Manifest hieß es :

Das sogenannte demokratische System in den modernen Staaten wird häufig von der Bourgeoisie monopolisiert und verwandelt sich somit in ein Instrument zur Unterdrückung des einfachen Volkes. Aber die Demokratie, wie sie die Kuomintang zu einem ihrer Prinzipien gemacht hat, ist Gemeingut des einfachen Volkes und nicht Privatbesitz einer kleinen Minderheit.

Abgesehen von der Frage, wer wen führt, entspricht das eben erwähnte Prinzip der Demokratie als allgemeines politisches Programm dem, was wir Volksdemokratie oder Neue Demokratie nennen. Wenn ein Staatssystem, das nur Gemeingut des einfachen Volkes ist und nicht Privatbesitz der Bourgeoisie sein darf, überdies von der Arbeiterklasse geführt wird, dann stellt es die Staatsordnung der demokratischen Diktatur des Volkes dar.

Tschiang Kai-schek verriet Sun Yat-sen und bediente sich der Diktatur der bürokratischen Bourgeoisie und der Grundherrenklasse als Werkzeug zur Unterdrückung des einfachen chinesischen Volkes. Diese konterrevolutionäre Diktatur wurde 22 Jahre lang durchgesetzt und ist erst jetzt vom einfachen Volk Chinas unter unserer Führung gestürzt worden.

Die ausländischen Reaktionäre, die uns der "Diktatur" oder des "Totalitarismus" zeihen, sind selbst Diktatoren bzw. totalitäre Machthaber. Sie üben die Diktatur, die totalitäre Herrschaft einer einzigen Klasse, der Bourgeoisie, über das Proletariat und das übrige Volk aus. Eben an diese Leute dachte Sun Yat-sen, als er von der Bourgeoisie in den modernen Staaten sprach, die das einfache Volk unterdrückt. Und von eben diesen reaktionären Schurken hat Tschiang Kai-schek die konterrevolutionäre Diktatur erlernt.

Dschu Hsi, ein Philosoph aus der Zeit der Sung-Dynastie, hat viele Bücher geschrieben und Aussprüche getan, die jetzt vergessen sind; doch ein Satz ist noch immer in Erinnerung: "Verfahre mit den Menschen, wie sie mit anderen verfahren."7. Gerade das tun wir jetzt: Wir verfahren mit den Imperialisten und ihren Lakaien - der reaktionären Clique Tschiang Kai-scheks - ebenso, wie sie mit uns verfahren. Das ist alles, und nichts weiter!

Die revolutionäre Diktatur und die konterrevolutionäre Diktatur sind ihrem Charakter nach einander entgegengesetzt, aber erstere ist von letzterer erlernt. Dieses Lernen ist von ungemein großer Wichtigkeit. Wenn das revolutionäre Volk nicht lernt, seine Herrschaft über die konterrevolutionären Klassen auf diese Weise auszuüben, ist es nicht imstande, die Macht zu behalten, wird seine Macht von den in- und ausländischen Reaktionären gestürzt, werden diese ihre Herrschaft über China wiederherstellen, wird das revolutionäre Volk eine Katastrophe erleiden.

Die Basis der demokratischen Diktatur des Volkes ist das Bündnis der Arbeiterklasse, der Bauernschaft und des städtischen Kleinbürgertums, in erster Linie aber das Bündnis zwischen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft, denn diese beiden bilden 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung Chinas. Der Imperialismus und die reaktionäre Kuomintang-Clique wurden hauptsächlich durch die Kraft der Arbeiterklasse und der Bauernschaft gestürzt. Der Übergang von der Neuen Demokratie zum Sozialismus hängt vor allem vom Bündnis dieser beiden Klassen ab.

Die demokratische Diktatur des Volkes braucht die Führung durch die Arbeiterklasse; denn die Arbeiterklasse ist am weitsichtigsten und selbstlosesten, sie ist am konsequentesten revolutionär. Die ganze Geschichte der Revolution zeugt davon, daß die Revolution zum Scheitern verurteilt ist, wenn sie nicht von der Arbeiterklasse geführt wird, daß sie aber unter Führung der Arbeiterklasse siegreich ist. Im Zeitalter des Imperialismus kann in keinem einzigen Land eine andere Klasse eine wirkliche Revolution zum Sieg führen. Das geht klar aus der Tatsache hervor, daß das Kleinbürgertum und die nationale Bourgeoisie Chinas zwar mehrmals Revolutionen geführt haben, diese aber immer mit einer Niederlage endeten.

Der nationalen Bourgeoisie kommt im gegenwärtigen Stadium sehr große Bedeutung zu. Wir haben noch immer den Imperialismus vor uns, der ein sehr grausamer Feind ist. Der Anteil der modernen chinesischen Industrie an der gesamten Volkswirtschaft ist noch immer sehr gering. Es fehlen heute zuverlässige statistische Angaben, aber auf Grund gewisser Materialien kann man schätzungsweise annehmen, daß vor dem Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression der Produktionswert der modernen Industrie nur etwa 10 Prozent des Gesamtwertes der Produktion der Volkswirtschaft ausmachte. Um der Unterdrückung durch die Imperialisten zu begegnen und die rückständige Wirtschaft auf ein höheres Niveau zu heben, muß China alle Faktoren des Kapitalismus in Stadt und Land ausnutzen, die der Volkswirtschaft und der Lebenshaltung des Volkes Nutzen bringen und nicht Schaden zufügen, müssen wir uns mit der nationalen Bourgeoisie für einen gemeinsamen Kampf zusammenschließen. Unsere gegenwärtige Politik besteht darin, den Kapitalismus zu regulieren, aber nicht, ihn zu liquidieren. Die nationale Bourgeoisie kann jedoch nicht Führer der Revolution sein und soll in den Machtorganen des Staates ebenfalls nicht die Hauptrolle spielen. Der Grund dafür, warum sie nicht Führer der Revolution sein kann und in den Machtorganen des Staates nicht die Hauptrolle spielen soll, besteht darin, daß ihre sozialökonomische Stellung ihre Schwäche bedingt, es mangelt ihr an Weitsicht und genügend Mut, und viele von ihr haben Angst vor den Volksmassen.

Sun Yat-sen trat dafür ein, "die Volksmassen zu wecken", beziehungsweise "die Bauern und Arbeiter zu unterstützen". Wer soll sie aber "wecken" und "unterstützen"? Sun Yat-sen meinte dabei das Kleinbürgertum und die nationale Bourgeoisie. Aber in der Praxis ließ sich das nicht verwirklichen. Warum blieben die 40 Jahre der Revolution unter Sun Yat-sen erfolglos? Das war eben deshalb, weil das Kleinbürgertum und die nationale Bourgeoisie im Zeitalter des Imperialismus keine wirkliche Revolution zum Sieg führen können.

Unsere 28 Jahre nahmen einen ganz anderen Verlauf. Wir haben viele wertvolle Erfahrungen gesammelt. Eine disziplinierte Partei, die mit der Theorie des Marxismus-Leninismus gewappnet ist, die Methode der Selbstkritik anwendet und mit den Volksmassen verbunden ist; eine Armee, die unter Führung einer solchen Partei steht; eine von einer solchen Partei geführte Einheitsfront aller revolutionären Klassen und aller revolutionären Gruppen - das sind die drei Hauptwaffen, mit denen wir die Feinde besiegt haben. Durch alles das unterscheiden wir uns von unseren Vorgängern. Gestützt auf diese drei Waffen haben wir nun im wesentlichen den Sieg errungen. Wir haben einen Weg voller Windungen und Wendungen zurückgelegt. Wir haben gegen opportunistische Abweichungen innerhalb der Partei gekämpft, sowohl rechte wie "linke". Sobald ernste Fehler in diesen drei Bereichen begangen wurden, erlitt die Revolution Rückschläge. Wir sind durch die Fehler und Rückschläge belehrt, sind klüger geworden, arbeiten besser. Fehler sind in jeder Partei und bei jedem Menschen schwer zu vermeiden, aber wir wollen möglichst wenige begehen. Wenn ein Fehler begangen wurde, muß er korrigiert werden, und je schneller und gründlicher das geschieht, um so besser.

Unsere Erfahrungen können in einem Punkt zusammengefaßt werden: das ist die demokratische Diktatur des Volkes, geführt von der Arbeiterklasse (durch die Kommunistische Partei) und gestützt auf das Bündnis der Arbeiter und Bauern. Diese Diktatur muß sich mit den internationalen revolutionären Kräften vereinigen. Das ist unsere Formel, unsere Haupterfahrung, unser Hauptprogramm.

28 Jahre unserer Partei sind eine lange Zeit, in der wir nur eins erreicht haben - wir haben den grundlegenden Sieg im revolutionären Krieg errungen. Das ist wert, gefeiert zu werden, denn es ist ein Sieg des Volkes, ein Sieg in China, diesem so großen Land. Aber viel Arbeit ist noch zu tun; verglichen mit einer Wanderung, so ist das Getane nur der erste Schritt eines zehntausend Li langen Marsches. Wir haben noch die Überreste des Feindes zu vernichten. Vor uns steht die ernsthafte Aufgabe des wirtschaftlichen Aufbaus. Manche Dinge, mit denen wir vertraut sind, werden wir bald beiseite lassen, und Dinge, die uns neu sind, werden uns zwingen, ihnen nachzugehen. Das sind die Schwierigkeiten. Die Imperialisten rechnen damit, daß wir mit der Wirtschaft nicht zurechtkommen werden, sie stehen an der Seite, schauen zu und warten auf unser Versagen.

Wir müssen die Schwierigkeiten überwinden und das beherrschen lernen, was wir noch nicht wissen. Wir müssen von allen Fachleuten - wer es auch sein mag - lernen, die Wirtschaft zu handhaben. Wir müssen bei ihnen in die Lehre gehen und von ihnen respektvoll und gewissenhaft lernen. Wenn wir etwas nicht wissen, müssen wir das zugeben, dürfen nicht so tun, als wüßten wir es. Wir dürfen uns nicht als Bürokraten aufspielen. Wenn wir in eine Sache tief eindringen, werden wir sie schließlich in einigen Monaten, in ein bis zwei oder in drei bis fünf Jahren meistern. Anfangs kamen auch manche sowjetische Kommunisten mit der Wirtschaft nicht ganz zurecht, und die Imperialisten warteten gleichfalls auf ihr Versagen. Aber die Kommunistische Partei der Sowjetunion hat gesiegt, unter der Führung Lenins und Stalins konnte sie nicht nur die Revolution durchführen, sondern auch den Aufbau meistern. Sie hat einen großen, glänzenden sozialistischen Staat aufgebaut. Die Kommunistische Partei der Sowjetunion ist unser bester Lehrer, wir müssen von ihr lernen. Die internationale Lage und die Lage im Land selbst sind für uns günstig, wir können uns voll und ganz auf die Waffe der demokratischen Diktatur des Volkes verlassen, alle Menschen im Land mit Ausnahme der Reaktionäre zusammenschließen und sicheren Schrittes unser Ziel erreichen.

ANMERKUNGEN

1. Siehe Der "linke Radikalismus", die Kinderkrankheit im Kommunismus, Kapitel 2, wo Lenin sagt: "Im Laufe ungefähr eines halben Jahrhunderts, etwa von den vierziger und bis zu den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, suchte das fortschrittliche Denken in Rußland, unter dem Joch des unerhört barbarischen und reaktionären Zarismus, begierig nach der richtigen revolutionären Theorie und verfolgte mit erstaunlichem Eifer und Bedacht jedes ,letzte Wort` Europas und Amerikas auf diesem Gebiet. Den Marxismus als die einzig richtige revolutionäre Theorie hat sich Rußland wahrhaft in Leiden errungen, durch ein halbes Jahrhundert unerhörter Qualen und Opfer, beispiellosen revolutionären Heldentums, unglaublicher Energie und hingebungsvollen Suchens, Lernens, praktischen Erprobens, der Enttäuschungen, des Überprüfens, des Vergleichens mit den Erfahrungen Europas."

2. Kang Yu-we (1858-1927), geboren im Kreis Nanhai, Provinz Kuangtung. Im Jahre 1899, nachdem China im Verlauf des Krieges gegen den japanischen Imperialismus im Jahre 1894 eine Niederlage erlitten hatte, bewog er 1300 Kandidaten für die dritte Stufe der kaiserlichen Examen, die damals in Peking versammelt waren, dazu, gemeinsam die "Bittschrift der zehntausend Worte" an den Kaiser Guanghsü zu richten, worin "eine Reform zur Neugestaltung des Landes" sowie die Umwandlung der absoluten Monarchie in eine konstitutionelle Monarchie gefordert wurden. 1868 betraute der Kaiser Guanghsü in dem Versuch zur Durchführung von Reformen Kang Yu-we, Tan Si-tung, Liang Tji-tschao und andere mit Posten für staatliche Angelegenheiten. Mit der erneuten Machtergreifung der Kaiserinwitwe Tsihsi, der Vertreterin der Ultrakonservativen, scheiterte diese Reformbewegung. Darauf flüchteten Kang Yu-we und Liang Tji-tschao ins Ausland und gründeten die Partei zum Schutz des Kaisers, die gegen die von Sun Yat-sen vertretene revolutionäre Gruppe der Bourgeoisie und des Kleinbürgertums auftrat und zu einer reaktionären politischen Gruppierung wurde. Unter den Schriften Kang Yu-wes sind Untersuchungen über Verfälschungen in konfuzianischen Kanons durch die Hsin-Schule, Konfuzius als Reformer, Das Buch über die Große Harmonie.

3. Yän Fu (1853-1921), geboren im Kreis Minhou, Provinz Fukien, studierte einst an einer Marineschule in England. Nach dem Ausbruch des Chinesisch-Japanischen Krieges im Jahre 1894 befürwortete er eine konstitutionelle Monarchie und Reform zur Neugestaltung des Landes. Seine Übersetzungen der Werke: Thomas Henry Huxley, Evolution and Ethics; Adam Smith, The Wealth of Nations; John Stuart Mill, System of Logic; Charles Montesquieu, L' Esprit des Lois usw. machten Ideen der Bourgeoisie Europas in China bekannt.

4. Vgl. die Arbeit "Über die Neue Demokratie", Anmerkung 17, Ausgewählte Werke Mao Tse-tungs, Bd. 2, S. 449.

5. Wu Sung ist ein Held aus dem bekannten chinesischen Roman Die Helden vom Liangschan-Moor, der auf dem Djingyang-Grat einen Tiger erschlug. Diese Episode des Romans ist beim Volk sehr populär.

6. Zur Frage der Beziehung zwischen der Vergesellschaftung der Landwirtschaft und der Industrialisierung des Landes siehe den 7. und 8. Teil des Referats des Genossen Mao Tse-tung Zur Frage des genossenschaftlichen Zusammenschlusses in der Landwirtschaft, das er am 31. Juli 1955 auf der Beratung der Sekretäre der Provinz- Stadt- und Gebietskomitees der Kommunistischen Partei Chinas hielt. In diesem Referat gab er auf der Grundlage der Erfahrungen der Sowjetunion und der chinesischen Praxis der These, daß die Vergesellschaftung der Landwirtschaft mit der sozialistischen Industrialisierung Schritt halten muß, eine großartige Weiterentwicklung.

7. Worte aus einem Kommentar des Philosophen Dschu Hsi (1130-1200) aus der Zeit der Sung-Dynastie zum 13. Kapitel des Buches Dschungyung (Des goldene Mittelweg).

ANMERKUNGEN DES ÜBERSETZERS

[1] Gemeint ist die kommunistische Gesellschaft.

Mao AW Band IV

Mao Werke