Mao AW Band IV

Mao Werke


Mao Tse-tung: 

ARBEITSMETHODEN DER PARTEIKOMITEES*

(13. März 1949)


Diese Version aus: Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band IV, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1969, S. 401-406


 1. Der Sekretär des Parteikomitees muß es verstehen, ein guter "Gruppenführer" zu sein. Jedes Parteikomitee setzt sich aus zehn bis zwanzig Mitgliedern zusammen; es ähnelt zahlenmäßig einer Gruppe in der Armee, und der Parteisekretär ist einem "Gruppenführer" vergleichbar. Es ist wirklich nicht leicht, diese Gruppe gut zu führen. Gegenwärtig unterstehen den Regionalbüros des Zentralkomitees und dessen Zweigregionalbüros sehr große Gebiete, und ihre Aufgaben sind sehr schwer. Führen bedeutet nicht nur, Kurs und Richtlinien festzulegen, sondern auch richtige Arbeitsmethoden auszuarbeiten. Auch bei richtigem Kurs und korrekten Richtlinien können immer noch Schwierigkeiten auftauchen, wenn man mit den Arbeitsmethoden nachlässig ist. Will ein Parteikomitee seinen Führungsaufgaben gerecht werden, muß es sich auf seine "Mannschaft" stützen und seinen Mitgliedern volle Entfaltungsmöglichkeit bieten. Um ein guter "Gruppenführer" zu werden, muß der Sekretär intensiv lernen und die Probleme gründlich studieren. Wenn sich der Sekretär und sein Stellvertreter um die Propaganda- und Organisationsarbeit unter ihrer "Mannschaft" nicht kümmern, es nicht verstehen, in ihren Beziehungen zu den Komiteemitgliedern richtig vorzugehen, und nicht studieren, wie man erfolgreich Sitzungen abhält, wird es ihnen sehr schwerfallen, ihre "Mannschaft" gut zu befehligen. Wenn diese "Mannschaft" nicht gleichen Schritt hält, dann ist gar nicht daran zu denken, daß sie Millionen von Menschen im Kampf und beim Aufbau führt. Die Beziehungen zwischen Sekretär und Komiteemitgliedern beruhen natürlich auf der Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit und unterscheiden sich dadurch von den Beziehungen zwischen Gruppenführern und Soldaten, die hier nur als Analogie verwendet wurden.

2. Fragen müssen offen aufs Tapet gebracht werden. Das gilt nicht nur für den "Gruppenführer", sondern auch für die Mitglieder des Komitees. Man darf nicht hinter dem Rücken anderer reden. Wenn Fragen auftreten, muß man Sitzungen einberufen, die Fragen zur Diskussion stellen und diese oder jene Beschlüsse dazu fassen; so werden die Fragen gelöst. Wenn es Fragen gibt und diese Fragen aber nicht aufgerollt werden, ist es möglich, daß sie lange, sogar mehrere Jahre hindurch ungelöst bleiben. Der "Gruppenführer" und die Komiteemitglieder müssen einander verstehen können. Gegenseitiges Verständnis, gegenseitige Unterstützung und Freundschaft zwischen dem Sekretär und den Komiteemitgliedern, zwischen dem Zentralkomitee und seinen Regionalbüros sowie zwischen den Regionalbüros und den Gebietsparteikomitees sind wichtiger als alles andere. Früher wurde das nicht beachtet. Seit dem VII. Parteitag wurden in dieser Hinsicht große Fortschritte gemacht. Die Beziehungen der Freundschaft und Geschlossenheit haben sich bedeutend verstärkt. Künftig sollte man immer darauf achten.

3. "Austausch von Informationen". Das heißt, alle Mitglieder eines Parteikomitees müssen einander über Dinge, die ihnen zur Kenntnis gelangen, Mitteilung machen und ihre Meinungen darüber austauschen. Das ist sehr wichtig, wenn man eine gemeinsame Sprache finden will. Manche handeln aber nicht danach, sondern verhalten sich so, wie Lao Dsi sagte: "Man hört beim andern Hahnenschrei und Hundegebell, verkehrt aber sein Lebtag nicht miteinander."1 Infolgedessen mangelt es ihnen an einer gemeinsamen Sprache. Manche unserer hohen Funktionäre finden sogar zu den grundlegenden theoretischen Fragen des Marxismus-Leninismus keine gemeinsame Sprache, weil sie nicht genügend studiert haben. Jetzt ist die Sprache in der Partei verhältnismäßig einheitlich, aber die Frage ist noch nicht ganz gelöst. Während der Bodenreform gab es z. B. immer unterschiedliche Auffassungen darüber, was "Mittelbauern" und was "Großbauern" wären.

4. Wenn man etwas nicht versteht oder nicht weiß, muß man die Funktionäre der unteren Ebenen fragen, darf man nicht leichthin eine Zustimmung oder Ablehnung äußern. Manche Dokumente werden daher vorläufig zurückgehalten, nicht zur Zirkulation freigegeben, obwohl sie schon ausgearbeitet sind, weil es darin noch einige ungeklärte Fragen gibt, über die man zuerst die Ansichten der Genossen der unteren Ebenen einholen muß. Wir dürfen uns auf keinen Fall wissend stellen, wenn wir etwas nicht wissen. Man soll "sich nicht schämen, Menschen niederer Stellung zu befragen und von ihnen zu lernen"2. Wir müssen es verstehen, die Ansichten der Funktionäre niederer Ebenen aufmerksam anzuhören. Man muß erst Schüler sein, bevor man Lehrer wird; erst muß man sich bei den unteren Funktionären Rat holen, dann kann man Befehle erteilen. Alle Regionalbüros des Zentralkomitees und Frontparteikomitees sollten so verfahren, wenn sie Probleme behandeln, es sei denn, die militärische Lage erfordere dringend eine Entscheidung, oder die Angelegenheit sei bereits geklärt. Das kann dem eigenen Ansehen nicht schaden, sondern es nur erhöhen. Wenn unsere Beschlüsse die richtigen Ansichten der unteren Funktionäre berücksichtigen, werden sie sie bestimmt unterstützen. Was die unteren Funktionäre sagen, kann richtig oder falsch sein; hat man sie angehört, muß man eine Analyse vornehmen. Richtige Ansichten muß man zur Kenntnis nehmen und nach ihnen handeln. Daß die Führung durch das Zentralkomitee korrekt ist, liegt hauptsächlich daran, daß es das Material, die Berichte und die richtigen Ansichten, die es aus allen Gegenden erhält, zusammenfaßt. Für das Zentralkomitee wäre es schwer, richtige Anordnungen zu erlassen, wenn diese Gegenden nicht Material und Ansichten lieferten. Auch falsche Ansichten, die von unten kommen, muß man sich anhören; das kategorisch abzulehnen wäre unrichtig. Doch darf man nicht nach ihnen handeln, sondern muß sie kritisieren.

5. "Klavier spielen" lernen. Beim Klavierspielen müssen sich alle zehn Finger bewegen ; es geht nicht, daß sich dabei einige bewegen und andere nicht. Wenn jedoch alle zehn Finger gleichzeitig auf die Tasten drücken, kommt auch keine Melodie heraus. Um gute Musik hervorzubringen, muß die Bewegung der zehn Finger rhythmisch und koordiniert sein. Ein Parteikomitee muß die zentrale Aufgabe anpacken und festhalten, jedoch, mit dieser im Mittelpunkt, gleichzeitig die Arbeit auf anderen Gebieten entfalten. Wir haben uns jetzt um viele Arbeitsbereiche zu kümmern; wir müssen in allen Gegenden, Truppenteilen und Sparten nach dem Rechten sehen, dürfen nicht lediglich einem Teil der Fragen Aufmerksamkeit schenken, andere aber aus den Augen verlieren. Überall, wo eine Frage auftaucht, müssen wir diese Taste anschlagen; das ist eine Methode, die wir unbedingt zu meistern haben. Manche spielen gut Klavier, andere schlecht, und die Melodien, die dabei herauskommen, unterscheiden sich stark voneinander. Die Genossen des Parteikomitees müssen gut "Klavier spielen" lernen.

6. Man muß "fest anpacken". Das heißt, das Parteikomitee darf seine Hauptaufgaben nicht bloß "aufgreifen", es muß sie vielmehr "fest anpacken". Wir können ein Ding nur ergreifen, wenn wir es fest packen, ohne den Griff auch nur im mindesten zu lockern. Etwas fassen, ohne es festzuhalten, hieße soviel wie etwas nicht fassen. Mit gespreizten Fingern kann man natürlich nichts greifen. Schließt man die Hand, schließt sie aber nicht fest, dann schaut das wie ein Greifen aus, doch hat man das Ding nicht wirklich ergriffen. Manche unserer Genossen greifen zwar die Hauptaufgaben auf, packen sie aber nicht fest an, und so kann die Arbeit nicht gut verrichtet werden. Wenn man nichts aufgreift, kommt nichts dabei heraus; wenn man eine Sache aufgreift, sie jedoch nicht fest anpackt, kommt auch nichts dabei heraus.

7. "zahlen" im Kopf haben. Das heißt, man muß die quantitative Seite einer Situation oder eines Problems beachten, muß eine grundlegende quantitative Analyse vornehmen. Jede Qualität drückt sich in einer bestimmten Quantität aus, ohne Quantität gibt es keine Qualität. Viele unserer Genossen verstehen bis jetzt noch immer nicht, die quantitative Seite der Dinge zu beachten, nämlich die grundlegenden Statistiken, die wichtigsten Prozentanteile und die quantitativen Grenzen, welche die Qualität der Dinge bestimmen; für nichts haben sie "Zahlen" im Kopf und machen infolgedessen unvermeidlich Fehler. Zum Beispiel, wenn man die Bodenreform durchführen will, muß man solche Zahlen wie den Prozentsatz der Grundherren, Groß-, Mittelund armen Bauern unter der gesamten Bevölkerung kennen und wissen, wieviel Boden jede dieser Gruppen besitzt; erst dann ist es möglich, auf dieser Grundlage eine richtige Politik auszuarbeiten. Es muß eine zahlenmäßige Grenze auch dafür errechnet werden, wer Großbauer und wer wohlhabender Mittelbauer ist, bei welchem Anteil des Einkommens aus Ausbeutung man als Großbauer zum Unterschied vom wohlhabenden Mittelbauern gilt. Bei jeder Massenbewegung muß man grundlegend untersuchen und analysieren, wieviel Menschen sie aktiv unterstützen, wieviel dagegen sind und wieviel eine neutrale Haltung einnehmen, und man darf nicht ohne Unterlagen, subjektiv Fragen entscheiden.

8. "Bekanntmachung zur Beruhigung der Bevölkerung". Man muß eine Sitzung, ebenso wie man eine "Bekanntmachung zur Beruhigung der Bevölkerung" anschlägt, den Teilnehmern vorher ankündigen, damit sie wissen, welche Fragen diskutiert und welche gelöst werden sollen, und sich rechtzeitig darauf vorbereiten können. Es ist manchenorts vorgekommen, daß vor Funktionärversammlungen keine Berichte und Resolutionsentwürfe ausgearbeitet worden waren, und erst als die Teilnehmer eintrafen, improvisierte man sie so gut es ging. Das erinnert an das Wort: "Die Truppen und Pferde sind da, doch Proviant und Futter stehen noch nicht bereit." So etwas ist nicht gut. Ist man nicht vorbereitet, soll man sich nicht damit beeilen, eine Sitzung abzuhalten.

9. "Weniger Truppen, aber bessere, und eine einfachere Verwaltung". Reden, Vorträge, Artikel und Resolutionen sollen einfach und klar sein und den Kern der Sache treffen. Man soll auch nicht zu lange Sitzungen abhalten.

10. Es ist darauf zu achten, daß man sich mit Genossen, die eine andere Meinung haben, vereinigt und mit ihnen zusammenarbeitet. Darauf muß man sowohl in den örtlichen Verwaltungen und Organisationen als auch in der Armee achten. Das gleiche gilt für die Beziehungen zu Menschen, die nicht der Kommunistischen Partei angehören. Wir kommen aus allen Teilen des Landes und müssen es verstehen, uns nicht nur mit jenen Genossen, die unsere Ansichten teilen, sondern auch mit jenen, die anderer Meinung sind, zu vereinigen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Es gibt unter uns noch einige, die schwere Fehler begangen haben. Wir sollten diese Genossen nicht von uns weisen, sondern bereit sein, mit ihnen zusammenzuarbeiten.

11. Sich sehr davor in acht nehmen, daß man überheblich wird. Das ist von prinzipieller Bedeutung für die leitenden Genossen und ist auch eine wichtige Voraussetzung für die Erhaltung der Einheit. Auch wer keine schweren Fehler begangen und sogar große Erfolge in seiner Arbeit errungen hat, darf nicht überheblich werden. Es ist verboten, zu den Geburtstagen der Führer der Partei Festlichkeiten zu veranstalten und Ortschaften, Straßen und Betriebe nach ihnen zu nennen. Wir sollten weiterhin einfach leben und hart arbeiten und mit der Lobhudelei Schluß machen.

12. Man muß deutlich zweierlei Trennungslinien ziehen. Zunächst ist es die zwischen Revolution und Konterrevolution, zwischen Yenan und Sian3. Manche verstehen nicht, daß man diese Trennungslinie ziehen muß. Wenn sie z. B. gegen den Bürokratismus kämpfen, dann sprechen sie von Yenan so, als wäre hier "nichts in Ordnung", vergleichen nicht den Bürokratismus in Yenan mit dem Bürokratismus in Sian und stellen keine Unterschiede zwischen beiden fest. Damit begehen sie einen grundlegenden Fehler. Sodann muß man in den Reihen der Revolution zwischen Richtigem und Falschem, zwischen Erfolgen und Mängeln eine deutliche Trennungslinie ziehen und klarstellen, welches von beiden primär, welches sekundär ist. Machen z. B. die Erfolge dreißig Prozent oder siebzig Prozent aus? Man darf sie weder schmälern noch übertreiben. Die Arbeit eines Menschen muß man grundsätzlich danach einschätzen, ob sie zu dreißig Prozent als erfolgreich und zu siebzig Prozent als fehlerhaft zu bezeichnen ist, oder umgekehrt. Machen seine Erfolge siebzig Prozent des Gesamtresultats aus, dann muß man seine Arbeit im großen und ganzen als positiv bewerten. Sind hauptsächlich Erfolge zu verzeichnen, ist es völlig falsch, die Fehler in den Vordergrund zu stellen. Wenn wir eine Frage behandeln, dürfen wir auf keinen Fall vergessen, diese beiden Trennungslinien deutlich zu ziehen: die zwischen Revolution und Konterrevolution und die zwischen Erfolgen und Mängeln. Wenn wir uns diese beiden Trennungsstriche vor Augen halten, läßt sich alles gut erledigen; andernfalls wird man das Wesen des Problems verwirren. Um den Trennungsstrich richtig zu ziehen, ist es natürlich nötig, sorgfältige Studien und Analysen vorzunehmen. Wir müssen uns darauf einstellen, jeden Menschen und jede Angelegenheit zu analysieren und zu studieren.

Die Genossen des Politbüros wie auch ich sind der Meinung, daß nur bei Anwendung der erwähnten Methoden die Parteikomitees gut arbeiten können. Es ist außerordentlich wichtig, daß die Parteikomitees aller Ebenen außer der erfolgreichen Durchführung der Parteitage auch eine gute Leitungstätigkeit aufzuweisen haben. Wir müssen unbedingt für gute Arbeitsmethoden sorgen, um die Leitungstätigkeit der Parteikomitees auf ein höheres Niveau zu heben.

ANMERKUNGEN

* Ein Teil des Schlußwortes des Genossen Mao Tse-tung auf der 2. Plenartagung des auf dem 7. Parteitag gewählten Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas.

1. Siehe Lao Dsi, Kapitel 80.

2. Siehe Lunyü (Gespräche), Buch 5, "Gungyä Tschang".

3. Von Januar 1937 bis März 1947 befand sich der Sitz des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas in Yenan, während Sian das Zentrum der Herrschaft der Kuomintang-Reaktion in Nordwestchina war. Genosse Mao Tse-tung versinnbildlicht durch die beiden Städte Revolution und Konterrevolution.

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