Mao AW Band IV

Mao Werke


Mao Tse-tung: 

GESPRÄCH MIT DER AMERIKANISCHEN KORRESPONDENTIN ANNA LOUISE STRONG*

 (August 1946)


Diese Version aus: Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band IV, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1969, S. 97-102


Frage Strongs: Glauben Sie, daß Hoffnung auf eine politische, eine friedliche Lösung der Probleme Chinas in naher Zukunft besteht?

Antwort Mao Tse-tungs: Das hängt von der Haltung der USA-Regierung ab. Wenn das amerikanische Volk den USA-Reaktionären, die Tschiang Kai-schek den Bürgerkrieg führen helfen, die Hände bindet, gibt es eine Hoffnung auf Frieden.

Frage: Wie lange könnte Tschiang Kai-schek den Krieg noch führen, wenn die USA - abgesehen von der Hilfe, die sie schon geleistet haben1 - keine weitere Unterstützung geben würden? Antwort: Mehr als ein Jahr.

Frage: Kann Tschiang Kai-schek wirtschaftlich so lange aushalten?

Antwort: Ja, das kann er.

Frage: Und wenn die USA erklären, daß sie von nun an Tschiang Kai-schek keine Hilfe mehr gewähren werden?

Antwort: Jetzt sind noch keine Anzeichen dafür vorhanden, daß die USA-Regierung und Tschiang Kai-schek überhaupt den Wunsch hätten, demnächst den Krieg einzustellen.

Frage: Wie lange kann die Kommunistische Partei durchhalten?

Antwort: Wenn es nach unserem Wunsch ginge, würden wir keinen einzigen Tag Krieg führen; aber wenn uns die Verhältnisse zum Kampf zwingen, können wir bis zum Ende kämpfen.

Frage: Was soll ich dem amerikanischen Volk antworten, wenn es mich fragt, warum die Kommunistische Partei Krieg führt? Antwort: Weil Tschiang Kai-schek das chinesische Volk ab

schlachten will, muß das Volk, um am Leben zu bleiben, sich verteidigen. Das kann das amerikanische Volk verstehen.

Frage: Besteht Ihrer Meinung nach die Möglichkeit, daß die USA einen Krieg gegen die Sowjetunion beginnen?

Antwort: Die Propaganda für einen Krieg gegen die Sowjetunion hat zwei Seiten. Die eine Seite ist, daß der USA-Imperialismus wirklich einen Krieg gegen die Sowjetunion vorbereitet. Die gegenwärtige Propaganda für einen Krieg gegen die Sowjetunion sowie die sonstige antisowjetische Propaganda ist die politische Vorbereitung für einen solchen Krieg. Auf der anderen Seite dient diese Propaganda als ein Nebelvorhang, hinter dem die USA-Reaktionäre die vielen realen Widersprüche verbergen wollen, denen der USA-Imperialismus zur Zeit unmittelbar gegenübersteht. Diese Widersprüche sind die Widersprüche zwischen den USA-Reaktionären und dem amerikanischen Volk und die Widersprüche zwischen dem USA-Imperialismus und anderen kapitalistischen Ländern sowie zwischen ihm und den kolonialen und halbkolonialen Ländern. Die tatsächliche Bedeutung der Losung der USA für einen Krieg gegen die Sowjetunion liegt im gegenwärtigen Augenblick in der Unterdrückung des amerikanischen Volkes und der Expansion ihrer aggressiven Kräfte in der kapitalistischen Welt. Sie wissen ja, daß Hitler und seine Konsorten, die japanischen Militaristen, lange Zeit antisowjetische Parolen als Vorwand für die Versklavung der eigenen Völker und für die Aggression gegen andere Länder benutzt haben. Jetzt handeln die USA-Reaktionäre genau nach der gleichen Methode.

Um einen Krieg zu entfesseln, müssen die USA-Reaktionäre zuerst ihr eigenes Volk attackieren. Sie tun das ja bereits, indem sie die Arbeiter und die demokratisch gesinnten Menschen in den USA sowohl politisch wie wirtschaftlich unterdrücken und sich darauf vorbereiten, dort den Faschismus einzuführen. Das amerikanische Volk muß sich zum Widerstand gegen die Angriffe der USA-Reaktionäre erheben. Ich bin überzeugt, daß es das tun wird.

Die USA und die Sowjetunion sind voneinander durch eine sehr ausgedehnte Zone getrennt, die viele kapitalistische sowie koloniale und halbkoloniale Länder Europas, Asiens und Afrikas umfaßt. Bevor die USA-Reaktionäre diese Länder nicht unterworfen haben, kann von einem Angriff auf die Sowjetunion nicht die Rede sein. Im Pazifik kontrollieren die USA heute ein größeres Gebiet als alle früheren Einflußsphären Großbritanniens in diesem Raum zusammengenommen, nämlich: Japan, den von der Kuomintang beherrschten Teil Chinas, die Hälfte von Korea und den Südpazifik. Mittel- und Südamerika befinden sich längst unter ihrer Kontrolle. Sie wollen auch das ganze britische Weltreich und Westeuropa unter ihre Kontrolle bringen. Die USA treffen unter den verschiedensten Vorwänden in vielen Ländern umfangreiche militärische Maßregeln und errichten dort Militärstützpunkte. Die USA-Reaktionäre erklären, daß die Militärstützpunkte, die sie überall in der Welt angelegt haben oder deren Anlage sie vorbereiten, gegen die Sowjetunion gerichtet seien. Ja, es stimmt, daß diese Militärstützpunkte gegen die Sowjetunion gerichtet sind. Jetzt aber ist nicht die Sowjetunion, sondern sind die Länder, auf deren Territorium sich amerikanische Militärstützpunkte befinden, in erster Linie der USA-Aggression ausgesetzt. Ich glaube, es wird nicht lange dauern, bis diese Länder erkennen, wer sie wirklich unterdrückt, die Sowjetunion oder die USA. Eines Tages werden die USA-Reaktionäre schließlich entdecken, daß die Völker der ganzen Welt gegen sie sind.

Natürlich meine ich nicht, daß die USA-Reaktionäre nicht daran denken, die Sowjetunion zu überfallen. Die Sowjetunion ist der Verteidiger des Weltfriedens, sie ist ein mächtiger Faktor, der die Errichtung einer Welthegemonie der USA-Reaktionäre verhindert. Dank der Existenz der Sowjetunion können die Reaktionäre der USA und der ganzen Welt ihre ehrgeizigen Pläne unmöglich verwirklichen. Daher hegen die USA-Reaktionäre einen blindwütigen Haß gegen die Sowjetunion und träumen in der Tat davon, diesen sozialistischen Staat zu vernichten. Da aber die USA-Reaktionäre jetzt, kurz nach dem zweiten Weltkrieg, so viel Lärm um einen Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion machen und die Atmosphäre verpesten, kann man nicht umhin, sich ihre wahren Ziele anzusehen. Und es stellt sich heraus, daß sie unter dem Deckmantel antisowjetischer Parolen tollwütig über die amerikanischen Arbeiter und die demokratisch gesinnten Menschen in den USA herfallen und alle Länder, die Gegenstand ihrer Expansion sind, in Anhängsel der USA verwandeln. Ich denke, daß das amerikanische Volk und die Völker aller Länder, die von der Aggression der USA bedroht sind, sich vereinigen müssen, um sich gegen die Angriffe der USA-Reaktionäre und deren Lakaien in diesen Ländern zur Wehr zu setzen. Nur wenn dieser Kampf gewonnen wird, kann ein dritter Weltkrieg vermieden werden, sonst nicht.

Frage: Das ist eine sehr gute Erklärung. Wenn aber die USA die Atombombe einsetzen? Wenn sie von ihren Stützpunkten auf Island, auf Okinawa und in China aus die Sowjetunion bombardieren?

Antwort: Die Atombombe ist ein Papiertiger, mit dem die USA-Reaktionäre die Menschen einschüchtern wollen. Sie sieht fürchterlich aus, aber in Wirklichkeit ist sie es nicht. Natürlich ist die Atombombe eine Massenvernichtungswaffe. Aber über den Ausgang eines Krieges entscheidet das Volk, nicht ein oder zwei neue Arten von Waffen.

Alle Reaktionäre sind Papiertiger. Dem Aussehen nach sind sie furchterregend, aber in Wirklichkeit sind sie nicht gar so mächtig. Auf lange Sicht haben nicht die Reaktionäre, sondern hat das Volk eine wirklich große Macht. Wer war denn in Rußland vor der Februarrevolution 1917 wirklich stark? Oberflächlich gesehen war damals der Zar stark; doch ein Windstoß der Februarrevolution fegte ihn hinweg. Letzten Endes erwiesen sich die Sowjets der Arbeiter-, Bauern- und Soldatendeputierten Rußlands als die Starken. Der Zar war eben bloß ein Papiertiger. Wurde Hitler seinerzeit nicht als sehr stark angesehen? Aber die Geschichte hat bewiesen, daß er ein Papiertiger war. Mussolini war es genauso und der japanische Imperialismus desgleichen. Dagegen war die Stärke der Sowjetunion und aller Völker, die Demokratie und Freiheit lieben, viel größer, als man vorhergesehen hatte.

Tschiang Kai-schek und seine Stützen, die USA-Reaktionäre, sind auch Papiertiger. Vom USA-Imperialismus scheinen manche die Vorstellung zu haben, daß er schrecklich stark sei, und die chinesischen Reaktionäre wollen das chinesische Volk mit der "Stärke" der USA einschüchtern. Aber wie bei allen Reaktionären in der Geschichte wird sich auch bei den USA-Reaktionären herausstellen, daß sie gar nicht so stark sind. In den USA gibt es andere Menschen, denen eine wirkliche Stärke innewohnt - das amerikanische Volk.

Nehmen wir China. Wir stützen uns nur auf Hirse plus Gewehre, aber die Geschichte wird letzten Endes beweisen, daß unsere Hirse und Gewehre stärker sind als die Flugzeuge und Tanks Tschiang Kai-scheks. Obgleich das chinesische Volk sich noch vielen Schwierigkeiten gegenübersieht und noch lange Zeit unter den vereinten Angriffen der USA-Imperialisten und der chinesischen Reaktionäre zu leiden haben wird, so kommt doch der Tag, da diese Reaktionäre die Geschlagenen und wir die Sieger sein werden. Der Grund dafür ist einfach der, daß die Reaktionäre den Rückschritt, wir hingegen den Fortschritt vertreten.

ANMERKUNGEN

 * Ein höchst bedeutsames Gespräch über die internationale und innere Lage, das Genosse Mao Tse-tung kurz nach dem Ende des zweiten Weltkriegs führte. Genosse Mao Tse-tung stellte darin seine berühmte These auf: "Alle Reaktionäre sind Papiertiger." Diese These gab unserem Volk eine ideologische Waffe in die Hand, verstärkte seine Siegeszuversicht und spielte eine außerordentlich große Rolle im Volksbefreiungskrieg. Ebenso wie Lenin, der im Imperialismus einen "Koloß auf tönernen Füßen" sah, traf Genosse Mao Tse-tung mit seiner Charakterisierung des Imperialismus und aller Reaktionäre als Papiertiger das Wesen der Sache. Diese These ist ein strategischer Grundgedanke für die revolutionären Volksmassen. Seit der Periode des Zweiten Revolutionären Bürgerkriegs hat Genosse Mao Tse-tung mehrmals darauf hingewiesen, daß Revolutionäre strategisch gesehen, im Hinblick auf das Ganze den Feind geringschätzen und den Mut haben müssen, ihn zu bekämpfen und den Sieg zu erringen; gleichzeitig aber müssen sie ihn taktisch gesehen, im Hinblick auf die einzelnen Teile und in jedem konkreten Kampf ernst nehmen, Vorsicht walten lassen, die Kunst des Kampfes studieren und vervollkommnen und je nach Zeit, Ort und Umständen die entsprechenden Kampfformen anwenden, um den Feind Schritt für Schritt zu isolieren und zu vernichten. Auf der Tagung des Politbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas in Wutschang am 1. Dezember 1958 wies Genosse Mao Tse-tung darauf hin:
Ebenso wie es nichts auf der Welt gibt, das nicht eine Doppelnatur hätte (das ist eben das Gesetz der Einheit der Gegensätze), so haben auch der Imperialismus und alle Reaktionäre eine Doppelnatur - sie sind wirkliche Tiger und zugleich Papiertiger. Im Laufe der Geschichte waren die Sklavenhalterklasse, die feudale Grundherrenklasse und die Bourgeoisie vor ihrem Machtantritt und eine Zeitlang nachher voller Lebenskraft, revolutionär und fortschrittlich; sie waren echte Tiger. In der Folgezeit kam es jedoch, da ihr jeweiliger Widerpart die Klasse der Sklaven, die Bauernschaft und das Proletariat - allmählich erstarkte und gegen sie einen immer heftigeren Kampf führte, nach und nach zu einem Umschlag ins Gegenteil: Sie verwandelten sich in Reaktionäre, in Rückständige, in Papiertiger und wurden beziehungsweise werden letzten Endes vom Volk gestürzt. Die reaktionären, rückständigen, verfaulenden Klassen behalten aber auch dann, wenn ihnen das Volk den Entscheidungskampf auf Leben und Tod liefert, ihre Doppelnatur bei. Einerseits sind sie echte Tiger, die Menschen fressen, Millionen und aber Millionen Menschen fressen. Der Kampf des Volkes ist eine Zeit hindurch voller Schwierigkeiten und Härten, sein Weg voller Windungen und Wendungen. Das chinesische Volk brauchte, um die Herrschaft des Imperialismus, des Feudalismus und des bürokratischen Kapitalismus in China zu liquidieren, mehr als hundert Jahre, und Dutzende Millionen Menschen mußten ihr Leben lassen, ehe im Jahre 1949 der Sieg errungen war. Seht, waren das nicht alles einmal lebendige Tiger, eisenharte Tiger, echte Tiger? Letzten Endes aber haben sie sich in Papiertiger, in tote Tiger, in butterweiche Tiger verwandelt. Das sind historische Tatsachen. Hat man denn das alles nicht gesehen und gehört? Wahrlich tausendmal und aber Tausende Male! In Tausenden und Zehntausenden von Fällen1. Somit muß man von ihrem Wesen her, aus einer langen Perspektive, in strategischer Hinsicht den Imperialismus und alle Reaktionäre als das betrachten, was sie in Wirklichkeit sind - als Papiertiger. Darauf müssen wir unser strategisches Denken gründen. Anderseits sind sie aber wiederum lebendige, eisenharte, wirkliche Tiger, die Menschen fressen können. Darauf müssen wir unser taktisches Denken gründen.
Über die Notwendigkeit, den Feind in strategischer Hinsicht geringzuschätzen, in taktischer aber ernst zu nehmen, siehe auch "Strategische Probleme des revolutionären Krieges in China", Kapitel 5, Abschnitt 6, Ausgewählte Werke Mao Tse-tungs, Bd. 1, S. 273 ff. sowie "Über einige wichtige Fragen in der gegenwärtigen Politik der Partei", Teil I, vorliegender Band, S. 189 f.

1. Um Tschiang Kai-schek bei der Entfesselung des volksfeindlichen Bürgerkriegs zu unterstützen, hat der USA-Imperialismus der Tschiangkaischek-Regierung eine enorme Hilfe gewährt. Bis Juni 1946 rüsteten die USA insgesamt 45 Divisionen der Kuomintang-Armee aus. Sie bildeten für die Kuomintang ein Militärpersonal von insgesamt 150 000 Mann aus, das bei den Land-, See- und Luftstreitkräften, im Geheimdienst, in der Verkehrsschutzpolizei, in den Stäben, im Sanitäts- und Versorgungsdienst usw. eingesetzt wurde. Die USA beförderten mit ihren Kriegsschiffen und Flugzeugen 14 Korps (insgesamt 41 Divisionen) der Kuomintang-Armee und acht Regimenter der Verkehrsschutzpolizei, zusammen über 540 000 Mann, an die Front zum Angriff auf die befreiten Gebiete. Die USA-Regierung landete in China 90 000 Mann Marineinfanterie, die wichtige Städte wie Schanghai, Tsingtao, Tientsin, Peiping und Tjinhuangdao besetzten und außerdem in Nordchina für die Kuomintang den Schutz der Verkehrslinien übernahmen. Aus den Unterlagen, die am 6. August 1949 vom Außenministerium der USA in dem Weißbuch Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China veröffentlicht wurden, geht hervor, daß die USA der Tschiangkaischek-Regierung in der Zeit seit Beginn des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression bis zum Jahre 1948 Hilfe aller Art im Wert von insgesamt mehr als 4,5 Milliarden USA-Dollar gewährten (was die USA der Kuomintang-Regierung während des Widerstandskriegs an Hilfe leisteten, wurde von der Kuomintang größtenteils aufbewahrt, um es später im Bürgerkrieg gegen das Volk zu verwenden). In Wirklichkeit war jedoch das Ausmaß der USA-Hilfe für Tschiang Kai-schek weit größer. Im Weißbuch der USA wird zugegeben, daß die von den USA geleistete Hilfe , mehr als fünfzig Prozent der Barausgaben" der Tschiangkaischek-Regierung ausmachte und ,anteilmäßig zum Staatshaushalt dieser Regierung mehr beitrug als die Hilfe der USA für irgendein Land Westeuropas seit Kriegsende".

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