Mao Ausgewählte Werke Band III

Mao Tse-tung


Mao Tse-tung:

REDEN BEI DER AUSSPRACHE IN YENAN ÜBER LITERATUR UND KUNST

 (Mai 1942)


Diese Version aus: Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band III, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1969, S.75-110


EINLEITENDE WORTE

 

(2. Mai 1942)

Genossen! Ihr seid heute zu einer Aussprache eingeladen, weil wir mit euch einen Meinungsaustausch pflegen und die Beziehungen zwischen der literarischen und künstlerischen Tätigkeit und der allgemeinen revolutionären Tätigkeit untersuchen wollen; denn wir möchten erreichen, daß sich die revolutionäre Literatur und Kunst richtig entwickeln, daß sie den anderen revolutionären Tätigkeitsgebieten noch besser helfen und damit zur Niederwerfung des Feindes unserer Nation, zur Erfüllung der Aufgabe der nationalen Befreiung beitragen.

In unserem Kampf für die Befreiung des chinesischen Volkes gibt es verschiedene Fronten, darunter die Front der Feder und die Front des Gewehrs, das heißt die Front der Kultur und die Front des Krieges. Um den Feind zu besiegen, müssen wir uns vor allem auf die Armee stützen, die das Gewehr in der Hand hat. Aber diese Armee allein genügt nicht; wir brauchen noch eine Armee der Kulturschaffenden, ohne die es unmöglich ist, unsere Reihen zusammenzuschließen und den Sieg über den Feind zu erringen. Seit der Bewegung des 4. Mai hat sich in China eine solche Armee herausgebildet und der chinesischen Revolution geholfen; sie schränkte nach und nach den Machtbereich der chinesischen feudalen Kultur und der den imperialistischen Aggressionen dienenden Kompradorenkultur ein und schwächte die Kräfte dieser beiden Kulturen. Jetzt bleibt der chinesischen Reaktion in ihrem Bestreben, der neuen Kultur entgegenzuwirken, nichts anderes übrig, als sozusagen "der Qualität die Quantität entgegenzusetzen". Mit anderen Worten, die Reaktionäre, die Geld haben, sind zwar nicht imstande, irgend etwas Gutes zu bieten, reißen sich aber ein Bein aus, um soviel wie möglich zu bieten. Seit der Bewegung des 4. Mai bilden Literatur und Kunst einen wichtigen und erfolgreichen Abschnitt an der Kulturfront. Die Bewegung für eine revolutionäre Literatur und Kunst hat sich in der Periode des zehnjährigen Bürgerkriegs stark entwickelt. Die allgemeine Richtung dieser Bewegung fiel mit der des damaligen revolutionären Krieges zusammen, aber in der praktischen Arbeit gab es keine Verbindung zwischen diesen zwei Bruderarmeen, da die Reaktion sie voneinander isoliert hatte. Es ist sehr gut, daß seit Ausbruch des Widerstandskriegs gegen Japan die Zahl der nach Yenan und in die anderen antijapanischen Stützpunktgebiete kommenden revolutionären Literatur- und Kunstschaffenden ständig zunimmt. Aber ihre Ankunft in den Stützpunktgebieten bedeutet noch nicht, daß sie sich hier mit den Volksmassen innig verbunden hätten. Wenn wir unsere revolutionäre Arbeit vorwärtsbringen wollen, müssen sich die beiden miteinander innig verbinden. Die Aussprache, die wir heute eröffnen, soll dazu führen, daß sich Literatur und Kunst als ein integrierender Bestandteil in den Gesamtmechanismus der Revolution gut einfügen, daß sie zu einer machtvollen Waffe für den Zusammenschluß und die Erziehung des Volkes, für die Schläge gegen den Feind und dessen Vernichtung werden, daß sie dem Volk helfen, einmütig gegen den Feind zu kämpfen. Welche Probleme müssen wir lösen, um dieses Ziel zu erreichen? Ich glaube, es sind das die Probleme des Standpunkts, den die Literatur- und Kunstschaffenden beziehen, der Haltung, die sie einnehmen, des Publikums, an das sie sich wenden, ihrer Arbeit und ihres Studiums.

Das Problem des Standpunkts. Unser Standpunkt ist der des Proletariats und der breiten Volksmassen. Für die Mitglieder der Kommunistischen Partei bedeutet das, den Parteistandpunkt einzunehmen, dem Parteigeist treu zu bleiben und die Politik der Partei zu vertreten. Gibt es bei unseren Literatur- und Kunstschaffenden noch unrichtige oder unklare Auffassungen in dieser Frage? Meiner Meinung nach gibt es sie. Viele Genossen kommen oft vom richtigen Standpunkt ab.

Das Problem der Haltung. Der Standpunkt bedingt auch die konkrete Einstellung zu den verschiedenen konkreten Dingen. Was sollen wir beispielsweise tun: lobpreisen oder entlarven? Das ist eine Frage der Haltung. Welche Haltung sollen wir nun einnehmen? Ich würde sagen, daß es die eine wie die andere sein müsse, je nachdem, mit wem wir es zu tun haben. Es gibt drei Kategorien von Menschen: unsere Feinde, unsere Verbündeten in der Einheitsfront und unsere eigenen Leute, das heißt die Volksmassen und ihre Avantgarde. Zu jeder dieser drei Kategorien von Menschen müssen wir uns anders verhalten. Gegenüber unseren Feinden - den japanischen Imperialisten und allen anderen Feinden des Volkes - besteht die Aufgabe der revolutionären Literatur- und Kunstschaffenden darin, ihre Bestialitäten und Betrügereien zu entlarven, die Unvermeidlichkeit ihrer Niederlage aufzuzeigen, die Armee und das Volk, die sich zum Widerstand gegen die japanischen Aggressoren erhoben haben, zu ermutigen, damit sie diese einmütig und entschlossen aufs Haupt schlagen. Was unsere Haltung gegenüber den verschiedenen Verbündeten in der Einheitsfront anbelangt, so müssen wir uns sowohl mit ihnen zusammenschließen als auch sie kritisieren, wobei Zusammenschluß und Kritik von mannigfaltiger Art sein müssen. Wir billigen ihre Bemühungen im Widerstandskrieg und loben sie, wenn sie Erfolge aufzuweisen haben. Aber wir müssen sie kritisieren, wenn sie keine Aktivität im Widerstandskrieg zeigen. Wenn jemand gegen die Kommunistische Partei, gegen das Volk auftritt, mit jedem Tag mehr auf den Weg der Reaktion abgleitet, dann müssen wir ihn entschlossen bekämpfen. Was die Volksmassen betrifft, ihre Arbeit und ihren Kampf, ihre Armee und ihre Partei, so müssen wir sie natürlich preisen. Auch das Volk hat seine Mängel. In den Reihen des Proletariats gibt es immer noch viele, die eine kleinbürgerliche Ideologie besitzen, während sowohl die Bauern wie das städtische Kleinbürgertum rückständige Ansichten haben, und das alles ist für sie eine Belastung im Kampf. Wir haben sie lange und geduldig zu erziehen, müssen ihnen helfen, diese Last von ihrem Rücken abzuwerfen, müssen ihnen helfen, ihre Mängel und Fehler zu bekämpfen, damit sie mit Riesenschritten vorwärtsmarschieren können. Sie haben sich im Verlauf des Kampfes bereits umgemodelt oder sind im Begriff, es zu tun, und unsere Literatur und Kunst muß den Prozeß dieses Ummodelns widerspiegeln. Wenn sie sich nicht auf ihre Fehler versteifen, dürfen wir nicht bloß eine Seite sehen und so den Fehler begehen, sie zu verspotten, oder uns ihnen gegenüber sogar feindlich verhalten. Das, was wir schreiben, muß ihnen helfen, sich zusammenzuschließen, Fortschritte zu machen und einmütig vorwärtszustürmen, muß ihnen helfen, sich vom Rückständigen zu befreien und das Revolutionäre zu entwickeln; es darf keineswegs das Gegenteil bewirken.

Das Problem des Publikums, d. h. die Frage, für wen die Werke der Literatur und Kunst bestimmt sind. Im Grenzgebiet Schensi-Kansu-Ningsia und in den antijapanischen Stützpunktgebieten in Nordund Zentralchina stellt sich dieses Problem anders als in den Kuomintang-Gebieten und in noch höherem Maße anders als in Schanghai vor Beginn des Widerstandskriegs. In der Schanghaier Periode war der Hauptkonsument für die Werke der revolutionären Literatur und Kunst ein Teil der Studenten sowie der Büroangestellten und Handlungsgehilfen. In den Gebieten der Kuomintang-Herrschaft hat sich dieser Kreis nach Ausbruch des Widerstandskriegs etwas erweitert, aber im wesentlichen blieben es dieselben Menschen, weil die Regierung dort die Arbeiter, Bauern und Soldaten von der revolutionären Literatur und Kunst fernhielt. In unseren Stützpunktgebieten verhält es sich damit ganz anders. Hier sind die Arbeiter, Bauern, Soldaten und die revolutionären Kader die Konsumenten der Literatur und Kunstwerke. In den Stützpunktgebieten gibt es auch Studierende, aber sie unterscheiden sich von den Studenten alten Typus; sie sind entweder ehemalige Kader oder zukünftige. Die verschiedenen Funktionäre, die Soldaten in den Truppeneinheiten, die Arbeiter in den Fabriken und die Bauern im Dorf möchten, nachdem sie lesen und schreiben gelernt haben, Bücher und Zeitungen lesen, und auch die Analphabeten möchten Theaterstücke sehen, Bildwerke betrachten, Lieder singen und Musik hören. Sie sind die Konsumenten unserer Literatur- und Kunstwerke. Nehmen wir beispielsweise unsere Funktionäre. Glaubt nicht, daß es ihrer wenige gibt; es gibt ihrer weitaus mehr, als ein beliebiges in den Kuomintang-Gebieten herausgegebenes Buch Leser hat. Dort geht die Auflage eines Buches gewöhnlich nicht über 2000 Exemplare hinaus; selbst bei drei Auflagen sind das insgesamt nur 6 000 Exemplare; was aber die Kader in unseren Stützpunktgebieten betrifft, so gibt es allein in Yenan über 10000 Leser. Überdies sind viele dieser Funktionäre bewährte, gestählte Revolutionäre, die aus allen Teilen des Landes gekommen sind und in den verschiedensten Gegenden tätig sein werden. Deshalb ist die Erziehungsarbeit unter ihnen von gewaltiger Bedeutung. Unsere Literatur und Kunstschaffenden sollen sich hierbei auszeichnen.

Da die Arbeiten auf dem Gebiet der Literatur und Kunst für die Arbeiter, Bauern, Soldaten und ihre Funktionäre bestimmt sind, entsteht das Problem, sie zu verstehen und mit ihnen vertraut zu werden. Um dieses Problem zu bewältigen, um die verschiedenen Menschen und Umstände in den Partei- und Machtorganen, in den Dörfern und Fabriken, in der Achten Route-Armee und der Neuen Vierten Armee zu verstehen und gut kennenzulernen, muß ein großes Stück Arbeit geleistet werden. Unsere Literatur- und Kunstschaffenden haben auf ihrem Gebiet, dem der Literatur und Kunst, zu arbeiten, doch ihre wichtigste und vornehmste Aufgabe ist es, die Menschen zu verstehen und gut kennenzulernen. Wie ist es damit bei unseren Literatur- und Kunstschaffenden bislang bestellt? Ich möchte sagen, daß sie bisher kenntnis- und verständnislos sind und jenen Helden gleichen, die keine Gelegenheit haben, ihre Heldentat zu zeigen. Was bedeutet hier Kenntnislosigkeit? Sie kennen nicht die Menschen. Die Literatur- und Kunstschaffenden sind weder mit den Urbildern ihrer eigenen Geschöpfe noch mit den Konsumenten ihrer Schöpfungen gut vertraut, oder sie stehen ihnen überhaupt fremd gegenüber. Sie kennen nicht die Arbeiter, Bauern und Soldaten sowie ihre Funktionäre. Was bedeutet hier Verständnislosigkeit? Sie verstehen nicht die Sprache, das heißt, ihnen ist die reiche und lebendige Sprache der Volksmassen fremd. Viele Literatur- und Kunstschaffende, die sich von den Massen fernhalten und ein inhaltsleeres Leben führen, sind selbstverständlich mit der Volkssprache nicht vertraut; die Sprache ihrer Werke schmeckt deshalb nicht nur schal, sondern enthält auch häufig selbsterfundene und undefinierbare Worte und Ausdrücke, die der Sprache des Volkes kraß zuwiderlaufen. Viele Genossen lieben es, von der "Orientierung auf die Massen" zu sprechen. Aber was bedeutet das? Es bedeutet, daß das Denken und Fühlen unserer Literatur- und Kunstschaffenden mit dem Denken und Fühlen der breiten Massen der Arbeiter, Bauern und Soldaten zu einer Einheit verschmelzen muß. Und dazu ist es notwendig, gewissenhaft die Sprache der Massen zu lernen. Denn wenn einem sogar in der Sprache der Massen vieles unverständlich ist, wie kann man dann von literarischem oder künstlerischem Schaffen sprechen? Wenn ich sie mit Helden vergleiche, die keine Gelegenheit haben, ihre Heldentat zu zeigen, so meine ich damit, daß die Massen ihre hochtönenden Redensarten nicht schätzen. Je mehr sie das Gehabe von Veteranen vor den Massen zur Schau stellen und sich in die Positur von "Helden" werfen und je mehr sie sich bemühen, ihr Zeug an den Mann zu bringen, desto weniger nehmen ihnen die Massen das ab. Wenn man von den Massen verstanden werden und sich mit ihnen verschmelzen will, muß man die Entschlossenheit aufbringen, einen langen und sogar qualvollen Umerziehungsprozeß durchzumachen. Hier möchte ich einmal aus eigener Erfahrung erzählen, wie sich meine eigene Mentalität gewandelt hat. Ich komme aus dem Milieu der studierenden Jugend und nahm in der Schule die Gewohnheiten eines Studenten an; es kam mir unschicklich vor, in Gegenwart der anderen Studenten, die keine Last zu tragen vermochten, weder auf den Schultern noch in den Händen, auch nur die geringste körperliche Arbeit zu verrichten, beispielsweise mein eigenes Gepäck zu tragen. Damals glaubte ich, daß die Intellektuellen die einzig sauberen Menschen in der Welt, die Arbeiter und Bauern aber im Vergleich zu ihnen schmutzig wären. Ich konnte fremde Kleidung anlegen, wenn sie einem Intellektuellen gehörte, denn ich hielt sie für sauber; aber ich hätte mich nicht dazu bereit gefunden, die Kleidung eines Arbeiters oder Bauern anzulegen, da ich sie für schmutzig hielt. Nachdem ich Revolutionär geworden war und unter den Arbeitern, Bauern und Soldaten der revolutionären Armee zu leben begonnen hatte, lernte ich diese nach und nach gut kennen, und auch sie haben mich mit der Zeit kennengelernt. Dann, und erst dann, machte ich mich restlos von der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Mentalität frei, die mir in der bürgerlichen Schule anerzogen worden war. Wenn ich damals die noch nicht umgemodelten Intellektuellen mit den Arbeitern und Bauern verglich, empfand ich die Intellektuellen als unsauber, die Arbeiter und Bauern aber als die saubersten Menschen, sauberer als die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Intellektuellen, mochten die Hände der Arbeiter und Bauern auch schwarz sein, mochte auch an ihren Füßen Kuhmist kleben. Das eben bedeutet eine Wandlung der Mentalität, die Wandlung von einer Klasse zu einer anderen hin. Unsere aus der Intelligenz stammenden Literatur- und Kunstschaffenden müssen sich in ihrem Denken und Fühlen wandeln, müssen sich ummodeln, wenn sie wollen, daß ihre Werke die Anerkennung der Massen finden. Ohne eine solche Wandlung und Ummodelung werden sie nichts Rechtes zustande bringen, werden nirgendwo hinpassen.

Das letzte Problem ist das des Studiums, womit ich das Studium des Marxismus-Leninismus und das Studium der Gesellschaft meine. Jeder, der sich als marxistischer revolutionärer Schriftsteller bezeichnet, und erst recht ein Schriftsteller, der Parteimitglied ist, muß marxistischleninistisches Wissen besitzen. Aber manche Genossen haben sich bisher die Grundthesen des Marxismus nur ungenügend angeeignet. So lautet beispielsweise eine Grundthese des Marxismus, daß das Sein das Bewußtsein bestimmt, daß die objektive Realität des Klassenkampfes und des nationalen Kampfes unser Denken und Fühlen bestimmt. Aber einige unserer Genossen stellen die Frage auf den Kopf und behaupten, daß alles von der "Liebe" ausgehen müsse. Wenn wir schon von Liebe reden, so kann in der Klassengesellschaft auch die Liebe nur Klassencharakter tragen; aber diese Genossen jagen irgendeiner über den Klassen stehenden Liebe nach, einer abstrakten Liebe und ebenso auch einer abstrakten Freiheit, abstrakten Wahrheit, abstrakten menschlichen Natur usw. Das zeigt, daß solche Genossen stark von der Bourgeoisie beeinflußt worden sind. Sie müssen sich von diesem Einfluß restlos frei machen und in aller Bescheidenheit den Marxismus-Leninismus studieren. Es stimmt natürlich, daß die Literatur- und Kunstschaffenden lernen müssen, Literatur- und Kunstwerke zu schaffen, aber der Marxismus-Leninismus ist eine Wissenschaft, die alle Revolutionäre zu studieren haben, Literatur- und Kunstschaffende nicht ausgenommen. Die Literatur- und Kunstschaffenden müssen die Gesellschaft studieren, das heißt die verschiedenen Klassen der Gesellschaft, die Wechselbeziehungen zwischen den Klassen, die jeweiligen Verhältnisse, in denen sich diese befinden, ihre Physiognomie und Psychologie erforschen. Erst wenn sie sich das alles klargemacht haben, werden unsere Literatur und Kunst einen reichen Inhalt und eine richtige Orientierung besitzen.

Heute habe ich als Einführung zu unserer Diskussion nur diese Fragen aufgeworfen, und ich hoffe, daß sich die Anwesenden sowohl zu diesen als auch zu anderen damit verbundenen Fragen äußern werden.

SCHLUSSWORT

 

(23. Mai 1942)

 

Genossen! Wir sind im Laufe dieses Monats dreimal zusammengekommen. Auf der Suche nach Wahrheit gab es heftige Diskussionen, haben Dutzende Parteimitglieder und Genossen, die der Kommunistischen Partei nicht angehören, gesprochen, Fragen aufgerollt und sie konkretisiert. Ich bin der Meinung, daß das für die gesamte literarische und künstlerische Bewegung von großem Nutzen ist.

Bei der Erörterung jedes Problems soll man von der realen Praxis ausgehen und nicht von Definitionen. Es wäre eine falsche Methode, wenn wir in Lehrbüchern nach Definitionen von Literatur und Kunst suchten, sodann diesen Definitionen gemäß den Kurs festlegen wollten, dem die gegenwärtige Literatur- und Kunstbewegung zu folgen hätte, und über die verschiedenen Meinungen und Meinungskämpfe, die heute in Erscheinung treten, ein Urteil fällten. Wir sind Marxisten, und der Marxismus lehrt uns, an die Probleme nicht von abstrakten Definitionen, sondern von den objektiven Tatsachen aus heranzugehen und unseren Kurs, unsere politischen Richtlinien, unsere praktischen Maßnahmen auf Grund einer Analyse dieser Tatsachen zu erarbeiten. So müssen wir auch in der gegenwärtigen Diskussion über die literarische und künstlerische Tätigkeit handeln.

Mit welchen Tatsachen haben wir es derzeit zu tun? Es sind folgende Tatsachen: der Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression, den China seit fünf Jahren führt; der weltumspannende Krieg gegen den Faschismus; die Schwankungen der Großgrundherrenklasse und der Großbourgeoisie Chinas im Widerstandskrieg und ihre Politik der grausamen Unterdrückung gegenüber dem Volk; die revolutionäre Literatur- und Kunstbewegung seit dem q. Mai 1919 - ihr gewaltiger Beitrag zur chinesischen Revolution im Verlauf von 23 Jahren und ihre vielen Mängel; die antijapanischen demokratischen Stützpunktgebiete der Achten Route-Armee und der Neuen Vierten Armee und die enge Verbindung zahlreicher Literatur- und Kunstschaffenden mit diesen Armeen sowie mit den Arbeitern und Bauern in diesen Gebieten; die Unterschiede in der Umwelt und in den Aufgaben der Literatur- und Kunstschaffenden in den Stützpunktgebieten einerseits und in den Kuomintang-Gebieten andererseits; die Literatur und Kunst betreffenden Streitfragen, die sich gegenwärtig in Yenan und anderen antijapanischen Stützpunktgebieten erhoben haben. Das alles sind die real bestehenden unleugbaren Tatsachen, in deren Lichte wir unsere Probleme zu erwägen haben.

Was ist nun der Kernpunkt unserer Probleme? Meiner Meinung nach lautet unser Grundproblem: den Volksmassen dienen und wie ihnen dienen. Werden diese beiden Fragen nicht gelöst oder nicht auf geeignete Weise gelöst, dann werden unsere Literatur- und Kunstschaffenden der Situation und ihren Aufgaben nicht gewachsen sein, werden sie mit einer Reihe von inneren und äußeren Problemen zusammenprallen. In meinem Schlußwort will ich die Aufmerksamkeit gerade auf diese beiden Fragen konzentrieren sowie einige andere Probleme streifen, die auf sie Bezug haben.

I

Die erste Frage lautet: Für wen ist unsere Literatur und Kunst bestimmt?

Eigentlich ist diese Frage von den Marxisten, insbesondere von Lenin, längst beantwortet worden. Schon 1905 betonte Lenin, daß unsere Literatur und Kunst "den Millionen und aber Millionen Werktätigen . . . dienen"1 sollen. Bei unseren Genossen, die in den antijapanischen Stützpunktgebieten literarisch und künstlerisch tätig sind, scheint diese Frage bereits gelöst zu sein, so daß sie nicht noch einmal aufgeworfen zu werden brauchte. In Wirklichkeit ist dem nicht so. Viele Genossen haben durchaus noch keine eindeutige Lösung für diese Frage gefunden. Deshalb entsprechen ihre Stimmungen, ihre Werke, ihre Handlungen und ihre Ansichten über den Kurs, dem die Literatur und Kunst folgen müssen, unvermeidlich mehr oder minder nicht den Bedürfnissen der Massen, den Erfordernissen des praktischen Kampfes. Unter den vielen Kulturschaffenden, den Schriftstellern, den Künstlern und den anderen auf dem Gebiet der Literatur und Kunst Tätigen, die gemeinsam mit der Kommunistischen Partei, der Achten Route-Armee und der Neuen Vierten Armee am großen Befreiungskampf teilnehmen, kann es auch Karrieristen geben, die vorübergehend mit uns zusammengehen, aber die überwiegende Mehrheit arbeitet eifrig für die gemeinsame Sache. Gestützt auf diese Genossen haben wir in unserer gesamten Arbeit auf dem Gebiet der Literatur, des Theaters, der Musik und der bildenden Kunst bemerkenswerte Erfolge erzielt. Viele dieser Literatur- und Kunstschaffenden begannen ihre Arbeit erst nach Ausbruch des Widerstandskriegs; zahlreiche andere leisteten vor dem Widerstandskrieg eine lange Zeit hindurch revolutionäre Arbeit, machten viele Schwierigkeiten durch und beeinflußten durch ihre Tätigkeit und ihre Werke die breiten Volksmassen. Weshalb sagen wir dann, daß es selbst unter diesen Genossen manche gibt, die für die Frage, wem Literatur und Kunst dienen sollen, noch keine eindeutige Lösung haben? Gibt es etwa unter ihnen immer noch solche, die der Meinung sind, daß die revolutionäre Literatur und Kunst nicht den breiten Volksmassen, sondern den Ausbeutern und den Unterdrückern dienen sollen?

Gewiß gibt es eine Literatur und eine Kunst, die den Ausbeutern und den Unterdrückern dienen. Die Literatur und Kunst, die der Grundherrenklasse dienen, das sind die feudale Literatur und die feudale Kunst. Das sind eben die Literatur und Kunst der herrschenden Klasse der Feudalzeit Chinas. Der Einfluß dieser Literatur und Kunst ist in China bis auf den heutigen Tag noch ziemlich stark. Die Literatur und Kunst, die der Bourgeoisie dienen, das sind die bürgerliche Literatur und die bürgerliche Kunst. Leute vom Schlag des von Lu Hsün kritisierten Liang Schi-tjiu2 predigen in Worten, daß die Literatur und Kunst angeblich über den Klassen stünden, sind aber in der Tat für die bürgerliche Literatur und Kunst, bekämpfen die proletarische Literatur und Kunst. Eine Literatur und eine Kunst, die den Imperialisten dienen, werden von Leuten wie Dschou Dsuo-jen und Dschang Dsi-ping3 vertreten, und man nennt sie Literatur und Kunst des nationalen Verrats. Bei uns aber dienen Literatur und Kunst nicht den erwähnten Gruppen, sondern dem Volk. Wir haben gesagt, daß die neue Kultur Chinas in dem gegenwärtigen Stadium eine antiimperialistische und antifeudale Kultur der Volksmassen unter Führung des Proletariats ist. Wahrhaft volksverbunden ist heute nur das, was unter Führung des Proletariats steht. Alles, was von der Bourgeoisie geführt wird, kann nicht den Volksmassen gehören. Das gilt natürlich auch für die neue Literatur und die neue Kunst als Bestandteile der neuen Kultur. Wir wollen das von früheren Generationen in China und im Ausland hinterlassene reiche literarische und künstlerische Erbe sowie die besten literarischen und künstlerischen Traditionen Chinas und des Auslands übernehmen, wobei aber das Ziel dasselbe bleibt: sie in den Dienst der Volksmassen zu stellen. Wir lehnen es auch nicht ab, die literarischen und künstlerischen Formen vergangener Epochen zu benutzen, aber in unseren Händen werden diese alten Formen - umgestaltet und mit neuem Inhalt erfüllt - zu etwas Revolutionärem im Dienste des Volkes.

Wer sind denn nun die breiten Volksmassen? Es sind dies die breitesten Schichten des Volkes, die Arbeiter, die Bauern, die Soldaten und das städtische Kleinbürgertum, die zusammen mehr als 9o Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Somit dienen unsere Literatur und Kunst erstens den Arbeitern, der führenden Klasse in der Revolution. Zweitens dienen sie den Bauern, unserem zahlenmäßig stärksten und standhaftesten Bundesgenossen in der Revolution. Drittens dienen sie den bewaffneten Arbeitern und Bauern, das heißt der Achten Route-Armee und der Neuen Vierten Armee sowie den übrigen Streitkräften des Volkes, die zusammen die Hauptkraft des revolutionären Krieges bilden. Viertens dienen sie den werktätigen Massen des städtischen Kleinbürgertums sowie dessen Intelligenz, die ebenfalls unsere Verbündeten in der Revolution sind und mit uns eine lange Zeit zusammenzuarbeiten vermögen. Diese vier Kategorien von Menschen bilden die überwältigende Mehrheit der chinesischen Nation, das sind die breitesten Volksmassen.

Unsere Literatur und Kunst müssen den Menschen der genannten vier Kategorien dienen. Wenn wir den Menschen dieser vier Kategorien dienen, haben wir den proletarischen und keineswegs den kleinbürgerlichen Standpunkt einzunehmen. Es ist heutzutage für Schriftsteller, die hartnäckig an ihren individualistischen, kleinbürgerlichen Positionen festhalten, unmöglich, den revolutionären Massen der Arbeiter, Bauern und Soldaten wirklich zu dienen; sie fühlen sich hauptsächlich zu der zahlenmäßig schwachen kleinbürgerlichen Intelligenz hingezogen. Das eben ist die entscheidende Ursache, warum ein Teil unserer Genossen derzeit das Problem, wem unsere Literatur und Kunst dienen sollen, nicht richtig zu lösen vermag. Ich beziehe mich hier nicht auf das Gebiet der Theorie. Theoretisch oder in Worten hält in unseren Reihen niemand die Massen der Arbeiter, Bauern und Soldaten für weniger wichtig als die kleinbürgerliche Intelligenz. Ich spreche hier von der Praxis, von den Handlungen. Messen sie in der Praxis, in den Handlungen der kleinbürgerlichen Intelligenz nicht mehr Bedeutung bei als den Arbeitern, Bauern und Soldaten? Ich glaube, das tun sie. Viele Genossen widmen dem Studium der kleinbürgerlichen Intellektuellen, der Analyse ihrer Psychologie relativ viel Aufmerksamkeit, legen besonderen Wert darauf, sie zu gestalten, ihre Mängel zu entschuldigen und zu rechtfertigen, anstatt die Intellektuellen dazu anzuleiten, daß sie sich gemeinsam mit ihnen den Massen der Arbeiter, Bauern und Soldaten nähern, am praktischen Kampf der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenmassen teilnehmen, diese Massen darstellen und erziehen. Viele Genossen suchen ihre Freunde nur in den Reihen der Intellektuellen, richten ihre Aufmerksamkeit darauf, diese zu studieren und zu porträtieren, weil sie selbst aus dem Kleinbürgertum stammen und selbst Intellektuelle sind. Stünden sie beim Studium und bei der Darstellung auf dem Standpunkt des Proletariats, so wäre das in Ordnung. Das ist aber nicht oder nicht ganz der Fall. Sie stehen auf dem Standpunkt des Kleinbürgertums, sie schaffen Werke, die eine Art Selbstporträts von Kleinbürgern sind; davon können wir uns an Hand einer ziemlich großen Anzahl von Werken der Literatur und Kunst überzeugen. In vielen Fällen schenken sie ihre Sympathien vorbehaltlos den Intellektuellen, die aus dem Kleinbürgertum stammen, sie stehen sogar deren Mängeln mitfühlend gegenüber oder preisen sie gar. Aber zu den Massen der Arbeiter, Bauern und Soldaten haben sie kaum Kontakt, sie verstehen und studieren diese Massen nicht, haben keine vertrauten Freunde in deren Reihen und verstehen es nicht, sie zu gestalten; wenn sie versuchen, sie abzubilden, so ist das Gewand das von Werktätigen, das Gesicht aber das kleinbürgerlicher Intellektueller. In gewisser Hinsicht lieben diese Genossen die Arbeiter, Bauern und Soldaten, lieben sie die Kader, die aus deren Mitte hervorgegangen sind, aber hin und wieder und in mancher Hinsicht mögen sie sie nicht: Ihnen gefallen nicht deren Gefühle, deren Manieren, deren aufkeimende Literatur und Kunst (Wandzeitungen, Fresken, Volkslieder, Volkserzählungen usw.). Zuweilen finden sie daran Gefallen, aber nur weil sie Kuriositäten nachjagen, weil sie ihre eigenen Werke damit verzieren möchten, oder gar deshalb, weil sie auf das aus sind, was darin rückständig ist. Ein andermal wieder bezeugen sie offen ihre Verachtung für diese Dinge und geben dem von kleinbürgerlichen Intellektuellen oder gar von der Bourgeoisie stammenden Zeug den Vorzug. Diese Genossen stehen noch mit beiden Füßen auf der Seite der kleinbürgerlichen Intelligenz, oder, wenn man sich in gehobenem Stil ausdrücken will, im tiefsten Grunde ihrer Seele wahren sie noch das Reich der kleinbürgerlichen Intelligenz. Das ist es, warum die Frage, wem die Literatur und die Kunst dienen sollen, von ihnen immer noch nicht oder nicht eindeutig gelöst worden ist. Das gilt nicht nur für die Neuankömmlinge in Yenan; selbst viele von denen, die an der Front waren, die schon seit einigen Jahren in den Stützpunktgebieten, in der Achten Route-Armee und in der Neuen Vierten Armee arbeiten, haben diese Frage noch nicht völlig gelöst. Um sie endgültig zu lösen, ist eine lange Frist, mindestens acht bis zehn Jahre, notwendig. Doch wie lang diese Frist auch sein mag, wir müssen diese Frage lösen, und zwar eindeutig und gründlich. Unsere Literatur- und Kunstschaffenden müssen diese Aufgabe erfüllen und ihren Standpunkt wechseln, sie müssen allmählich auf die Seite der Arbeiter, Bauern und Soldaten, auf die Seite des Proletariats übergehen, indem sie mitten unter die Massen der Arbeiter, Bauern und Soldaten gehen, sich in den praktischen Kampf stürzen, den Marxismus und die Gesellschaft studieren. Nur auf diese Weise werden wir eine Literatur und eine Kunst haben können, die den Arbeitern, Bauern und Soldaten wirklich dienen - eine wahrhaft proletarische Literatur und Kunst.

Die Frage, wem Literatur und Kunst zu dienen haben, ist die Grundfrage, ist eine prinzipielle Frage. Wenn es in der Vergangenheit unter manchen Genossen Dispute, Meinungsverschiedenheiten, Gegensätze und Unstimmigkeiten gegeben hat, so durchaus nicht in dieser grundlegenden, prinzipiellen Frage, sondern in zweitrangigen, ja sogar prinzipienlosen Fragen. In dieser prinzipiellen Frage gab es zwischen den beiden streitenden Parteien keine Differenzen, im Gegenteil, hier waren sie fast einmütig. Sie neigten alle in gewissem Maße dazu, geringschätzig auf die Arbeiter, Bauern und Soldaten herabzublicken und sich von den Massen zu isolieren. Ich sage "in gewissem Maße", denn im allgemeinen unterscheidet sich eine solche Einstellung dieser Genossen von der Mißachtung der Arbeiter, Bauern und Soldaten durch die Kuomintang und von deren Losgelöstheit von den Massen; wie dem aber auch sei, solche Tendenzen sind da. Solange diese Grundfrage nicht gelöst ist, lassen sich auch viele andere Fragen nur schwer lösen. Nehmen wir beispielsweise das Sektierertum unter den Literatur und Kunstschaffenden. Auch das ist eine prinzipielle Frage; sich von den sektiererischen Tendenzen befreien kann man aber wiederum nur, wenn man die Losungen "Für die Arbeiter und Bauern!", "Für die Achte Route-Armee und die Neue Vierte Armee!", "Unter die Massen gehen!" ausgibt und sie auch getreulich in die Tat umsetzt. Andernfalls ist es absolut unmöglich, mit den sektiererischen Tendenzen Schluß zu machen. Lu Hsün sagte:

Eine unerläßliche Voraussetzung für eine Einheitsfront ist das Vorhandensein eines gemeinsamen Zieles . . . Wenn unsere Front nicht zu vereinen ist, so zeugt das davon, daß wir uns nicht auf ein gemeinsames Ziel einigen können, daß entweder nur enge Gruppenziele oder in Wirklichkeit bloß persönliche Ziele verfolgt werden. Wird aber der Dienst an den Massen der Arbeiter und Bauern zu unserem Ziel, dann wird zweifellos die Front vereinheitlicht.4

Dieses Problem gab es damals in Schanghai, jetzt existiert es auch in Tschungking. In diesen Orten war bzw. ist es aber sehr schwer, dieses Problem restlos zu lösen, denn die dortigen Machthaber unterdrückten und unterdrücken die revolutionären Schriftsteller und Künstler, beraubten und berauben sie der Freiheit, unter die Massen der Arbeiter, Bauern und Soldaten zu gehen. Bei uns hier herrscht eine völlig andere Lage: Wir ermutigen die revolutionären Schriftsteller und Künstler zur aktiven Annäherung an die Arbeiter, Bauern und Soldaten, bieten ihnen die volle Freiheit, unter die Massen zu gehen und eine wahrhaft revolutionäre Literatur und Kunst zu schaffen. Deshalb steht diese Frage hier bei uns kurz vor der Lösung. Aber die nahe Lösung ist noch nicht die vollständige und endgültige Lösung; und eben wegen dieser vollständigen und endgültigen Lösung der Frage ist es notwendig, wie wir sagten, den Marxismus und die Gesellschaft zu studieren. Wenn wir vom Marxismus sprechen, dann meinen wir den lebendigen Marxismus, der im Leben und im Kampf der Massen real wirksam ist, nicht aber den Marxismus in Worten. Wird der Marxismus in Worten in den Marxismus des realen Lebens verwandelt, dann gibt es kein Sektierertum mehr. Und nicht nur die Frage des Sektierertums, sondern auch zahlreiche andere Fragen würden gelöst werden.

 

II

Sobald die Frage, wem Literatur und Kunst dienen sollen, geklärt ist, muß die Frage beantwortet werden, wie man den Volksmassen zu dienen hat. Um mit den Worten der Genossen zu sprechen: Sollen wir uns um die Hebung des Niveaus oder um die Popularisierung bemühen?

In der Vergangenheit haben einige Genossen in gewissem, zuweilen beträchtlichem Maße die Popularisierung mißachtet oder übersehen und in unangebrachter Weise die Hebung des Niveaus übermäßig betont. Auf die Niveauhebung soll man Nachdruck legen, aber es ist ein Fehler, das einseitig, isoliert und übermäßig zu tun. Die Tatsache, daß die Frage, wem Literatur und Kunst dienen sollen, nicht eindeutig geklärt wurde, worüber ich vorhin gesprochen habe, wirkt sich auch hier aus. Da diese Frage ungeklärt blieb, hatten die Genossen für das, was sie unter "Popularisierung" und "Hebung des Niveaus" verstehen, kein richtiges Kriterium und waren natürlich noch weniger imstande, die richtige Beziehung zwischen beiden zu finden. Da unsere Literatur und Kunst grundsätzlich den Arbeitern, Bauern und Soldaten dienen sollen, bedeutet Popularisierung, sie unter diesen Menschen zu verbreiten, während Hebung des Niveaus bedeutet, von deren Niveau aus emporzusteigen. Womit soll man nun zu den Arbeitern, Bauern und Soldaten gehen? Mit dem, was die Klasse der feudalen Grundherren braucht und was von dieser Klasse bereitwillig aufgenommen wird? Oder mit dem, was die Bourgeoisie braucht und bereitwillig aufnimmt? Oder aber mit dem, was die kleinbürgerlichen Intellektuellen brauchen und bereitwillig aufnehmen? Nichts davon taugt. Wir dürfen nur das popularisieren, was die Arbeiter, Bauern und Soldaten selbst brauchen und was von ihnen bereitwillig aufgenommen wird. Deshalb kommt vor der Aufgabe, die Arbeiter, Bauern und Soldaten zu erziehen, die Aufgabe, von ihnen zu lernen. Das alles gilt noch mehr für die Hebung des Niveaus. Dafür muß es eine Basis geben. Wenn wir z. B. einen Eimer Wasser hochheben, von wo aus tun wir das, wenn nicht vom Boden? Etwa aus der Luft? Was ist nun die Basis, wenn wir das Niveau unserer Literatur und Kunst heben wollen? Die Basis der Feudalklasse? Die Basis der Bourgeoisie? Oder die Basis der kleinbürgerlichen Intelligenz? Nichts von alledem, nur von der Basis der Massen der Arbeiter, Bauern und Soldaten darf man ausgehen. Das bedeutet nun nicht, daß wir die Arbeiter, Bauern und Soldaten auf die "Höhe" der Feudalkräfte, der Bourgeoisie oder der kleinbürgerlichen Intelligenz heben, sondern daß wir ihr Niveau in der Richtung heben, in der die Arbeiter, Bauern und Soldaten selbst vorwärtsschreiten, in der Richtung, in der das Proletariat vorwärtsschreitet. Eben daraus ergibt sich die Aufgabe, von den Arbeitern, Bauern und Soldaten zu lernen. Nur wenn wir die Arbeiter, Bauern und Soldaten zum Ausgangspunkt nehmen, können wir die Popularisierung und die Hebung des Niveaus richtig verstehen und die richtige Beziehung zwischen beiden finden.

Aus welchen Quellen werden letzten Endes alle Arten von Literatur und Kunst gespeist? Die Werke der Literatur und Kunst als ideologische Form sind das Produkt der Widerspiegelung des Lebens einer gegebenen Gesellschaft im menschlichen Gehirn. Die revolutionäre Literatur und Kunst ist das Produkt der Widerspiegelung des Lebens des Volkes im Bewußtsein der revolutionären Schriftsteller und Künstler. Das Leben des Volkes ist die eigentliche Fundgrube, aus welcher der Stoff für das literarische und künstlerische Schaffen geschürft wird, ein Stoff im Naturzustand, ein roher Stoff, aber zugleich der lebendigste, reichhaltigste, allem zu Grunde liegende Stoff; in diesem Sinne verblaßt vor ihm jegliche Literatur und Kunst, deren unerschöpfliche und einzige Quelle er ist. Das ist die einzige Quelle, denn es kann außer ihr keine andere geben. Manche mögen fragen: Sind nicht die literarisch-künstlerischen Werke der Schriftsteller, die Werke der Literatur und Kunst vergangener Epochen und fremder Länder auch eine solche Quelle? Nein, in Wirklichkeit sind die Literatur- und Kunstwerke der Vergangenheit keine Quelle, sondern ein Strom, sind sie das, was unsere Vorfahren oder Ausländer aus dem literarischen und künstlerischen Rohstoff schufen, den ihnen das Leben des Volkes zu ihrer Zeit beziehungsweise in ihrem Land lieferte. Wir müssen das Beste aus dem literarischen und künstlerischen Erbe übernehmen, uns daraus kritisch alles Nützliche aneignen und es als Beispiel heranziehen, wenn wir das aus dem Volksleben unserer Zeit und unseres Landes gewonnene Rohmaterial für Literatur und Kunst schöpferisch verarbeiten. Es ist ein Unterschied, ob wir ein solches Beispiel besitzen oder nicht. Davon hängt ab, ob das Werk des Schriftstellers oder Künstlers vollendet oder ungeschliffen, erlesen oder plump sein wird, ob es auf einem hohen oder einem niedrigen Niveau stehen wird, ob der Verfasser es rasch oder langsam schafft. Deshalb können wir auf keinen Fall darauf verzichten, die Werke der alten und der ausländischen Schriftsteller und Künstler, sogar der feudalen oder bürgerlichen Klasse, als Erbe zu übernehmen und als Beispiel für unsere Arbeit heranzuziehen. Aber die Übernahme eines Erbes und seine Heranziehung als Beispiel darf keineswegs das eigene Schaffen ersetzen; das eigene Schaffen kann niemals ersetzt werden. Die kritiklose Übernahme oder blinde Nachahmung von Werken alter oder ausländischer Autoren ist unfruchtbarster, schädlichster Dogmatismus in Literatur und Kunst. Alle revolutionären Schriftsteller und Künstler Chinas, die zu großen Hoffnungen berechtigenden Schriftsteller und Künstler müssen unter die Massen gehen; sie müssen für eine lange Zeit vorbehaltlos mit Leib und Seele in den Massen der Arbeiter, Bauern und Soldaten untertauchen, sich ins heißeste Kampfgetümmel werfen, zu der einzigen, so mächtig und reich sprudelnden Quelle vordringen, um die Menschen, die Klassen, die Volksmassen, alle lebendigen Formen des Lebens und des Kampfes, das ganze Ausgangsmaterial für das literarisch-künstlerische Schaffen zu beobachten, zu erleben, zu studieren und zu analysieren. Dann erst können sie in den Prozeß der schöpferischen Arbeit eintreten. Andernfalls wird ihre eigene Arbeit gegenstandslos sein, und man wird nur ein Scheinliterat oder Scheinkünstler sein, gerade das, wovor Lu Hsün in seinem Vermächtnis seinen Sohn so eindringlich gewarnt hat.5

Obwohl das gesellschaftliche Leben der Menschheit für Literatur und Kunst die einzige Quelle ist, obwohl es selbst dem Inhalt nach unvergleichlich lebendiger und reicher als die Literatur und Kunst ist, gibt sich das Volk mit ihm allein nicht zufrieden und verlangt nach Literatur und Kunst. Weshalb? Weil zwar sowohl das Leben als auch Literatur und Kunst schön sind, dennoch aber das in Werken der Literatur und der Kunst widergespiegelte Leben in seinen Äußerungen erhabener, schärfer ausgeprägt, konzentrierter, typischer und idealer und folglich auch allumfassender als die Alltagswirklichkeit sein kann und soll. Die revolutionäre Literatur und Kunst müssen, indem sie die verschiedensten Gestalten aus dem wirklichen Leben nehmen, den Massen helfen, die Geschichte vorwärtszutreiben. Die einen leiden beispielsweise Hunger und Kälte, werden unterdrückt, die anderen beuten die Menschen aus und unterdrücken sie - das gibt es überall, und die Menschen sehen darin nichts Außergewöhnliches. Schriftsteller und Künstler schaffen Werke der Literatur und Kunst indem sie diese alltäglichen Erscheinungen in einem Brennpunkt konzentrieren und die in ihnen enthaltenen Widersprüche und Kämpfe typisieren -, welche die Volksmassen aufrütteln, in Begeisterung versetzen und dazu treiben können, für die Änderung der Verhältnisse, in denen sie leben, sich zusammenzuschließen und zu kämpfen. Gäbe es keine solche Literatur und Kunst, dann wäre diese Aufgabe unerfüllbar, oder sie könnte nicht wirksam und rasch erfüllt werden.

Was ist Popularisierung und Hebung des Niveaus von Literatur und Kunst? In welcher Beziehung stehen diese beiden Aufgaben zueinander? Populäre Werke sind einfacher und leichter verständlich, und deshalb werden sie heute von den breiten Volksmassen bereitwillig aufgenommen. Die Werke mit höherem Niveau sind verfeinerter; deshalb ist es schwerer, sie zu schaffen, und im allgemeinen schwerer, sie unter den breiten Volksmassen von heute rasch zu verbreiten. Vor unseren Arbeitern, Bauern und Soldaten steht nun folgendes Problem: Sie stehen in einem erbitterten, blutigen Kampf gegen den Feind, sind aber infolge der langen Herrschaft der Feudalklasse und der Bourgeoisie Analphabeten und ungebildete Menschen, verlangen daher dringend nach einer breiten Aufklärungsbewegung, nach Bildung und Wissen, nach Werken der Literatur und Kunst, nach all dem, was sie so sehr und in leichtfaßlicher Form benötigen, damit ihr Kampfelan und ihre Siegeszuversicht gehoben, ihre Einheit gestärkt wird, so daß sie einmütig den Kampf gegen den Feind führen. Ihnen sollen wir, als erster Schritt, nicht "auf den Brokat noch Blumen sticken", sondern "bei Schneewetter Kohle schicken". Deshalb ist unter den gegenwärtigen Bedingungen die Popularisierung die vordringlichere Aufgabe. Es wäre ein Fehler, diese Aufgabe geringzuschätzen oder zu übersehen.

Popularisierung und Hebung des Niveaus können jedoch nicht scharf voneinander getrennt werden. Es geht nicht nur darum, daß einige der besten Werke schon heute Massenverbreitung finden können, sondern auch darum, daß das ku1turelle Niveau der breiten Massen ununterbrochen steigt. Wenn wir bei der Popularisierung immer auf demselben Niveau stehenbleiben, wenn wir Monat für Monat, Jahr für Jahr tagtäglich ein und dieselbe Warensorte vertreiben, immer denselben "Kleinen Kuhhirten"6, immer die gleichen Schriftzeichen Mensch, Hand, Mund, Messer, Rind, Schaf7 - darbieten, wird da nicht der Unterschied zwischen Lehrenden und Lernenden dem zwischen zwölf und einem Dutzend gleichen? Welchen Sinn hat eine solche Popularisierung? Das Volk fordert eine Popularisierung, doch gefolgt von einer Niveauhebung; es fordert, daß Jahr für Jahr, Monat für Monat das Niveau gehoben wird. Hier bedeutet Popularisierung Zugänglichkeit für das Volk, und Niveauhebung - Hebung des Niveaus des Volkes. Und eine solche Niveauhebung erfolgt nicht in der Luft oder hinter verschlossenen Türen, sondern auf der Grundlage der Popularisierung. Sie wird von der Popularisierung bestimmt und weist dieser zugleich die Richtung. Im Maßstab Chinas entwickeln sich die Revolution und die revolutionäre Kultur ungleichmäßig, und sie breiten sich nur allmählich aus. An der einen Stelle ist die Popularisierung und auf deren Grundlage auch die Hebung des Niveaus schon im Gange, während man an der anderen Stelle noch nicht einmal begonnen hat, Literatur und Kunst in die Massen zu tragen. Deshalb können die guten Erfahrungen, die bei der Popularisierung und der ihr folgenden Niveauhebung an einer Stelle gemacht wurden, an anderer Stelle ausgenutzt werden, damit sie dort bei dieser Arbeit richtungweisend wirken und so manche Umwege und Irrwege ersparen. Im internationalen Maßstab können uns auch die guten Erfahrungen des Auslands und besonders die Erfahrungen der Sowjetunion als Richtschnur dienen. Also geht bei uns die Hebung des Niveaus auf der Grundlage der Popularisierung vor sich, während sich die Popularisierung von der Niveauhebung leiten läßt. Eben deswegen ist die Popularisierung, die wir meinen, nicht nur kein Hindernis für die Niveauhebung, sondern sie bietet vielmehr die Grundlage für die gegenwärtig in begrenztem Umfang geleistete Arbeit zur Hebung des Niveaus und bereitet die unerläßlichen Bedingungen für einen in der Zukunft weit größeren Umfang dieser Arbeit vor.

Neben der von den Volksmassen unmittelbar benötigten Hebung des Niveaus gibt es noch eine Niveauhebung, deren sie mittelbar bedürfen, nämlich die erforderliche Hebung des Niveaus der Kader. Die Kader - das sind die fortgeschrittenen Elemente der Massen, sie besitzen in der Regel etwas mehr Bildung als diese; sie brauchen unbedingt eine Literatur und Kunst, die auf einem höheren Niveau steht, und das zu übersehen wäre ein Fehler. Was für die Kader getan wird, dient in vollem Umfang auch den Massen, denn nur mittels der Kader kann man die Massen erziehen und lenken. Wenn wir diesem Ziel zuwiderhandeln, wenn das, was wir den Kadern geben, ihnen bei der Erziehung und Lenkung der Massen nicht hilft, dann wird unsere Arbeit zur Hebung des Niveaus ein Schuß ins Blaue sein, ein Abgehen von unserem Grundprinzip, den Volksmassen zu dienen.

Um zusammenzufassen: Das aus dem Leben des Volkes geholte literarische und künstlerische Rohmaterial wird von den revolutionären Schriftstellern und Künstlern schöpferisch verarbeitet und zu einer ideologisch den Volksmassen dienenden Literatur und Kunst gestaltet. Dazu gehören einerseits eine Literatur und eine Kunst von hohem Niveau, die sich auf der Basis einer Literatur und einer Kunst von elementarem Niveau entwickelt haben und die von dem Teil der Massen, dessen Niveau gehoben worden ist, oder in erster Linie von den unter den Massen wirkenden Kadern benötigt werden; andererseits gehören dazu auch die Literatur und Kunst von elementarem Niveau, die umgekehrt durch die Literatur und Kunst von hohem Niveau gelenkt und heute gewöhnlich von der überwiegenden Mehrheit der Massen am dringendsten benötigt werden. Unsere Literatur und Kunst - sowohl von hohem als auch von elementarem Niveau dienen in gleichem Maße den Volksmassen, vor allem den Arbeitern, Bauern und Soldaten, werden für die Arbeiter, Bauern und Soldaten geschaffen, von ihnen benutzt.

Nachdem wir die Frage der Beziehungen zwischen Niveauhebung und Popularisierung gelöst haben, kann auch die Frage der Beziehungen zwischen den Fachleuten und jenen, die Literatur und Kunst popularisieren, gelöst werden. Unsere Fachleute sollen nicht nur den Kadern, sondern hauptsächlich den Massen dienen. Unsere Fachleute auf dem Gebiet der Literatur müssen ihre Aufmerksamkeit den von den Massen herausgegebenen Wandzeitungen sowie der Reportageliteratur in der Armee und in den Dörfern schenken. Unsere Fachleute auf dem Gebiet der Bühnenkunst müssen ihr Augenmerk den kleinen Spieltruppen in der Armee und in den Dörfern zuwenden. Unsere Fachleute auf dem Gebiet der Musik müssen dem Gesang der Massen Aufmerksamkeit schenken. Unsere Fachleute auf dem Gebiet der bildenden Kunst müssen die Werke der bildenden Kunst beachten, die von den Massen geschaffen werden. Alle diese Genossen müssen enge Verbindung mit den Genossen aufnehmen, die inmitten der Massen auf dem Gebiet der Popularisierung der Literatur und Kunst tätig sind, müssen einerseits ihnen helfen und sie anleiten, andererseits auch von ihnen lernen, durch ihre Vermittlung die von den Massen strömenden Nährstoffe einsaugen, um ihre eigenen Reserven aufzufüllen, sich selbst zu bereichern, damit ihr Spezialgebiet nicht zu einem inhalts- und leblosen Wolkenkuckucksheim wird, das von den Massen, von der Wirklichkeit losgelöst ist. Wir müssen die Fachleute zu schätzen wissen; sie sind für unsere Sache von hohem Wert. Wir müssen ihnen jedoch sagen, daß die Arbeit eines jeden revolutionären Schriftstellers und Künstlers nur dann Bedeutung hat, wenn er mit den Massen verbunden ist, wenn er die Massen darstellt, wenn er sich als getreuer Wortführer der Massen betrachtet. Nur wenn er ein Vertreter der Massen ist, kann er sie erziehen; nur wenn er zum Schüler der Massen wird, kann er ihr Lehrer werden. Wenn er sich aber für den Herrn der

Massen hält, für einen Aristokraten, der hoch über dem "gemeinen Volk" thront, kann er über noch so großes Talent verfügen - die Massen werden ihn nicht brauchen, und seine Arbeit hat keine Zukunft.

Ist diese unsere Haltung nicht utilitaristisch? Die Materialisten sind nicht gegen den Utilitarismus schlechthin, sondern nur gegen den Utilitarismus der feudalen, der bürgerlichen und der kleinbürgerlichen Klasse, gegen jene Heuchler, die sich in Worten gegen den Utilitarismus wenden, in der Tat sich aber als die egoistischsten und kurzsichtigsten Utilitaristen erweisen. Auf der Welt gibt es keinerlei "Ismen", die allgemein über den utilitaristischen Überlegungen ständen; in der Klassengesellschaft kann es nur den Utilitarismus dieser oder jener Klasse geben. Wir sind proletarische revolutionäre Utilitaristen, wir gehen von der Einheit der gegenwärtigen und der künftigen Interessen der breitesten Massen aus, die übe: 9o Prozent der gesamten Bevölkerung ausmachen. Wir sind daher revolutionäre Utilitaristen, die sich die umfassendsten und weitestreichenden Ziele stecken, und keine engstirnigen Utilitaristen, die nur das Partielle und Nächstliegende sehen. Wer z. B. um seines eigenen Vorteils oder des Vorteils einer kleinen Gruppe willen darauf besteht, ein bestimmtes Werk, das nur die Anerkennung weniger findet, sich aber für die meisten Menschen als nutzlos, ja schädlich erweist, auf den Markt zu bringen und unter den Massen zu propagieren, und dabei den Massen Utilitarismus vorwirft, beleidigt nicht nur die Massen, sondern beweist auch seine Selbstüberschätzung. Eine Sache ist nur dann gut, wenn sie den Volksmassen tatsächlichen Nutzen bringt. Wer ein Werk schafft, das, mag es auch so gut sein wie "Der Frühlingsschnee", vorläufig nur die Bedürfnisse einiger weniger befriedigt, während die Massen immer noch den "Armen Dörfler"8 singen, anstatt das Niveau der Massen zu heben, die Menschen bloß beschimpft, der wird damit keinen Erfolg haben. Jetzt steht vor uns das Problem, den "Frühlingsschnee" mit dem "Armen Dörfler", die Hebung des Niveaus mit der Popularisierung zu vereinen. Ohne eine solche Verschmelzung wird auch die höchste Kunst eines beliebigen Fachmanns unvermeidlich nur engster Utilitarismus sein; wenn jemand aber behaupten wird, daß darin seine "Erhabenheit" bestehe, so wird das nur eine selbstverliehene "Erhabenheit" sein, womit die Massen nicht einverstanden sein werden.

Sobald wir die Fragen des grundlegenden Kurses gelöst haben die Frage, daß Literatur und Kunst den Arbeitern, Bauern und Soldaten dienen müssen, und die Frage, wie ihnen gedient werden muß -, werden wir auch solche Fragen auf einen Schlag lösen wie die, ob die lichten oder die Schattenseiten des Lebens gezeigt werden sollen, wie die Frage des Zusammenschlusses usw. Wenn jedermann hier dem grundlegenden Kurs zustimmt, dann müssen alle unsere Literatur- und Kunstschaffenden, Lehranstalten für Literatur und Kunst, literarischen und künstlerischen Publikationen und Organisationen, müssen wir in unserer gesamten Tätigkeit auf dem Gebiet der Literatur und Kunst diesem Kurs folgen. Von ihm abweichen hieße einen Fehler machen; alles, was mit diesem Kurs nicht übereinstimmt, muß entsprechend korrigiert werden.

III

Nachdem nun feststeht, daß unsere Literatur und Kunst den Volksmassen dienen müssen, können wir dazu übergehen, ein Problem der innerparteilichen Beziehungen zu erörtern, nämlich die Beziehung zwischen der Parteiarbeit auf dem Gebiet der Literatur und Kunst und der gesamten Parteiarbeit, und überdies ein Problem der außerparteilichen Beziehungen, nämlich die Beziehung zwischen der Arbeit der Partei auf dem Gebiet der Literatur und Kunst und der Arbeit von den außerhalb der Kommunistischen Partei stehenden Menschen auf dem gleichen Gebiet, also ein Problem der Einheitsfront in den Kreisen der Literatur- und Kunstschaffenden.

Beginnen wir mit der ersten Frage. In der Welt von heute ist jede Kultur, jede Literatur und Kunst einer bestimmten Klasse zugehörig, einer bestimmten politischen Linie verpflichtet. Eine Kunst um der Kunst willen, eine über den Klassen stehende Kunst, eine Kunst, die neben der Politik einherginge oder unabhängig von ihr wäre, gibt es in Wirklichkeit nicht. Die proletarische Literatur und Kunst sind ein Teil der gesamten revolutionären Sache des Proletariats oder, wie Lenin sagte, "Rädchen und Schräubchen"9 des Gesamtmechanismus der Revolution. Deshalb nimmt die Parteiarbeit auf dem Gebiet der Literatur und Kunst einen bestimmten, ihr präzise zugewiesenen Platz in der gesamten revolutionären Tätigkeit der Partei ein; sie ist den revolutionären Aufgaben untergeordnet, die von der Partei für die betreffende Periode der Revolution festgelegt worden sind. Das abzulehnen heißt unweigerlich auf einen Dualismus oder Pluralismus abgleiten, läuft dem Wesen nach auf die trotzkistische Formel hinaus: "Politik - marxistisch, Kunst - bürgerlich." Wir sind mit einer übermäßigen, bis zur Absurdität gehenden Betonung der Wichtigkeit von Literatur und Kunst nicht einverstanden, aber ebensowenig mit einer Unterschätzung ihrer Bedeutung. Literatur und Kunst sind der Politik untergeordnet, üben aber auch ihrerseits einen großen Einfluß auf die Politik aus. Die revolutionäre Literatur und Kunst sind ein Teil der gesamten Sache der Revolution, sie sind Rädchen und Schräubchen davon, die der Bedeutung, Dringlichkeit und Reihenfolge nach im Vergleich mit anderen, noch wichtigeren Teilen natürlich an zweiter Stelle rangieren; dennoch sind sie unentbehrliche Rädchen und Schräubchen des Gesamtmechanismus, ein unentbehrlicher Bestandteil der revolutionären Sache als Ganzes genommen. Wenn es nicht einmal eine Literatur und Kunst im weitesten, allgemeinsten ~·~ne des Wortes gibt, dann kann die revolutionäre Bewegung nicht vorwärtsschreiten, kann sie nicht siegen. Es wäre ein Fehler, das nicht zu begreifen. Ferner: Wenn wir sagen, Literatur und Kunst müßten sich der Politik unterordnen, dann meinen wir die Klassenpolitik, die Politik der Massen und nicht die Politik einer beschränkten Gruppe sogenannter Politiker. Die Politik ist, gleichgültig ob revolutionär oder konterrevolutionär, stets der Kampf einer Klasse gegen eine andere Klasse und nicht das Tun einer Handvoll von Personen. Der revolutionäre Kampf an der ideologischen Front und an der Front der Kunst muß dem politischen Kampf untergeordnet sein, denn die Bedürfnisse der Klassen und der Massen können nur durch die Politik in konzentrierter Weise zum Ausdruck gebracht werden. Die revolutionären Politiker, die Fachleute der Politik, die die Wissenschaft oder die Kunst der revolutionären Politik beherrschen, sind nur die Führer der Millionen von Politikern - der Volksmassen, und ihre Aufgabe besteht darin, die Meinungen dieser Politiker in Gestalt der Volksmassen zu sammeln und zu konzentrieren, zu läutern und dann zurück in die Massen hineinzutragen, damit die Massen sie annehmen und in die Praxis umsetzen. Sie sind also keine "Politiker" aristokratischen Schlages, die vom grünen Tisch aus Entscheidungen treffen und sich einbilden, die Weisheit gepachtet zu haben, mit der Reklame: Wir sind "eine unübertreffliche Firma, unseresgleichen ist nicht zu finden". Darin besteht der grundsätzliche Unterschied zwischen den proletarischen Politikern und den dekadenten bürgerlichen Politikern. Das eben ist der Grund, warum der politische Charakter unserer Literatur und Kunst vollkommen mit ihrer Wahrhaftigkeit zusammenfallen kann. Es wäre falsch, das nicht zu begreifen und die proletarische Politik sowie die proletarischen Politiker zu vulgarisieren.

Gehen wir jetzt zur Frage der Einheitsfront in den Kreisen der Literatur- und Kunstschaffenden über. Da Literatur und Kunst der Politik untergeordnet sind und da heute der Widerstand gegen die japanische Aggression die erste Grundfrage der Politik Chinas ist, müssen sich die Parteimitglieder, die auf dem Gebiet der Literatur und Kunst tätig sind, vor allen Dingen mit sämtlichen nichtkommunistischen Schriftstellern und Künstlern (angefangen bei den mit der Partei Sympathisierenden, den kleinbürgerlichen Schriftstellern und Künstlern bis zu jenen der Bourgeoisie und der Grundherrenklasse, die für den Widerstand gegen die japanische Aggression eintreten) hinsichtlich dieses antijapanischen Widerstands zusammenschließen. Ferner müssen wir uns hinsichtlich der Demokratie mit ihnen zusammenschließen; diesem Punkt stimmt ein Teil der antijapanischen Schriftsteller und Künstler nicht zu, so daß hierin die Reichweite des Zusammenschlusses unvermeidlich etwas begrenzter sein wird. Schließlich müssen wir uns mit ihnen hinsichtlich der für die Literatur und Kunst spezifischen Fragen - Fragen der Methode und des Stils des Kunstschaffens - zusammenschließen; da wir für den sozialistischen Realismus sind, ein Teil der Schriftsteller und Künstler ihn jedoch ablehnt, wird die Reichweite des Zusammenschlusses hier noch begrenzter sein. In einer Frage wird es zum Zusammenschluß, in einer anderen zu Kampf und Kritik kommen. Das alles sind sowohl voneinander gesonderte als auch miteinander verknüpfte Fragen; deshalb kommt es selbst in Fragen, wo ein Zusammenschluß herbeigeführt wird - wie in der Frage des Widerstands gegen die japanische Aggression -, gleichzeitig auch zu Kampf und Kritik. Innerhalb der Einheitsfront nur den Zusammenschluß verwirklichen und keinen Kampf führen oder nur den Kampf führen und den Zusammenschluß nicht verwirklichen, das heißt, so verfahren wie gewisse Genossen in der Vergangenheit, die rechtes Kapitulantentum und rechte Nachtrabpolitik oder aber "linke" Exklusivität und "linkes" Sektierertum praktizierten, das wäre eine falsche Politik. Das gilt sowohl für die Politik als auch für die Kunst.

In China nehmen unter den Kräften, die die Einheitsfront in den Kreisen der Literatur- und Kunstschaffenden bilden, die kleinbürgerlichen Schriftsteller und Künstler einen bedeutenden Platz ein. Ihre Anschauungen und ihre Werke enthalten viele Mängel, aber gleichzeitig fühlen sie sich mehr oder minder zur Revolution hingezogen, nähern sich mehr oder minder dem werktätigen Volk. Deshalb ist es eine besonders wichtige Aufgabe, ihnen bei der Überwindung ihrer Mängel zu helfen und sie in den Dienst am werktätigen Volk einzubeziehen.

IV

Eine der Hauptmethoden des Kampfes auf dem Gebiet der Literatur und Kunst ist die Literatur- und Kunstkritik. Diese Kritik muß man entwickeln; in der Vergangenheit war diese Arbeit sehr unzureichend, worauf die Genossen mit Recht verwiesen haben. Die Literatur und Kunstkritik ist ein kompliziertes Problem, das ein intensives Spezialstudium erfordert. Hier will ich nur auf die Grundfrage - die Frage des Kriteriums bei der Kritik - näher eingehen und daneben zu einzelnen Fragen, die von einigen Genossen aufgeworfen wurden, sowie zu einigen falschen Ansichten kurz Stellung nehmen.

In der Literatur- und Kunstkritik gibt es zwei Kriterien: ein politisches und ein künstlerisches. Im Lichte des politischen Kriteriums ist alles, was dem Widerstand gegen Japan und dem Zusammenschluß des Volkes nützt, was die moralische Einheit der Volksmassen stimuliert, was sich dem Rückschritt widersetzt und den Fortschritt fördert - ist alles das gut; umgekehrt ist alles, was den Widerstand und den Zusammenschluß nicht begünstigt, was moralische Uneinigkeit in den Volksmassen erzeugt, was dem Fortschritt entgegenwirkt und die Menschen zurückzerrt - ist alles das schlecht. Aber worauf sollen wir letzten Endes unser Urteil gründen, wenn wir von gut und schlecht sprechen: auf die Motive (d. h. subjektive Wünsche) oder auf die Ergebnisse (d. h. die gesellschaftliche Praxis)? Die Idealisten betonen die Motive und ignorieren die Ergebnisse, die Anhänger des mechanischen Materialismus betonen die Ergebnisse und ignorieren die Motive. Im Gegensatz zu den einen wie zu den anderen stehen wir dialektischen Materialisten auf dem Standpunkt der Einheit von Motiv und Ergebnis. Das Motiv, den Massen zu dienen, ist untrennbar von dem Ergebnis, das in der Anerkennung durch die Massen zum Ausdruck kommt; beide müssen vereint sein. Wenn die Motive persönlichen Interessen oder den Interessen einer kleinen Gruppe entsprechen, so ist das schlecht; wenn die Motive den Interessen der Massen entsprechen, aber nicht zu Ergebnissen führen, die von den Massen begrüßt werden und für die Massen von Nutzen sind, so ist das ebenfalls schlecht. Prüfen wir, ob die subjektiven Wünsche eines Schriftstellers oder Künstlers, d. h. seine Motive richtig und gut sind, dann schauen wir nicht auf seine Deklarationen, sondern darauf, welches Ergebnis seine Tätigkeit (hauptsächlich seine Werke) für die Massen der Gesellschaft hat. Die gesellschaftliche Praxis und ihre Ergebnisse sind das Kriterium für die Erprobung der subjektiven Wünsche oder der Motive. Wir lehnen in unserer Literatur- und Kunstkritik das Sektierertum ab; geleitet vom hohen Prinzip des Zusammenschlusses zum Widerstand gegen Japan, müssen wir das Bestehen von Literatur- und Kunstwerken zulassen, die die verschiedenartigste politische Einstellung widerspiegeln. Aber unsere Kritik muß prinzipienfest sein, und alle Werke der Literatur und Kunst, die antinationale, wissenschaftsfeindliche, gegen die Massen gerichtete und antikommunistische Ansichten enthalten, müssen wir scharf kritisieren und widerlegen; denn sowohl ihren Motiven als auch ihren Ergebnissen nach untergraben diese sogenannten Werke den Zusammenschluß zum Widerstand gegen Japan. Nimmt man das künstlerische Kriterium, so ist alles, was auf einem höheren künstlerischen Niveau steht, gut oder relativ gut, während alles, was auf einem niedrigeren künstlerischen Niveau steht, schlecht oder relativ schlecht ist. Natürlich muß man auch bei dieser Unterscheidung die gesellschaftliche Wirkung im Auge behalten. Es gibt kaum einen Schriftsteller oder Künstler, der seine eigenen Werke nicht für herrlich hielte, und unsere Kritik muß den freien Wettbewerb der verschiedenartigsten Kunstwerke zulassen; doch ist es auch absolut notwendig, diese Werke einer richtigen Kritik gemäß den Kriterien der Kunstwissenschaft zu unterziehen, damit eine auf niedrigerem Niveau stehende Kunst allmählich auf ein höheres gehoben wird, damit eine Kunst, die den Anforderungen des Kampfes der breiten Massen nicht entspricht, sich in eine Kunst verwandelt, die diesen Ansprüchen genügt.

Es gibt also ein politisches und ein künstlerisches Kriterium. Wie ist nun die Beziehung zwischen beiden? Zwischen Politik und Kunst darf man ebensowenig ein Gleichheitszeichen setzen wie zwischen der allgemeinen Weltanschauung und den Methoden des künstlerischen Schaffens und der Kunstkritik. Wir bestreiten nicht nur, daß es ein abstraktes, absolut unveränderliches politisches Kriterium gibt, sondern auch, daß es ein abstraktes, absolut unveränderliches künstlerisches Kriterium gibt; in jeder Klassengesellschaft hat jede Klasse ihre eigenen politischen und künstlerischen Kriterien. Aber in jeder Klassengesellschaft stellt jede Klasse immer das politische Kriterium an die erste und das künstlerische an die zweite Stelle. Die Bourgeoisie verwirft stets Werke der proletarischen Literatur und Kunst, wie hoch auch ihre künstlerischen Qualitäten sein mögen. Auch das Proletariat muß die Werke der Literatur und Kunst vergangener Epochen vor allem auf ihre Einstellung zum Volk sowie darauf prüfen, ob sie in der Geschichte eine fortschrittliche Bedeutung hatten, und demgemäß eine differenzierte Haltung ihnen gegenüber einnehmen. Manche politisch von Grund auf reaktionäre Werke können gewissen Kunstwert besitzen. Je reaktionärer der Inhalt eines Werkes und je höher obendrein sein Kunstwert ist, desto stärker vermag es das Volk zu vergiften und um so entschiedener müssen wir es ablehnen. Die gemeinsame Besonderheit der Literatur und Kunst aller Ausbeuterklassen in der Periode ihres Niedergangs ist der Widerspruch zwischen ihrem reaktionären politischen Inhalt und ihrer künstlerischen Form. Wir fordern jedoch die Einheit von Politik und Kunst, die Einheit von Inhalt und Form, die Einheit von revolutionärem politischem Inhalt und möglichst vollkommener künstlerischer Form. Kunstwerke, denen es an Kunstwert mangelt, sind, wie fortschrittlich sie politisch auch sein mögen, kraftlos. Darum sind wir sowohl gegen Kunstwerke, die falsche politische Ansichten enthalten, als auch gegen die Tendenz des sogenannten Plakat- und Schlagwortstils, der nur richtige politische Ansichten ausdrückt, aber künstlerisch kraftlos ist. In Fragen der Literatur und Kunst müssen wir einen Zweifrontenkampf führen.

Diese beiden Tendenzen finden sich in den Köpfen vieler unserer Genossen. Eine Reihe von Genossen neigt dazu, die künstlerische Seite geringschätzig zu behandeln; sie müssen darum auf die Hebung des künstlerischen Niveaus bedacht sein. Ich bin jedoch der Meinung, daß gegenwärtig die politische Seite das ernstere Problem ist. Manche Genossen verfügen nicht einmal über die elementarsten politischen Kenntnisse, wodurch bei ihnen verschiedene verworrene Vorstellungen entstehen. Gestattet mir, einige Beispiele aus Yenan anzuführen.

Die "Theorie von der menschlichen Natur". Gibt es so etwas wie eine menschliche Natur? Gewiß gibt es das. Aber es existiert nur eine konkrete menschliche Natur und keine abstrakte menschliche Natur. In der Klassengesellschaft existiert nur eine menschliche Natur, die Klassencharakter hat, und nicht irgendeine über den Klassen stehende menschliche Natur. Wir sind für die proletarische menschliche Natur, für die menschliche Natur der breiten Volksmassen, während die Grundherrenklasse und die Bourgeoisie für die menschliche Natur ihrer Klassen eintreten, aber sie sprechen das nicht offen aus, sondern geben diese für die einzige menschliche Natur aus. Jene menschliche Natur, von der manche kleinbürgerliche Intellektuelle so hochtönend schwatzen, ist ebenfalls von den Volksmassen losgelöst oder steht im Gegensatz zu ihnen; ihr Gerede über die menschliche Natur ist im Grunde genommen nichts anderes als bürgerlicher Individualismus, deshalb widerspricht auch in ihren Augen die menschliche Natur des Proletariats der menschlichen Natur. Ein ebensolches Geschwätz und grundfalsch ist die "Theorie von der menschlichen Natur", der einige Leute in Yenan als Grundlage ihrer sogenannten Theorie der Literatur und Kunst das Wort reden.

"Der grundlegende Ausgangspunkt für die Literatur und Kunst ist die Liebe, die Menschenliebe." Die Liebe kann wohl als Ausgangspunkt dienen, aber es gibt da einen anderen Ausgangspunkt, der grundlegend ist. Die Liebe als Idee ist ein Produkt der objektiven Praxis. Wir gehen grundsätzlich nicht von der Idee, sondern von der objektiven Praxis aus. Die Liebe zum Proletariat entstand in unseren aus der Intelligenz hervorgegangenen Literatur- und Kunstschaffenden, weil die Gesellschaft sie veranlaßte, die Gemeinsamkeit der eigenen Geschicke mit denen des Proletariats zu fühlen. Unser Haß gegen den japanischen Imperialismus ist das Ergebnis der Unterdrückung durch den japanischen Imperialismus. In der Welt gibt es ebensowenig eine grundlose Liebe wie einen grundlosen Haß. Was die sogenannte Menschenliebe anbelangt, so hat es seit Aufspaltung der Menschheit in Klassen keine solche allumfassende Liebe gegeben. Diese Liebe wurde von allen herrschenden Klassen der Vergangenheit gern gepredigt; viele sogenannte Weise taten es ebenfalls, aber keiner hat sie je wirklich praktiziert, denn in der Klassengesellschaft ist sie unmöglich. Wahre Menschenliebe ist erst dann möglich, wenn in der ganzen Welt die Klassen abgeschafft sind. Die Klassen haben die Gesellschaft in viele antagonistische Gruppen aufgespaltet; nach der Aufhebung der Klassen wird es eine allgemeine Menschenliebe geben, doch jetzt gibt es eine solche Liebe noch nicht. Wir können Feinde nicht lieben, können die widerwärtigen Erscheinungen in der Gesellschaft nicht lieben, unser Ziel ist ihre Vernichtung. Das ist eine Binsenwahrheit; sollten das unsere Literatur und Kunstschaffenden immer noch nicht begriffen haben?

"In den Werken der Literatur und Kunst wird auf Licht und Schatten stets gleichermaßen Wert gelegt, werden beide gleichmäßig verteilt." An dieser Behauptung ist vieles wirr. In den Werken der Literatur und Kunst ist das keineswegs immer der Fall. Viele kleinbürgerliche Autoren haben niemals die Lichtseiten gefunden, ihre Werke enthüllten vielmehr nur die Schattenseiten und wurden dann auch "Entlarvungsliteratur" genannt, wobei sich manche einfach darauf spezialisierten, Pessimismus und Weltschmerz zu predigen. Die Sowjetliteratur zeigt umgekehrt in der Periode des Aufbaus des Sozialismus in der Hauptsache die Lichtseiten. Sie beschreibt auch die Mängel in der Arbeit, zeichnet auch negative Typen, aber solche Schilderungen dienen nur dazu, das lichte Gesamtbild plastischer hervortreten zu lassen, das hat gar nichts mit der sogenannten "gleichmäßigen Verteilung von Licht und Schatten" zu tun. Bürgerliche Schriftsteller und Künstler reaktionärer Perioden stellen die revolutionären Massen als aufrührerischen Mob und sich selbst als Heilige dar, das heißt, Licht und Schatten werden jeweils ins Gegenteil verkehrt. Nur wirklich revolutionäre Schriftsteller und Künstler sind imstande, die Frage, was zu preisen und was zu entlarven ist, richtig zu lösen. Alle finsteren Mächte, die den Volksmassen Schaden bringen, müssen entlarvt, jede revolutionäre Kampfaktion der Volksmassen muß gepriesen werden; das ist die grundlegende Aufgabe der revolutionären Schriftsteller und Künstler.

"Es ist von jeher die Aufgabe der Literatur und Kunst, zu entlarven." Diese Behauptung zeugt ebenso wie die vorangegangene vom Fehlen geschichtswissenschaftlicher Kenntnisse. Wie vorher schon gesagt, haben sich Literatur und Kunst niemals lediglich mit Entlarvung befaßt. Für die revolutionären Schriftsteller und Künstler können nur die Aggressoren, die Ausbeuter, die Unterdrücker sowie ihr schlechter Einfluß auf das Volk Objekte der Entlarvung sein, nicht aber die Volksmassen. Auch die Volksmassen sind nicht frei von Mängeln, aber diese Mängel müssen durch Kritik und Selbstkritik innerhalb des Volkes überwunden werden, und eine solche Kritik und Selbstkritik ist auch eine der wichtigsten Aufgaben der Literatur und Kunst. Doch das dürfen wir keineswegs als "Entlarvung des Volkes" bezeichnen. Was das Volk anbelangt, so stellt sich uns im wesentlichen das Problem, wie es zu erziehen und wie sein Niveau zu heben ist. Nur konterrevolutionäre Schriftsteller und Künstler stellen das Volk als "von Natur aus dumm" und die revolutionären Massen als "tyrannischen Pöbel" dar.

"Die Zeit der Essays ist noch nicht vorbei, wir brauchen noch die Schreibweise Lu Hsüns." Lu Hsün, der unter der Herrschaft der finsteren Mächte lebte, war der Redefreiheit beraubt und bediente sich für seinen Kampf einer essayistischen Form voll bitterer Ironie und voll ätzenden Spottes; damit hatte Lu Hsün völlig recht. Auch wir müssen den Faschismus, die chinesischen Reaktionäre und alles, was dem Volk schadet, beißend verspotten; aber im Grenzgebiet Schensi-KansuNingsia und in den antijapanischen Stützpunktgebieten hinter den feindlichen Linien, wo den revolutionären Schriftstellern und Künstlern Demokratie und Freiheit in vollem Maße gewährt und nur den konterrevolutionären Elementen versagt sind, dürfen Essays nicht mehr einfach in der Form geschrieben werden, die Lu Hsün benutzte.

Hier können wir laut und offen sprechen, brauchen keine versteckten Anspielungen, die den Volksmassen das Verständnis des Gesagten erschweren. Wenn es sich nicht um die Feinde des Volkes, sondern um das Volk selbst handelte, machte sich Lu Hsün auch während seiner "Zeit der Essays" nie über das revolutionäre Volk und die revolutionären Parteien lustig oder griff sie an, und seine Essays unterschieden sich dann völlig von den gegen den Feind gerichteten. Wir haben bereits davon gesprochen, daß es notwendig ist, die Mängel im Volk zu kritisieren, aber dabei müssen wir wirklich auf dem Standpunkt des Volkes stehen, und unsere Worte müssen von dem heißen Bestreben durchdrungen sein, das Volk zu schützen und zu erziehen. Die eigenen Genossen wie Feinde behandeln heißt den Standpunkt des Feindes beziehen. Bedeutet das, überhaupt auf Ironie zu verzichten? Nein, Ironie ist immer notwendig. Aber es gibt verschiedene Arten von Ironie; eine, die sich gegen die Feinde wendet, eine an die Verbündeten adressierte, eine, die sich auf Menschen aus unseren eigenen Reihen bezieht - in jedem Fall ist die Einstellung eine andere. Wir sind nicht gegen die Ironie als solche, aber wir müssen damit Schluß machen, sie wahllos zu verwenden.

"Mir liegt es nicht, zu loben und zu preisen; die Werke derer, die das Lichte preisen, sind nicht notwendigerweise großartig, und die Werke derer, die das Finstere schildern, nicht unbedingt armselig." Bist du ein bürgerlicher Schriftsteller oder Künstler, dann preist du nicht das Proletariat, sondern die Bourgeoisie; bist du ein proletarischer Schriftsteller oder Künstler, dann preist du nicht die Bourgeoisie, sondern das Proletariat und das werktätige Volk: es kann nur eins von beiden geben. Die Werke derer, die die lichten Seiten der Bourgeoisie preisen, sind nicht unbedingt großartig, während die Werke derer, die ihre Schattenseiten schildern, nicht armselig sein müssen; die Werke derer, die die lichten Seiten des Proletariats preisen, sind nicht notwendigerweise unbedeutend, die Werke derer aber, die seine sogenannten Schattenseiten malen, sind bestimmt völlig wertlos - sind das nicht Tatsachen in der Geschichte der Literatur und Kunst? Warum soll man die Volksmassen, die Schöpfer der Menschheitsgeschichte, nicht besingen? Warum soll man das Proletariat, die Kommunistische Partei, die Neue Demokratie, den Sozialismus nicht lobpreisen? Doch es gibt auch noch eine Sorte von Menschen, die für die Sache des Volkes keine warmen Gefühle hegen, den Kämpfen und Siegen des Proletariats und seiner Avantgarde kühl und gleichgültig zusehen; sie sind nur daran interessiert, sich selbst und vielleicht noch einige Figuren aus ihrem eigenen kleinen Klüngel herauszustreichen, und darin sind sie unermüdlich. Solche kleinbürgerlichen Individualisten wollen natürlich nicht die Taten und Tugenden des revolutionären Volkes besingen, dessen Kampfesmut und Siegeszuversicht stärken. Derartige Leute sind bloß Schädlinge in den revolutionären Reihen, und das revolutionäre Volk braucht solche "Barden" tatsächlich nicht.

"Es geht nicht um den Standpunkt; mein Standpunkt ist richtig, meine Absichten sind gut, den Sinn der Sache habe ich verstanden, nur drücke ich mich nicht gut aus, und das Ergebnis ist ein gegenteiliges, hat eine schlechte Wirkung." Ich habe bereits von dem dialektischmaterialistischen Standpunkt zur Frage des Motivs und des Ergebnisses gesprochen. Jetzt möchte ich fragen: Ist das Problem des Ergebnisses nicht das des Standpunkts? Wenn jemand sich nur vom Motiv leiten läßt und sich nicht für die Wirkung seines Tuns interessiert, dann gleicht er einem Arzt, der lediglich Arzneien verschreibt, sich aber nicht darum kümmert, wieviel Patienten an ihnen sterben, oder einer politischen Partei, die nur Deklarationen erläßt, sich aber nicht dafür interessiert, ob sie auch verwirklicht werden. Ist ein solcher Standpunkt richtig? Und sind solche Absichten gut? Natürlich kann ein Mensch auch Fehler begehen, obwohl er sich vorher über die Wirkung seines Tuns Gedanken gemacht hat; sind aber seine Absichten wirklich gut, wenn er dem gleichen alten Weg folgt, selbst wenn die Tatsachen beweisen, daß dieser zu schlechten Ergebnissen führt? Wir müssen eine Partei, einen Arzt nach ihrer Praxis, nach den Ergebnissen ihrer Tätigkeit beurteilen; das gleiche gilt für einen Autor. Wer wirklich gute Absichten hat, muß die Wirkung in Betracht ziehen, seine Erfahrungen zusammenfassen und die Methoden - beim künstlerischen Schaffen nennt man das: die Ausdrucksmittel - studieren. Wer wirklich gute Absichten verfolgt, muß an seinen Mängeln und Fehlern in der Arbeit völlig aufrichtig Selbstkritik üben und entschlossen sein, diese Mängel und Fehler zu korrigieren. Eben auf diese Weise wird die Methode der Selbstkritik von den Kommunisten angewandt. Nur ein solcher Standpunkt ist richtig. Gleichzeitig ist es auch nur in einem solchen Prozeß ernster, verantwortungsbewußter praktischer Tätigkeit möglich, nach und nach zu begreifen, worin der richtige Standpunkt besteht, und sich diesen Standpunkt allmählich zu eigen zu machen. Wenn sich jemand in der Praxis nicht in dieser Richtung bewegt, von sich selbst eingenommen ist und sagt, er hätte "verstanden", dann hat er in Wirklichkeit überhaupt nichts verstanden.

"Uns das Studium des Marxismus empfehlen heißt den Fehler der Schaffensmethode des dialektischen Materialismus wiederholen, und das wird unsere Stimmung beim Schaffen beeinträchtigen." Den Marxismus studieren heißt die Welt, die Gesellschaft, die Literatur und die Kunst unter dem Gesichtswinkel des dialektischen und historischen Materialismus betrachten, aber durchaus nicht in Literatur- und Kunstwerke philosophische Vorlesungen hineintragen. Der Marxismus kann den Realismus im literarischen und künstlerischen Schaffen nur in sich einschließen, aber nicht ersetzen, ebenso wie er die Atom- und Elektronentheorie in der Physik in sich einschließen, aber nicht ersetzen kann. Leere, trockene dogmatische Formeln verderben in der Tat die Stimmung beim Schaffen, aber nicht nur diese allein, sie verderben vor allem den Marxismus. Der dogmatische "Marxismus" ist gar kein Marxismus, er ist antimarxistisch. Verdirbt dann der Marxismus nicht überhaupt die Stimmung beim Schaffen? Gewiß, er verdirbt bestimmt die feudale, bürgerliche, kleinbürgerliche, liberalistische, individualistische, nihilistische, auf der Losung "Kunst um der Kunst willen" basierende, aristokratische, dekadente, pessimistische und jede andere den Volksmassen und dem Proletariat fremde Stimmung beim Schaffen. Und wenn proletarische Schriftsteller und Künstler solche Stimmung beim Schaffen haben sollten, muß man diese Stimmung da verderben? Ich bin der Meinung, man muß es, und zwar gründlich. Und indem man diese Stimmung verdirbt, kann man etwas Neues aufbauen.

V

Wovon zeugt die Tatsache, daß in den Kreisen der Literatur- und Kunstschaffenden in Yenan die erwähnten Probleme existieren? Davon, daß so manches am Arbeitsstil dieser Kreise noch in bedenklichem Maße unrichtig ist, daß es unter unseren Genossen noch viele Mängel gibt wie Idealismus, Dogmatismus, Phantasterei, Phrasendrescherei, Mißachtung der Praxis, Isolierung von den Massen usw. Hier ist eine wirkliche und ernste Ausrichtungsbewegung vonnöten.

Viele unserer Genossen sind sich über den Unterschied zwischen dem Proletariat und dem Kleinbürgertum noch nicht ganz klar. Viele Parteimitglieder sind zwar organisatorisch in die Partei eingetreten, aber ideologisch gehören sie ihr noch nicht ganz oder überhaupt noch nicht an. In den Köpfen derjenigen, die der Partei ideologisch nicht angehören, steckt noch eine Menge Mist, der von den Ausbeuterklassen stammt, und sie haben keinerlei Ahnung davon, was die proletarische Ideologie ist, was der Kommunismus ist, was die Partei ist. Sie denken: "Proletarische Ideologie - was ist denn das? Ist das nicht das gleiche alte Zeug?" Es will ihnen nicht in den Kopf, daß es durchaus nicht leicht ist, dieses "Zeug" zu meistern; es gibt Leute, denen es ihr Leben lang nicht gelingt, Züge eines Kommunisten anzunehmen, und denen schließlich nichts anderes übrig bleibt, als die Partei zu verlassen. Deshalb müssen wir - obwohl die meisten Genossen rein und rechtschaffen sind - in unserer Partei, in unseren Reihen sowohl in ideologischer als auch in organisatorischer Hinsicht gründlich Ordnung schaffen, wenn wir die revolutionäre Bewegung zu einer stärkeren Entwicklung und zu rascherer Vollendung führen wollen. Um in organisatorischer Hinsicht Ordnung zu schaffen, muß man vor allem in ideologischer Hinsicht Ordnung schaffen, einen Kampf der proletarischen Ideologie gegen die nichtproletarische entfalten. In den Kreisen der Literatur- und Kunstschaffenden in Yenan hat sich der ideologische Kampf bereits entfaltet, und das ist absolut notwendig. Menschen, die aus dem Kleinbürgertum stammen, trachten stets beharrlich mit allen Mitteln - einschließlich literarischer und künstlerischer - danach, sich selbst herauszustreichen, ihre eigenen Anschauungen zu propagieren und die Umgestaltung der Partei, die Umgestaltung der ganzen Welt nach dem Ebenbild der kleinbürgerlichen Intelligenz durchzusetzen. Unter solchen Umständen besteht unsere Aufgabe darin, diesen "Genossen" laut und vernehmlich zuzurufen: Daraus wird nichts! Das Proletariat kann sich euch nicht anpassen; sich nach euch richten hieße praktisch sich nach den Großgrundherren und der Großbourgeoisie richten, hieße die Partei und das Land in Todesgefahr bringen. Nach wem soll man sich da richten? Die Partei und die Welt können wir nur nach dem Ebenbild der proletarischen Avantgarde umgestalten. Wir erwarten, daß sich unsere Genossen unter den Literatur und Kunstschaffenden des ganzen Ernstes dieser großen Debatte bewußt werden und sich aktiv an diesem Kampf beteiligen, so daß eine Gesundung aller Genossen erreicht wird, sich unsere Reihen in ihrer Gesamtheit ideologisch wie organisatorisch wirklich zusammenschließen und festigen.

Infolge der ideologischen Verwirrung sind viele Genossen nicht recht imstande, klar zwischen unseren revolutionären Stützpunktgebieten und den Kuomintang-Gebieten zu unterscheiden, und machen so viele Fehler. Zahlreiche Genossen sind direkt aus den Schanghaier Hintertreppenkammern10 zu uns gekommen; mit der Übersiedlung aus diesen Hintertreppenkammern in die revolutionären Stützpunktgebiete wechselten sie aber nicht nur aus einer Gegend in eine andere hinüber, sondern auch aus einer historischen Epoche in eine andere. Dort ist es eine unter der Herrschaft der Großgrundherren und der Großbourgeoisie stehende halbfeudale, halbkoloniale Gesellschaft, hier eine unter Führung des Proletariats stehende revolutionäre Gesellschaft der Neuen Demokratie. In ein revolutionäres Stützpunktgebiet kommen heißt in eine Epoche versetzt werden, wie es sie in der gesamten vieltausendjährigen Geschichte Chinas noch nicht gegeben hat, in die Epoche, in der die Volksmassen an der Macht sind. Die Menschen, die uns umgeben, unter denen wir unsere propagandistische Arbeit leisten, sind ganz andere Menschen. Die frühere Epoche gehört unwiderruflich der Vergangenheit an. Deshalb müssen wir uns ohne Zögern mit diesen neuen Massen verschmelzen. Wenn aber Genossen unter diesen neuen Massen weiterhin, wie ich schon sagte, "kenntnis- und verständnislos sind und jenen Helden gleichen, die keine Gelegenheit haben, ihre Heldentat zu zeigen", dann werden sie es nicht nur in den Dörfern, in die sie gehen, schwer haben, sondern auch in Yenan. Manche Genossen denken: "Ich werde nach wie vor für die Leser im ,Großen Hinterland11 schreiben; damit bin ich vertraut und das hat ,gesamtstaatliche Bedeutung`." Dieser Gedankengang ist völlig falsch. Das "Große Hinterland" wird sich ebenfalls ändern; die dortigen Leser erwarten, daß ihnen die Schriftsteller in den revolutionären Stützpunktgebieten von den neuen Menschen und der neuen Welt berichten, und wollen nicht immer wieder die alten Geschichten hören, deren sie schon überdrüssig sind. Je deutlicher also ein literarisches Werk an die Volksmassen in den revolutionären Stützpunktgebieten adressiert ist, desto größer ist seine gesamtstaatliche Bedeutung. In Fadejews Roman Die Neunzehn12 wird nur von einer kleinen Partisanengruppe erzählt, dieses Werk wurde keineswegs geschrieben, um dem Geschmack der Leser der alten Welt zu entsprechen, nichtsdestoweniger war es von weltweiter Wirkung. Zumindest auf China hat es, wie allgemein bekannt, einen sehr starken Einfluß ausgeübt. China schreitet vorwärts und nicht rückwärts. China wird von den revolutionären Stützpunktgebieten vorwärtsgeführt und nicht von irgendwelchen rückständigen, zurückschreitenden Gebieten. Diese Tatsache von grundsätzlicher Bedeutung müssen alle Genossen im Verlauf der Ausrichtungsbewegung als erstes verstehen lernen.

Da es nun notwendig ist, sich eng mit der neuen Epoche - der Epoche der Massen - zu verbinden, muß auch die Frage der Beziehungen zwischen dem Individuum und den Massen restlos geklärt werden. Folgende Zeilen von Lu Hsün müssen unsere Devise werden:

Eng die Brauen, kalten Blickes trotz' ich tausend Zeigefingern, willig wie ein Büffel beug' mein Haupt ich vor den Kindern.13 Unter "tausend Zeigefingern" sind hier die Feinde zu verstehen; wir werden uns nie den Feinden beugen, wie grausam sie auch sein mögen. Mit den "Kindern" sind hier das Proletariat und die breiten Volksmassen gemeint. Alle Kommunisten, alle Revolutionäre, alle revolutionären Literatur- und Kunstschaffenden müssen sich Lu Hsün zum Vorbild nehmen, müssen zum "Büffel" für das Proletariat und die Volksmassen werden, ihnen hingebungsvoll mit ganzer Kraft bis zum letzten Atemzug dienen. Intellektuelle, die mit den Volksmassen verschmelzen und den Volksmassen dienen wollen, müssen einen Prozeß des gegenseitigen Kennenlernens durchmachen. Dieser Prozeß kann - und wird sicherlich - sehr schmerzhaft sein und keineswegs reibungslos verlaufen; doch wenn ihr dazu entschlossen seid, werdet ihr den Anforderungen entsprechen können.

Ich bin heute nur auf einige Fragen der Grundorientierung unserer Literatur- und Kunstbewegung eingegangen. Viele andere konkrete Fragen erfordern noch ein weiteres Studium. Ich bin überzeugt, daß ihr, Genossen, entschlossen seid, diese Richtung einzuschlagen. Ich bin überzeugt, daß ihr im Verlauf der Ausrichtungsbewegung, in der nun angebrochenen langen Periode des Studiums und der Arbeit zweifellos imstande sein werdet, euch und euren Werken ein gewandeltes Aussehen zu verleihen, viele ausgezeichnete Werke zu schaffen, die die Volksmassen begeistert begrüßen werden, und die Literatur- und Kunstbewegung in den revolutionären Stützpunktgebieten sowie im ganzen übrigen China auf eine neue glorreiche Stufe zu heben.

ANMERKUNGEN

1) Siehe W. I. Lenin, "Parteiorganisation und Parteiliteratur". In dieser Arbeit zeigt Lenin die Wesensmerkmale der proletarischen Literatur und schreibt:

Das wird eine freie Literatur sein, weil nicht Gewinnsucht und nicht Karriere, sondern die Idee des Sozialismus und die Sympathie mit den Werktätigen neue und immer neue Kräfte für ihre Reihen werben werden. Das wird eine freie Literatur sein, weil sie nicht einer übersättigten Heldin, nicht den sich langweilenden und an Verfettung leidenden "oberen Zehntausend" dienen wird, sondern den Millionen und aber Millionen Werktätigen, die die Blüte des Landes, seine Kraft, seine Zukunft verkörpern. Das wird eine freie Literatur sein, die das letzte Wort des revolutionären Denkens der Menschheit durch die Erfahrung und die lebendige Arbeit des sozialistischen Proletariats befruchten und zwischen der Erfahrung der Vergangenheit (dem wissenschaftlichen Sozialismus, der die Entwicklung des Sozialismus, von seinen primitiven, utopischen Formen an, vollendet hat) und der Erfahrung der Gegenwart (dem heutigen Kampf der Genossen Arbeiter) eine ständige Wechselwirkung schaffen wird.

2) Liang Schi-tjiu war Mitglied der konterrevolutionären chinesischen Nationalsozialistischen Partei. Lange Zeit propagierte er die Literatur- und Kunstauffassungen der reaktionären amerikanischen Bourgeoisie, kämpfte hartnäckig gegen die Revolution und schmähte die revolutionäre Literatur und Kunst.

3) Dschou Dsuo-jen und Dschang Dsi-ping kapitulierten nach der Besetzung von Peking und Schanghai durch Japan im Jahre 1937 vor den japanischen Eindringlingen.

4) Siehe "Meine Ansichten über den Bund linker Schriftsteller", enthalten in der Sammlung - Zwei Herzen, Lu Hsüns Werke, Bd. IV.

5) Siehe "Der Tod" in der "Beilage" zur Letzten Sammlung der Essays, geschrieben in einer Hintertreppenkammer in der Quasi-Konzession, Lu Hsüns Werke, Bd. VI.

6) "Der kleine Kuhhirt" - ein in China viel gespieltes kleines Singspiel mit Tanz. Es hat nur zwei Rollen, eine männliche - der kleine Kuhhirt, und eine weibliche - ein Dorfmädchen. Die Handlung des Spiels entwickelt sich in Form eines Duetts zwischen dem Hirten und dem Mädchen. In der Anfangsperiode des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression wurde dieses Stück mit abgeändertem Text zur Propagierung der Ideen des Widerstands gegen Japan benutzt und war eine Zeitlang sehr stark verbreitet.

7) Die chinesischen Schriftzeichen für die Wörter Mensch, Hand, Mund, Messer, Rind und Schaf sind in ihrer Schreibweise relativ einfach und waren im alten China gewöhnlich in den ersten Aufgaben der Grundschul-Lehrbücher für die Muttersprache enthalten.

8) "Der Frühlingsschnee" und "Der arme Dörfler" sind Titel von Liedern aus dem Königreich Tschu (3. Jahrhundert v. u. Z.). Die erste Gruppe gehörte zu einer relativ hohen Musikgattung, die zweite zu einer relativ niedrigen. In der Anthologie der chinesischen Literatur wird in der "Antwort Sung Yüs auf die Fragen des Königs von Tschd darüber berichtet, daß irgend jemand in der Hauptstadt des Königreichs Tschu ein Lied aus der Gruppe "Der Frühlingsschnee" anstimmte, wobei nur einige Dutzend Menschen mitsangen; aber als er ein Lied aus der Gruppe "Der arme Dörfler" anstimmte, fielen Tausende von Menschen ein.

9) Siehe W. I. Lenin, "Parteiorganisation und Parteiliteratur". Lenin schreibt in diesem Artikel:

Die literarische Tätigkeit muß zu einem Teil der allgemeinen proletarischen Sache, zu einem "Rädchen und Schräubchen" des einen einheitlichen, großen sozialdemokratischen Mechanismus werden, der von dem ganzen politisch bewußten Vortrupp der ganzen Arbeiterklasse in Bewegung gesetzt wird.

10) Hintertreppenkammern sind die Kammern neben den Treppenabsätzen im hinteren Teil der Schanghaier Häuser. Sie sind eng und klein, deshalb ist die Miete relativ niedrig. Bedürftige Schriftsteller, Künstler, Intellektuelle und kleine Büroangestellte lebten zu einem großen Teil in solchen Kammern.

11) Siehe Anmerkung 2 zur Schrift "Gespräch mit Korrespondenten der Zentralen Nachrichtenagentur sowie der Zeitungen Saodang Bao und Hsinmin Bao", Ausgewählte Werke Mao Tse-tungs, Bd. II, S. 317.

12) Alexander Fadejew war ein bekannter sowjetischer Schriftsteller. Sein Roman Die Neunzehn, der im Jahre 1927 erschien, beschreibt den Kampf einer aus sibirischen Arbeitern, Bauern und revolutionären Intellektuellen bestehenden Partisanengruppe gegen konterrevolutionäre Banden während des Bürgerkriegs in der Sowjetunion; er wurde von Lu Hsün ins Chinesische übertragen.

13) Siehe "Selbstkarikatur", enthalten in Sammlung, die nicht in die Sammlungen aufgenommen wurde, Lu Hsüns Werke, Bd. VII.

Mao Ausgewählte Werke Band III

Mao Tse-tung