Mao Ausgewählte Werke Band III

Mao Tse-tung


Mao Tse-tung:

DEN ARBEITSSTIL DER PARTEI VERBESSERN*

(1. Februar 1942)


Diese Version aus: Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band III, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1969, S.35-54


Die Parteischule wird heute eröffnet, und ich wünsche ihr Erfolg. Ich möchte heute einiges zur Frage des Arbeitsstils unserer Partei sagen.
Warum muß es eine revolutionäre Partei geben? Es muß eine revolutionäre Partei geben, weil es auf der Welt Feinde gibt, die das Volk unterdrücken, weil das Volk aber das Joch seiner Feinde abschütteln will. Und im Zeitalter des Kapitalismus und Imperialismus braucht man gerade eine solche revolutionäre Partei wie die kommunistische Partei. Gibt es keine solche Partei, dann ist es für das Volk schlechterdings unmöglich, das Joch der Feinde abzuschütteln. Wir – die Kommunistische Partei – wollen das Volk führen, seine Feinde niederzuwerfen; daher müssen unsere Reihen streng ausgerichtet sein, unser Schritt gleich, die Kämpfer ausgesucht und die Waffen gut sein. Ohne diese Vorbedingungen können wir den Feind nicht niederschlagen.
Welche Probleme gibt es jetzt noch in unserer Partei? Die Generallinie der Partei ist richtig, da gibt es keine offenen Fragen, und auch die Arbeit der Partei geht erfolgreich vonstatten. Die Partei zählt Hunderttausende von Mitgliedern, die an der Spitze des Volkes einen ungemein schweren Kampf gegen die Feinde führen. Das ist allen offenkundig und kann nicht bezweifelt werden.
Gibt es also in unserer Partei noch Probleme oder nicht? Ich sage, es gibt noch Probleme, in einem gewissen Sinne sogar ziemlich ernste. Was sind das für Probleme? Es handelt sich darum, daß es in den Köpfen einer Reihe Genossen manches gibt, was nicht ganz korrekt, nicht ganz einwandfrei zu sein scheint.
Das will heißen, in unserer Schulung, in unserer Parteiarbeit und auch in unserer Literatur gibt es noch einige Abweichungen vom richtigen Arbeitsstil. Wenn wir sagen, in unserer Schulung gibt es Abweichungen vom richtigen Arbeitsstil, so meinen wir damit die Krankheit des Subjektivismus. In der Parteiarbeit bedeutet das die Krankheit des Sektierertums. In der Literatur ist darunter die Krankheit des Parteischematismus1 zu verstehen. Diese Abweichungen vom richtigen Arbeitsstil füllen keineswegs den ganzen Himmelsraum wie der Nordwind im Winter. Subjektivismus, Sektierertum und Parteischematismus sind heute nicht mehr der dominierende Arbeitsstil, sie sind nur noch eine Art Gegenwind, muffige Zugluft aus einem Luftschutzkeller. (Heiterkeit.) Aber es ist nicht gut, daß es in unserer Partei noch solche Luftströmungen gibt. Wir müssen den Keller, aus dem die muffige Luft kommt, zuschütten. Unsere ganze Partei muß daran mitarbeiten, auch unsere Parteischule. Subjektivismus, Sektierertum und Parteischematismus, diese drei widrigen Winde haben ihre historischen Wurzeln; auch wenn sie jetzt in der Partei keinen beherrschenden Platz mehr einnehmen, treiben sie doch noch fortwährend ihr Unwesen und brechen über uns herein; deshalb ist es notwendig, ihnen Widerstand entgegenzusetzen, sie zu studieren, zu analysieren, sie zu erläutern.
Es ist unsere Aufgabe, gegen den Subjektivismus zu kämpfen, um den Stil unserer Schulung zu verbessern, gegen das Sektierertum zu kämpfen, um den Stil unserer Parteiarbeit zu berichtigen, gegen den Parteischematismus zu kämpfen, um den Stil unserer Literatur zu verbessern.
Wenn wir die Aufgabe, den Feind niederzuringen, bewältigen wollen, müssen wir eben diese Aufgabe der Berichtigung des Arbeitsstils innerhalb der Partei erfüllen. Der Stil unserer Schulung und der Stil unserer Literatur gehören ebenfalls zum Arbeitsstil der Partei. Nur wenn der Arbeitsstil unserer Partei völlig in Ordnung ist, wird das gesamte Volk von uns lernen. Jene, die nicht der Kommunistischen Partei angehören und die ebensolche schlechten Sitten haben, werden von uns lernen und ihre Fehler korrigieren, wenn sie nur guten Willens sind; so können wir einen Einfluß auf die gesamte Nation ausüben. Sind die Reihen unserer Kommunistischen Partei streng ausgerichtet, ist unser Schritt gleich, sind die Kämpfer ausgesucht, die Waffen gut, dann können wir jeden mächtigen Feind bezwingen.
Nun zur Frage des Subjektivismus.
Der Subjektivismus ist ein inkorrekter Stil in unserer Schulung; er ist dem Marxismus-Leninismus entgegengesetzt und mit der Kommunistischen Partei unvereinbar. Was wir brauchen, ist der marxistischleninistische Schulungsstil. Der Schulungsstil, von dem hier die Rede ist, betrifft nicht allein die Schulung an unseren Lehranstalten, sondern die in der gesamten Partei. Die Frage des Schulungsstils ist eine Frage der Denkweise unserer leitenden Organe, aller unserer Funktionäre und Parteimitglieder, ist eine Frage unserer Einstellung zum Marxismus-Leninismus, der Einstellung aller Genossen in der Partei zu ihrer Arbeit. Infolgedessen erlangt die Frage des Schulungsstils außerordentlich große, erstrangige Bedeutung.
Gegenwärtig herrschen in vielen Köpfen unklare Vorstellungen, so z. B. darüber, was ein Theoretiker, was ein Intellektueller ist, was die Verbindung zwischen Theorie und Praxis bedeutet.
Stellen wir uns zuerst die Frage: Ist das theoretische Niveau unserer Partei hoch oder niedrig? In letzter Zeit wurden bei uns mehr marxistisch-leninistische Bücher übersetzt als je zuvor, und die Anzahl der Leser solcher Bücher ist ebenfalls größer geworden. Das ist ausgezeichnet. Bedeutet das aber, daß unsere Partei bereits ein sehr hohes theoretisches Niveau erreicht hat? Gewiß, unser theoretisches Niveau ist im Vergleich zu früher etwas höher. Aber die theoretische Front entspricht in keiner Weise dem reichen Inhalt der chinesischen revolutionären Bewegung; vergleicht man beides miteinander, ist die theoretische Seite weit zurückgeblieben. Allgemein gesagt, kann unsere Theorie noch nicht mit der revolutionären Praxis Schritt halten, ganz davon zu schweigen, daß sie eigentlich der Praxis vorauseilen müßte. Wir haben unsere reiche Praxis noch nicht auf das gebührende theoretische Niveau gehoben. Wir haben noch nicht alle, ja nicht einmal die wichtigsten Fragen der revolutionären Praxis erforscht, um sie auf die Stufe der Theorie zu heben. Ihr seht doch selbst: Wie viele von uns haben denn auf dem Gebiet der Wirtschaft, der Politik, des Militärwesens oder der Kultur Chinas Theorien geschaffen, die diesen Namen verdienen, die als wissenschaftlich ausgearbeitete, in sich geschlossene Theorien gelten können und nicht als oberflächliches Flickwerk? Das gilt insbesondere für das Gebiet der Wirtschaftstheorie. Obwohl die Entwicklung des Kapitalismus in China vom Opiumkrieg bis zur Gegenwart bereits ein ganzes Jahrhundert gedauert hat, ist bei uns noch kein einziges wirklich wissenschaftliches theoretisches Werk erschienen, das mit den Fakten der ökonomischen Entwicklung Chinas im Einklang stünde. Wie könnte man da behaupten, daß das theoretische Niveau beispielsweise hinsichtlich des Studiums der Wirtschaftsprobleme Chinas bereits hoch sei? Können wir sagen, daß es in unserer Partei bereits Wirtschaftstheoretiker gibt, die diesen Namen verdienen? Das kann man wahrhaftig nicht behaupten. Wir haben viel marxistisch-leninistische Literatur gelesen, aber können wir den Anspruch darauf erheben, daß wir schon Theoretiker besitzen? Nein, das können wir nicht. Der Marxismus-Leninismus ist eine Theorie, die von Marx, Engels, Lenin und Stalin auf der Grundlage der Praxis geschaffen wurde, ist die allgemeine Zusammenfassung der historischen Wirklichkeit und der revolutionären Praxis. Wenn wir daher nur ihre Werke lesen, aber nicht den nächsten Schritt tun und auf Grund ihrer Theorie die historische Wirklichkeit und die revolutionäre Praxis Chinas studieren, wenn wir nicht versuchen, diese revolutionäre Praxis theoretisch durchzudenken, können wir nicht so vermessen sein, uns marxistische Theoretiker zu nennen. Sähen wir als chinesische Kommunisten an den Problemen Chinas vorbei und lernten lediglich einzelne Schlußfolgerungen und Leitsätze aus marxistischen Werken auswendig, dann wären unsere Leistungen an der theoretischen Front überaus schlecht. Wenn jemand nur imstande ist, die marxistische Ökonomie oder Philosophie auswendig zu lernen und daraus von Kapitel 1 bis Kapitel 10 alles fließend aufzusagen, das Gelernte jedoch absolut nicht anzuwenden vermag, könnte man ihn dann als Theoretiker des Marxismus betrachten? Nein, das kann man nicht! Was für Theoretiker brauchen wir also? Wir brauchen Theoretiker, die imstande sind, gemäß dem Standpunkt, den Auffassungen und den Methoden des Marxismus-Leninismus die in der Geschichte und während der Revolution entstehenden taktischen Probleme richtig zu erklären, die imstande sind, die verschiedenartigen Fragen der Wirtschaft, der Politik, des Militärwesens und der Kultur Chinas wissenschaftlich zu erklären und theoretisch zu beleuchten. Solche Theoretiker brauchen wir! Um ein solcher Theoretiker zu werden, muß man imstande sein, das Wesen des Marxismus-Leninismus wirklich zu verstehen, muß man den Standpunkt, die Auffassungen und die Methoden des Marxismus-Leninismus wirklich erfassen, muß man die Lehren Lenins und Stalins über die Revolution in den Kolonien und in China wirklich begreifen und sie anwenden können, um die praktischen Probleme Chinas gründlich und wissenschaftlich zu analysieren und ihre Entwicklungsgesetze zu ermitteln. Das erst sind Theoretiker, wie wir sie wirklich brauchen.
Nun hat das Zentralkomitee unserer Partei beschlossen, unsere Genossen aufzurufen, daß sie es lernen, den Standpunkt, die Auffassungen und die Methoden des Marxismus-Leninismus zu benutzen um Chinas Geschichte, Wirtschaft, Politik, Militärwesen und Kultur ernsthaft zu studieren, wobei sie jede Frage auf Grund ausführlicher Unterlagen konkret zu analysieren haben, um dann theoretische Schlußfolgerungen zu ziehen. Diese Pflicht ruht auf unseren Schultern.
Die Genossen in unserer Parteischule dürfen die marxistische Theorie nicht als totes Dogma betrachten. Man muß imstande sein, die marxistische Theorie zu beherrschen und sie anzuwenden; man meistert sie einzig und allein zu dem Zweck, sie anzuwenden. Wenn du imstande bist, vom Gesichtspunkt des Marxismus-Leninismus aus eine oder zwei praktische Fragen zu klären, dann wird man dir Anerkennung zollen und das als einen gewissen Erfolg anrechnen. Und je mehr Fragen du klärst und je umfassender und gründlicher du das tust, desto bedeutsamer wird der Erfolg. In unserer Parteischule muß es jetzt auch Brauch werden, bei der Beurteilung der Leistungen der Schüler davon auszugehen, wie sie nach dem Studium des Marxismus-Leninismus an die Probleme Chinas herangehen, ob sie sie klar sehen oder nicht, ob sie überhaupt imstande sind, sie zu erkennen; danach kann man feststellen, ob einer gut oder schlecht gelernt hat.
Nun wollen wir uns der Frage der „Intellektuellen“ zuwenden. Da China ein halbkoloniales, halbfeudales, kulturell zurückgebliebenes Land ist, genießen die Intellektuellen bei uns besondere Wertschätzung. In dem vor mehr als zwei Jahren gefaßten Beschluß des Zentralkomitees zur Frage der Intellektuellen2 wird gesagt, daß wir die große Masse der Intelligenz gewinnen müssen und jeden Intellektuellen willkommen heißen, wenn er nur revolutionär ist und am Widerstandskrieg gegen die japanischen Eindringlinge teilnehmen will. Wir schätzen unsere Intelligenz, das ist völlig richtig, denn ohne eine revolutionäre Intelligenz kann die Revolution nicht siegen. Aber wir wissen, daß sich viele Intellektuelle für sehr gebildet halten und sich mit ihren Kenntnissen brüsten, ohne zu begreifen, daß so ein Großtun schlecht ist, Schaden bringt, ihr eigenes Fortkommen behindert. Sie müssen die Wahrheit begreifen, daß in der Tat viele sogenannte Intellektuelle vergleichsweise höchst unwissend sind, daß die Arbeiter und Bauern zuweilen etwas mehr wissen als sie. Hier könnte jemand einwenden: „Ach, du stellst alles auf den Kopf, redest wirres Zeug.“ (Heiterkeit.) Aber sachte, Genossen! Was ich sage, hat schon etwas Wahres an sich.
Was ist Wissen? Seit dem Bestehen der Klassengesellschaft gibt es auf der Welt nur zwei Kategorien von Wissen: das Wissen auf dem Gebiet des Produktionskampfes und das Wissen auf dem Gebiet des Klassenkampfes. In den Naturwissenschaften und Gesellschaftswissenschaften finden diese beiden Wissenskategorien ihren Niederschlag, während die Philosophie die Verallgemeinerung und Zusammenfassung sowohl der Kenntnisse von der Natur als auch der Kenntnisse von der Gesellschaft ist. Gibt es darüber hinaus noch irgendwelche Wissensgebiete? Nein, es gibt keine. Besehen wir uns nun einmal einige Schüler, und zwar solche, die aus Lehranstalten kommen, welche von der praktischen gesellschaftlichen Tätigkeit völlig losgelöst sind. Wie verhält es sich mit ihnen? Einer von ihnen besucht eine solche Schule, lernt weiter, studiert dann an einer solchen Hochschule und gilt, nachdem er diese absolviert hat, als gebildet. Aber er besitzt doch nur Buchwissen, hat noch an keiner praktischen Tätigkeit teilgenommen, hat die erworbenen Kenntnisse noch auf keinem Gebiet des Lebens angewandt. Kann man einen solchen Menschen für einen wirklich gebildeten Intellektuellen halten? Ich glaube kaum, da sein Wissen noch nicht vollständig ist. Was ist denn ein verhältnismäßig vollständiges Wissen? Jedes mehr oder minder vollständige Wissen bildet sich auf zwei Stufen heraus: Die erste Stufe ist die sinnliche Erkenntnis, die zweite die rationale Erkenntnis, wobei die rationale Erkenntnis eine höhere Entwicklungsstufe der sinnlichen Erkenntnis darstellt. Was für ein Wissen ist das Buchwissen der Studenten? Selbst wenn dieses Wissen der Wahrheit entspricht, sind das doch Theorien, die von ihren Vorfahren bei der Verallgemeinerung deren Erfahrungen im Kampf um die Produktion und im Klassenkampf aufgestellt wurden, und es ist kein durch die eigene Erfahrung der Studierenden selbst erworbenes Wissen. Es ist durchaus nötig, daß sich die Studenten jenes Wissen aneignen; sie müssen aber im Auge behalten, daß es für sie noch in gewissem Sinne ein einseitiges Wissen ist – es ist wohl von anderen bestätigt worden, aber noch nicht von ihnen selbst. Das Wichtigste ist, daß man es im Leben, in der praktischen Tätigkeit anzuwenden versteht. Deshalb rate ich jenen, die nur über Buchwissen verfügen, mit der Praxis aber noch nicht in Berührung gekommen sind, oder die nur geringe praktische Erfahrung besitzen, sich über ihre eigenen Mängel klarzuwerden und etwas bescheidener aufzutreten.
Wie können Menschen, die nur über Buchwissen verfügen, in Intellektuelle im vollen Sinne des Wortes umgewandelt werden? Die einzige Methode ist, sie praktisch arbeiten zu lassen, damit sie Praktiker werden, die Menschen, die sich mit theoretischer Arbeit befassen, zu veranlassen, wichtige praktische Fragen zu studieren. So kann man zum Ziel kommen.
Es ist kaum zu vermeiden, daß manche Leute über meine Worte ärgerlich sein werden. Sie mögen sagen: „Aus deinen Erklärungen könnte man schließen, daß auch Marx nicht als Intellektueller gelten kann.“ Darauf antworte ich: Nein, das ist nicht richtig. Marx hat sich praktisch an der revolutionären Bewegung beteiligt und außerdem die Theorie der Revolution geschaffen. Ausgehend von der Ware, dem einfachsten Element des Kapitalismus, hat er die ökonomische Struktur der kapitalistischen Gesellschaft gründlich erforscht. Millionen von Menschen haben tagtäglich so ein Ding wie die Ware gesehen und benutzt, aber sich keine Gedanken darüber gemacht. Erst Marx hat dieses Ding wissenschaftlich erforscht, hat eine gewaltige Forschungsarbeit geleistet, um die reale Entwicklung der Ware zu verfolgen, und hat aus dem, was allgemein existiert, eine wahrhaft wissenschaftliche Theorie erarbeitet. Er hat die Natur, die Geschichte, die proletarische Revolution erforscht, er hat den dialektischen Materialismus, den historischen Materialismus und die Theorie der proletarischen Revolution geschaffen. Auf diese Weise wurde Marx zum vollkommensten Intellektuellen, aus dem die höchste Weisheit der Menschheit sprach; er unterschied sich grundlegend von den Menschen, die nur Buchwissen besitzen. Mitten im praktischen Kampf unternahm Marx sorgfältige Forschungen und Studien, gelangte zu einer Reihe von Verallgemeinerungen und überprüfte wiederum im praktischen Kampf seine Schlußfolgerungen. Eben das ist es, was wir theoretische Arbeit nennen. In unserer Partei brauchen wir viele Genossen, die es lernen, so zu arbeiten. Bei uns gibt es jetzt zahlreiche Genossen, die fähig sind zu lernen, eine solche theoretische Forschungsarbeit zu leisten. In ihrer Mehrheit sind das intelligente und fähige Menschen, die wir schätzen sollen. Aber sie müssen den richtigen Kurs einhalten und dürfen die in der Vergangenheit gemachten Fehler nicht wiederholen. Sie müssen den Dogmatismus verwerfen und dürfen nicht in fertigen Buchformeln steckenbleiben.
Nur eine wahre Theorie gibt es auf der Welt, das ist jene Theorie, die aus der objektiven Wirklichkeit abgeleitet und durch die objektive Wirklichkeit bestätigt ist; nichts anderes kann sich im Sinne des eben Gesagten Theorie nennen. Stalin hat dargelegt, daß eine von der Praxis losgelöste Theorie gegenstandslos ist3. Eine gegenstandslose Theorie taugt nichts, ist falsch und muß verworfen werden. Wer gern von solch gegenstandslosen Theorien schwätzt, auf den sollte man mit dem Finger zeigen. Der Marxismus-Leninismus ist die richtigste, wissenschaftlichste und revolutionärste Wahrheit, die aus der objektiven Wirklichkeit hervorgegangen ist und sich in der objektiven Wirklichkeit bewährt hat; aber viele, die den Marxismus-Leninismus studieren, betrachten ihn als totes Dogma und behindern damit die Entwicklung der Theorie, schaden sich selbst und anderen Genossen.
Wenn andererseits unsere in der Praxis tätigen Genossen ihre Erfahrungen falsch auswerten, können sie auch zu Schaden kommen. Gewiß, solche Leute haben häufig viele Erfahrungen, und das ist sehr wertvoll. Geben sie sich aber mit ihren eigenen Erfahrungen zufrieden, ist das sehr gefährlich. Sie müssen begreifen, daß ihre Kenntnisse vorwiegend auf sinnlichen Wahrnehmungen beruhende oder Teilkenntnisse sind, daß ihnen rationale und umfassende Kenntnisse fehlen, daß ihnen, mit anderen Worten, die Theorie fehlt und folglich ihre Kenntnisse ebenfalls relativ unvollständig sind. Ohne verhältnismäßig vollständige Kenntnisse kann man aber die revolutionäre Arbeit nicht gut leisten.
Es gibt also zwei Arten unvollständiger Kenntnisse: Kenntnisse, die in fertiger Form aus Büchern erworben werden, und Kenntnisse, die vorwiegend das Ergebnis sinnlicher Wahrnehmung oder Teilkenntnisse sind. Die einen wie die anderen leiden an Einseitigkeit. Nur ihre Vereinigung kann gute, verhältnismäßig vollständige Kenntnisse ergeben.
Aber wenn unsere Arbeiter- und Bauernkader die Theorie studieren, müssen sie erst eine Allgemeinbildung erwerben. Andernfalls werden sie sich die Theorie des Marxismus-Leninismus nicht aneignen können. Wenn sie aber eine Allgemeinbildung erworben haben, werden sie jederzeit den Marxismus-Leninismus studieren können. Ich habe in meiner Kindheit keine marxistisch-leninistische Schule besucht, sondern lernte Dinge wie „Der Meister sagt: Lernen und ständig üben ist das nicht erfreulich?“4 Obwohl ein solcher Unterricht inhaltlich veraltet war, hat er mir doch Nutzen gebracht, da ich dabei das Lesen und Schreiben gelernt habe. Um so nützlicher ist das Lernen heute, da man nicht Konfuzius studiert, sondern allgemeinbildende Lehrfächer wie modernes Chinesisch, Geschichte, Geographie und Naturkunde, die, wenn man gut lernt, überall zustatten kommen. Das Zentralkomitee unserer Partei fordert jetzt nachdrücklich von unseren Arbeiter und Bauernkadern, daß sie sich eine Allgemeinbildung erwerben, weil sie dann die Wissensgebiete Politik, Militärwesen und Ökonomie studieren können. Andernfalls werden diese Kader, trotz ihrer reichen Erfahrung, die Theorie nicht studieren können.
Hieraus folgt, daß wir im Kampf gegen den Subjektivismus die Menschen beider erwähnten Kategorien dahinbringen müssen, daß sie sich auf dem Gebiet entwickeln, wo sie Mängel haben, und daß sie miteinander verschmelzen. Wer über Buchwissen verfügt, soll sich in praktischer Hinsicht entwickeln; erst dann wird er es vermeiden können, im Buchwissen steckenzubleiben und Fehler dogmatischer Art zu begehen. Wer dagegen über Erfahrungen in der praktischen Arbeit verfügt, muß die Theorie studieren und gewissenhaft Bücher lesen; erst dann wird es möglich sein, daß seine Erfahrungen einen systematischen, synthetischen Charakter annehmen und auf das Niveau der Theorie gehoben werden, erst dann wird er seine Teilerfahrungen nicht fälschlicherweise für allgemeingültige Wahrheiten halten und keine Fehler empiristischer Art begehen. Dogmatismus und Empirismus sind beide ein Subjektivismus, der von entgegengesetzten Polen herrührt.
In unserer Partei gibt es somit zwei Spielarten des Subjektivismus: den Dogmatismus und den Empirismus. Beide sehen die Dinge nur einseitig und nicht als Ganzes. Wenn man nicht achtgibt, eine solche Einseitigkeit nicht als Mangel erkennt und sich nicht bemüht, diesen Mangel abzustellen, dann gerät man leicht auf Irrwege.
Gegenwärtig ist jedoch der Dogmatismus noch die gefährlichere dieser beiden Spielarten des Subjektivismus in unserer Partei. Denn es fällt ihm leicht, sich ein marxistisches Mäntelchen umzuhängen und so die aus der Arbeiterklasse und der Bauernschaft stammenden Kader einzuschüchtern, einzufangen und sich dienstbar zu machen, da es diesen Kadern nicht leicht fällt, den Dogmatismus zu durchschauen. Die Dogmatiker können auch die naive, unerfahrene Jugend einschüchtern und sie ebenfalls einfangen. Überwinden wir den Dogmatismus, dann werden die Kader, die ein Buchwissen haben, bereit sein, sich mit den Kadern, die Erfahrungen besitzen, zusammenzuschließen, und gern praktische Dinge studieren, dann werden sowohl viele ausgezeichnete Funktionäre, bei denen Theorie und Erfahrung miteinander verschmolzen sind, wie auch manche echte Theoretiker hervorgebracht werden können. Überwinden wir den Dogmatismus, dann werden die Genossen mit Erfahrungen gute Lehrer haben, ihre Erfahrungen auf das Niveau der Theorie heben und empiristische Fehler vermeiden.
Neben den verworrenen Vorstellungen über einen „Theoretiker“ und einen „Intellektuellen“ gibt es bei vielen Genossen auch noch verworrene Vorstellungen über die „Verbindung von Theorie und Praxis“, worüber sie tagtäglich reden. Sie reden ständig von „Verbindung“, aber in Wirklichkeit heißt das bei ihnen „Trennung“, denn sie tun nichts für die Verbindung. Wie verbindet man denn die marxistisch-leninistische Theorie mit der Praxis der chinesischen Revolution? Man kann das mit einem allgemeinverständlichen Satz ausdrücken: „Den Pfeil abschießen mit einem Ziel vor Augen.“ Wenn man einen Pfeil abschießt, muß man genau auf die Zielscheibe visieren. Die Beziehung zwischen dem Marxismus-Leninismus und der chinesischen Revolution gleicht der zwischen Pfeil und Ziel. Manche Genossen aber „schießen den Pfeil ohne Ziel ab“, sie schießen aufs Geratewohl. Solche Menschen können der Revolution leicht Schaden zufügen. Es gibt auch Genossen, die den Pfeil nur in den Händen halten, ihn hin und her drehen und ganz verzückt sagen: „Ist das ein schöner Pfeil! Ein schöner Pfeil!“, aber ihn gar nicht abschießen wollen. Solche Leute sind einfach Liebhaber von Antiquitäten, sie haben so gut wie keine Beziehung zur Revolution. Der Pfeil des Marxismus-Leninismus muß auf das Ziel – die chinesische Revolution – abgeschossen werden. Wenn wir uns darüber nicht klarwerden, wird das theoretische Niveau unserer Partei niemals steigen, wird die chinesische Revolution niemals siegen können.
Unsere Genossen müssen begreifen, daß wir den Marxismus-Leninismus nicht studieren, um einen guten Eindruck zu machen, und auch nicht, weil er etwas Geheimnisvolles an sich hätte, sondern einzig und allein darum, weil er die Wissenschaft ist, welche die Sache der proletarischen Revolution zum Sieg führt. Es gibt bis auf den heutigen Tag noch eine ganze Anzahl von Menschen, die einzelne Stellen aus der marxistisch-leninistischen Literatur als ein gebrauchsfertiges Wundermittel betrachten, das man sich bloß anschaffen müßte, um alle Gebrechen mühelos heilen zu können. Aus ihnen spricht die kindliche Einfalt von Naiven, und solche Menschen müssen wir aufklären. Gerade solche unwissenden Einfaltspinsel sind es, die den MarxismusLeninismus als religiöses Dogma betrachten. Man muß ihnen geradeheraus sagen: Euer Dogma taugt gar nichts. Marx, Engels, Lenin und Stalin haben wiederholt erklärt, daß unsere Lehre kein Dogma, sondern eine Anleitung zum Handeln ist. Die Dogmatiker vergessen aber gerade diese allerwichtigste Feststellung. Man kann erst dann sagen, daß bei den chinesischen Kommunisten Theorie und Praxis miteinander verbunden sind, wenn sie es verstehen, den Standpunkt, die Auffassungen und die Methoden des Marxismus-Leninismus sowie die Lehren Lenins und Stalins über die chinesische Revolution richtig anzuwenden, wenn sie auf Grund eines ernsthaften Studiums der historischen Wirklichkeit und der revolutionären Praxis Chinas einen Schritt weiter tun und auf allen Gebieten ein den Bedürfnissen Chinas entsprechendes theoretisches Schöpfertum an den Tag legen. Wenn man die Verbindung von Theorie und Praxis nur im Munde führt, sie aber nicht in der Tat vollzieht, dann bringt man keinen Nutzen, auch wenn man hundert Jahre davon redet. Um die subjektive, einseitige Betrachtungsweise zu bekämpfen, müssen wir die Subjektivität und Einseitigkeit des Dogmatismus zerschlagen.
Soviel für heute über die Frage des Kampfes gegen den Subjektivismus zum Zwecke der Verbesserung des Schulungsstils in der gesamten Partei.
Jetzt gehe ich zur Frage des Sektierertums über.
Dank der zwanzigjährigen Stählung unserer Partei nimmt in ihr das Sektierertum keine dominierende Stellung mehr ein. Es gibt aber noch Überreste des Sektierertums, sowohl innerhalb der Partei als auch in, ihren Beziehungen nach außen. Mit sektiererischen Tendenzen innerhalb der Partei stößt man die eigenen Genossen ab, stört man die Einheit und Geschlossenheit der Partei; mit sektiererischen Tendenzen nach außen stößt man die Menschen außerhalb der Partei ab und hindert die Partei an der Erfüllung der Aufgabe des Zusammenschlusses mit dem gesamten Volk. Erst wenn dieses Übel in beiderlei Hinsicht mit der Wurzel ausgerottet ist, wird es unserer Partei möglich sein, die große Aufgabe des Zusammenschlusses mit allen Genossen und dem ganzen Volk ohne Störungen zu erfüllen.
Worin bestehen die Überreste des Sektierertums innerhalb der Partei? Die wichtigsten sind die folgenden:
Es ist vor allem das Schreien nach „Unabhängigkeit“. Manche Genossen sehen nur die Teilinteressen und nicht die Gesamtinteressen, rücken den Abschnitt der Arbeit, für den sie verantwortlich sind, bei jeder Gelegenheit unangebracht in den Vordergrund und sind stets darauf bedacht, die Gesamtinteressen den Interessen ihres Arbeitsabschnitts unterzuordnen. Sie verstehen nicht den demokratischen Zentralismus unserer Partei, wissen nicht, daß die Kommunistische Partei nicht nur die Demokratie, sondern noch mehr den Zentralismus braucht. Sie haben den demokratischen Zentralismus vergessen, bei dem die Minderheit unter die Mehrheit, die untere Instanz unter die obere, der Teil unter das Ganze und alle Parteiorganisationen unter das Zentralkomitee unterzuordnen sind. Dschang Guo-tao schrie nach „Unabhängigkeit“ vom Zentralkomitee und ist mit seinem Geschrei dahin gelangt, Verrat an der Partei zu üben und zu einem Geheimdienstagenten zu werden. Obwohl das Sektierertum, von dem wir jetzt sprechen, noch nicht eine so überaus ernste Form angenommen hat, müssen wir solchen Erscheinungen doch vorbeugen und alles, was gegen die Einheit gerichtet ist, restlos ausschalten. Wir müssen dafür eintreten, daß die Interessen der Gesamtheit berücksichtigt werden. Jedes Parteimitglied, die Arbeit an jedem Abschnitt, jede Äußerung und Handlung muß von den Interessen der gesamten Partei ausgehen. Ein Verstoß gegen dieses Prinzip darf in keinem Fall geduldet werden.
Jene, die nach solcher Art „Unabhängigkeit“ schreien, sind gewöhnlich darauf aus, die eigene Person in den Vordergrund zu stellen, und behandeln in der Regel das Problem der Beziehung zwischen der Einzelperson und der Partei nicht richtig. In Worten beteuern solche Leute zwar ihren Respekt vor der Partei, in Wirklichkeit jedoch stellen sie die eigene Person voran, die Partei aber hinterdrein. Worum reißen sich diese Menschen? Sie reißen sich um Ruhm und Stellung, wollen sich hervortun. Wenn ihnen irgendein Arbeitsabschnitt unterstellt wird, machen sie gleich ihre „Unabhängigkeit“ geltend. Zu diesem Zweck ziehen sie die einen zu sich heran und verdrängen die anderen, schmeicheln den Genossen, umwerben sie und tragen so die vulgären Gepflogenheiten bürgerlicher Parteien in die Kommunistische Partei hinein. Durch ihre Unehrlichkeit kommen diese Menschen selbst zu Schaden. Ich denke, wir müssen die Dinge ehrlich anpacken; denn ohne eine ehrliche Einstellung ist es absolut unmöglich, irgend etwas auf der Welt zustande zu bringen. Welche Menschen sind ehrlich? Marx, Engels, Lenin und Stalin sind ehrliche Menschen; Wissenschaftler sind ehrliche Menschen. Welche Menschen sind unehrlich? Trotzki, Bucharin, Tschen Du-hsiu, Dschang Guo-tao sind durch und durch unehrliche Menschen, und auch jene Leute, die um ihrer persönlichen und ihrer Teilinteressen willen nach „Unabhängigkeit“ schreien, sind unehrlich. Alle schlauen Füchse, alle jene, die in ihrer Arbeit die wissenschaftliche Einstellung ablehnen, halten sich für sehr findig und sehr klug, sind aber in Wirklichkeit die größten Dummköpfe und werden nichts Gutes ernten. Die Studenten an unserer Parteischule müssen dieses Problem unbedingt beachten. Wir müssen eine zentralisierte, einheitliche Partei aufbauen und mit jedem prinzipienlosen Fraktionskampf für immer Schluß machen. Wenn wir wollen, daß unsere ganze Partei gleichen Schritt hält und für ein gemeinsames Ziel kämpft, müssen wir Individualismus und Sektierertum unbedingt bekämpfen.
Die von auswärts gekommenen Kader und die örtlichen Kader müssen sich zusammenschließen und Tendenzen des Sektierertums bekämpfen. Da viele antijapanische Stützpunktgebiete erst geschaffen wurden, nachdem die Achte Route-Armee und die Neue Vierte Armee gekommen waren, und viel örtliche Arbeit erst nach dem ein Treffen auswärtiger Kader in Gang gekommen ist, müssen die Beziehungen zwischen den von auswärts gekommenen Kadern und den örtlichen Kadern sorgfältig beachtet werden. Unsere Genossen müssen begreifen, daß unter diesen Bedingungen die Stützpunktgebiete nur dann gefestigt werden können und die Partei in diesen Gebieten nur dann Wurzeln schlagen kann, wenn sich die von auswärts gekommenen und die örtlichen Kader aufs engste zusammenschließen, wenn zahlreiche örtliche Funktionäre heranwachsen und befördert werden; andernfalls ist das unmöglich. Die zugezogenen und die örtlichen Kader haben sowohl ihre starken als auch ihre schwachen Seiten, und sie werden nur dann Fortschritte machen können, wenn sie voneinander die starken Seiten übernehmen und dadurch ihre schwachen Seiten überwinden. Die Kader von auswärts sind in der Regel mit den örtlichen Verhältnissen weniger vertraut und mit den Massen weniger verbunden als die örtlichen Kader. Als Beispiel möchte ich mich selbst anführen. Es sind nun schon fünf, sechs Jahre vergangen, daß ich nach Nordschensi kam, aber in der Kenntnis der hiesigen Lage, in der Verbindung mit der hiesigen Bevölkerung stehe ich den Genossen, die hier zu Hause sind, bei weitem nach. Unsere Genossen, die in die antijapanischen Stützpunktgebiete in Schansi, Hopeh, Schantung und anderen Provinzen kommen, müssen auf dieses Problem unbedingt achten. Mehr noch, sogar unter den Kadern ein und desselben Stützpunktgebiets gibt es, da sich seine einzelnen Bezirke zu verschiedenen Zeiten entwickelt haben, Unterschiede zwischen von anderswoher eingetroffenen Kadern und örtlichen Kadern. Funktionäre, die aus fortschrittlicheren Bezirken in relativ rückständige kommen, sind in diesen ebenfalls Kader von auswärts und müssen der Unterstützung der örtlichen Kader stärkste Beachtung widmen. Im allgemeinen sind überall dort, wo von auswärts gekommene Kader führende Funktionen innehaben, diese hauptsächlich dafür verantwortlich zu machen, wenn sich ihre Beziehungen zu den örtlichen Kadern nicht harmonisch gestalten. In noch stärkerem Maße gilt das für jene Genossen, die die Hauptleitung innehaben. Derzeit wird dieser Frage überall noch viel zu wenig Beachtung geschenkt, und einige Leute behandeln die örtlichen Kader von oben herab und machen sich über sie lustig: „Was verstehen schon die örtlichen Kader, diese Hinterwäldler!“ Solche Menschen haben nicht die geringste Ahnung von der Bedeutung der örtlichen Kader; sie erkennen weder deren Vorzüge noch ihre eigenen Mängel und nehmen eine falsche, sektiererische Haltung ein. Alle von auswärts gekommenen Kader müssen mit den örtlichen Kadern fürsorglich umgehen und ihnen ständig helfen, dürfen sie nicht höhnisch behandeln oder gegen sie angehen. Selbstverständlich müssen auch die örtlichen Kader von den guten Eigenschaften der von auswärts gekommenen Kader lernen, sie müssen ihre unangebrachten kleinlichen Gesichtspunkte aufgeben, damit sie, ohne Unterschied zwischen „wir“ und „sie“, mit den Kadern von auswärts zu einem einheitlichen Ganzen verschmelzen und so sektiererische Tendenzen vermeiden.
Das gleiche gilt auch für die Beziehungen zwischen den Funktionären der Armee und den örtlichen Funktionären. Beide müssen eine geschlossene Einheit bilden und sektiererische Tendenzen bekämpfen. Die Armeefunktionäre müssen den örtlichen Funktionären helfen und umgekehrt. Bei Streitfragen müssen beide Seiten einander entgegenkommen, wobei jede von ihnen entsprechend Selbstkritik üben muß. Im allgemeinen liegt in den Gebieten, wo faktisch Armeefunktionäre die Leitung innehaben, die Hauptverantwortung bei ihnen, wenn sich die Beziehungen zu den örtlichen Funktionären nicht harmonisch gestalten. Die Armeefunktionäre müssen in erster Linie ihre eigene Verantwortlichkeit begreifen und den örtlichen Funktionären gegenüber bescheiden auftreten; nur so können die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß die Arbeit zur Unterstützung des Krieges sowie die Aufbauarbeit in den Stützpunktgebieten gut vorankommt.
Das gleiche gilt auch für die Beziehungen zwischen den einzelnen Truppenteilen, zwischen den einzelnen Gebieten und zwischen den einzelnen Dienststellen. Man muß gegen den Ressortgeist ankämpfen, gegen die Tendenz, nur die eigenen Interessen zu berücksichtigen, die der anderen aber zu ignorieren. Wer sich den Schwierigkeiten anderer gegenüber gleichgültig verhält, ihnen eine Bitte um Kader abschlägt oder wenig taugliche Funktionäre zur Verfügung stellt, „des Nachbarn Feld als Abflußgraben betrachtet“, sich über eine andere Dienststelle, ein anderes Gebiet, einen anderen Menschen keinerlei Gedanken macht, der ist eben ein Vertreter dessen, was man Ressortgeist nennt, dem ist der kommunistische Geist völlig abhanden gekommen. Für solche Vertreter des Ressortgeistes ist es charakteristisch, daß sie die Interessen der Gesamtheit nicht berücksichtigen, daß ihnen andere Dienststellen, andere Gebiete, andere Menschen völlig egal sind. Unter solchen Menschen muß man die Erziehungsarbeit verstärken, damit sie begreifen, daß dies eine sektiererische Tendenz ist, die sehr gefährlich werden kann, wenn man ihre Weiterentwicklung zuläßt.
Es gibt noch eine Frage, und zwar die Frage der Beziehungen zwischen den alten und den jungen Kadern. Seit dem Beginn des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression ist unsere Partei stark gewachsen und zahlreiche neue Kader sind hervorgetreten. Das ist ausgezeichnet. Wie Genosse Stalin im Rechenschaftsbericht an den XVIII. Parteitag der KPdSU(B) sagte, „. . . sind die alten Kader stets gering an Zahl, es gibt ihrer weniger als nötig, und sie beginnen bereits teilweise, kraft elementarer Naturgesetze, aus der Arbeit auszuscheiden“. Er spricht hier über die Kadersituation sowie über eine natürliche Gesetzmäßigkeit. Wenn unserer Partei eine einträchtige Zusammenarbeit der Massen der neuen Kader mit den alten Kadern fehlt, wird unsere Sache auf halbem Weg unterbrochen werden. Deshalb müssen alle alten Kader den neuen Kadern aufs wärmste entgegenkommen und sich um sie kümmern. Gewiß, die neuen Kader haben ihre Mängel: Erst seit kurzem nehmen sie an der Revolution teil, es fehlt ihnen noch an Erfahrung, manchen von ihnen haften unvermeidlich noch Überreste der üblen Ideologie der alten Gesellschaft an, das heißt die Überbleibsel der Ideologie des kleinbürgerlichen Individualismus. Aber durch Erziehungsarbeit und revolutionäre Stählung können diese Mängel nach und nach überwunden werden. Die Vorzüge der neuen Kader bestehen, wie Stalin feststellte, eben darin, daß sie ein feines Gefühl für das Neue haben und sich somit durch einen hohen Grad von Enthusiasmus und Aktivität auszeichnen, und das ist es gerade, was manchen alten Kadern fehlt.5 Die neuen und die alten Kader müssen einander achten, voneinander lernen, ihre Unzulänglichkeiten überwinden, indem die einen die positiven Eigenschaften der anderen übernehmen; so werden sie sich für die gemeinsame Sache zusammenschließen und sektiererische Tendenzen verhüten. Im allgemeinen sind überall dort, wo alte Kader die Hauptleitung innehaben, diese dafür hauptverantwortlich zu machen, wenn sich die Beziehungen zwischen ihnen und den neuen Kadern nicht harmonisch gestalten.
Die eben erwähnten Beziehungen zwischen dem Teil und dem Ganzen; zwischen der Einzelperson und der Partei, zwischen den Kadern von auswärts und den örtlichen Kadern, zwischen den Armeefunktionären und den örtlichen Funktionären, zwischen den einzelnen Truppenteilen, Gebieten und Dienststellen, zwischen den alten und den neuen Kadern – all das sind Wechselbeziehungen innerhalb der Partei. In allen diesen Beziehungen muß man den kommunistischen Geist fördern und die sektiererischen Tendenzen verhüten, damit die Reihen unserer Partei streng ausgerichtet sind, gleichen Schritt halten und daher gut kämpfen. Das ist eine überaus wichtige Frage, und wir müssen sie, indem wir den Arbeitsstil unserer Partei berichtigen, restlos lösen. Das Sektierertum ist ein Ausdruck des Subjektivismus in organisatorischen Beziehungen; wenn wir den Subjektivismus loswerden und den marxistisch-leninistischen Geist der Wahrheitssuche in den Tatsachen entwickeln wollen, müssen wir unsere Partei von den Überresten des Sektierertums säubern und davon ausgehen, daß die Interessen der Partei über den persönlichen und Teilinteressen stehen, damit die Partei ihre völlige Einheit und Geschlossenheit erreicht.
Die Überbleibsel des Sektierertums müssen nicht nur in den Beziehungen innerhalb der Partei, sondern auch in den Beziehungen der Partei nach außen beseitigt werden, und zwar aus folgendem Grund: Wenn man nur die Genossen der ganzen Partei zusammenschließt, kann man den Feind noch nicht besiegen; das kann man erst, wenn man das ganze Volk zusammenschließt. Die Kommunistische Partei Chinas hat seit zwanzig Jahren eine mühevolle, großartige Arbeit für die Sache des Zusammenschlusses mit dem gesamten Volk geleistet, und seit Beginn des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression wurden dabei noch größere Erfolge erzielt. Aber das bedeutet durchaus nicht, daß sich alle unsere Genossen den Volksmassen gegenüber den richtigen Arbeitsstil angeeignet haben, daß bereits alle von sektiererischen Tendenzen frei sind. Das ist nicht der Fall. In Wirklichkeit hat ein Teil unserer Genossen noch sektiererische Tendenzen, manche sogar in sehr bedenklichem Maße. Viele unserer Genossen werfen sich gern vor denjenigen, die außerhalb der Partei stehen, in die Brust, behandeln sie geringschätzig, von oben herab, wollen sie nicht achten, wollen ihre guten Seiten nicht sehen. Eben das sind sektiererische Tendenzen. Diese Genossen sind nach dem Lesen einiger marxistischer Bücher nicht bescheidener, sondern überheblicher geworden. Sie sagen stets von anderen, daß diese nichts taugen, statt einzusehen, daß sie selbst halbe Ignoranten sind. Unsere Genossen müssen eine Wahrheit begreifen: Die Parteimitglieder sind jederzeit den Nichtparteimitgliedern gegenüber in der Minderheit. Angenommen, daß sich unter je hundert Personen ein Parteimitglied befindet, dann entfielen auf die 450 Millionen der Bevölkerung Chinas 4,5 Millionen Mitglieder. Selbst wenn unsere Partei eine solch große Zahl erreichte, machten die Parteimitglieder doch nur ein Prozent der Bevölkerung aus, während die übrigen 99 Prozent Nichtparteimitglieder wären. Was für Gründe haben wir also, nicht mit den außerhalb der Partei Stehenden zusammenzuarbeiten? Wir haben, was alle jene betrifft, die mit uns zusammenarbeiten wollen und können, die Pflicht, mit ihnen zusammenzuarbeiten, und nicht das Recht, sie von uns zu stoßen. Aber ein Teil der Parteimitglieder versteht nicht diese Verhaltensregel; sie behandeln jene, die mit uns zusammenarbeiten wollen, geringschätzig und stoßen sie sogar zurück. Dafür gibt es keinerlei Grundlage. Haben uns denn Marx, Engels, Lenin und Stalin eine solche Grundlage gegeben? Nein! Im Gegenteil, sie haben uns immer wieder eingeschärft, uns aufs engste mit den Massen zu verbinden und uns nicht von ihnen loszulösen. Hat uns etwa das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas diese Grundlage gegeben? Nein! Unter allen Resolutionen des Zentralkomitees gibt es auch keine einzige, die besagen würde, daß wir uns von den Massen loslösen sollten, um uns dadurch selbst zu isolieren. Im Gegenteil, das Zentralkomitee ruft uns stets dazu auf, uns aufs engste mit den Massen zu verbinden und uns nicht von ihnen zu trennen. Somit sind alle Handlungen, die zur Loslösung von den Massen führen, nicht im geringsten gerechtfertigt, sondern nur die von manchen Genossen selbstgebrauten sektiererischen Ideen sind es, die hier ihr Unwesen treiben. Da ein solches Sektierertum bei einem Teil unserer Genossen noch sehr gewichtig ist und uns noch daran hindert, die Linie unserer Partei in die Tat umzusetzen, müssen wir in unserer Partei diesbezüglich eine umfassende Erziehungsarbeit leisten. Vor allem müssen wir es zuwege bringen, daß unsere Kader den Ernst dieser Frage wirklich begreifen; sie sollen begreifen, daß man den Feind nie und nimmer schlagen, die Ziele der Revolution nie und nimmer erreichen kann, wenn sich die Kommunisten nicht mit den Kadern, die nicht der Kommunistischen Partei angehören, mit Menschen außerhalb der Partei vereinigen.
Alle sektiererischen Ideen sind subjektivistisch und mit den wirklichen Bedürfnissen der Revolution unvereinbar; daher müssen der Kampf gegen Sektierertum und der Kampf gegen Subjektivismus gleichzeitig geführt werden.
Ich habe heute nicht die Möglichkeit, auf den Schematismus in der Partei einzugehen, bin aber bereit, diese Frage bei einer anderen Zusammenkunft zu erörtern. Der Parteischematismus ist etwas Übelriechendes, er ist eine Erscheinungsform des Subjektivismus und Sektierertums. Er schadet den Menschen, er bringt der Revolution keinen Nutzen, wir müssen ihn beseitigen.
Wenn wir gegen den Subjektivismus kämpfen wollen, müssen wir den Materialismus, die Dialektik propagieren. In unserer Partei gibt es jedoch noch eine Reihe von Genossen, die weder auf die Propagierung des Materialismus noch auf die der Dialektik Nachdruck legen.
Es gibt Genossen, die seelenruhig andere Leute Subjektivismus-Propaganda treiben lassen und so tun, als sei nichts geschehen. Diese Genossen halten sich für Anhänger des Marxismus, nehmen sich aber gar nicht die Mühe, den Materialismus zu propagieren. Wenn sie irgendein subjektivistisches Zeug hören oder lesen, denken sie nicht darüber nach und äußern sich nicht dazu. Das ist nicht das Verhalten eines Kommunisten. Es führt dazu, daß viele unserer Genossen das Gift der subjektivistischen Denkweise in sich aufnehmen und dadurch ihre Sinne abgestumpft werden. Deshalb müssen wir in unserer Partei eine Aufklärungskampagne entfalten, damit sich unsere Genossen von der geistigen Benebelung durch den Subjektivismus und Dogmatismus befreien können, und wir müssen sie zum Boykott gegen Subjektivismus, Sektierertum und Parteischematismus aufrufen. Alle diese Dinge gleichen den japanischen Waren, denn nur der Feind wünscht, daß wir diesen Schund behalten, damit wir weiterhin benebelt bleiben. Deshalb müssen wir dafür eintreten, daß diese Dinge ebenso boykottiert werden wie die japanischen Waren.6 Wir haben alle Warensorten des Subjektivismus, Sektierertums und Parteischematismus zu boykottieren, damit sie auf dem Markt schwer anzubringen sind, dürfen ihnen nicht gestatten, unter Ausnutzung des niedrigen theoretischen Niveaus der Parteimitglieder Absatzmöglichkeiten zu finden. Zu diesem Zweck müssen unsere Genossen ihren Spürsinn schärfen; sie müssen jedes Ding zunächst einmal beschnüffeln, um festzustellen, ob es etwas Gutes oder Schlechtes ist, und erst dann entscheiden, ob man es begrüßen oder boykottieren soll. Worauf auch der Kommunist stößt, er muß stets fragen: „Warum?“ Er muß seinen eigenen Kopf gebrauchen und es von A bis Z durchdenken; er muß überlegen, ob es der Realität entspricht und wirklich wohlbegründet ist; man darf in keinem Fall blindlings mitlaufen und sklavischen Gehorsam fördern.
Schließlich müssen wir im Kampf gegen Subjektivismus, Sektierertum und Parteischematismus zwei Gebote im Auge haben: erstens, „aus früheren Fehlern lernen, um künftige zu vermeiden“, und zweitens, „die Krankheit bekämpfen, um den Patienten zu retten“. Wir müssen alle früher gemachten Fehler schonungslos aufdecken und alles, was in der Vergangenheit schlecht war, wissenschaftlich analysieren und kritisieren, um künftighin umsichtiger und besser arbeiten zu können. Eben darin liegt der Sinn des Satzes: „Aus früheren Fehlern lernen, um künftige zu vermeiden“. Doch wenn wir Fehler aufdecken und Mängel kritisieren, besteht unser Ziel, ebenso wie das des Arztes, der eine Krankheit bekämpft, einzig und allein darin, den Patienten zu retten, nicht aber ihn zu Tode zu kurieren. Wenn jemand an Appendizitis erkrankt, entfernt der Arzt den Appendix und rettet so dem Patienten das Leben. Wir werden jeden, der einen Fehler gemacht hat, willkommen heißen und ihn von seiner Krankheit heilen, damit er ein guter Genosse wird, wenn er seine Krankheit nicht verbirgt, um der Behandlung zu entgehen, wenn er nicht so lange auf seinem Fehler beharrt, bis er nicht mehr zu kurieren ist, sondern ehrlich und aufrichtig den Wunsch zeigt, sich dem Arzt anzuvertrauen und sich zu bessern. Diese Aufgabe kann nicht erfolgreich gelöst werden, wenn wir uns gehen lassen und auf ihn dreinschlagen. Bei der Behandlung ideologischer und politischer Krankheiten darf man sich nicht grob verhalten, sondern muß ausschließlich nach dem Satz vorgehen: „Die Krankheit bekämpfen, um den Patienten zu retten“; nur das ist die richtige und wirksame Methode.
Ich habe die heutige Eröffnung der Parteischule zum Anlaß für diese langen Ausführungen genommen, und ich hoffe, daß die Genossen über das Gesagte nachdenken werden. (Stürmischer Beifall.)

ANMERKUNGEN

* Rede, die Genosse Mao Tse-tung bei der Eröffnungsfeier der Parteischule des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas hielt.

1) Siehe Anmerkung 35 zur Schrift „Strategische Probleme des revolutionären Krieges in China“, Ausgewählte Werke Mao Tse-tungs, Bd. I, S. 297 f. Die „achtgliedrigen Aufsätze“, in denen nur die Form geschätzt wurde, entbehrten jedes Sinnes und erschöpften sich in reiner literarischer Akrobatik. Jeder Abschnitt eines solchen Aufsatzes mußte in eine bestimmte Form gepreßt und darüber hinaus auf eine bestimmte Anzahl von Schriftzeichen bzw. Wörtern beschränkt werden, so daß man sich nur mit dem Buchstabensinn des Themas befassen und sich dementsprechend mit oberflächlichen Thesen begnügen konnte. Mit „Parteischematismus“ sind die Schriften einiger Personen aus dem revolutionären Lager gemeint. Die Verfasser dieser Schriften analysierten nicht die Wirklichkeit, sondern jonglierten lediglich mit revolutionären Bezeichnungen und Fachausdrücken. Wie die erwähnte „achtgliedrige Abhandlung“ waren ihre Schriften nichts anderes als endlose Phrasendrescherei und gegenstandsloses Geschwätz.

2) Es handelt sich um den Beschluß des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas vom Dezember 1939 über die Heranziehung der Intellektuellen. Dieser Beschluß trägt den Titel „Die Intellektuellen in Massen heranziehen“, Ausgewählte Werke Mao Tse-tungs, Bd. II, S. 349 ff.

3) Siehe Stalin, Über die Grundlagen des Leninismus, III.

4) Erster Satz des Buches Lunyü (Gespräche), einer Niederschrift von Aussprüchen des Konfuzius und seiner Schüler.

5) Siehe Stalin, „Rechenschaftsbericht an den XVIII. Parteitag über die Arbeit des ZK der KPdSU(B)“, Teil III, Abschnitt 2.

6) Der Boykott japanischer Waren war in der ersten Hälfte des 20. Jh.s eins der Kampfmittel, zu denen das chinesische Volk häufig in seinem Widerstandskampf gegen die Aggression des japanischen Imperialismus griff. Das geschah beispielsweise in der Periode der patriotischen Bewegung des 4. Mai 1919, nach den Ereignissen des 18. September 1931 und während des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression.

Mao Ausgewählte Werke Band III

Mao Tse-tung