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KOSOVO Antikriegsseite


From kulta@blackbox.at Thu Apr 08 12:37:00 1999
Newsgroups: at.blackbox.gruene.wien.diskussionen
Subject: Jugoslawische Grüße
From: kulta@blackbox.at (Tom Kalkus)
Date: Thu, 8 Apr 1999 11:37:00 +0100


»Reichen Sie Ihren Rücktritt ein«
Grüne Partei in Jugoslawien an BRD-Außenminister Fischer
(Aus einem Brief der Vorsitzenden des Parteirates, Branka Jovanovic)

Sehr geehrter Herr Fischer, die heutigen Umstände erlauben es mir nicht, mit Ihnen ein Gespräch über die Ursachen des Schicksals der Menschen in Kosovo und Metohien zu beginnen, denn dazu müßten wir äußerst lange über die unehrenhaftesten Mechanismen der Zerschlagung Jugoslawiens reden, die fortgesetzt wird mit den gleichen Schablonen und den gleichen Mitwirkenden, den gleichen Ideologien und der gleichen, nicht wohlmeinenden Diplomatie, deren Ignoranz schon ein Verbrechen an sich geworden ist. ...

Wir fordern von Ihnen, sofort und bedingungslos den NATO-Wahnsinn zu stoppen und uns zu ermöglichen, mit den Albanern von Kosovo und Metohien, mit denen wir seit Jahrhunderten zusammenleben, zu verhandeln. Sie drängen sowohl die Albaner als auch uns in die totale Katastrophe und verhindern, daß wir uns wie Menschen begegnen und über das Schicksal unseres Landes und unserer Kinder auseinandersetzen können. Wir fordern ein dringendes Treffen mit Ihnen. ...

Wir melden uns aus Belgrad, dessen Stadtrand von der NATO bombardiert wird, obwohl sich dort zahlreiche chemische Anlagen mit äußerst gefährlichen Stoffen befinden, darüber hinaus Treibstoff- und Chemielager sowie ein Atomkraftwerk. Allein die Bombardierungen Pancevos, wo ein riesiger petrochemischer Komplex untergebracht ist, die Bombardierungen Baricas, wo sich eine risikoreiche BOPAL-Technologie zur Herstellung chemischer Verbindungen befindet, sowie die Bombardierungen von Vinca mit seinem Atomkraftwerk und einem ungeheuer unsicheren Atommüll-Lager haben die reale Möglichkeit einer völligen Vernichtung der gesamten Bevölkerung Belgrads und seiner Umgebung eröffnet. Eine ähnliche Situation herrscht auch in anderen Städten, wo Ziele ausgewählt wurden, die mit Technologien verbunden sind, deren Zerstörung bereits jetzt eine ökologische Katastrophe ungeheurer Ausmaße zur Folge haben wird.

Das flächendeckende NATO-Bombardement von Truppen, militärischen Einrichtungen und schweren Waffen in ganz Serbien, aber auch und vor allem im Kosovo wird mit Hilfe von verbotenen panzerbrechenden Geschossen durchgeführt, die abgereichertes Uran enthalten, das zu einer radioaktiven Verseuchung ganzer Landstriche und damit des dortigen Lebens, einschließlich Flora und Fauna, führt. Das bedeutet eine fundamentale Bedrohung aller in Jugoslawien lebenden Menschen und Nationen.

Ungeachtet der Tatsache, daß die NATO-Bombardierung bereits mehr als eintausend Zivilisten, darunter auch serbische Flüchtlinge aus der kroatischen Krajina, das Leben gekostet und mindestens noch einmal soviel Verletzte gefordert hat, soll das Zentrum Belgrads, genauer: verschiedene Regierungsgebäude, der Generalstab der jugoslawischen Armee und das Innenministerium bombardiert werden. Was zurückgehalten wird, ist die Information, daß sich all diese Gebäude buchstäblich an den größten Krankenhauskomplex in Belgrad anlehnen: die Kinderklinik, das psychiatrische Krankenhaus, die Frauenklinik, die onkologische Klinik, zwei chirurgische Kliniken, das klinische Notfallzentrum, in dem sich jetzt schon zahlreiche Opfer des NATO-Bombardements befinden etc. Die erweiterte Liste der Ziele ist faktisch Teil einer umfangreichen und systematischen Zerstörung unserer kulturellen und historischen Werte, beispielsweise manifestiert in dem Historischen Museum Serbiens, in dem sich Schätze aus den vergangenen vier Jahrhunderten verbinden und das unmittelbar neben dem Generalstab gelegen ist. Und das Innenministeriums liegt in der direkten Nachbarschaft des serbischen Flüchtlingskommissariats. ...

Die zerstörerischen Geschosse sind auch auf Richtstätten des Zweiten Weltkriegs gefallen, so in Belgrad (Jajnica), wo 80 000 Serben, Juden und Roma von den Deutschen hingerichtet wurden, und in Kragujevac (Sumarica), wo mehrere tausend Serben erschossen wurden, darunter die Jungen des Gymnasiums von Kragujevac, des ersten serbischen Gymnasiums überhaupt. Auf der in Novi Sad zerstörten zivilen Brücke über die Donau wurde 1941 von den Nazis ein Massaker an Juden verübt, weshalb die Serben diese Brücke zu einem historischen Denkmal erhoben haben.

... Eine nur oberflächliche Einsicht in die Ausmaße der Bombardierungen und die Auswahl der Ziele zeigt, daß ihre Absicht nicht das Beenden des Leids oder der Versuch ist, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, sondern die totale Vernichtung aller geistigen, ökonomischen und elementaren ökologischen Existenzgrundlagen nicht nur des serbischen Volkes, sondern auch aller anderen nationalen Gemeinschaften, die in unserem Land leben. ...

Gar nicht zu sprechen davon, daß die NATO-Intervention die Voraussetzungen für eine langanhaltende, gewalttätige Abrechnung zwischen Serben und Albanern schafft, die nie wieder Frieden bringen und dazu führen wird, daß Kosovo und Metohien aus Serbien ausgegliedert werden, auch wenn sie sein kulturelles und geistiges Fundament darstellen. ...

Die Zerschlagung Jugoslawiens ist leider ein blutiger Makel auf dem Antlitz Ihrer Grünen geblieben, denn Sie wollten unsere ernsten Warnungen nicht hören, daß Sie sich mit Ihrer Parteinahme für die sezessionistischen Ziele, die sich auf revanchistische Positionen des Faschismus im Zweiten Weltkrieg gründeten, zu Opfern der wundersamsten Manipulationen und Bündnisse bei der Zerschlagung einer multiethnischen Gemeinschaft machten.

Ihre Zustimmung zur militärischen Intervention der NATO, die ein mächtiges Instrument jenes Establishments ist, das diesen Planeten an den Rand der Katastrophe gebracht hat, kennzeichnet das Ende des utopischen Potentials Ihrer Partei und hat Sie auf einen kleinen politischen Kommissar reduziert, der grüne Stempel moralischer Annehmbarkeit von Aktionen verteilt.

Ich möchte Sie daran erinnern, daß die Experten, die die neue Politik der USA und Ihres Landes planen, hartnäckig die These vertreten haben, daß die Friedensbewegung und die Grünen in Deutschland das Haupthindernis für die stärkere Einbindung Deutschlands in die NATO-Strukturen darstellen.

Bekannt ist Ihnen sicher auch die Strategie, die angewandt wurde, um das Friedensbewußtsein der deutschen Bundesbürger als ein wahrhaftiges Fundament für Reformen in Europa zu schwächen. Gerade Ihnen mußte man alle Argumente gegen militärische Interventionen aus der Hand schlagen. Und das ist gelungen. ...

Wir möchten Sie daran erinnern, daß es uns als Serben nicht gestört hat, daß die Vorsitzende unseres Parteirats zur lebenslangen Ehrenvorsitzenden der Grünen Partei Albaniens ernannt wurde. Das belegt nur, daß eine Partei aus der Republik Serbien und der Bundesrepublik Jugoslawien keine Probleme damit hatte, in Kontakt zu treten mit ihrer Schwesterpartei in Albanien und ihre Bereitschaft an der Zusammenarbeit bei der Annäherung der beiden Staaten zu erklären. Und die Freunde aus Albanien hat es auch nicht gestört, daß sie Serbin ist. Aber Ihre Partei, die unsere politische Orientierung kannte, hat unser Angebot nie angenommen, daß wir Serben und Albaner zusammen mit den europäischen Grünen vertrauensbildende Maßnahmen unserer beider Staaten in die Wege leiten und in ihre Politik Elemente des Vertrauens tragen, die auf eine Verbesserung der politischen Atmosphäre hinwirken und den Raum für konstruktive zwischenstaatliche Beziehungen schaffen würden. ...

Es tut uns um jeden Menschen unendlich leid, der in diesem sinnlosen Krieg zum Opfer wird, und noch mehr tut es uns leid, weil wir alle besser zusammengelebt haben, als Sie es sich vorstellen können, und weil Sie dies aufgrund einer kardinalen Unkenntnis des Geschäfts mit Ihrem unverantworlichen Politikantentum verhindert haben.

Unsere Hochachtung werden Sie nur dann haben, wenn Sie zur internationalen Grünen-Bewegung Ihren Beitrag leisten und als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland mutig Ihren Rücktritt erklären.

Belgrad, 2. April 1999

Branka Jovanovic

Vorsitzende des Parteirats der Neuen Grünen Partei Jugoslawiens und Ehrenvorsitzende der Grünen Partei Albaniens

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