Bundespräsidialamt
Bundespräsident Roman Herzog
Schloß Bellevue
Spreeweg 1
10557 Berlin
Betrifft: Deutsche Beteiligung am Krieg im Kosovo
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
Wir wenden uns an Sie in diesen Tagen, in denen sich
Deutschland nach 54 Jahren erstmals wieder an einem Krieg beteiligt, einem Krieg der (1)
rechtswidrig und, wie man jetzt erkennen kann, (2) sinnlos ist und den Konflikt
sogar verschärft.
Wir bitten Sie daher inständig, Ihren Einfluß als
Bundespräsident geltend zu machen und sich für eine Nichtbeteiligung Deutschlands
an den kriegerischen Übergriffen der NATO sowie für eine friedliche Lösung des
Kosovo-Konflikts einzusetzen.
(1) Der NATO-Einsatz in Jugoslawien ist ein klarer Verstoß
gegen das Völkerrecht (Art. 2 der UN-Charta Einmischungsverbot). Die NATO agiert
ohne Mandat der UNO und stellt damit die seit über 50 Jahren bestehende
internationale Friedensordnung, besonders den UNO-Sicherheitsrat
grundsätzlich in Frage. Die NATO verstößt mit dieser Aktion außerdem gegen
ihren eigenen Grundsatz, nur zu handeln, wenn ein Verteidigungsfall für ein
NATO- Mitglied gegeben ist. Insbesondere widerspricht die Beteiligung Deutschlands
an den NATO-Aktionen sowohl dem Grundgesetz (Art. 25, Völkerrecht geht über
Bundesrecht, Art. 26, Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges), dem
Soldatengesetz (Art. 10, Befehle sind nur dann rechtmäßig, wenn sie nicht dem
Völkerrecht widersprechen), als auch dem Einigungsvertrag und dem Koalitionsvertrag.
(2) Die NATO-Angriffe haben weder zu einer Schwächung der
Position Milosevics geführt, noch konnten durch Zerstörung taktischer und
militärischer Ziele die Übergriffe auf die Bevölkerung gestoppt werden. Im
Gegenteil: Die serbische Offensive im Kosovo wird verstärkt, noch mehr Tod und Leid
wird über die Bevölkerung Kosovos gebracht und der Krieg gegen das Militär
Serbiens wird zu einem Krieg gegen die Bevölkerung. Die Zerstörung von
serbischer Infrastruktur, Elektrizitäts- und Wasserwerken, die durch den
Zusammenbruch der Versorgung mit Wasser, Strom und Lebensmitteln direkt
spürbar für die Bevölkerung wird, hat eine Erstarkung des Patriotismus und
Nationalismus in der serbischen Bevölkerung zur Folge, so daß letztendlich
auf dem Balkan wieder eine Gewalt- und Haßspirale ausgelöst wird, die
bereits jetzt Tod und Leid verursacht.
In der jetzt entstandenen Situation wird eine diplomatische
Lösung des Konflikts sehr schwierig werden, aber die Vergangenheit hat gezeigt,
daß sich solche Konflikte nicht kriegerisch lösen lassen. Deshalb muß der erste
Schritt das Ende der militärischen Aktionen und die Wiederaufnahme von
Verhandlungen
sein.
Anlagen: Unterschriftenliste zum Brief
Verantwortliche/Sammelstelle:
Freunde für Frieden (ramelow, danzigerstr.80b, 10405)