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KOSOVO Antikriegsseite


die interim 477/1999

Der Krieg um Kosova und seine patriarchale Logik

Der Krieg auf dem Balkan wird in linken Kreisen gut marxistisch historisch hergeleitet und mit strategischen, militärischen und wirtschaftlichen Interessen erklärt. So jeweils auch in der Interim. Diese Analysen sind durchaus richtig, doch werden die patriarchalen Denk- und Handlungslogiken und die geschlechtsspezifischen Prämissen und Folgen dieses Krieges kaum thematisiert. Ausgehend von der Annahme, dass es weder darum gehen kann, den NATO-AngrifT durch die serbische Praxis zu legitimieren, noch das Vorgehen serbischer Verbände nach den NATO-Angriffen auszublenden und den Krieg auf einen imperialistischen Angriff zu reduzieren nachfolgend einige ergänzende und sicherlich auch weiter zu ergänzende Gedanken.

Die Logik des Krieges ist die Logik patriarchaler Gewalt. Kriege werden um Macht und Vorherrschaft von Männern geführt. Es gehl um militärische, wirtschaftliche und politische Konkurrenz die mittels tödlicher Gewalt ausgetragcn wird und zahllose unbeteiligte Leute insbesondere Frauen. Kinder und alte Leute trifft. Dass Krieg tötet und die gesamte Lebensgrundlage einer Bevölkerung zerstört, gehört zu seinem Wesen. Sowohl die Taktik serbischer Einheiten in Kosova. wie auch die NATO-Bombardierungen zielen darauf ab. lebensnotwendige Infrastruktur zu zerstören. Sei dies das Abbrennen von Häusern oder die Bombardierung von Kraftwerken. Krieg bedeutet immer auch eine massive Umweltzerstörung und -Verseuchung. Bombardierungen von Chemiefabriken, Öltanks und Raffinerien sowie das Einsetzen urangehärteter Bomben durch die NATO trifft direkt die Bevölkerung, führt zu Verstrahlung und Verseuchung von Grundwasser. Boden und Luft und zerstört damit auf Jahrzehnte hinaus die Umwelt in Kosova und Serbien.

patriarchale Kriegslogik

Kriegslogik basiert auf hierarchischen Kategorien von Stärke und Schwäche, wobei ausgehend von der männlichen Muskelkraft diese auf militärische und wirtschaftliche Schlagkraft übertragen und potenziert wird. Die Idee Widersprüche mit Gewalt zu unterdrücken, hat ihren Ursprung in der Unterdrückung der Frau durch den Mann. Aus dem patriarchalen Gewaltverhältniss kommt letztlich die Idee, Konflikte militärisch lösen zu wollen. Wer nicht kuscht, oder wer sich wehrt, wird nach der militärischen Logik niedergemacht. Die Regierung Jugoslawiens war nicht bereit die Bedingungen des Westens für eine Lösung des Kosova-Konfliktes anzunehmen, also wurde sie von der NATO angegriffen. Die geforderten Bedingungen des Westens waren dabei offensichtlich für Jugoslawien unakzeptabel, w ären sie doch einer eigentlichen Kapitulation gleichgekommen. Möglicherweise ging es um eine bewusst provokative Strategie des Westens, bei der dem jugoslawischen Regime keine Möglichkeit mehr blieb, das Gesicht zu wahren, ohne einen NATO-Angriffzu riskieren. Die UCK ihrerseits war nicht bereit, die Unterdrückung durch die serbische Regierung hinzunehmen und wehrte sich. Dies hatte eine massive Repression und Vertreibungspolitik durch jugoslawische und serbische Polizei- und Militäreinheiten zur Folge, die nach dem Beginn der NATO-Luftangriffe massiv verschärft wurden und zu Massakern führte. Mit Gewalt lässt sich herrschen, ausbeuten und unterdrücken, kaum jedoch Widersprüche ganz aus der Welt schaffen. So vermochte zwar die langjährige Repression der jugoslawischen Regierung in Kosova lange Zeit albanischen Widerstand zu unterdrücken, jedoch nicht zum Verschwinden zu bringen, im Gegenteil. Ebenso verhält es sich mit der NATO-Strategie, Milosevic durch Bomben zu bedingungslosem Einlenken zu bringen. Strategisches und militärisches Denken lässt die Menschen als solche hinter Abstraktionen verschwinden. Es gibt die frontenbildendcn Kategorien Serbinnen. Albanerinnen und die NATO, die für das einfache Gut-Böse-Schema der Kriegspropaganda die Basis bilden und alle Widersprüche innerhalb einer Kategorie einebnet. Von Interesse sind Panzer. Flugis, Soldaten, Zerstörungskraft, Treffsicherheit. Es handelt sich vorwiegend um eine typisch männliche technische Betrachtungsweise eines Vorganges, der allerdings kein technisches Problem darstellt, sondern eine menschliche Katastrophe. Dass hinter den Kategorien Tote. Verletzte. Vertriebene, Hungernde und Verelendete einzelne Menschen mit ihrer Individualität stehen, geht vollkommen vergessen.

Die Denkkategorien des Krieges sind geschlechtlich nicht differenziert. Frauen sind für die Betrachtung vernachlässigbar. Die Tatsache, dass Krieg im wesentlichen ein männliches Handwerk ist, worunter Frauen ungleich schwerer leiden als Männer, wird verwischt Männer müssen ihre Ehre wahren. sowohl auf individueller, wie auf kollektiver Ebene des Staates, der Nation oder der Organisation. Und darum geht es unter anderem im Krieg um Kosova auch. Die NATO musste ihren Drohungen Taten folgen lassen, wollte sie nicht unglaubwürdig werden. Ebenso konnte Milosevic auf keinen Fall nachgeben und auch die pathetische Rhetorik der UCK greift immer wieder auf das Konzept der Ehre zurück. Die lässt mann sich Tausende von Toten und Milliarden von Dollars kosten. Schwächen und Fehler dürfen nicht eingestanden werden. Rückzieher liegen nicht drin. Obwohl die NATO mit ihren Angriffen genau das Gegenteil, des offiziell genannten Zieles, nämlich den Schutz der Albanerinnen in Kosova erreichte, wurde dies nie eingestanden noch hätte sich darauf die Strageie geändert. Natürlich ist dies auch ein klares Zeichen dafür, dass es der NATO wesentlich uni militärische und damit auch wirtschaftliche Hegemonie auf dem Balkan geht. Für Milosevic andererseits gibt es kein Zurück mehr, und zwar bereits seit er in seiner nationalistischen Propaganda vor über zehn Jahren Kosova zur Wiege des Serbentums erklärte. Ausserdem ist Milosevic schon nur deshalb ein Held. weil er der NATO-Kriegsmaschinerie entgegentritt, was ja auch viele Linke im Westen dazu veranlasst, sich unkritisch mit Milosevic zu solidarisieren.

kein Krieg ohne Soldaten

Das Handwerk des Soldaten ist morden und zerstören, mit welcher netten hintergründigen Absicht auch immer. Gefühllosigkeit. Brutalität und autoritäre Loyalität sind seine Eigenschaften. Als Gewalttäter par excellence ist er Vorreiter sexistischer und rassistischer Gewalt. Der Konflikt zwischen Serbien und Kosova ist ansich rassistisch aber auch der Gegensatz NATO-Serbien ist voll rassistischer Elemente. Sexuelle Gewalt wird als Kriegstaktik ausgeübt, als selbstverständlicher Teil des Krieges oder als systematisch geplantes Element. Der Soldat lernt mit und durch Gewalt zu funktionieren, was auch im Privaten seine Kontinuität hat. Erwiesenermassen sind Frauen von Soldaten überdurchschnittlicher sexueller Gewalt durch ihre Männer ausgesetzt, selbst wenn letztere nicht in einem Kriegseinsatz stehen. Der Soldat ist der Prototyp des harten Mannes. Stark, mutig- furchtlos, heldenhaft, Sieger oder Märtyrer. Es gibt keinen Raum für Schwächen, Zweifel, Zuneigung, Zärtlichkeit und Liebe. Nur Kameradschaft gibt es;

ein Männerbund nach der Logik von Hierarchisierung, Konkurrenz. Coolness und massivem Sexismus als konstituierendes Element.

überleben

Die Zivilistinnen, also Kinder. Alte und Frauen tragen die Hauptlast im Krieg. Als unbewaffhete und unorganisierte Menschen sind sie der Willkür der bewaffneten Männer ausgesetzt, misshandelt, vergewaltigt oder getötet zu werden.

Die Frauen sorgen für das Überleben der Familien unter schwierigsten Bedingungen, was immense Arbeit bedeutet. Ausserdem leisten sie wie in Friedenszeiten auch emotionale Reproduktionsarbeit für die Familie und für die Männer, falls diese zuhause verbleiben. In der Kriegssituation nimmt diese patriarchale emotionale Ausbeutung unerträgliche Ausmasse an. Frauen als Blitzableiter in Krisensituationen sind erhöhter Männergewalt ausgesetzt.

Zivilistinnen werden in der Kriegspropaganda nur irrtümlich getötet. Zivile Opfer werden offiziell bedauert, sind jedoch unleugbarer Teil jedes Krieges. Dies gilt für serbische Bombenopfer bei Angriffen der NATO auf militärische Ziele und für albanische Bombenopfer die für jugoslawisches Militär gehalten wurden, usw. Für die jugoslawische Armee und die serbische Polizei gibt es keine jüngeren, männlichen albanischen Zivilisten in Kosova, weil sie alle als zur UCK zugehörig bezeichnet werden und hiermit ihre Massakrierung legitimiert wird.

Zur Illustration der Bösartigkeit des Feindes wird das Elend der Zivilistinnen instrumentalisiert. So werden im Westen unablässig Bilder von albanischen Flüchtlingen im TV gezeigt, um die NATO-Angriffe zu legitimieren. Während die jugoslawischen Medien die Vertriebenen Albanerinnen als Opfer der NATO bezeichneten und serbische Opfer von NATO-Luftangriffen zur Dämonisierung der NATO missbrauchten. Ähnlich verhält es sich mit der Instrumentalisierung der Geschichte des zweiten Weltkrieges. Die Gleichsetzung der NATO mit den Nazis in der serbischen Propaganda bzw. die ständigen Vergleiche der serbischen Vertreibungspolitik mit dem Holocaust in der Rhetorik der NATO entbehren jeglicher faktischer und moralischer Grundlage.

Den Zivilistinnen wird keine Subjektivität zugestanden, sie sind Opfer, die zu bedauern oder denen zu helfen ist; eigener Handlungswille wird ihnen abgesprochen, denn die Führer wissen, was sie tun. Sei dies Milosevic der sein Volk durch harte Zeiten fuhrt oder die NATO. die Flüchtlinge in Lager sperrt, damit sie nicht als Asylantinnen im Westen landen, dies jedoch damit begründet, die Albanerinnen sollten zu gegebener Zeit in die Koso\ a zurück können, zurück in ein zerstörtes verseuchtes Land, voll schrecklicher Erinnerungen.

Befreiung

Die UCK als Befreiungsarmee muss aufgrund ihrer Praxis und ihrer Erklärungen als nationalchauvinistisch bezeichnet werden, obschon ihr Kampf gegen die serbische Unterdrückung absolut legitim ist. Ihre Idee nationaler Befreiung basiert nicht auf dem Anspruch allgemeiner sozialer Emanzipation, sondern auf einem Nationalismus patriarchaler Prägung. Seit der offensichtlichen Zusammenarbeit mit der NATO ist sie ohnehin diskreditiert. Allerdings stellt sich diesbezüglich die Frage, was für Alternativen der UCK offengestanden wären.

um Missverständnisse auszuräumen: Es ging hier nicht darum, Militanz oder Befreiungskrieg allgemein zu delegitimieren. Allerdings ergeben sich aus dieser Betrachtung auch Fragen zur Praxis linker Gruppen und Guerillas.

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