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KOSOVO Antikriegsseite


Diskussionsbeitrag der Initiative Kein FriedeN mit der Nato zur ersten bundesweiten Vollversammlung der Antikriegsbewegung in Bielefeld   am 13.5.99:

Unruhige Zeiten!

Wir können ihn nicht verhindern, wir können seinen Verlauf (noch) nicht verändern, wir können seine Folgen nicht rückgängig machen: Scheiß Krieg!

Die Hauptursache dieses Krieges hat zwei Namen: Deutschland und Nato

Das gesamte Konzept der militaristischen Zerschlagung Jugoslawiens, das seit der Neuorganisierung des Projektes Deutschland (es gibt heute noch Menschen, die so etwas Wiedervereinigung nennen) 1989 voll trägt, ist von hier aus machtpolitisch organisiert worden. Wo immer auch während dieser 10 Jahre bis heute völkisch-rassistisch argumentierende politische Strukturen in Südosteuropa aufgetaucht sind, stand der Machtapparat Deutschlands anschiebend im Rücken. Für jede politische Struktur, die auch nur ansatzweise über eine soziale Basis verfügt, bedeutet die Verbindung mit einer politisch-ökonomischen Weltmacht wie Deutschland enorme Möglichkeiten - bis hin zur Machtfrage. In der Regel entspannt sich der Kampf um die Anbindung an die Freßtöpfe der Reichtumsinseln an völkischen Kriterien.

Die Ethnisierung des Sozialen

Das Muster der völkischen Rassisten ist immer gleich, sehr einfach und überaus brutal: Sie beginnen mit einer propagandistischen Materialschlacht, die sämtliche soziale Probleme durch die völkische Brille preßt: Da sind Bäuerinnen und Bauern nicht deswegen arme Schlucker, weil die kapitalistische Weltmacht nur noch da relativen Wohlstand zuläßt, wo sich seine Produktionsstätten und seine Organisationsstrukturen sammeln, sondern weil sie "KroatInnen", "Muslime" oder auch "AlbanerInnen" sind. Da sind Bullen und Soldaten nicht mehr Teile des nationalen Machtapparates der bürgerlichen Klasse, sondern Serben, die nationale Minderheiten unterdrücken. Banalitäten werden so lange und so massiv verzerrt, bis das, was die völkischen Rassisten im sozialen Raum plazieren, allein durch die Masse von Meldungen für wahr gehalten wird. Als wenn nicht jeder Polizei- und Militärapparat zur Unterdrückung allen sozialen Widerstandes da ist, also bei Bedarf auch zur Unterdrückung nationaler Minderheiten.

Als nächster Schritt werden die gesellschaftlichen Gruppen, die sich nicht auf der Grundlage rassistischer Kriterien organisieren, als "Handlanger des serbischen Terrors" denunziert oder als Schwärmer und TraumtänzerInnen psychiatrisiert. Demnach bleibt nach den Vorstellungen des völkischen Rassismus (auf Grün: Ethnizität) nur noch die patriarchal-militaristische Variante der "Völkertrennung" als "Lösung" des Problems. In dieser "Lösung" verschwinden die gesellschaftlichen Widersprüche der bürgerlichen Klassengesellschaft zunehmend, wodurch unter anderem der politische Raum für eine neue Herrschaftselite geöffnet wird - ein idealer Nährboden für faschistische Männerbünde! Nicht ganz zufällig regiert in Kroatien bis heute die Tudjman-Clique mit ihren Bezügen auf den historischen Ustascha-Faschismus!

Der eigentliche Angriff auf den "Multikulti-Staat", wie er hierzulande denunziatorisch genannt wird, beginnt, sobald die völkische Bewegung in der Lage ist, aus ihren Reihen heraus Guerilla-Aktionen zur Feindbestimmung zu tragen. Gezielt wird versucht, den Repressionsapparat des "Gegners" zu provozieren. Die gewünschte Reaktion ist die personelle und ideologische Umstrukturierung des Repressionsapparates entlang rassistischer Kriterien. Es entsteht ein wechselseitiger Prozeß, der auf der Grundlage patriarchaler Vernichtungslogik alle sozialen Strukturen angreift, sprengt und als Bestandteil militaristischer Kriegsstrukturen neu organisiert. Spätestens wenn die Repressionsorgane zu Maßnahmen greifen, die den Charakter einer Vertreibung der Bevölkerung annehmen oder tatsächlich haben, um ein Gebiet guerillafrei zu machen, schlägt die Stunde der Weltmachtdiplomatie. Aus den politischen Strukturen der völkischen Rassisten werden die kooperationsfähigsten Teile auf die diplomatische Bühne gehieft, als die einzig legitimen Vertreter des unterdrückten "Volkes" anerkannt. Ab diesen Zeitpunkt zählt nicht mehr die Qualität der Guerilla, d.h. die Frage, wie hoch die Verankerung der völkischen Bewegung in der Bevölkerung ist, sondern die ökonomische und politische Durchsetzungsfähigkeit der kooperierenden Weltmacht. Seit 1989 hat das imperialistische Projekt Deutschland mehrfach bewiesen, daß es in der Lage ist, die nationalstaatlichen Strukturen jeder Region in Südosteuropa auseinanderzunehmen, in denen es soziale Spannungen zwischen Bevölkerungsgruppen gibt. Selbst gegen den Widerstand der größten Militärmacht der Welt, den USA. Im Kosovo allerdings war die soziale Basis der UCK so schmal und der Widerstand des rest-jugoslawischen Unterdrückungsapparates so stark, daß ein offener Angriffskrieg nötig war, um die völkisch-rassistischen Teilungspläne durchzusetzen.

Das eigentliche Ziel der deutschen Diplomatie ist erreicht.

Das politische und soziale Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen im Kosovo ist auf mittlere Sicht unmöglich gemacht worden. Bei der Fortsetzung des Nato-Angriffskrieges über jetzt schon fast zwei Monate geht es um die enormen Schwierigkeiten der Agressorenbande bei der Aufteilung des Kuchens, der bald keiner mehr ist. Das Kalkül: Je zerstörter die Verhandlungsmasse, desto leichter ist die Einigung.

Soviel erstmal als Umriß der Einschätzung unserer Initiative, die wir als Ausgangsposition für die Diskussion auf dieser ersten bundesweiten Anti-Kriegs-Vollversammlung einbringen.

Der von Deutschland aus organisierte Nato-Angriffskrieg auf Rest-Jugoslawien hat logischerweise unmittelbar auf die Innenpolitik zurückgeschlagen. Die grüne Führungsspitze hat für den Preis ihrer Weiterbeschäftigung im Projekt Deutschland jedes Stück Papier zerrissen, daß

  • die Beziehungen der verschiedenen Staaten zueinander regelt (Völkerrecht, UNO-Charta)
  • die speziellen Beziehungen zwischen den Staaten der Anti-Hitler Koalition und Deutschland regelt (2+4 Verhandlungen)
  • die Beziehungen der sozialen Gruppen in Deutschland regelt (Verfassung)
  • die Beschlußlage der politischen Basis der Grünen ausdrückt (Parteiprogramm)

Die einzig noch existierende glaubhaft überprüfbare Stellung der Grünen ist die Beteiligung an einem Angriffskrieg. Dies ist seit dem 24.3.99 so und es ist bitter mitzuerleben, daß KriegsgegnerInnen immer noch, nach 7 Wochen grüner Kriegspraxis mit all ihrer Zerstörungswut, glauben, es gäbe etwas mit oder gar in den Grünen zu diskutieren. Wir werden alle diejenigen Männer und Frauen, die erst anläßlich des grünen Befriedungsparteitages die faktische Unterstützung der grünen Kriegspartei eingestellt haben, sehr kritisch hinterfragen. Ihre Glaubwürdigkeit als KriegsgegnerInnen geht für uns gegen Null. Weil einige von ihnen Teil der Anti-Kriegs-Vollversammlung sein werden, ein paar spezielle Worte in diese Richtung: Jeden Versuch von euch, repräsentative Funktionen in der Antikriegsbewegung zu übernehmen, werden wir als opportunistischen Karrierismus werten, als Angriff auf antirassistische und antimilitaristische Positionen innerhalb der Antikriegsbewegung. Geht in die antimilitaristischen Basisgruppen zurück und stellt euch der Kritik!

Mag sein, daß einige von euch diese Position als zu stark polarisierend begreifen. Immerhin könnten ja einige der bekannteren grünen Gesichter für mehr Präsenz von Antikriegspositionen in der Öffentlichkeit sorgen. Diese ohne Zweifel richtige taktische Betrachtung würde aber die Positionierung der Antikriegsbewegung gegen den dritten von Deutschland aus organisierten Angriffskrieg gegen Jugoslawien verwässern. Nichts halten wir im Moment für wichtiger als die konsequente Verurteilung des Nato-Angriffskrieges.

Wir halten die Organisation eines Angriffskrieges in zweiter Linie auch für einen Angriff auf die antimilitaristische Bewegung. Der Übergang einer Partei in das Kriegslager, die bis weit in die linksradikalen Strukturen hinein ihre Bindungen und gegenseitigen Abhängigkeiten hatte, bringt für viele von uns mehr oder weniger große Brüche in der politischen Praxis. So mußten wir unsere Haltung zu diesem Krieg bei einigen Aktionen über die Ausgrenzung grüner Parteistrukturen klarstellen.

Klar ist, daß mit den Grünen in irgendeiner Form verbundene Gruppen versuchen, ihre Position im gesellschaftlichen Raum zu verteidigen, von den ganzen Einzelpersonen zu schweigen, die aus einer wie auch immer gearteten Laune heraus Rot-Grün gewählt haben:

"Wir werden wenig anders - aber vieles besser machen!" Was für eine prophetische Ankündigung.

Die gesellschaftliche Position all dieser Gruppen und Einzelpersonen wird in kürzester Zeit unhaltbar werden - spätestens wenn die Propagandablase, die über diesen Krieg gestülpt wird, platzt. Es stehen Entscheidungen mit großer Tragweite an.

Die Tatsache, daß Deutschland gegen die gesamte EG- und US-Diplomatie ein sich auf den mörderischen Ustascha-Faschismus beziehendes kroatisches Regime diplomatisch anerkannt hat, ist in ihrer Bedeutung nicht wegzudiskutieren. Die deutsche Politik hat die völkisch-rassistischen Bürgerkriege in Jugoslawien bis heute immer gewollt und politisch-militärisch mitorganisiert. Wer oder welche die überragende Rolle der USA in den Nato-Militärstrukturen oder die bislang eher noch zurückhaltende militärische Beteiligung Deutschlands als Argument für die Relativierung der deutschen Verantwortung in der Entstehung des Nato-Krieges betrachtet, schwimmt in sehr gefährlichen Gewässern. Allein die politische Unterstützung der Ustascha-Faschisten sollte eigentlich in aller Deutlichkeit klarmachen, wie es um die Moral der deutschen Außenpolitik bestellt ist. Sie reitet offen auf den strategischen Vorgaben ihrer VorgängerInnen, dem Kaiserreich und dem Nazi-Faschismus. Um nicht falsch verstanden zu werden: Das politische und gesellschaftliche Umfeld dieser Regierung ist ein komplett anderes, es gibt keinen ideologischen Hauptfeind, der im Moment von überragendem Interesse wäre. Es handelt sich bei diesem Krieg um einen mit moralischen Zerrbildern nur sehr mühsam verdeckten Verteilungskampf des Turbokapitalismus der Nato-Metropolen. Aber die Schärfe der völkisch-rassistischen Bestialitäten, wie sie sich seit Jahren in Ex-Jugoslawien abspielen, hat in der Hauptsache die deutsche Machtpolitik zu verantworten.

Die Reparaturtrupps, die mittlerweile auf allen Ebenen versuchen, die Aggressivität des rassistischen Imperialismus zu vertuschen, den Deutschland an den Tag legt, sind überall unterwegs. Die sogenannte deutsche Initiative, d.h. die Umformulierung des Besatzungsstatuts für Jugoslawien, täuscht eine diplomatische Hektik vor, die nur für die Fernsehkameras und die Weltpresse gut ist. Die völkisch-rassistische Umstrukturierung Südosteuropas ist längst beschlossene Sache. Da ist nichts zu verhandeln. Es wird so lange gebombt, bis auch Milosevic, die russische, chinesische, griechische oder sonstwelche Diplomatie diese Tatsache auf einem Fetzen Papier endlich anerkennt.

Die nationalistischen Teile der Friedensbewegung, aber auch die Nationalisten in der Antikriegsbewegung werden mit ihrer speziellen Phraseologie auf diesen Zug aufspringen. Sie werden den Schein der Distanz zur US-dominierten Kriegsführung für bare Münze nehmen, gegen die böse USA wettern, die Reform der Nato fordern, mehr Unabhängigkeit von den USA verlangen. NO WAY!

Wo wir gehen, ist der politische Gegner nicht weit. Wir brauchen nicht über den Atlantik zu schielen, um Kriegstreiber bei der Arbeit zu beobachten. Der gesamte westdeutsche Politikapparat hat seine Widersprüche untereinander zurückgestellt, um die Organisierung eines Angriffskrieges nach innen verkaufen zu können. Unsere Aufgabe ist es, ihnen diesen Krieg so lange um die Ohren zu hauen, bis sie alle von der politischen Bühne abgetreten sind.

Wir wissen aus den Hochzeiten der Friedensbewegung 1982 und 1991, daß ein Teil von ihr nur auf die Gelegenheit wartet, sich mit den nationalen Eliten wieder versöhnen zu können. Das Gelaber vor dem Befriedungsparteitag der Grünen diente genau diesem Zweck: Die Fischer-Bande formuliert die Versöhnung als Angebot, die sogenannten KriegsgegnerInnen innerhalb und außerhalb der Grünen als Forderung. Wir werden nicht mit euch gehen: Wir organisieren uns in der antimilitaristischen Bewegung von unten gegen die herrschenden Eliten hier im Land, nicht mit oder neben ihnen!

Ähnliches gilt für die ostalgischen Nationalisten in der Antikriegsbewegung. Euer "proletarischer Nationalismus" ist im Agressionspotential nach außen vielleicht etwas harmloser, ansonsten aber keinen Deut besser als der Nationalismus der Imperialisten. In der Sowjetunion wurde mit der Phrase vom "Aufbau des Sozialismus in einem Land" der staatsterroristische Formierungsprozeß nach innen voll entwickelt und der Kampfruf "Hoch die internationale Solidarität" zur Farce degradiert. Die spanischen AntifaschistInnen vor und die griechischen AntifaschistInnen nach dem zweiten Weltkrieg können ein Lied davon singen.

Diese politische Tradition ist gekappt und wird bei der Neuformulierung unserer gesellschaftlichen Utopien nur noch die Rolle eines Auslaufmodells spielen: Billig zu haben und auf Dauer nicht zu gebrauchen!

Die kommenden Fehler sind bei dem stark nationalistischen Einschlag der PDS und ihrem radikaleren Umfeld schon vorauszusehen. Sie treten durch die sträfliche Unterschätzung patriarchaler und rassistischer Formierungsprozesse schon heute deutlich zu Tage. Wir sind jederzeit bereit, die Diskussion über die historische Entwicklung des Projektes Deutschland zu führen. Es ist unsere feste Überzeugung, daß nichts hängenbleiben wird, was Bestandteil einer Zukunftsperspektive sein kann.

Undiskutierter Abschluß

Die Vorstellung über unsere Zukunft wird im Kern von revolutionären FeministInnen formuliert werden. Das Zerstörungs- und Vernichtungspotential patriarchaler Gesellschaftsorganisation erzwingt geradezu diese Perspektive. Der Kapitalismus ist die aktuelle und hoffentlich letzte Herrschaftsform des Patriarchats.

  • Die Befreiung der Männer besteht aus ihrem Abschied von der Macht.
  • Die Befreiung der Frauen besteht aus der Übernahme der Organisation einer klassenlosen Gesellschaft - weltweit.

 Quelle: Keinen Frieden mit der NATO - Gruppe Kiel

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