butback.gif (224 Byte)

KOSOVO Antikriegsseite


IN DEN KULISSEN DER TEUTOZENTRALE
Das Dominium Okzident bombt das Protektorat Amselfeld als Reservat der potentiellen Völkerwanderer frei – bombt alle historischen Brücken zwischen Nachbarschaften und Völkerschaften in Schutt und Asche  

DER NEOCÄSARISMUS MIT NERO-POINTE

Essayistische Aufzeichnungen von Necati Mert  

"Flüchtlings-Skandal" ist die "Hürriyet"-Schlagzeile vom 9. April 1999. Es ging hoch hier, als auf dem Osloer Flughafen bekannt wurde, daß die Flüchtlinge des ersten Transports die Mitarbeiter des OSZE-Büros in Mazedonien sind. Und die ersten 600 Flüchtlinge, die nach Deutschland gebracht wurden, seien aus der Masse mit Deutschkenntnissen ausgelesen worden. Kommentar den Protokollanten der "humanitären" Kriegsführung überlassen, den medialen Zunftmeistern im zivilisatorischen Delirium des Allmenschentums!

"Mit dem Argument, die Unrechtsopfer zu retten, zeichnen sie die Friedenskarte, die sie selbst vorsahen, mit Bomben. Bei dem Krach geht es um Lebensraum auf dem Balkan: ‘Dort müssen auch meine Militärs sein’. ... Rassistischer Nationalismus klettert hoch. Konflikte werden aufgeheizt. Dann kommt der Gewehrkolben des ‘Weltgendarmen’. Das letzte Wort hat der Gendarm, er setzt das Recht." Mit diesen Worten warnte Ertug Karakullukcu, Kolumnist des führenden türkischen Printimperiums "Hürriyet" vom 26. März 1999 vor dem Expandieren der "Jugoslawisierung", während die starken bündnistreuen Stimmen für die "Bomben, die zu spät kamen", im gleichen Blatt breiten Raum fanden und weiter finden. Auch hier ist der Kommentar den Marktschreiern der abendländischen Meinungsfreiheit überlassen.  

Flüchtlinge als Faustpfand, Schutzschild oder Argumentationsfutter für das Lügenfürstentum  

"Humanitäre Katastrophe" - mit diesem Lamento lavieren die Menschenrechtskrieger des Nato-Kampagnons Deutschland. Während die Innenminister-Fiktion von der erreichten bzw. überschrittenen Schmerzgrenze für die BGS-Reaktion auf die "illegale Einwanderung" jeden "humanitären" Blick verdunkelt, wird durch den Transport von Wohlstandsresten in Anrainerstaaten des Exodus-Gebiets Kosovo versucht, den vom Architektenbüro der Schengen-Burg längst konzipierten Zaun um das größte Armenwildenreservat zwischen Adriaküste und Balkanhügel zu "humanisieren". Gleichzeitig wird auch mit Hilfe der öffentlichen Manipulation, für die neuen Kriegsflüchtlinge Platz zu schaffen, der Deportationsmaschinerie der Bosna-Flüchtlinge verstärkten Auftrieb gegeben.

Diese Worte allein könnten schon ausreichen, den "humanitären" Bombast über einem Gemisch wie den Balkan, wo die ethno-kulturellen Gemeinschaften einander an die Kehle fahren, zusammenzufassen. Aber es gehört etwas mehr dazu, sich den nicht dar-, sondern starrgestellten Polit-Akt im Amphie-Theater der deutsch-abendländischen Moralunion auch nur in Ansätzen anzunähern. Und etwas mehr Anstrengung, um die Legendensandkörner, die in abendländischen Dunkelkammern zu Anstoßsteinen gebacken werden, einigermaßen zu erkennen.

Diese pamphletische Zusammenfassung eines Kreuzzugs im höchsten Stadium der Freihandelszivilisation umfaßt die ersten drei Wochen. Dabei geht es nicht um die Schilderung der Ereignisse für oder wider reine Opfer und nackte Bösewichte, sondern um den Versuch, die rück- und vorwärtsgewandten Wertewurzeln eines zivilisatorischen Katastrophen-Imperiums zu beleuchten, das - gestützt durch Heroldsberichte - in den "humanitären Katastrophen" eine letzte Chance sieht, um moralische Zensuren zu verteilen - nicht nur für seine Antipoden. Man kann den Umfang mit der Werktätigkeit in den Studierstuben erweitern. Notwendig ist das jedoch nicht. Denn am monologistischen Inhalt des Drehbuches wird sich nichts ändern. In welchen Stimmungsbildern sich die Konsumentennation auch immer wiederfinden mag, ob in Form von schweigender Mehrheit oder parteienpakttreuer Zustimmung für die Luftwaffenschläge, die Schaltzentrale der supranationalen Interventionsfront kann sich der Komplizenschaft ihres besitzlegendengespeisten Untertanentums sicher sein. Dafür sorgt nach wie vor der erprobte Manipulationshebel der brennend kalten Kriegszeiten "freedom and democracy", der mit der epochenbeendenden Siegesparade über Theorie und Praxis der human-sozialen Utopien zum Allgegenwärtigen erklärt wurde. Und er diktiert den Wandel vom Kalten Krieg zum heißen Revanche-Krieg des Westens gegen den Osten. Nicht zufällig wird er von 71% der Westdeutschen befürwortet und nur von 41% der Ostdeutschen ("Stern"-Umfrage, 15. April 1999).

Wie atemberaubend die zivilen Teilhaber des Monopolkonzerns "Menschenrechtsschutz" wechselten vom obersten Korridor des heißen Schlachtmanagements zum politokratischen Rhetorentheater. Höchste Zeit den Roman der Spätmoderne zu schreiben! Das tut die Mass-Media-Soldateska, noch in der Lehrlingklasse der Plagiatoren für die Aufnahme in die Meisterschule des Cäsarismus. Wie lange auch die Spartakiaden und Kommunarden der Poesie auf sich noch warten lassen, hängt vom Widerstand gegen den einsetzenden Beginn vom Ende der sozialen Utopien und sozialistischen Ideen ab. Darauf will das nachfolgende Kapitel bezug nehmen, das sich mehr als Tagebuch-Fragment wahrnehmen läßt denn als Kriegs- und Kriegsfolgenanalyse.  

Der erste und letzte ehrliche Bericht: Krieg als Spektakel  

"Zur besten Fernsehzeit", heißt es in "Spiegel-Online" vom 24. März 1999, trat der Mann, der als erotomaner Poseur und bombiger Potentat kürzlich in der Cäsarismus-Spalte der Präsidentengeschichte landete, Claudius B. Germanicus Clinton, vor Kameras und eröffnete drei Tage nach dem letzten Frühlingsbeginn die Gladiatoren-Arena für die Luftschläge. Wirft man einen kurzen Blick über die UNO hinweg auf Roms Forum zurück, läßt sich der Vergleich nicht als übertrieben verstehen.

Dazu noch: Gaius Julius Cäsar, der im Jahre 44 vor Christus von dem republikanischen Senatoren Cassius Brutus gemäß einer Dolchstoßlegende mit einem Dolchstich getötet wurde, ersetzte durchs Lavieren zwischen Populären und Optimaten die republikanische Senatoren-Herrschaft von Rom durch eine Monarchie, die auf einem Bündnis zwischen Senatoren, Rittern und provinzialen Sklavenhaltern basierte und sich hauptsächlich auf das Heer stützte. Und sonst: Bei der Rückkehr vom Feldzug in Gallien überschritt er 49 vor Christus den Grenzfluß Rubikon zwischen Italien und der römischen Provinz Gallia Cisalpino, drang in Italien ein und eröffnete den Bürgerkrieg.

Der Begriff Cäsarismus drückt eine Herrschaft aus, die sich auf die privilegierte Heermacht stützt und zwischen den einander kämpfenden Klassen und sozialen Schichten laviert - wie der etwas spätere Bonapartismus, die nach Napoleon Bonaparte benannte, von Napoleon III. vollendete Herrschaft der Großbesitzer, bei der sich die Staatsmacht auf einen Militärklüngel stützte und zwischen gegnerischen Klassen lavierte.

Als im Abendlicht ein Nato-Bomber nach dem anderen vom italienischen Stützpunkt Aviano in Richtung Jugoslawien abhob, versammelten sich Hunderte von Schaulustigen vor der Kulisse der Alpen und beobachteten das Spektakel, berichtet der AP-Korrespondent Lordis Navorra am 25. März 1999. Eröffnet hat Claudius Clinton die Arena, den Markt für Vorführungen des Rambo-Kults, das elektronische Amphie-Theater mit Gladiatoren, die per Mausbefehl ihre Explosionsladung auf jenen Erdteil abwerfen, der vorher als Schurken-Reservat markiert wurde. Erfolgreich, jedenfalls bereit, nach szenarischer Erfüllung der Rollen-Regieanweisungen die höchsten Honneurs der abendländischen Humanität entgegenzunehmen. Damit macht er aus dem Homo sapiens den Homo ludens für das amüsierte Wohlwollen der Demokratie-Gläubigen.

Reaktionen: Anders als bei der Übertragung des Bombenregens über Mesapotamien zuvor, geben die Dirigenten des Spektakels mit hochrangigen Epauletten Flammen-Bilder frei, und die Leibeigenen der Mediakratie fühlen sich in Trauer um sich selbst gestürzt. Um die Quelle ihrer Saläre zu sichern, haben sie inzwischen nicht viel mehr Legendengespeistes dem sensationshungrigen Publikum anzubieten als das Porträt des Slobodan Milosevic, den ordnungsgemäß gewählten "Serben-Despoten" der immer noch Vielvölkerrepublik Jugoslawien. Um das eigene Elend mit den Geldgutsherren zu vergessen, bleibt ihnen, den Repertoire-Reportern, nichts anderes übrig als die gebetsmühlenartige Wiederholung der gleichen Prosa, die ihnen im Honorar-Briefumschlag gereicht wird. Nichts Außergewöhnliches: Dessen Flöte gibt den Ton an, wer das Geld hat.

Dunkelkammer der Wunschbilder: Als das Plenum der parlamentarischen Bundesrepublik den Befehlsbeschluß annahm, lag ihm nicht einmal der Rambouilleter Vertragstext vor, dessen Nicht-Erfüllung durch die Verweigerung serbischer Unterschriftsleistung den Bombenterror verursachte. Erst nach massiver Anfrage beim Auswärtigen Amt und dem zuständigen Bundestagsausschuß sei ihr mitgeteilt worden, wo der Vertragstext im Internet nachzulesen sei, erklärte z.B. die SPD-Abgeordnete und Juso-Vorsitzende Andrea Nahles (Süddeutsche Zeitung, 10.4.1999). Und sie sei nach der Lektüre des Textes zu dem Schluß gekommen: Den Serben wurde damit "quasi ein Nato-Besatzungsstatut für ganz Jugoslawien aufdiktiert". (...)

Die Schallwellen stimmen die Manipulationsorgel. Was sie verbreiten, ist dann die Presse- und Meinungsfreiheit. Alles, was von der Gegenseite kommt, ist staatlich gelenkte Propaganda. Und die heißt im Fremdwörterbuch: Systematische Verbreitung und Erklärung von Ideen, Lehren und politischen Thesen bzw. Theorien. Dort wütet die Zensur, hier werden die Informationen im Bunkerpalast versteckt. Demokratisch! Slobodan Milosevic im Schutz der Prätorianergarde, den man am liebsten wie den Rumänien-Despot vor das Erschießungspeloton stellen will, muß aufhören, Propaganda zu treiben, und die Rückkehr zum Frieden verkünden, ja sagen zur Knechtschaft unter einer "Humanität", auch wenn sie für die Börsen-Haramiten nichts als einen Null-Wert darstellt. Keine Propaganda verteilen die Menschenrechtskrieger der Mass-Media, sie meinen es ernst. Ausführlicher Kommentar bleibt den Geschichtsforschern von morgen überlassen!

Marketing ist schließlich auch, wenn auf den Flaniermeilen der freiheitlichen Bundesrepublik mündige Bürger Passanten anhalten und sie nach der nächsten Adresse fragen, wo sie "gegen Ausländer unterschreiben können". Selbst das "humanitäre" US-KZ, der Militärstützpunkt auf Kuba, wo die Menschenrechtsbomber die Fluchtelenden vom Amselfeld internieren und damit eine mögliche Invasion nach Nordamerika abwehren wollten, erregt keine Gemüter.

Wie kann dieser Krieg friedlich zu Ende gebracht werden, wird der Kanzler gefragt, und er weiß nichts weiter, als auf die "jugoslawischen Mörderbanden" ("Tagesthemen"-Interview vom 8. April) hinzuweisen und auf die Apachen-Helikopter zu schauen, die demonstrieren, wie super man rambouillieren kann. Es folgt der Marktschreier Rudolf Scharping, der mit "einem der großen Kriminellen dieses Jahrhunderts" abrechnen will, und wird von Volker Rühe davor gewarnt, Gefangener der eigenen Rhetorik zu werden. Die Kriegslüsternheit der Sozialdemokraten, Grünen und Neolinken, die in fast allen Euroländern die Fäden der Macht fest in Händen halten, läßt die Konservativen plötzlich in goldenem Licht erscheinen.  

Zurück in die Abenddämmerung am Tag X  

Der Politiker kann sich nicht - wie jeder andere - eine eigene Meinung leisten, sondern muß den Anweisungen der Rhetorik folgen. Er hat zu kreieren, zu zieren, zu päppeln und sich am eigenen Danaergeschenk zu weiden. Mal expandiert er wie das Waschweibertum auf Gossenniveau, dann fiedelt er auf dem erotomanen Selbstverkauftalent. Ähnliches gilt auch für die Zunft der Mass-Media. Sie torpediert Nachbarschaften, produziert überdrehte Freundschaften und modis vivendi mit Völkerschlachtqualität, verteilt Heroldsberichte, Parodien und moralische Zensuren mit dem Polit-Akt in Idealunion und Hurra-Allüren für Bombenpiloten. Momentum: Akzeptanz vorgestanzter Formeln, legendengespeist. Serben als Kainsvolk, Widerspruch zwecklos, keine Vision für jugophilen Fimmel. Der Wutpegel steigt und beginnt, Bombengewitter zu imitieren, Flammenwände zu ziehen, Feuerteppiche zu legen, Feuerschweife des Nachbrennens zu gießen.

Jede Fassade aber hat einen Hintergrund: Das Flickwerk "global village" expandiert weiter mit Banden- und Kasino-Kapitalismus, Big Business der High-Tech-Wunderwaffen, Banderilleros als Marktschreier, Banditen als Menschenrechtskrieger. Die Piraterie erwacht aus der Narkose der Schönheitsoperation.

Hier der Cashmere-Kanzler mit grimmigem Blick und humanitärem Pflichtübungsbewußtsein, mit Bravour, Standpauke und Bombast, volle Pulle für reine Opfer und gegen nackte Bösewichte, drüben an der Nahtstelle des Euro-Imperiums: Diktatorendämmerung. In der Bilge der "Star Track"-Ökopaxen werden die Aschenberge recycelt.  

Zurück von der Agora der Urbanität zur Arena der Gladiatoren  

Nicht verstehen muß man, sondern als Erkenntnis wahrnehmen, warum die Befreiungskämpfer nicht mehr dem Ruf der Freiheit folgen, sondern dem Marktschrei für einen Platz im Protektorat des nordatlantischen Patronats. Und Befreiungskämpfer meint mehr als die nationalen Befreiungsarmeen, vor allem die Ideologen der Zivilgesellschaft im konkreten Zusammenhang der Balkan-Arena.

Um ihre Quoten- und Auflagenanteile durch die Versorgung der Rambo-Verbraucher zu verbessern, haben sich die sonst so dürren deutschen Journalwerker plötzlich eine einfallsreiche Serienbildersprache angeeignet. Sie sind in ein Wettbewerbsfieber ähnlich wie die Global-Players in den Börsenhauskabinen gefallen, das den Balkan in einen diskursiven Brei historischer Erinnerungen hineinzog. Hier eine Auswahl von Wortschöpfungen der Bilder-Bombasten: "Feuerschweif des Nachbrennens" am Jugo-Nachthimmel. "Qualm und Giftschwaden", die durch die Straßen Belgrads ziehen. "High-Tech-Wunderwaffen", die ihre Ziele genau treffen. "Flügelraketen, Disneyland und Einflußagenten", mit denen der Weltgendarm die Menschenrechte durchsetzt und die Arbeit der NGO-Stattfriedensguerillos störfrei hält. "Prunkstücke der Pentagon"-Zivilisation, die "B-2-Tarnkappenbomber", die hunderte Tonnen Sprengstoff über Jugoslawien ausklinken, um "Slobodan Milosevic" die "Beendigung der Vertreibung" einzureden, damit er sich auf die vorgesehene Parzelle auf dem Balkan beschränkt. "Die progressive Zerstörung wird solange geführt, bis sich der Brandstifter Slobodan Milosevic der Forderung der internationalen Gemeinschaft fügt." Hinzu das Ärgernis, daß manche "USA-Botschaften nicht mehr im Garten- sondern Stacheldrahtring" liegen und "Hupkonzerte" mancherorts, die Demonstrationen gegen den "sauberen Krieg" begleiten. Irgendwann wird sich die Meinungsfreiheit aus der Dunkelkammer der Profitentwicklung der Mass-Media-Imperien in den westlichen Hochdemokratien befreien. Irgendwann!  

Noch einmal zurück zum Tag X  

Der Westen: Seit er den Wachturm der Zivilisation besetzte und ihn vereinnahmte, verdankt er seine Kontinuität der Kultivierung der Kriegsführung, ob Eroberungskriege, Bürgerkriege oder Weltkriege. Was er tut, hat mit der Allvergegenwärtigung der Zivilisation zu tun. Ob dieser Turm auch gestürzt werden kann? Oder ob er gestürzt werden muß, bevor er sich selbst auf die ganze Menschheit stürzt wie eine Pentagon-Hollywood-Produktion: "Ende der Geschichte"? Der Krieg ist das gemeinschaftliche Killen eines Kollektivs durch ein anderes und fungiert als Motor der Zivilisation, wenn man sie mit der städtischen Kultivierung des Menschenlebens in Verbindung bringt. Der Fortschritt hat den Krieg nicht verdrängt, sondern vorangetrieben. Neu ist nicht das Wesen des Killens, aber wohl dessen Rechtfertigungsmethode. Alt ist: Ohne die Erklärung des Gegners als minderwertig und zugleich unzivilisiert, nämlich tyrannisch, ohne ihm alles, was ihn zum Menschen macht, abzunehmen, kann man ihn nicht killen. Darin liegt auch der formale Unterschied zwischen dem Krieg der Naturvölker und dem der Kulturnationen. Während die mächtigeren Urgesellschaften die schwächeren einfach überfielen, ihre Mitglieder vernichteten oder sie im besten Falle versklavten, ihren Besitz plünderten, hatten die Kriege der zivilisierten Gesellschaften, wobei deren Ziel das gleiche blieb, immer höhere Kriegsmethoden zu entwickeln. Zeigt sich der Gegner nicht bereit, sich samt Hab und Gut zu ergeben und dem Willen der Stärkeren zu fügen, so wird er dazu mit Gewalt gezwungen. Entscheidend ist von Anfang an und bei allen Handlungen, daß die schwächere Gemeinschaft nicht der eigenen stärkeren gewachsen ist. Ihre Angehörigen sind minderwertig und haben den Angehörigen der Stärkeren zu dienen.

"Schurkenstaaten" gehören zum Fundamentalpathos der One-World-Führer. Im Falle Jugoslawiens jedoch erscheint eine weitere Errungenschaft der Zivilisation: Der Schutz der Minderwertigen gegen ihre minderwertigen Despoten. Die mediakratisch-prosaisch geschöpfte, geheimdienstlich fein gepflegte und expansionspolitisch lauthals geschrieene "humanitäre Katastrophe" bewahrt die Kosovo-Albaner nicht davor, nach wie vor dem Kultur-Reservat der "Schurken" anzugehören. Nur sind sie vorübergehend als minderwertige Völkerschaft nützlich, um einen "Schurkenstaat" zu beseitigen, der sich den Edikt des Menschenrechtskrieger-Imperiums nicht fügt - als bereitwillige Kollaborateure der Steppenbrandverbreiter und zugleich als arme Lazarener.  

Im Anschluß an die Geschichte der Kreuzzüge  

Als die Osmanen auf dem Amselfeld siegten, wurde im damals katholischen Westen Kreuzzüge aufgerufen und in Gang gesetzt, die nichts anderes auf dem Balkan taten, als die vom osmanischen Reich noch nicht unterworfenen Orthodoxen zu überfallen und zu plündern. Und es waren damals die Päpste, die den Händlern das Edikt erteilten, die Häretiker zu fangen und auf den Sklavenmärkten von Dubrovnik und Venedig zu verkaufen. Es waren die Bogomilen aus den heute so bekannten Gebieten wie Bosnien, aber auch Kosovo, die den Sklavenjägern zum Opfer fielen. Das Geschäft blühte, diese Sklavenhändler erstellten später eigene Dokumente, erklärten die katholischen Bauern auf einem weiteren Gebiet bis Ungarn zu Ketzern und gaben sie für Überfälle der Sklavenjäger frei. Der neufünfländische Orientalist Ernst Werner schlußfolgert in seinem in den 60er Jahren veröffentlichten Studie "Geburt einer Großmacht: Die Osmanen", daß die (auch christliche) Bevölkerung des Süd-West-Balkan in den Eroberungen durch das osmanische Reich eine Hoffnung gesehen habe. Hat sich die Einstellung des Westens in der christlich-abendländischen Panzerschale gegenüber diesen in vieler Hinsicht immer noch "Häretikern" gewandelt? Sind die Menschenrechtskrieger von heute tatsächlich anders als die Kreuzzügler von damals gegenüber ihren Schutzhäftlingen? In keiner Weise, wenn sich der Blick auf die Deportationsmaschinerie richtet, die täglich neuen Schwung bekommt, um die Bosniaken aus dem bundesdeutschen Flüchtlingsrevier in das Armenreservat am westlichen Balkan zurückzubefördern.

Die Ironie der Wörterverwandschaft: Der Begriff Rambouillet hat seltsamerweise einen verwandtschaftlichen Klang mit Rambo und scheint inzwischen einen kultischen Grad erreicht zu haben. Der Rambo-Kult macht seit dem Sieg der neoliberalen Bourgeoisie über den 68er Rebellionsversuch den Mutterschoß der Zivilgesellschaft aus und vollendet den Demokratieprozeß mit der Spaßgeneration, für deren amüsiertes Wohlwollen wahrscheinlich manche Guteltern den handstreichartig gezauberten Rambouillet-Kult anwenden mußten, um einen "Schurkenstaat" zu definieren sowie für feuerfrei zu erklären. Kein Grund für Verwirrung, Rambouillet ist eine Banlieu von Paris, das Mekka der Eleganz und Intriganz. Natürlich überwiegt der ökonomische Effekt des Krieges alles andere, jedoch nicht im ursprünglichen Sinne der Plünderung. Was sollen die Sieger aus einem Lande noch holen, das sie schon zu Trümmer zerbombt haben? Dennoch bleibt der ökonomische Effekt im Mittelpunkt, wenn man bedenkt, wie die nordatlantische Kreuzzugsallianz expandiert und in welcher Menge Bomber und Bomben benötigt werden, um Bombengewitter zu entladen, Flammenwände aufzubauen und Bombenteppiche zu legen. So verlief vom ersten Tag des Jugo-Kriegs an das Kurvenseil im Börsendschungel ziemlich steil aufwärts. Neue Arbeitsplätze in der Kriegsindustrie werden nicht lange auf sich warten lassen - natürlich unter Aufsicht der Ökopaxen in der Führungs-Riege.  

Vom Planeten Diana zum Babylon Monika  

Was der "gute Krieg", der nach einer "Woche"-Umfrage beim 54 Prozent des schwarz-rot-gold-deutschen Durchschnitts Befürwortung findet und bei 72 Prozent der Grünen-Anhänger "gute Gründe" hat, alles ändern kann: Der für schwach gehaltene Scharping mußte das deutsche Kriegsgesicht wahren, da Kanzler Schröder "eine Chance verpaßt" hat, "vergleicht man seine Rede mit der eindrucksvollen Ansprache Clintons an das amerikanische Volk. Clinton brachte das Kunststück fertig, den Amerikanern das Kosovo als einen Entscheidungsfall der Zukunft Amerikas und Europas darzustellen." (Michael Jeismann, FAZfD, 26. März 1999). Vielleicht hat er seine Geliebte (inzwischen mit Sicherheit bekannter als Mutter Teresa oder Maria) gleich am Beginn des "guten Krieges" nach Deutschland geschickt, um einen sanftmütigen Potentaten des finanzkräftigsten Kompagnons der bombastischen Menschenrechtskompanie in der Unterabteilung des angel-sächsischen Abendlandes richtig scharf zu machen. Jedenfalls tritt der Kriegsminister der deutschen Bundeszentrale seither fast wie der Obersheriff im Washingtoner Weißen Haus in die Kamera-Öffentlichkeit und kommt allen Regie-Direktiven nach, um die Bonner Hardthöhe auf den gleichen Breitengrad wie das Pentagon zu bringen.

Waschweiberzunft der Aufklärung: Daß vieles nicht stimmt im Moralkapitel des "humanitären" High-Tech-Wunderwaffen-Einsatzes und alles viel stärker stinkt als Qualm und Giftschwaden, die durch die Straßen Belgrads ziehen, interessiert inzwischen das mündige Untertanentum des Euroimperiums überhaupt nicht mehr oder nur noch in geschmierten Randbemerkungen. Dennoch gibt es immer noch einige Gutmenschen, die sich vom Gewissensskrupel bedrängt fühlen, jedoch ihren Handlungsraum gegen kriegerische Gewalt auf die Teilnahme an den jährlichen Osternzügen sowie Predigten des missionaren Pazifismus beschränken. Ähnlich geht es auch ähnlich gesinnten Profis der Informationsindustrie. Wie groß ihr Zorn gegen all die Manipulationssysteme auch immer sein mag, noch größer ist ihre Angst vor dem Fall in die Erwerbslosigkeit. Nicht Bilder und Berichte, die sie nach eigenem Urteilsvermögen erstellen, kommen bei den Abnehmern an, sondern ihre Montage im zivilisationszentrisch vorgegebenen Rahmen. Nur der eigene Beitrag zur szenarischen Darstellung des Slobodan Milosevic als skrupellosen Diktator hilft den Anteil im Kokurrenzkampf der Mediakratie-Laien zu sichern. Sie müssen der Ratio der Ration folgen und dem Cäsarismus näher sein als der Obergladiator Clinton, und sie sind keine Puppen, sondern mündige Diener einer Urbanität, die den Planeten mit Flügelraketen, Disneyland und Einflußagenten beherrschen will. Auch die agierende Integrationale der Zwischenspieler auf dem West-Wachturm kann ihrem Schicksal nicht entgegen rudern, gefangen von einem Rationalismus, der nicht nur die Emotionen ausschaltet, sondern auch jeden Versuch, die Zusammenhänge und dialektischen Verhältnisse der Ereignisse zu begreifen. Es gilt nur, was als Ergebnis schon vorher vorliegt: Das Recht der Fähigeren!

Der neoabrahamitische Prokurator der Multkulti-Stätten-Szene, Daniel Cohn-Bendit, bezeichnet den Widerstand gegen den Nato-Bombenterror in einem offenen Brief als "Heuchelei", fordert die Generalität auf, "nicht nachzugeben" sowie den Bodenkrieg zur Schaffung einer "abgesicherten Schutzzone" "unter der Ägide der Europäischen Union", dem Schild des Zeus, zu initiieren und den "blutigen Diktator" gleich vor den "internationalen Gerichtshof" zu schleifen. Hans Magnus Enzensberger, der poetische Verfechter des Pentagon-Produkts "clash of civilization" mit seinem Traktat "Aussichten auf den Bürgerkrieg - Die große Wanderung", will lieber gleich die Aufrüstung der Kosovaner und attackiert die Friedensbewegung wegen ihrer Nähe zu den "Anhängern der Massenmörder". Auf der von den "taz"-Rittern aufgestellten und verteilten Liste von "Serbien muß sterbien" läßt sich auch der Name Ignatz Bubis - wieder in der Position als Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland - lesen, der gar kein Verständnis für die Proteste gegen die Luftangriffe hat.

Was bleibt, ist die Frage, ob sich der "Star Track" der Zivilisation auf der Route rückwärts in jene Epoche bewegt, in der das Aufklärungsdenken ein Gleichgewicht zwischen dem Klerus und Klientel des Bürgertums suchte, um den Tempel des Privateigentums zu verewigen? Liegt die Ursache der Unmündigkeit nicht in der immer noch tumultartig beschworenen Aufklärung? Wenn die genüßliche Gefolgschaft des Bravour-Stücks der Pentagon-Zivilisation mit seinen Prunkstücken der B-2-Tarnkappenbomber, die mit einem einzigen Mausbefehl über dreißig Tonnen Sprengstoff über Jugoslawien ausklinken, die Mündigkeit des christlich-abendländischen Menschentums sein soll, dann gilt es, dem Schlitzohrling Francis Fukuyama als allerletztem Propheten zu gratulieren: "Ende der Geschichte". Rationalismus sollte die Willkür durch das Recht ersetzen. Danach handeln auch die Menschenrechtskrieger, nur, ihr eigenes Recht verdrängt das des anderen und erhebt sich zur Willkür, welche nicht nur die kulturellen Menschenrechte der eingewanderten Gemeinschaften negiert, sondern sie vom republikanischen Status der Bürgerrechte ausschließt. Rekordakkord-Stimmen: Der Ökopaxen-Tümpel in der Bilge des Raumschiffs Erde mit der nordatlantisch imperialen Brückenbesetzung schwillt an. Die Verwandlung von der Agora der Big Business-Patrone in die Arena der Menschenrechtsguerilleros der Zivilgesellschaft sowie der Banderilleros des Bandenkapitalismus gewinnt bombigen Schwung. Nicht tragisch, daß es für das Gutmenschentum bald keine Bellevue mit grünem Blick und kein Boulevard mit spaßigem Kick mehr geben wird. Gesichert ist nur seine moralisch unterhalterische Versorgung mit der Erotik der Bosheit.  

Szenen aus dem Szenarium der Idealunion der Schönen und Starken  

Der Stadtpflasterstrandguerillakommandant montiert tägliche Völkermordmonologe, seit er auf den Außerministerposten des zweiten Provisoriums des Deutschen Reichs, der Berliner Republik, aufstieg. Die Reproduktionsbetriebe der Mediakratie übernehmen seine prosaischen Produkte ohne Überprüfung und verarbeiten sie mit minderwertigen Montage-Bildern der "humanitären Katastrophe" an der Grenze des Bombengewitters. Es genügt jedesmal, einem ziemlich gesprächigen Exodusteilnehmer das Mikrophon entgegen zu halten, schon ist der Stoff für einen weiteren Akt erstellt: Die serbischen Soldateska im Vormarsch der "ethnischen Säuberung". Hiobsbotschaften, die von den bereitwilligen Kollaborateuren der Aktion "Serbien muß sterbien" am Vorhang vor der Flammenwand gemalt werden, verschafft den grünen und rosa Kriegsschreiern auf den Ministerposten den notwendigen Atem, den Monolog der Völkermordepisode in ihrer Humanitätsprosa fortzusetzen. Wenn der Nachrichtensprecher vor den neugierigen Objekten der Einschaltquoten seine Pose einnimmt, beginnt er gleich, die Kanäle mit Zahlen-Fakten so zu füttern, daß der Verkehr auf den Datenautobahnen in Karambolage gerät. Ein Viertel von zwei Millionen Kosovo-Albanern befinden sich - gleich in den ersten Tagen der ersten Woche - auf der Flucht, sagt der eine oder - sagt der andere - eine halbe Million Albaner haben das Kosovo verlassen und fügt hinzu: 30 000 in Mazedonien, 50 000 in Albanien, 10 000 in Montenegro. Insgesamt also 80 000 von 500 000. Und wo ist der Rest?

Geschluckt, aber nicht verdaut wurde scheinbar, was die Frontstimmungsmacher bisher anboten. Welchen Grund hätte sonst der "heute-jornal"-Moderator Wolf von Lojewski am 31. März 1999, die einzige Quelle für die "humanitäre Katastrophe", die Schilderungen der Augenzeugen - abgesehen davon, daß die meisten von ihnen geschulte UCK-Strategen sein konnten -, mit der Bemerkung in Verdacht zu ziehen, "auch wenn nur die Hälfte davon stimmt..." (zitiert aus dem Repertorium des Kriegsministers). Aber welche Hälfte? Die des Kriegszustandes zwischen den UCK- und jugoslawischen Einheiten? Oder die der "systematischen Ausrottung der Zivilbevölkerung" durch die "Soldateska" des "Belgrader Despoten" bzw. "Serben-Zaren"? Da die "Hälfte", die stimmen soll, sich ausschließlich auf die Menge bezieht, soll sie so in die Höhe getrieben werden, bis die Hälfte davon ausreicht, dem hypothetischen Völkermord die notwendige Beweiskraft zu verleihen, ohne den das ganze Nato-Unternehmen des "humanitären Protektionismus" schließlich einer Bankrotterklärung gleichkäme. Und was ist, wenn auch die andere Hälfte nicht stimmt? Auf der Dramen-Bühne der Menschen wird ein hermeneutischer Akt arithmetischer Artillerie geprobt. Nach zehn Tagen Krieg und Vertreibung wird die Zahl 500 000 auf 400 000 von der "Tagesschau" reduziert, die wiederum nach ca. zwei Stunden von "Tagesthemen" auf 900 000 erhöht wird. Alles Hinweise ohne Beweise. Zugleich müssen die Moderatoren zugeben, daß die Nato-Technologie in der Lage wäre, genaue Fakten für die Vermutungen zu liefern. Das tun die Kriegsführungstouristen nicht, ihr Geschäftsgeheimnis. Gefragt wird ein wissenschaftlicher Experte, auch er weiß keine Antwort.

Und als Belgrad anläßlich des Orthodoxen-Paschals (Ostern) am 6. April Waffenruhe ankündigte und die nationaldeutschen Nato-Begleit-Kameras keinen Strom mehr hatten, wurde dies wiederum mit Hilfe des vox-vokalen Vokabulariums so aufgenommen: Es handele sich um Tricks und Tücke des Slobodan Milosevic.

Dann ging das Geschäft des Kriegsführungstourismus weiter, um Friedens willen, und die Volksverführungs-Show des demokratischen Szenariums: Tyrannosauros gegen Kolibri.

Wenn Bilder versteckt werden, wird das als militärische Entscheidung gedeutet. Und zu wessen Entscheidungsmacht gehören jene starken Worte, die gesprochen werden und Völkermord oder Konzentrationslager andeuten, ohne ein Bild davon vorlegen zu müssen? Während der Polit-Show der Powerfrau Sabine Christiansen am 11. April 1999 wird einer albanischen Dolmetscherin ihr Auftritt als Zeugin der Zeugen von Greueltaten souffiert. Einstudiert, daß die Serienbilder der bereits auf bundesdeutschen Flughäfen Gelandeten jedem Zuschauer bekannt sein mußten - abgesehen vom dem Verdacht, daß aus der Menge gezielt die Gesunden ausgelesen wurden -, weist sie auf den relativ guten physischen Zustand der Flüchtlinge hin und kommt zur Sache, indem sie sich in eine Fachpsychologin verwandelt und erzählt, wie traumatisiert die Leute seien.

Zehntausende Vertriebene im Niemandsland, im Aufnahmefeld der Kameras von dem sicheren Ort auf makedonischem Gebiet aus. Das Niemandsland der zehntausenden Elendmenschen verwandelt sich in eine Müllgrube, und kein Kamerateam, kein Auge der OSZE-Beobachter und kein Späher der Nato-Wachposten, kein Frontbediensteter der Hilfsorganisation hat etwas bemerkt. Es war, als ob die Erde sie verschlungen hätte. Die Manipulation mit Hilfe selektiven Informierens: Verbreitung zweckdienlicher Nachrichten und Bilder bei Geheimhaltung der Restlichen gemäß der Regieanweisungen von Pentagon?

Zum Beispiel am 7. April während des Kriegsunterhaltungsprogramms im staatlichen Fernsehen: Da kündigt die Moderatorin die persönliche Betroffenheitsszene des Stattpflasterstrandstadtguerillaführers Joseph an, und dieser weist auf seine Jugendrevolte-Ambition hin, bezogen auf die Verantwortungsfrage der Elterngeneration nach Krieg und Holocaust: "Warum habt ihr nichts dagegen getan?"

Was für eine intelligente, befreiende Frage? Als ob es nicht diese "Eltern" gewesen wären, sondern irgendwelche Aliens, die Krieg und Holocaust - ob als Funktionäre des Dritten Deutschen Reichs oder Mitläufer bis zu randbemerkungswerten Ausnahmen - verantworteten? Ehrlich sollte sie lauten: "Warum habt ihr es getan?" Genau diese Frage stellte die 68er Jugend-Revolte damals an ihre nord-amerikanische Zeitgenossen wegen des Völkermordes, den die Yankee-Patrouille der "Freedom and Demokracy" in Vietnam durchführte.

Der Kriegsgeschäftsordnung des Demokratentums schloß sich am 7. April auch der Innenmister Otto Schily mit einem Ausflug nach Luxemburg an, wo die euroländischen Ziele der "humanitären Aktion" für "vertriebene" Kosovoer bekannt gegeben wurden: Versorgung in den Nachbarländern der Flüchtlinge, das heißt: Festhalten am Festhalten der Elenden im Elends-Reservat. Demonstriert die Nato damit die Zukunft der "neuen Weltordnung": die "saubere Gefangenschaft"?

Gleich am Abend der Ankündigung des Transports von "Vertriebenen" nach Deutschland und während der Eintragung in die Listen der Glücklichen konzentrierten sich die Kamera-Blicke plötzlich auf jene Gestalten, die ihnen verdächtig vorkamen, manche beim Gespräch mit dem Mobiltelefon. Eine Warnung an die Heimatfront durch Bilder, die für sich sprechen: Vorsicht global players mit kriminellen Absichten?  

Wiederholte Rückkehr zum Abend des Tages X  

Wieviele Millionen Male seine halben Wahrheiten auch immer in Frage gestellt werden, der Reporter hat nur die Ware zu liefern, die von ihm bestellt wird. Kann er das aufgrund der Selbstachtung nicht tun, verliert er seinen Job. Lieber einen schmutzigen als ohne? "Vergessen Sie Ihre kritische Meinung, und antworten Sie lieber auf meine Frage!" Mit diesen Worten etwa wies der BR-Extra-Moderator Siegmund Gottlieb am dritten Spätabend der Faustrecht-Humanität - während die Nato-Maschinen über Jugoslawien Bombenteppiche legten - einen Kollegen zurecht, der es vom italienischen Nato-Stützpunkt Aviano aus wagte, sich öffentlich über die Informationsstrategie der "unsrigen" zu beklagen. Wie oft sich solche Szenen in hinter den TV-Kulissen ereigneten, kann niemand wissen außer den Oberexperten in den Schnitt-Kabinen, die dafür sorgen, daß Bild und Ton zwischen der selektiven Wahrheit und der absoluten Demokratie übereinstimmen. Daß dabei offene Lügen zwischen Pathos und Kitsch verbreitet werden, nehmen sie wohlwollend in Kauf.

Das Erfolgsrezept läßt sich aber auch in der Verführungsgewalt des "Humanitären" suchen, der Instrumentalisierung des neolinken Gedankenguts zur Parteinahme für die armen Lazarener, die ausschließlich mit Hilfe der kulturalistischen Allegorie der Menschenrechtskolonialisten pointiert sowie in die Bedürftigen-Parzelle für den Artenschutz abgestellt werden. Gerade darin spielt die neolinke Verwirrung eine wichtige Rolle. Hierzu eine Bemerkung von George Pumphrey, Mitarbeiter im Pressebüro der PDS im Bundestag: "Die Stärke der Linken in den westlichen Ländern war einmal, daß sie skeptisch hinterfragte, was von den Massenmedien verbreitet wurde und was den Regierungen als Rechtfertigung zur Durchsetzung ihrer Interessen diente. Heute spielen sich die quasi-totalitär gleichgeschalteten Medien ungehindert zu Meinungsrichtern auf und führen den totalen Medienkrieg, nach Goebbelschem Grundsatz, daß eine Lüge desto glaubwürdiger wird, je öfter man sie erzählt."  

»Wir führen Luft-Schläge«, heißt Angriff, heißt Krieg  

Das Bundeskriegsministerium kümmert sich um die nationale Bravour des "humanitären" Militarismus und um das Trommeln für den "gerechten Krieg". Im Alternativ-Kriegsministerium - das ist das Auswärtige - servieren die linksgrünen Staatssekretäre dem Stattpflasterstrandguerillakommandanten Lorbeerensalat aus Rubikon. Ein Cäsar ist er dennoch nicht, deswegen traurig. Wer ein ganzes Gebiet, das als Konfliktherd vorprogrammiert ist, in Schutt und Asche legen will, muß auch dem Ökopatriotismus eine reale, national-imperial "humanitäre" Hülle umhängen. Lieber die Rolle des Gauis Julius Cäsar als die des Claudius Drusus Germanicus Cäsar Nero. Lieber in die Rolle des Überschreiters von Rubikon schlupfen als im "Hofnarrenstatus" verweilen, den die FAZfD den Günen-Gladiatoren zuschrieb, gerade nach ihrer Rückkehr aus dem babylonischen Exil in die warme Arena der realo-rearmierten Banderilleros.

Eine "humanitäre" Selbstrettungsaktion durchzieht das starre Fragen-Tal nach den Konsequenzen aus der deutschen Geschichte - als ob es das westliche Bündnis war, das den Nazismus beseitigte. Und die Deutschen sind jetzt auf der richtigen Seite. Kann es nicht sein, daß sie sich - auch wenn nicht als führende Kraft - immer noch auf der Schiene des Unrechts bewegen?

Nicht Argumente und Erkenntnisse, Beobachtungen und Informationen bestimmen den Rahmen der Aufklärung, sondern im Gegenteil: Der Rahmen der von der "internationalen Gemeinschaft" vorgestanzten Textmonologe markiert ihren Inhalt. Widerspruch zwecklos! Denn auf dem West-Wachturm sitzt die Quelle des Humanitären, steht die Schaltstelle des Gerechten und Starken. Keine Patina auf dem Pathos bitte!

Die Wahrheit kommt vielleicht noch. Aber das Ergebnis zählt. Es mit Goebbelscher Scharlatanerie zu vergleichen, wie der PDS-Mann meint, hilft auch nichts. Zur angewandten Kunst der Werbung gehört es, das Warensymbol solange dem Gedächtnis des potentialen Abnehmers aufzudrücken, bis es dort feste Wurzeln schlägt und sich selbständig macht.

Ein Menschenrecht wird geschrieben, nämlich die Hoffnung der Pauperisierten auf die Aufnahme in das Protektorat der "bedrohten Völker" unter dem fliegenden Flickenteppich der Nato-Bomber. Und als Schaltzentrale der neoliberalen Befreiungsbewegungen und Menschenrechte wird repräsentiert: Pentagon und Hardthöhe mit den Senderöhren State Department, Auswärtiges Amt, Foreign Office und Quai d’Orsay. Nicht mehr weit liegt das Zukunftsland, wo das Apartheidsvirus durch das elektronische Endnetzwerk des Millenniums nicht nur die Nahrungsquellen erreicht, sondern auch bald die Gesamtwertekörper des Menschlichen. Für die realen wie realisierbaren Ethnien will der mit Rambo-Qualitäten funkelnd ausgeschmückte Menschenrechtssheriff sorgen, falls sie einen Gebrauchswert vorzuweisen haben, um in den Genuß des Artenschutzes in der Besitzknechtschaft zu kommen. Und hinter ihm her trommelt ein Heer von mass-medialen Zunftmeistern im Zugabechor. Daß man trotzdem diese Sätze schreiben und sogar drucken und verbreiten kann, zu seiner Toleranzmeile gehört gerade diese Freiheit, dafür fliegen schließlich die Bündnisbombenpiloten.

Mit Propaganda und Zensur habe es nichts zu tun, wenn man Informationen verheimlicht, so stimulieren die Meister der Studierstuben ihre "Extra"-Sprecher. So können die Lügenbarone der Bellevue Rambouillet ihren "sauberen" Krieg auch mit dem "gerechten" Seifenschaum weißspülen, indem sie die hartnäckigen Jugoslawien-Projektanten dafür beschuldigen, daß sie das Dokument nicht unterschreiben, welches nichts weiteres beinhalte als die Garantie der kosovaren Autonomie-Rechte. Das ist die für den öffentlichen Zugang zugelassene Wahrheit. Im Korb der geheimgehaltenen Teile liegt dagegen nach wie vor der Hokuspokus-Passus, der den endgültigen Status der Unruheprovinz an der euroimperialen Nahtstelle einem Referendum unterstellt, welches den Sezessionskriegern des Bandenkapitalismus die Erfüllung ihrer Ziele garantiert: Die Unabhängigkeitserklärung des Volkstaates Kosovo innerhalb von drei Jahren spätestens. Ob das gut oder schlecht ist, gehört nicht zur Debatte. Nur scheint es - immer noch - nicht auszureichen, die beabsichtigte "humanitäre" Intervention zu legitimieren, auch wenn dafür der Segen von Papst Johannes Paul II. vorliegt, der schon im Juli 1995 für den "gerechten Krieg" sprach.  

Wiederholung tut Not – die Mär vom humanitär notwendigen Krieg  

Nicht überraschend und ungewollt kam der Krieg. Für Deutschland begann die Zeit der totalen Revanche gleich nach der Erfüllung des Grundgesetzgebots, die deutsche Einheit wiederherzustellen. Als im Juni 1991 Slowenien und Kroatien ihre Trennung von Jugoslawien erklärten, schlug der deutschen Drang-Nach-Osten-Strategie die große Stunde, die österreichischen Geschwister assistierten. Nicht nur der Druck auf die EU-Teilhaber zur Anerkennung der beiden "jungen Demokratien" - kurz danach der dritten - zwischen Westbalkan und Ostadria trug zum Ausbruch der bürgerkriegerischen Handlungen sowie der Inszenierung des "humanitären Krieges" entscheidend bei, sondern auch das Auseinanderdividieren der "guten" und "bösen" Nationalismen durch die hegemoniefreudige nationale Mediakratie. Während alles Serbische von ihren Geschäftsordnern durchweg mit denunziatorischen Adjektiven belegt wurde, erhielten slowenisch, kroatisch und später bosnisch einen sympathischen Klang. Seither fungieren die imperial medialen Organe des gesamten Abendlandes nicht mehr nur als fünfte Kolonne der Eroberungszüge gemäß der One-World-Strategie, sondern auch als öffentlich aufklärerische Erstbehelfshaber, jedenfalls als Zulieferer geistiger Produkte zur Unverzichtbarkeit eines "guten" Kriegsgeschäfts. Zum Beispiel verbreitet der britische Sender Sky Bilder von Flüchtlingen im Schnee, der längst verschmolzen ist. Es folgen dann die CNN-Bilder von gleichen den Flüchtlingen, die in einem solchen grünen Gras sitzen, als ob es schon Hochsommer wäre - lange Suche in alten Archiven?

Und die ganzen Augenzeugen-Szenen rufen jene Verdachtsmomente ins Gedächtnis, als über den Bosnien-Krieg berichtet wurde: Flüchtlingen sei Geld und Hilfe beim Grenzübertritt angeboten worden, wenn sie vor der Kamera Geschichten über Greuel schilderten. Auch den Flüchtlingszahlen will der ARD-Korrespondent Thomas Morawski keinen Glauben schenken, wie er am 29. März 1999 sagte. Schließlich entpuppten sich die ganzen Lügenbaronengeschichten über die Massenvergewaltigungen in Bosnien als reine Erfindung.  

Kult der "Humanität" im Cäsaren-Akt  

Unberührt von solchen Verdächtigungen gibt sich der einstige Stattpflasterstrandstadtkommandant größte Mühe, sein Gut-Cäsar-Rollenspiel fortzusetzen. Bei mimikreicher, hollywoodproduktreifer Trauerarbeit, so am 31. März 1999 vor den Kameras: Er wies auf die bevorstehenden Feiertage hin, fügte hinzu, es sei ungerecht, daß die Christen Osterfest feierten, während die Muslime als Opfer litten. Dann wiederholte er dreimal hintereinander, daß das nicht gut sei. Gut erscheint ihm aber, die christlichen Völker Jugoslawiens, vor allem die orthodoxen Serben so zu dämonisieren, daß sie das Opferleid unter dem Bombenflammenteppich verdient haben.

Der Kulturalismus, der den ideologischen Stellenwert des abendländischen Standardwerks des Abendlandes, des Rassismus, besitzt, öffnet hier dem Möchtegern-Cäsar den Horizont, die auch von der "Berliner Republik" kolonisierten muslimischen Gemeinschaften für seine Luftschlag-Humanität zu instrumentalisieren - ein Beitrag zur verstärkten Spendenbereitschaft für die UCK. Und ein Beitrag zum Konzept "Deutscher Islam" mit "guten" Gläubigern für den "guten" Krieg, ohne den Islam als kulturelle Quelle der "Schurkenstaaten" Libyen, Iran, Sudan, Afghanistan, Irak freisprechen zu müssen. Man kann ihm jedoch keinen Vorwurf machen, daß in seinen feierlichen Gefühlen die Serben keinen Platz haben. Längst zählen sie nicht einmal mehr zu den bemitleidenswerten Vagabunden, und so müssen noch tiefer abgewertet werden. Ohne den Gegner kollektiv zu minderwertigen und zu entsorgungsreifen Geschöpfen zu erklären, funktioniert schließlich das Killen nicht.

Nein, vergleichen kann man die Mobilmachung des angehenden Vierten Reichs mit der des Dritten nicht. Man muß auch nicht. Jedenfalls nicht in dem hohen Grad, den der medial gemachte und mit allgemeinen Stimmzetteln bestätigte Kanzler erreicht hat. Gleichgeschaltet aber sind die mediakratischen Organe bis auf wenige Ausnahmen. Die einzige Form der Pluralität spiegelt sich auf dem Schlachtfeld um die Anteilsteigerung bei Auflagen und Einschaltquoten wider. Wer der Nachfrage der Spaßverbraucher besser entspricht, verbessert seinen Anteil. Schließlich fand die "Berliner Republik", die nur eine Fußnote im freiheitlich-demokratischen Roman-Kapitel des Deutschen Reichs darstellt, ihren Standort in der "neuen Mitte", welche nicht nur auf den wirtschaftlichen Aufschwung wartet, sondern auch noch mehr Rambo-Spaß erwartet vom Cashmere-Kanzler selbst und nicht allein von seinem Vize.

Der allgemeinene Ausstieg aus dem nationalen Konsens der kriegerischen Humanität scheint inzwischen noch schwieriger zu sein als der aus der Atomwirtschaft. Das zeigt der Fall Christian Ströbele. Wegen des Satzes: "Ich schäme mich für dieses mein Land" in seiner Bundestags-Rede zur Kriegsabstimmung wird er von Grünen-Mandataren aufgefordert, die Partei zu wechseln - zum "Schurken"-Lager. Dieser Forderung schließen sich inzwischen auch seine Freunde an.  

Landung in der der Geschichte der Gegenwart  

Das Vierte-Reichs-Deutschland wird dieses Mal saubere Handschuhe tragen. Den Krieg, das schmutzigste Spiel in der Geschichte, führen jene Poseure, deren Partizipationsurkunde zumindestens in Teilen von Sonnenspaziergängern der Friedensbewegung aufgestellt wurde. Nur Oskar Lafontaine, der zum Abdanken gezwungene Napoleon aus dem kleinsten Reich in der Mitte-Geographie des EUropäischen Abendlandes, konnte sich sein Saubergesicht rechtzeitig retten. Sein Rücktritt von den Posten als Finanzkanzler und SPD-Boß hätte auch mit dem absehbaren Menschenrechtskrieg gegen Jugoslawien zu tun gehabt, erzählen manche Beobachter der rheinischen Machtkampfszene ("Junge Welt", 1. April 1999). "Keine Angst vor der Globalisierung" titelte Oskar Lafontaine, der seine reformpflegerische Hoffnung auf die humanitär-lobbyistische Patina am Sozial-Pathos seiner Partei setzte, sein vor ca. einem Jahr erschienenes Buch, bei dem seine Frau Crista Müller als Koautorin mitwirkte. Einen Monat vor dem Kriegsbefehl wurde er von den Baronat-Spekulanten des Kasino-Kapitalismus aus dem "global village" vertrieben. "Lobbyisten und Wirtschaftsverbände triumphierten über Lafontaines Abgang, als gelte es, den zweiten Sieg des Kapitalismus über die Planwirtschaft zu feiern." (Der Spiegel, 11/99)

1914: Die sozialdemokratische Opposition stimmte im Reichstag für den Weltkrieg, begleitet vom Singen der Nationalhymne: "Deutschland, Deutschland über alles ... in der Welt".

1999 (Januar): Die regierende Sozialdemokratie nimmt ihr Versprechen, das 86 Jahre alte Reichsangehörigkeitsrecht den Grundsätzen des Bürgerstaates entsprechend zu reformieren, zurück und erweitert es mit zusätzlichen Verschärfungen.

1999 (März): Die sozialdemokratische Mehrheit im Deutschen Bundestag führt den Teilweltkrieg, für den 94 Prozent der Abgeordneten stimmten, begleitet von der ökopaxen Patriotokratie.

So die Comic-strips-Grüsse und Tränenflüsse der Herrenklassenstämme für die armen Amselfelder. Der Krieg tut etwas für die Beschäftigung des wortwertgetreuen EUropäischen Bürgertums. Und für das Stimmungsbild der NGOs, deren vorgesetztes Ziel es ist, die Masse der aussichtslosen Freihandelskrieger auf dem Balkan vom ethnischen Güllewaggon hinter dem okzidentalen Orientexpress zu versorgen.  

Danaergeschenk für die Nahtstelle der Euroburg  

Zu ähnlich erscheinen die Folge-Bilder des Iraks- und Jugoslawien-Krieges. Gleiche Jahreszeit. Der Exodus. Die Soldateska. Tief leidende Menschenlandschaften. Abgesperrte Geographien, damit die Gefahr einer "Völkerwanderung" nicht näher zum West-Turm kommt. Weit hinter Anatolien waren es die Kurden, und weit hinter der Adria sind es die Kosovoer im "humanitären" Pflichtübungsbewußtsein der reichen und schönen Nationen. Die Bundeswehrflugzeuge starten mit Hilfsgütern, am Ort, NordAlbanien, ein "Technisches Hilfswerk" bei Bauarbeiten provisorischer Dörfer. In der Nacht wird das Lager des Bauunternehmens überfallen und geplündert. Von wem?

Dann erscheinen Bilder der UCK-Offiziere mitten in der Opfer-Masse des "unglaublichen Kriegsverbrechens", der "Deportation" (J.J. Fischer), in der sie Krieger rekrutieren. Und die Berichte über die Albaner-Demonstranten in Deutschland, die die Nato-Fahnen küssen. Kein Widerspruch gegen den Vergleich mit der "Deportation". Vielmehr stöhnt der "heute"-Moderator am 2. Aprilabend: "Allmählich gehen unseren Reportern die Vokabeln aus, dieses Elend zu beschreiben". Dann die Forderungen der Osterspaziergänger, denen es auch nicht leicht fällt zu fordern: Die Bundeswehrtransporte, die "sechsmal am Tag" Flüge in die Schreckensstätten der "humanitären Katastrophe" fliegen, sollen die Leidenden mitbringen. Aber die militärische Begleitung der Vertriebenen in ihre Heimat gehöre von vornherein zur politischen Programmatik des Unternehmens. Die Verwandlung des "befreiten Gebiets" Kosovo zusammen mit seinen angrenzten Geographien zum größten Auffanglager des "illegalen" Wanderpotentials auf europäischem Boden?

Zweckbilder zum Selbstbildnis: Die Salär-Bezieher der Mass-Media fühlen sich inzwischen verpflichtet, täglich ihre Glaubwürdigkeit nachzuweisen. Da wird darauf aufgebaut, daß viele Menschen dasselbe erzählen. Nur vermeidet man höchst vorsichtig hinzuzufügen, daß sie immer auf die wenigen selben Fragen reagieren, die darauf zielen, zusätzliche Pinselschläge beim Weitermalen des Feindbildes zu künsteln. Auch für die Glaubwürdigkeit der eigenen Propaganda.

Selbst die Schallmauer ohne Herz und Schmerz wird schamrot, wenn die Schaltstelle der prunkenden Geschwader-Schar Signalräume freigibt, wenn das dirigierte Ansager-Team von dem Szenario-Zettel abliest, daß die Gesamtoperation reibungslos, planmäßg, progressiv und sauber verläuft. Die Reisetoten vom Tessaloniki-Express und die Blutbadopfer des niedergeschossenen Flüchtlingstrecks werden nur als Kollateral-Schäden der Bomberpiloten und Raketenexplosionen in den Wohnvierteln aufgelistet. Nein, die Mass-Media trägt für die vagabundierenden Vernichtungsmaschinen keine Verantwortung, sie hat aus ihren Folgen nur den "guten", den "sauberen", den "gerechten" Krieg zu stilisieren. Sie hat den von irgendeiner "unsichtbaren Hand" erteilten Auftrag, in den Dudelsack des Aufmarsches zu blasen, dessen Schalmei der Erotomanen-Cäsar der "internationalen angel-sächsischen Völkergemeinschaft" spielt. Eine Kärrnerarbeit, die die Zunftmeister der Aufklärungszucht leisten - für den West-Wachturm der One-World-Aristokratie.

Auslöschen werden sie jedoch den Schwermut der Gemeinschaften und die Sehnsucht nach jenen Menschenlandschaften nicht können, die in den Nachbarschaften dieser Erde keimen, aufblühen und heranreifen wider den Glanz aller Wunderwaffen.  

Emotionen gegen einen Kreuzzug des Banken- und Bandenkapitalismus und Impressionen von einem fiktiven Menschenrechtstribunal  

Die Erde seufzt, der Himmel wimmert, die Geschwader-Schar der nordatlantischen Völkergemeinschaft webt Feuerteppiche und sucht im Dschungel "Menschenrechte" eine Lichtung zu landen, und die "humanitäre" Moral des Manövers gleicht jener Zusammenrottung der Angehörigen eines bestimmten Reviers und ihrem Eindringen in das Haus desjenigen, der sich einer Sittenwidrigkeit hat zu Schulden kommen lassen.

Die Frage, ob das Postillenwerk "Menschenrechte" im neomissionarischen Papsttum der abendländischen Zivilgesellschaft eine nicht nur moralische, sondern auch beschäftigungsfördernde Marktreife zu erlangen scheint, benötigt keine tiefe Bohrung mehr, die unnötig Kopfschmerzen verursacht. Mal verwandelt sich das Pathos ins Drama, hinterher wiederum in die Posse, deren eigentliche Publikumsstärke jedoch in der schwer entschlüsselbaren Schaupackung und jenem normativen Positivum liegt, mit dem das auserwählte Vorkämpfertum des Erdmenschentums gute Lehren erteilt. Alt genug ist solches Gedankengut. Nur taucht es jetzt als effizient und innovativ auf, indem es den Krieg als "letztes" Mittel zur Durchsetzung der "Menschenrechte" erklärt, wodurch die Juroren eines zivilisatorischen Prozesses zu Scharfmachern der Konflikte-Begegnung und ihre Advokaten zu Scharfrichtern mutieren.

Der Feuerteppich, der über den Balkan ausgelegt wurde, wird dargestellt als ein Handwerk des Guten. Es steht in den Fußnoten jenes Kapitels, welches die "Rechte der nationalen Minderheiten" mit der Legitimation des Sezessionskrieges verbindet und jetzt dem "humanitären Interventionismus" einen befreienden - auch wenn trügerischen - Passierschein ausstellt. Umzuschreiben ist diese Fußnote durch die Kritik nicht mehr. Doch stellt sich die Zukunftsfrage nach der ideologischen Abrechnung mit dem abendländischen Vorkämpfertum der Universalität und Humanität. Bleibt das Sammelwerk der "Menschenrechte" nach wie vor eine Attrappe, so reicht es nicht, sie ins Kreuzfeuer der Kritik zu nehmen, sondern es gibt genug Gründe, ein Tribunal gegen das Dominium einzuberufen, auch wenn vorerst nur symbolisch.

Wenn das Killen als das "letzte" Mittel der "Humanität" kultiviert wird, so stellt sich die Frage nach einem Weltbürgerkrieg als einzig bleibendem Weg der enteigneten Parias. Schließlich enthält das Postillenwerk "Menschenrechte" ein ganzes Kapitel mit den human-sozialen Rechten auf Unterkunft, Bildung, gesundheitliche Versorgung und vor allem auf Ernährung, die systematisch gebrochen sowie verschrottet werden. Auch wenn nicht als direkte Täter, jedenfalls aber als Verursacher gelten die Staaten der reichen Nationen und ihre supranationalen Organe wie Weltbank und IMF, die die zügellose Vermehrung des Privateigentums durch die Ent- und Aneignung von Natur und Menschen befehlen und fortsetzen. Vor einem drohenden Weltbürgerkrieg, der von den "neuen Völkerwanderungen" verursacht werden könnte, warnen die Ritter der Studierstuben und Regierungsregimente. Generalstabsmäßig mobilisieren sie gegen die "illegalen Einwanderer", gegen die "Invasion der Armen", die Parias und Gepeinigten, ohne darin ein Funken "humanitäre" Aktion zu erblicken.

Die Zunftmeister der Aufklärungsindustrie, die vor den Befehlshabern der Bombenpiloten auf die Knie gehen und Bittschriften stellen, nicht nachzugeben, schlagen einen ganz anderen Weg ein, um nicht in die Nähe der Sammel- oder Auffanglager zu schlittern, deren Baustellen sich in der ganzen Landschaft der Schengenburg ausbreiten. Vor das Tribunal der Menschenrechtsverletzungen gehört der stärkste Kompagnon der One-World-Sozietät nicht nur wegen der Deportation der in seinem Herrschaftsraum geborenen und "straffällig gewordenen Ausländer", nicht nur wegen seiner Taten in Form der Verhängung vom Visumzwang für minderjährige Kinder von Familien, die auf deutschem Boden Wurzeln geschlagen haben, sondern auch und vor allem wegen seiner Verweigerung, die staatsbürgerlichen Rechte eingewanderter Wohnbevölkerung zu vergesetzlichen, wegen seiner Reglementierung der Zwangsassimilation im selektiven Integrationsbetrieb und nicht zuletzt wegen der völkischen Kampfansage an die "Parallelgesellschaften".

Aber hier ist das Oberste zu unterst gekehrt, und erst dann hängt das Bild vorschriftsgemäß. So auch richtig. Denn hier trägt das obrigkeitliche Weltbild keine Konturen eines Morgen, wenn der Bombenterror - gleich, ob von Luft, Wasser oder Erde ausgehend - zum "letzten" Mittel der Menschenrechtswillkür erklärt wird.

Die moralisierenden Retuschen von Argumentationen, welche offiziell verstellt, offiziös vermittelt und privat-medial vermarktet werden, artikulieren sich nicht nur als Zukunftssyndrom des Selbtverkaufstalents, sie werden auch als Manipulationshebel eingesetzt, um das zivilisatorische Selbstbild zu vergolden.

Waren es nicht die Bomberstaaten, welche dem Sezessionskrieg zustimmten und die völkischen Verteilungskämpfe um die letzten Ressourcen in jener Vielvölkerrepublik anfeuerten, die der One-World-Totalität nicht gehorchen wollte? Die Potentaten und Machtakteure der Bombernationen, die den ersten Akt ihres "humanitären" Krieges mit einer "humanitären Katastrophe" dekorieren? Ist das Nachspiel nicht das menschliche Drama im Akt des Faustrechts, mit dem der Einzelne nur noch durchkommen kann, wie der jugoslawische Filmemachers Goran Paskaljevic in seiner Streife "Bure Baruta" ("Pulverfaß") darstellt: Die Alltäglichkeit der Gewalt, die sich auf dem Boden der sozio-ökonomischen Ruine etabliert und sich gegen jeden richtet, selbst gegen den nahen Freund oder Verwandten?

Es ist das Pathos "Menschenrechte", das aus dem Bombenterror einen "gerechten" Krieg stilisiert. Nun: Wird es in dessen allgemeiner Wertehierarchie nur noch einen Anhaltspunkt geben, der die militärischen Zivildiensttrommler ansprechen kann, auch das Leugnen der "Rechte der nationalen Gemeinschaften" im "Amselfeld" des berlinisch-republikanisch Deutschen Reichs anzuprangern? Oder das ist etwas anderes?  

Provokant-Positionen wider die Universalität der Selbstbeweihräucherung  

In der Grenzzone zwischen dem Selbst und den Fremden, der eigenen Kollektive und den Nichtdazugehörigen, reift die Pflicht zur Herrschaft heran. Und die Marketing-Episode der "Solidarität" erzeugt Mitleid mit den Primitiven, mit den Wachhunden auf dem Schrottplatz der Zivilgesellschaft, die je nach Bedarf an der Kette gehalten oder losgelassen werden. Für manche Selbstverkaufstalente des Gutmenschentums überwiegt die Glaubwürdigkeit des eigenen Sagens über die eigentlichen Effekte der Aktion. Gefragt wird nicht nach dem instrumentalen Selbstzweck des Feuerteppichs über dem dämonisierten Jugo-Revier, der die Flüchtlingstrecks auslöste. Inszeniert wird vielmehr der "humanitäre" Akt der Bestrafung durch die Fortsetzung des Interventionskrieges mit anderen Mitteln. Immer wenn den Dirigenten der Mass-Media das neue Bildmaterial über die gepeinigten "Kosovoer" fehlt, klicken sie auf "Archiv" zurück, um den moralischen Kompaß in Richtung zu bringen - pingelig bei der selektiven Auswahl!

Keinen Erwähnungswert hatten z.B. die Greueltaten des kroatischen Burgherren Franjo Tudjman für die Strafrichter in ihrer Pose als Verteidiger der "Menschenrechte". Den Dokumenten des Internationalen Tribunals für Kriegsverbrechen in Den Haag zufolge, die am 21. März 1999 bekannt wurden, führte die kroatische Armee im Laufe ihrer Operation vom August 1995 Massenhinrichtungen durch und nahm die Zivilbevölkerung ohne Ansehen unter Beschuß, geplant mit Hilfe eines pensionierten amerikanischen Generals, der seinerseits für eine in Virginia ansässige Privatfirma namens Military Professional Resources Inc. arbeitete. Keine Notiz davon, daß das Tribunal die Verurteilung dreier kroatischer Generäle empfohlen haben soll.

Mit dem zögernden Segen der Westmächte geschah es: Die von einer Gruppe pensionierter amerikanischer Militäroffiziere geschulte kroatische Armee vertrieb innerhalb von vier Tagen hunderttausende Serben aus ihrer angestammten Heimat und zwang sie zur Flucht auf Handkarren und in kleinen Autos, die mit ihren Habseligkeiten überladen waren. "In groß angelegter, systematischer Manier", schreiben die Ermittler des Tribunals, "begingen die kroatischen Truppen Mord und andere unmenschliche Taten an kroatischen Serben."

Und was jetzt das Schicksal der Kosovo-Bevölkerung unter dem Raketen- und Bombenregen angeht, nicht einmal eine Notiz taucht im medialen Terminator der imperialen Aufklärungsmaschinerie über ca. eine Viertel Million Albaner auf, die vor dem Nato-Terror in Zentralserbien Zuflucht suchen. Der Grund dieses Vergessens liegt nicht in dem Verdacht, daß eine solche Nachricht ein Propagandawerk der Belgrader Diktatur sein könnte, sondern sie steht einfach nicht auf der Vorratsliste der think tanks-Industrie - daher wertlos.

Mit viel Timbre in der Stimme haben manche Poseure der Posten-Demokratie es geschafft, sich als Inkarnation des guten Deutschen zu etablieren. Es gehört dazu, den moralischen Imperativ anders als der supranational besetzte Chor der "Staatengemeinschaft" zu formulieren und die NATO-Massaker von einem Konzert ziviler Dialog- und Konsens-Kultur flankieren zu lassen - im Falle Ströbele und Gysi! Das Herold-Paar Madeleine-Joseph vollzog den Wechsel von der Ouvertüre der Nato-Projektile zum Allrohrüberfall auf die "Mörderhorden" des "Tyrannen Milosevic" schon mit dem ersten Kuß ihrer ersten Begegnung. Einig sind sie sich darüber, den Aufbruch einer Völkerwanderung aus dem Elends-Reservat Balkan zu verschieben. (...)  

Proteus als Exponat  

"Auf die Bild-Zeitung wäre auch ein Joseph Goebbels stolz gewesen," regt sich der Kolumnist Peter Lattas des neurechten Wochenblattes "Junge Freiheit" vom 16. April 1999 auf: "Selten wurde in Deutschland schamloser die Herumgestoßenen der Weltpolitik zu Propagandazwecken mißbraucht." Unberüht von der Frage nach dem Wahrheitsgehalt bleiben die Werbeagenturen der Menschenrechtskrieger, ob sie "taz", "FAZ" oder "FR" heißen. "Rauschhaft wird der Zuschauer im Fernsehen mit den von Militärs zensierten Bildern gefüttert. Deutsche Journalisten stellen sich derzeit ein beschämendes Urteil aus." Ob es einem paßt oder nicht: Recht haben die "JF"-Chefautoren vom 2. April 1999 mit diesen Worten.

Welchen besonderen Wert diese Worte für den Oberst-Boß des Auswärtigen Amtes auch immer vorweisen mögen, auch an ihn sind sie adressiert. Er wird dies jedoch nie in Empfang nehmen und seinen Monopolanspruch auf die Interpretation dieses Jahrhunderts reklamieren, dessen Ende er mit dem Zerfall des alten Jugoslawien verbindet und schlußfolgert, daß die verschiedenen Völkerschaften in keinem Ort mehr miteinander leben können. Nicht ihn kann es jetzt stören, sich im neurechten Führerhaus des Ethnopluralismus breit zu machen, sondern den Lehrmeister Alain de Benoist, der "denselben humanitären Organisationen" vorwirft, "die im August 1995 dem Schicksal Hunderttausender serbischer Flüchtlinge aus der Krajina noch vollkommene Gleichgültigkeit entgegenbrachten" und jetzt "den albanischen Flüchtlingen aus dem Kosovo zu Hilfe" eilen, "die heute gegen ihren Willen in den Darstellungskrieg verwickelt werden."

Jedenfalls muß Joschka Fischer wissen, auch wenn er nicht wahrnehmen mag, daß seine universalistisch weinerliche Moral ihn davor nicht bewahren wird, in den Rahmen der Sozietät von Papagallos und Grobiane der Hypermacht eingesetzt zu werden. Nicht nur von ihm, sondern auch von dem, was er vertritt, gibt es bereits ein fertiges Bild: Die Deutschen imitieren auf dem Balkan der Gegenwart ihre eigene Vergangenheit, was vor allem die Darstellung der Flüchtlingstrecks angeht. In der traditionsreichen Kolumnistenwelt der türkischen Regenbogenblätter zum Beispiel verbreitet sich eine solche zivilisationskritische Stimmung, über die der Istanbuler Reportage-Romancier für die westdeutschen Feuilletons Orhan Pamuk sich stark ärgert und sie zuletzt in "FAZfD" vom 16. April 1999 auf die "miserable Situation der Menschenrechte und der Gedankenfreiheit" zurückführt. Die Misere des Autors im Weltrest der Schurken- und Halbschurkenstaaten: Nur Ammenmärchen für Menschenrechtsmoralisten und die Prosadichtung zum "niederen, bedauernswerten Kreatur" vom Trikont können die Überweisung des Salärs aus dem Westen sichern.

Ohne Ahnung davon, wie die journalistische Einstimmigkeit und ihre Übereinstimmung mit der militärischen Öffentlichkeitsarbeit eine Gesellschaft manipuliert, so daß ein Krieg aus der Diskussion genommen wird und daß ein Aussenminister ohne den geringsten Widerstand historische Bilder wie Auschwitz für seine Machtambitionen instrumentalisieren kann. Im Gegensatz zu den Darstellungen des postmodernen Metropolbeobachters Orhan Pamuk von der "miserablen Gedankenfreiheit" herrscht in der Printmedia der Türkei eine deutliche Uneinigkeit über den Bombenkrieg auf dem Balkan als das "letzte" Mittel zur Durchsetzung der Menschenrechte.  

Von Wertehierarchien und Stigmatisierungen  

Der "Hürriyet"-Kolumnist Gündüz Aktan befaßt sich in mehreren Aufsätzen mit der Instrumentalisierung des Rassismus auf den Konfliktfeldern in Jugoslawien und weist auf den abendländischen Antisemitismus, der die Juden als böse, häßlich, krank, widermenschlich degradierte und sie wegen ihres alten wie primitiven Glaubens als nicht veränderbar definierte, was am Ende zum schrecklichsten Genozid in diesem Jahrhundert führte. Bezogen auf die endlose Wiederholung der Aussage, "alles hat sich geändert", fragt er sich, wie eine tausend bis zweitausend Jahre währende Ideologie innerhalb von fünfzig Jahren revidiert werden kann. In der "Hürriyet"-Ausgabe vom 12. April 1999 schreibt Aktan: "Rassismus ist, daß eine Gruppe ihre Überlegenheit mit biologistischen, nämlich angeborenen Hochwertigkeit seiner Gene begründet. Gleichzeitig betrachtet der Rassist die Gruppe, auf die er abzielt, biologisch, nämlich angeboren als minderwertig, häßlich, dumm, verachtungswürdig, sogar als Unmensch. Diese Gruppe, die er als Urquelle all dieser Eigenschaften einordnet, konzipiert er als eine tödliche Gefahr für die eigene Gruppe und weiter für die ganze Menschheit mit der Schlußfolgerung, sie auszurotten. ...

Im Kosovo bekriegen sich die Serben und Albaner um das gleiche Erdstück. Es gibt kein Anzeichen dafür, daß die Serben sich als überlegen betrachten...

Der Rassismus ist keine universale Eigenschaft, die in jedem Land, in jedem Kultur oder in jedem Menschen vorhanden ist. In "Ansiklopedi Britanica", Ausgabe 1984, wird betont, daß der Rassismus in den protestantischen Ländern Westeuropas und in ihren Kolonien in Nordamerika, Südafrika und Australien entstand und sich entwickelte. Also ist der Rassismus Produkt einer bestimmten Kultur. ... Nun wurde diese Definition aus der neuen Ausgabe der besagten Ansiklopedie entfernt."

Noch steht offen, auf welchen Rassismus-Begriff sich der Westen einigen wird. Allein der Hinweis auf den Schutz der Menschenrechte erscheint derzeit nicht mächtig genug, die Weltöffentlichkeit von "guten Kriegen" der Zukunft zu überzeugen. Dabei erlebt die deutsche romantische Tradition des auf ethnischer Abstammung basierenden Nationalstaates eine neue Renaissance, seit ihn sich die Kroaten angeeignet haben. Serdar Turgut in "Hürriyet" vom 6. April 1999:

"Wenn heute in Europa die katholische Kirche nicht so mächtig wäre und die Serben katholisch wären, hätte Deutschland seine Stimme gegen die ethnische Säuberung im Kosovo nicht so erhoben. Vielleicht überhaupt nicht. Denn während der Zeit der von Kroaten praktizierten ethnischen Säuberung verhielten sich die Deutschen so gleichgültig, als hätte es sich nicht ereignet."

Es erinnert sich der "Milliyet"-Kolumnist vom 29. März, eines auch in der euroländischen Türken-Szene gelesenen Bloullevard-Blattes, auf der Links-Rechts-Skala vergleichbar mit "Frankfurter Rundschau", Gani Müjde: "Damals lebte Tito noch, es gab Sozialismus, und im Kosovo war Festtag. Aus dem Zentrum des Balkans ging eine schöne Sonne auf. ... Ich war im Kosovo. ...

Die Türken liebten die Albaner sehr, die Serben schnitzten an den Baumstämmen: Stranko liebt Asye. ... Damals lebte Tito noch, es gab Sozialismus, und im Kosovo war Festtag. Dann kam der extreme Nationalismus und zerfraß Jugoslawien. Je stärker der Westen auf die Abtrennung von Slowenien, Kroatien und Bosnien drang, desto schneller geriet die Linke in den Rückzug. Die Fahnen schnappte in Jugoslawien die Rechte. ... Die nationalistischen Kroaten, die nationalistischen Slowenen und die nationalistischen Mazedonier eroberten die Plätze. Auch die nationalistischen Albaner schlossen sich dem letzten Akt des Spiels an. Der Wind wehte gar nicht mehr von links." Können solche Meinungen auf das Triumvirat Schröder-Fischer-Scharping an der Schaltstelle des Kriegsrechts überhaupt wirken? Mit Sicherheit nicht, höchstens würde es ihren Wutpegel hochtreiben. Alles, was den großen Akkord im West-Side-Chor für das Siegerrecht des Raufbolds nicht bewundert, wird als Argot-Text zur Makulatur erklärt. Nur die Hollywood-Szenen mit guten Rambos und bösen Hooligans können den Gigantenkampf für die Macht über Ressourcen darstellen.

Der Artikel wurde entnommen aus:
DIE BRÜCKE 107, Mai-Juni 1999
FORUM FÜR ANTIRASSISTISCHE POLITIK UND KULTUR
Herausgeber: DIE BRÜCKE e.V., Verein zur Förderung politischer, sozialer
und kultureller Verständigung zwischen Mitbürgern deutscher und ausländischer Herkunft. Zentral-Redaktion: Riottestraße 16, 66123 Saarbrücken, Tel. 0681/390 58 50 und 0681/81 72 32, Fax 0681/81 72 29, e-mail: bruecke@handshake.de. Preis: Jahresabonnement 66,– DM, Einzelheft 14,80 DM Abonnement- und Einzelheftbezug: über den Buchhandel und den Brandes & Apsel Verlag, Daniela Lange, Scheidswaldstr. 33, D-60385 Frankfurt a.M., Tel. 069/957 301 86, Fax 069/957 301 87, e-mail: brandes-apsel@t-online.de

nach oben