butback.gif (224 Byte)

KOSOVO Antikriegsseite


Elmar Schmähling
D-10439 Berlin, 10. Mai 1999

Meyerheimstr. 3
Tel. 030/44738573
Email: elmar@schmaehling.de
Internet: www.schmaehling.de

Offener Brief
An die FunktionsträgerInnen, MandatsträgerInnen und Delegierten der Partei Bündnis 90/Die Grünen

D-53113 BONN

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde der Bündnisgrünen !

Deutschland schaut auf Sie, wenn es am 13. Mai 1999 in Bielefeld darum geht, die Grundlagen, die Identität und die Glaubwürdigkeit der Grünen als antimilitaristische Partei, Anker und Hoffnung der Friedensbewegung in Deutschland, wiederzugewinnen oder - endgültig - zu verspielen.

Als ehemaliger Admiral der Bundeswehr beschäftige ich mich seit mehr als 15 Jahren mit der Frage, welchen Beitrag Militär, besser: mili- tärische Gewalt leisten kann, wenn es darum geht, Frieden zu bewahren, bewaffnete Konflikte zu beenden und die Voraussetzungen für die Wieder- herstellung des Friedens zu schaffen.

Es gibt viele gute ethisch-moralische Gründe, als Pazifist jede Art von Krieg abzulehnen. Als Militärexperte betrachte ich das Mittel ,militärische Gewalt" nüchtern und beurteile seine Tauglichkeit als Mittel der Politik nach seinem Nutzen und seinem Schaden.

Das Ergebnis meiner Analyse: Mit militärischer Gewalt kann Gewalt zwar beendet werden, wenn die überlegene Militärmacht bereit ist, einen sehr hohen Preis zu bezahlen. Der Preis ist vieltausendfacher Tod auf beiden Seiten und Vernichtung der Lebensgrundlagen der Opfer dieser neuartigen Erziehungs- und Bestrafungskriege, die gegen die Zivilgesellschaft ge- führt werden.

Eine positive Wirkung auf die Friedensfähigkeit der Gewalttäter - soweit sie überlebt haben - und die Ursachen für den Ausbruch von Gewalt entfaltet militärische Gewalt nicht. Jede Gewaltanwendung legt die Saat für neue Gewalt, die früher oder später aufgeht. Ihre Beh- auptung oder Annahme, mit inhumaner und menschenrechtsverletzender Gewalt gegen Unschuldige könne Menschenrecht geschützt, könnten Hu- manität und die Werte der Freiheit verteidigt werden, ist absurd und zynisch. In Wahrheit geht es denen, die so argumentieren, um Ihr eigenes ,Recht" auf ein ruhiges Gewissen.

Der Einsatz militärischer Gewalt gegen Jugoslawien in seiner ganzen Sinn- und Wirkungslosigkeit macht diese Erkenntnisse erneut deutlich.

Ich möchte hier nicht noch einmal auf die zahlreichen Ungereimtheiten eingehen, die für die Rechtfertigung der Teilnahme deutscher Streit- kräfte an diesem eindeutig völkerrechts- und verfassungswidrigen Mili- täreinsatz angeführt werden.

Vielmehr möchte ich Sie dringend bitten, deren weitreichende poli- tischen Folgen für unser Land noch einmal zu überdenken. Bis zum 24. März 1999 war es gesellschaftlicher Konsens in Deutschland, daß deutsche Soldaten außer zur Landes- und Bündnisverteidigung nur im Rahmen friedenserhaltender Missionen der Vereinten Nationen eingesetzt werden könnten.

Sie haben dazu beigetragen, daß eine fünfzigjährige deutsche Tradition der ,Kultur der Zurückhaltung" auf dem Altar eines innen- und außenpo- litischen Machtkalküls von Rot-Grün geopfert wurde. Damit haben Sie nicht nur einen nicht unerheblichen Teil Ihrer WählerInnen enttäuscht, um nicht zu sagen betrogen, weil Sie für eine Unterstützung der Kriegs- beteiligung Deutschlands nicht gewählt worden sind.

Sie haben die gesamte Friedensbewegung desavouiert, indem Sie zu den Apologeten der Gewalt übergelaufen sind. Und schlimmer noch: sie haben die moralische Substanz der viel geschmähten ,Gesinnungsethiker" auf die Seite der Gewaltbefürworter mitgenommen. Diese sind nun selbst zu Gesinnungsethikern mutiert und führen einen brutal-realen Krieg mit angeblich ethisch-moralischer Motivation und moralischen Skrupeln. Das Ergebnis der Diskrepanz zwischen dem schönen Schein und dem häßlichen Sein dieses Krieges ist entsprechend.

Sie haben die Wiedergeburt der militärischen Gewalt als Mittel der Politik mitzuverantworten. Und das zu einem Zeitpunkt, wo NATO und WEU Interventionskriege als Kernaufgaben ihrer künftigen Strategie erklären und Scharping die Bundeswehr zur Interventionsarmee ausbaut.

,Zu Stahl gehärtet" oder ,zu Asche zerfallen", so wird Herr Fischer zitiert, soll jetzt angeblich die Alternative für die zerrissenen Grünen sein. Beides, Stahl und Asche fällt bei der Stahlproduktion an. Tatsächlich könnte Joseph Fischer ,zu Stahl gehärtet" aus der Asche der Bündnisgrünen emporsteigen, die ausgebrannten grünen Idealisten, weil nicht mehr gebraucht, endgültig hinter sich lassend.

Die wahre Alternative für die Partei Bündnis 90/Die Grünen ist eine andere:

Augen zu und durch bis zur gerechten Abwahl in Europa, im Bund und in den Ländern oder Rückkehr zu einer Profil- und Programmpartei mit un- verwechselbaren umwelt- und friedensspolitischen Positionen links der ,neuen Mitte", wo viel Raum frei geworden ist.

Viel Glück für das Finden des rechten Wegs und herzliche Friedensgrüsse

Ihr

Elmar Schmähling

nach oben