Vorstand Bündnis
HANFPARADE e.V.
Offener Brief an Christian Ströbele,
12.05.99
Ströbele tritt weiter
für Koalition mit SPD ein
Bonn (dpa) - Trotz Kritik aus
dem linken Flügel der Grünen an der Nato-Strategie im Kosovo-Krieg soll die Bonner
Koalition bestehen bleiben. Das sagte der Grünen-Politikers Ströbele im ARD-
Morgenmagazin. Ströbele sprach sich zwar erneut für einen sofortigen Stopp der
Luftangriffe aus, wehrte sich aber gegen Anträge auf dem morgigen Sonderparteitag, die
einen Bruch der Koalition bewirken würden. Außenminister Fischer soll nach einem Bericht
der "Welt" mit Rücktritt gedroht haben, falls der Parteitag für eine
einseitige, unbefristete und bedingungslose Nato-Feuerpause eintrete.
Sehr geehrter Herr Ströbele,
sicherlich werden Sie sich noch (gerne)
an Ihre Reden auf den beiden bisherigen HANFPARADEN erinnern. Und sicherlich werden Sie
sich auch an die ursprünglichen Grundsatzpositionen der Partei Bündnis 90 / Die Grünen,
die noch im Wahlkampf '98 vertreten und womit um die Wählergunst geworben wurde,
erinnern.
Sie und IHRE Wahlversprechen zum Thema Legalisierung waren der wichtigste
Hoffnungsschimmer für die Hanfbewegung und der Grund für das Bündnis HANFPARADE e.V. im
Rahmen beider HANFPARADEN massiv Werbung für Ihre Partei zu machen.
Leider ist die Hanfbewegung anscheinend, wie so viele andere auch, im Falle Ihrer Partei
auf skrupellose Wahlversprechen hereingefallen. Trotz z.B. einer Wahlempfehlung gegenüber
ca. 60.000 Teilnehmern der HP'98 in Berlin und der gesamten Hanfbewegung für Bündnis 90
/ Die Grünen werden wir nun mit eher "Olivgrüner" Regierungsbeteiligung
weiterhin verfolgt und kriminalisiert.
Leider scheint sich die Grüne Partei, in der Frage einer (versprochenen)
Legalisierung der Hanfpflanze nicht durchsetzen zu können (und
nach den Ereignissen der letzten Monate ist zweifelhaft, ob jemals ernsthaft ein
dahingehender politischer Wille vorhanden war). Auch in allen anderen
traditionell Grünen Themen (AKW-Ausstieg, Ökosteuer,
Staatsbürgerschaftsrecht, ...) ist die Grüne Parteispitze gegenüber dem
"übermächtigen" Koalitionspartner eingeknickt. Nach dem "Wahlerfolg"
des letzten Herbstes wurde eine regelrechte Kehrtwendung vollzogen. Bis hin zur
Beteiligung an dem NATO Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat, SR Jugoslawien, was,
wie Ihnen als Jurist ebenfalls bekannt sein sollte, sowohl das Grundgesetz, als auch das
Völkerrecht, um nur die wichtigsten beiden zu nennen, bricht.
Wir gehen davon aus, daß der "linke, fortschrittliche" Flügel der Grünen, zu
dem Sie sich ja auch zählen, genau wie die Wähler der Grünen von der Parteiführung
getäuscht wurde und sich bis zum (vorgezogenen)
Parteitag eine starke Innerparteiische Opposition gebildet hat, die
1. die eingeschlagene kriegerische Regierungspolitik unter
keinen Umständen weiter mitträgt.
2. die Grüne Partei wieder zu ursprünglichen Prinzipien zurückführt (Atomausstieg, Pazifismus, Ökologie - und in unserem speziellen Fall die
Legalisierung der Hanfpflanze sowie eine verantwortungsvolle Drogenpolitik).
3. die im Zuge des letzten Wahlkampfes gemachten Wahlversprechen in der
Regierung konsequent umsetzt oder, falls dies nicht möglich, aus der
Regierungsverantwortung aussteigt und dann den von ihren Wählern und Wählerinnen
erhaltenen Auftrag in der Opposition versucht umzusetzen
Aus den oben genannten Gründen ist es vielleicht für Sie
verständlich, daß wir die Entwicklung innerhalb der Grünen Partei (-Führung) nicht nur genauer, sondern auch um ein vielfaches
kritischer beobachten und äußerst sensibel auf Nachrichten, wie die im Titel erwähnte
DPA-Meldung reagieren.
Wir sehen die Gefahr, daß Sie und andere (in der "Szene"
als Vertreter des linken Flügel der Grünen Partei bekannte)
Parteimitglieder als Alibi-Linke mißbraucht werden, um weiterhin den Anschein auf
Meinungsvielfalt und "linke Position" innerhalb der Grünen Partei und einer
Rot/Grünen Regierung zu verbreiten.
Wir sehen die Gefahr, daß sich selbst sogenannten linken Kräften nicht auf ehemals
vertretene Ideale besinnen, sondern auch Macht und errungene Pfründe verteidigen.
Wir sehen die Gefahr, daß es auf dem kommenden Sonderparteitag -auch mit Ihrer Hilfe-
einen Kompromiß geben wird, der weder an der Fortführung der NATO-Angriffe auf
Jugoslawien, noch an deren fatalen ökologischen Auswirkungen etwas ändern wird.
Wir erwarten im Falle eines solchen Kompromisses Ihren konsequenten Austritt aus dieser
dann endgültig enttarnten Kriegs- und Kapitalpartei.
Die Schäden, die der Grüne Parteivorstand und die Grünen Regierungsmitglieder mit
ihrer, die Regierungsbeteiligung unter ALLEN Umständen halten wollenden Politik, für die
eigene Partei, unser Land und evt. der gesamten Erde angerichtet haben, werden sich mit
Sicherheit an den nächsten Wahlergebnissen für die Grüne Partei hier in Berlin in
diesem Jahr (kurz nach der diesjährigen HANFPARADE)
ablesen lassen (sollte diese nicht aufgrund des III. Weltkrieges
abgesagt werden müssen).
Eine blauäugige Wahlempfehlung zu Gunsten der Grünen wird es 1999 vom Bündnis
HANFPARADE e.V. auf gar keinen Fall geben.
Wir erwarten von dem Sonderparteitag der Partei "Bündnis 90 / Die Grünen" am
13.Mai 1999 in Bielefeld folgendes:
1. Die Verurteilung der Gewalt auf dem Balkan und die
Forderung nach Rückkehr zu (längst nicht ausgeschöpften)
diplomatischen Mitteln der Konfliktlösung.
2. Einen Beschluß zum sofortigen Stop der NATO-Luftangriffe - auch auf Kosten der
Koalition - und einen eindeutigen Auftrag an die Regierungsmitglieder der Grünen Partei
mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, auf den sofortigen Stop der Luftangriffe
der NATO hinzuwirken. Falls der sofortige Stop nicht durchgesetzt werden kann, müssen
alle deutschen Soldaten aus der Kriesenregion Balkan zurückgezogen werden.
3. Die Einsetzung eines Parteiinternen Ausschlußverfahrens für die Grünen Mitglieder
der Regierung, welche sich weigern, einen diesbezüglichen Beschluß des Parteitages
umzusetzen.
4. Einen eindeutigen Beschluß zur Rückkehr zu "Grünen Essentials" (Pazifismus, Ökologie, Atomausstieg) und konsequente Umsetzung der
im Zuge der Bundestagswahlen abgegebenen Wahlversprechen - notfalls auch mit dem Risiko
des Verlustes der Regierungsbeteiligung.
Desweiteren wäre es (zur
Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der Grünen Partei) aus unserer Sicht
wichtig, daß auf dem anstehenden Parteitag einen Weg gefunden wird Mandatsträger und
Funktionäre der Grünen Partei an die Beschlüsse der Parteitage und der Basis zu binden.
Wir erwarten von Ihnen persönlich (sollte sich keine Mehrheit für
oben genannte Forderungen finden):
1. Sofortigen (noch auf dem Parteitag)
Austritt aus der Partei Bündnis 90 / Die Grünen
2. und Nutzung des Ihnen von Ihren Wählern und Wählerinnen gegebenen Mandates für eine
"Grünen"- unabhängige Oppositionspolitik.
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