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KOSOVO Antikriegsseite


Q: Programmheft radio dreyeckland, mai 99, radio3

Kosovo

Für die Protestaktionen gegen den Krieg der NATO gegen Jugoslawien entstanden folgende Beiträge, die auf einer antinationalistischen und antimilitaristischen Demonstration in Freiburg am 10. April 99 vorgetragen wurden. Die Beiträge wurden in ähnlicher Form auch in Infosendungen bei Radio Dreyeckland gesendet. Daß deutsche Truppen zum ersten mal seit dem 8. Mai 1945 wieder kämpfen, wie der Bundeskanzler erklärte, macht für sich schon den Protest notwendig. Mit diesem wurde versucht, sich der Parteinahme für eine Kriegspartei zu entziehen. Vielmehr hieß es: "Die Flüchtlinge, die Kriegsdeserteure, die die Waffen wegschmeißen und diejenigen, die sich der nationalistischen Logik nicht beugen, sind die einzigen, die aktuell zu unterstützen sind!"

Von deutschen Idealen

Die Vertreibungen im ehemaligen Jugoslawien nehmen kein Ende, nachdem schon durch serbische Truppen in Ostslawonien und Bosnien-Herzegowina, durch kroatische Truppen in der Krajina und von diesen zusammen mit den bosnischen in Bosnien-Herzegowina 100.000e Menschen vertrieben wurden. Wie wir wissen, waren dies keine "normalen" Kriege, sondern sie umfassten Beraubung, Vergewaltigungen und grausame Tötungen der Zivilbevölkerung. Der Westen hat nicht nur mit Waffenlieferungen und Logistik zu Länge und Gewalttätigkeit der Kämpfe beigetragen; die westliche Befriedigungsstrategie lief darauf hinaus, die wechselseitigen Vertreibungen zur Grundlage der Waffenruhe in Bosnien-Herzegowina zu machen, Kroatien zu ermutigen, durch Eroberung der Krajina samt Flucht von 300.000 Menschen Kroatien zum fast ethnisch reinen Staat zu machen. Die hinter den "ethnischen Säuberungen" stehende Vorstellung, ein Staat könne nur einem Volk zugehören, ist durchaus keine balkanisch-unzivilisierte. Vielmehr wurde durch die deutsche Politik Anfang der 90er Jahre ein "Vielvölkerstaat" wie Jugoslawien, aber auch die Tschechoslowakei, als unnatürliches Konstrukt denunziert. In der "Zeit" durfte deren Chefdenker Theo Sommer 1991 schreiben: "In Jugoslawien fällt auseinander, was nicht zusammengehört."

Diese Ideologie, die die deutsche Politik treibt, wurzelt im völkischen Denken, einer Variante des nationalistischen Denkens, wie sie in Mittel- und Osteuropa vorherrscht. Jedem Volk sein eigener Staat, so lautet der völkische Grundsatz. Deutschland förderte die Nationalbewegungen Kroatiens und Sloweniens und anerkannte die dort entstehenden Staatsgründungen samt ihrer Staatsangehörigkeitsrechte. Man verfuhr in den neuen Staaten analog zum deutschen völkischen Staatsangehörigkeitsrecht. Es schließt fremdstämmige von der Staatsangehörigkeit aus, bezieht jedoch in anderen Staaten lebende in die eigene Nation ein, wenn sie wie die "Rußlanddeutschen" sich auf gemeinsame Vorfahren berufen können. Durch dieses Stammesdenken wurden beispielsweise die in der Krajina lebenden SerbInnen von jugoslawischen BürgerInnen zur volksfremden Minderheit in Kroatien. Das völkische Prinzip schafft also Minderheiten, die auf den Gedanken kommen müssen, ihrerseits nur im eigenen Staat ihre Repräsentanz zu finden. Diese Logik wiederum führt dazu, daß die KosovarInnen sich nicht damit abfinden daß serbischer völkischer Nationalismus ihnen die Gleichberechtigung, wie sie sich im Staat durch Posten in Bürokratie, Polizei usw. ausdrückt, verweigert. Gerade in Gegenden, die zum Weltmarktverlierer gestempelt wurden, sind solche Posten die sichersten Arbeitsplätze. Dies weist darauf hin, daß das Revival des Nationalismus auf dem Balkan nicht nur ideologische Wurzeln hat. Auch im jugoslawischen Sozialismus existierten die Nationen u.a. als finanzpolitische Institutionen fort, und so konnte in der ganz Osteuropa treffenden Wirtschaftskrise Ende der 80er Jahre die "Ethnisierung des Sozialen" an fortbestehende Nationalismen anknüpfen. Milosevics, Tudjman, Izetbegovic und die Warlords nutzen den Nationalismus als Herrschaftsinstrument und forcierten die Massaker, die die Gründung jedes Nationalstaats begleiten.

Doch zurück zur deutschen Politik, die dem aufkommenden Nationalismus eine gefährliche Richtung gab. Für sein völkisches Prinzip, natürlich auch für den Gewinn verbündeter Staaten in der traditionellen Einflußzone Südosteuropa, setzte Deutschland die Anerkennungspolitik, der Europa dann folgen mußte, durch. Es nahm und nimmt bewußt Destabilisierung und Krieg im Balkan in Kauf, indem erklärt wurde, jeder Schuß bringe Kroatien und Slowenien der Unabhängigkeit näher. Theo Sommer umschrieb das so:

"Die Brüsseler Gemeinschaft klammert sich verzweifelt an den Status Quo. Ideen und Ideale wie die Selbstbestimmung? Der Stabilität räumt sie den Vorrang ein. Europa hat, wie es scheint, nichts als Ruhe im Sinn... Die Deutschen haben ihr Selbstbestimmungsrecht im Jahre 1991 verwirklicht. Soll es nun etwa all den Völkern verweigert werden, deren Streben nach Unabhängigkeit noch unerfüllt ist? Wer sich den Völkern in den Weg stellt, wird ohnedies hinweggefegt werden."

Auch wenn 1999 nicht mehr so euphorisch vom Nationalismus geredet wird, die Rede von Volksgruppen und Völkern durchzieht die Politik, die die Angriffe von NATO, serbischer Armee und UCK begleitete; sie nötigt uns zur Kritik des Nationalstaates.

Thomas (Freitags-Info)

Der Krieg für Humanität und Menschenrechte

Bei einem Krieg, der unter dem Banner von Humanität und Menschenrechten geführt wird, lohnt es sich, die Flüchtlingspolitik der angreifenden Parteien unter die Lupe zu nehmen und sie als Maßstab für die Glaubwürdigkeit der offiziellen Kriegsbegrundung zu nehmen.

Da sind zum Beispiel die 20.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo, die in die USA ausgeflogen werden sollen. Sie werden - so wurde es angekündigt - zu amerikanischen Militärstützpunkten gebracht, und dort interniert. So etwa in der Bucht von Guantanarno. Das ist eine Bucht im Osten der Insel Cuba - dort unterhalten die USA seit Jahrzehnten ein militärisch bewachtes Flüchtlingsinternierungslager. Von dort gibt es keinen Ausweg an den US- Militärs vorbei, es sei denn über die Minenfelder oder über die Felsen ins Meer.

Die Flüchtlinge sollen also weggeschlossen werden, bis der Krieg vorbei ist, und dann wieder in den Kosovo zurückgebracht. Auf keinen Fall ist gewünscht, daß sie selbst entscheiden, wann sie wo hingehen wollen und wie lange sie dort bleiben.

In der BRD sieht es nicht viel besser aus.

Die Flüchtlinge erhalten zwar vorerst den Status von Bürgerkriegsflüchtlingen. Das bedeutet immerhin ein Aufenthaltsrecht für 3 Monate. Der Bürgerkriegsstatus soll aber auch verhindern, daß die Leute Asylanträge stellen. Nirgends ist das deutlicher, als in Baden- Württemberg. Das baden-württembergische Innenministerium hat sich offensichtlich schon länger auf den zu erwartenden Flüchtlingsandrang vorbereitet. In allen Ausländerämtern liegen Erklärungen aus, die die Flüchtlinge unterschreiben sollen, bevor sie hier geduldet werden. In dieser Erklärung sollen sich die Flüchtlinge verpflichten, auf einen Asylantrag zu verzichten.

Im Wortlaut heißt die Erklärung:

Ich möchte keinen Asylantrag stellen, da mein Leben oder meine Freiheit wegen meiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder meiner politischen Überzeugung in der Bundesrepublik Jugoslawien nicht bedroht sind.

Kann es eine perversere Doppelmoral geben, als einen Krieg zu führen, angeblich um Menschen vor einer ethnischen Verfolgung zu schützen - und diese Menschen gleichzeitig unterschreiben zu lassen, daß sie nicht ethnisch verfolgt werden?

Es gibt noch weitere Beispiele für diese Doppelmoral:

Bis unmittelbar vor Beginn der Luftangriffe wurden noch Flüchtlinge in den Kosovo abgeschoben. Am 9. Februar entschied der Verwaltungsgerichtshof Mannheim die Abschiebung einer Frau mit ihren drei Kindern in den Kosovo. Im Gespräch mit der Badischen Zeitung bestätigte der zuständige Richter Günter Schnebelt noch am 23. März, zu diesem Zeitpunkt waren die Luftangriffe bereits absehbar, seine Entscheidung: Er könne in der Situation im Kosovo keine besondere Gefahr für die Frau und ihre Kinder erkennen. Einen Tag später, am 24. März, begann die Nato, Jugoslawien zu bombardieren mit der Begründung, die Situation im Kosovo mache ein militärisches Eingreifen zur Pflicht.

Von den deutschen Ostgrenzen wird gemeldet, daß auch jetzt noch Flüchtlinge aus dem Kosovo abgewiesen werden, wenn sie kein Visum haben. Das heißt, Menschen, die sich auf eigene Faust bis hierher durchgeschlagen haben, sind auf keinen Fall erwünscht. Wenn sie schon kommen dürfen, dann müssen sie zumindest medienwirksam eingeflogen werden.

All diese Beispiele machen die offizielle "Kriegserklärung" (Humanität und Menschenrechte) wenig glaubhaft. Die Luftangriffe haben die Lage der Menschen im Kosovo ganz offensichtlich verschärft. Die Vertreibungsaktionen jugoslawischer Militärs und Paramilitärs sind mit Kriegsbeginn um ein Vielfaches massiver geworden. Der Blick auf serbische Flüchtlinge, die von der UCK vertrieben werden, und auf zivile Opfer der Bombenangriffe ist uns durch die zensierte Medienberichterstattung verstellt. Und so scheint es treffend, was zynisch auf einem Demo- Transparent zu lesen war: "Die Humanität ist ein Meister aus Deutschland."

Birgit (FrauenLesben-Info)

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