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KOSOVO Antikriegsseite


AG Antirassismus, Braunschweig
Seit dem 24. März 1999 befindet sich
Deutschland wieder im Krieg!

Deutsche Soldaten greifen zum dritten Mal in diesem Jahrhundert Belgrad an. Auch deutsche Militärflugzeuge bombardieren - neben Militäreinrichtungen - Brücken, Kraftwerke, Fabriken, Telekommunikationseinrichtungen, Radio- und Fernsehstationen, Bahn- und Straßenverbindungen, vollbesetzte Züge, Wohnviertel und vieles mehr. Die wirklichen Umstände der Bombardierung eines Flüchtlingskonvois werden vermutlich in den Archiven der NATO versteckt bleiben. Die Folgen des Kriegs, den sich die NATO Milliarden $$ monatlich kosten läßt, sind auf Jahrzehnte hinaus absehbar und können am Beispiel Irak verdeutlicht werden: Dort sterben auch Jahre nach den Bombardierungen immer noch viele Tausende Menschen an Krankheiten, Hunger, zerstörten Versorgungseinrichtungen und vielem mehr. In der Bundesrepublik Jugoslawien werden täglich Zerstörungen in Milliarden DM Höhe angerichtet. Polarisierung, Ethnisierung und Nationalisierung (re)produzieren Haß, der sich wieder über Generationen verfestigen wird.

Der "Gerechte Krieg"

Für den Angriff auf Jugoslawien wurde der "Gerechte Krieg" wieder einmal neu erfunden. Diesmal sind es angebliche und tatsächliche Verbrechen des Jugoslawischen Staates, die als Ausreden für die Verbrechen der NATO-Armeen herhalten. Um dies richtig einordnen zu können, muß mensch sich vor Augen führen, daß bisher noch nahezu jeder Krieg aus der Sicht des jeweiligen Angreifers ein "Gerechter Krieg" war. Vor dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen waren die Nachrichten wochenlang voll von Berichten über Greueltaten "Der Polen", und für den eigentlichen Überfall wurde mit deutschen Soldaten in polnischen Uniformen ein polnischer Überfall vorgetäuscht – der Überfall auf den Sender Gleiwitz. Für den Krieg gegen Irak wurde von den USA eine Werbeagentur mit der Öffentlichkeitsarbeit beauftragt. Eine Woche vor dem Angriff erschütterten frei erfundene Meldungen über in Brutkästen ermordete Säuglinge die Welt – nach Aufdeckung der Wahrheit hatten sie ihre Schuldigkeit getan, der Krieg war in vollem Gange. Wir können uns kein Urteil über die Wahrheit oder Unwahrheit der über "Die Serben" verbreiteten Meldungen erlauben und wollen auch die nationalistische Unterdrückungs- und Vertreibungspolitik der Milosevic-Regierung (siehe dazu weiter hinten) nicht beschönigen. Doch warum sollte es gerade in diesem Krieg um die Wahrheit anders bestellt sein als in anderen Kriegen?

Was treibt den deutschen Staat dazu?

Auf den Punkt gebracht: Wie jeder andere Staat verfolgt auch dieser seine - deutschen - Interessen in der kapitalistischen Staatenkonkurrenz. Genscher und Kinkel haben seit 1992 mit ihrer alleingängerischen Politik der Anerkennung jugoslawischer Teilrepubliken als souveräne Staaten die Zerschlagung der Bundesrepublik (BR) Jugoslawien eingeläutet. Mehr als die anderen westlichen Staaten verfügte die BRD über beste wirtschaftliche Kontakte nach Slowenien und Kroatien, wo sich die DM bereits als harte Währung auf dem Markt durchgesetzt hatte. Diesen ökonomischen Interessen stand und steht die jugoslawische Politik mit einem eigenwilligen Weg zwischen Markt- und Planwirtschaft entgegen. Die BRD versprach sich bessere Geschäfte mit den infrastrukturell weiterentwickelten nördlichen Teilrepubliken, wenn diese ihre in Aussicht gestellten Gewinnbeteiligungen nicht mehr für den Wirtschaftsaufbau im ärmeren jugoslawischen Süden aufwenden müssen. Diese Politik des sich nach und nach Gefügig-Machens der Teile des zerfallenen Jugoslawiens wird ebenso nach und nach durch militärische Präsenz flankiert. Damit erlangt die BRD neben der ökonomischen auch die geostrategische und somit insgesamt die (Vor-) Macht in Europa. In Osteuropa gelang dies relativ reibungslos (staatsrechtlich gesehen - für die betroffenen Bevölkerungen sieht das nämlich ganz anders aus), in Südosteuropa stört nur noch die BR Jugoslawien als eigenwilliger, sich nicht dem kapitalistischen Diktat von IWF und Weltbank unterwerfendem Staat. Die "Einflußnahme auf internationale Institutionen und Prozesse im Sinne unserer Interessen" und der "ungehinderte Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt" hat sich das wiedererstarkte Deutschland folgerichtig schon 1992 in seinen "Verteidigungs"politischen Richtlinien zur Aufgabe gemacht.

Wer jetzt meint, das seien ja Verschwörungstheorien, und es ginge hier schließlich um "ethnische" Konflikte, dem sei entgegengehalten, daß das eine naiv-oberflächliche Sicht auf, aber kein Blick hinter die Kulissen darstellt, denn die hohe Anfälligkeit für rassistisch-nationalistische "Erklärungen" wurde schon immer gerne als Mittel zum Zweck der Spaltung ausgenutzt - zur Ethnisierung von Konflikten (siehe weiter hinten). Interessen anderer NATO-Staaten

Da wir unsere Kämpfe da führen müssen, wo wir leben, haben wir mit dem - hier nur sehr verkürzten - Umreißen der BRD-Interessen angefangen. Nun ist die kriegführende NATO aber ein Bündnis mehrerer Staaten, die in "innerimperialistischer Konkurrenz" zueinander stehen und somit unterschiedliche Interessen und Strategien verfolgen.

Wie ist nun die Interessenlage der unangefochtenen Weltmacht Nummer 1 und NATO-Führungsmacht USA? Die USA hatte anfangs nicht das Ziel der Zerschlagung des alten (Tito-) Jugoslawiens. Sie wollte mittels (kapitalistischer, was sonst?) Umstrukturierungsprogramme des IWF als Auflage für die Gewährung von Weltbankkrediten eine schrittweise "Durchkapitalisierung" des jugoslawischen Staats erreichen. Dem hat die bereits erwähnte einseitige Anerkennungspolitik der BRD ein Strich durch die Rechnung gemacht. Die NATO-Mitgliedstaaten handeln durchaus nicht immer im gegenseitigen Einvernehmen, wenn z. B. hier die BRD bereits strategische Erfolge (in Slowenien und Kroatien) vorweisen kann und diesen Vorsprung in aller Selbstverständlichkeit gegen die "in Europa" eben nicht so allmächtige USA verteidigt.

Daß die USA nun die Zerschlagung des noch übriggelassenen Restes von Jugoslawiens anführt, ist mehr in geopolitischen Erwägungen begründet denn in direkten ökonomischen Interessen. Die USA hat inzwischen offiziell durchgesetzt, daß sich die NATO künftig nicht mehr um UNO-Mandate zur Durchsetzung von "NATO-Interessen" scheren muß. Damit ist die UNO de facto und nachhaltig zur karitativen Einrichtung degradiert. Der UN-Sicherheitsrat, der als Vermittlungsinstanz zur Vermeidung des Übergangs vom Kalten zum Heißen Krieg zwischen den ehemaligen Machtblöcken USA und Sowjetunion eingerichtet wurde, hat endgültig ausgedient - warum sollte sich die Weltpolizei USA auch durch Vetos von Rußland oder China behindern lassen? Gleiches gilt für die Sabotagepolitik der USA gegenüber der OSZE, die sich angeschickt hatte, die Vermittlungsinstanz für europäische Konflikte zu werden. Hatte die OSZE noch die Stationierung von "internationalen Truppen" (z. B. mit Soldaten von weniger involvierten Staaten) im Kosovo unter UN-Führung und mit UN-Mandat zur Überwachung des auszuhandelnden Friedensabkommens vorgesehen, haben die USA die Verhandlungspause in Rambouillet genutzt, um unannehmbare Bedingungen für einen souveränen Staat in den Anhang B des Abkommens reinzuschreiben. Die erst jüngst bekannt gewordenen und bisher verheimlichten, weil kriegseinleitenden Punkte 6, 8, und 10 würden bei Ratifizierung die hoheitliche Narrenfreiheit für NATO-Personal in der gesamten BR Jugoslawien festschreiben. Punkt 6 gewährleistet vollständige juristische Immunität, Punkt 8 garantiert völlige Bewegungsfreiheit zu Land, Luft und Wasser, und Punkt 10 gewährt zudem Kostenfreiheit für die ungehinderte Benutzung der gesamten jugoslawische Infrastruktur.

Die NATO-Strategie hat sich bereits bewährt. Die UNO - auch deren hier vielfach geschätzter Generalsekretär Kofi Annan - hat gar nicht groß protestiert, auch kam keine relevante Kritik wichtigerer Staaten an der Ermächtigung der NATO, so daß diese sich zum 50-jährigen Jubiläum auch neue militärische Leitlinien gegönnt hat: Auf UN-Mandate wird von nun an verzichtet. Die NATO spricht unverhohlen von der zukünftigen Durchsetzung eigener Interessen, und zwar weltweit. Und genau hier stecken auch die hinter den geopolitischen und -strategischen stehende ökonomischen Interessen der USA, wenn sie z. B. zukünftig nur noch die Erlaubnis der anderen NATO-Staaten einholen muß, um sich z. B. einen erdölreichen Staat am persischen Golf oder kaspischen Meer gefügig zu bomben bzw. dieses jetzt nur androhen zu müssen, denn für die USA bedeutet es immer auch eine Niederlage, erst einen (teuren) Krieg führen zu müssen, um die Souveränität über einen widerspenstigen Staat zu erlangen.

Großbritannien gebärdet sich in diesem Krieg wie immer in den letzten Jahren als widerspruchsloser Juniorpartner des US-Imperialismus. Frankreich hat durch seine weiterreichenden wirtschaftlichen Beziehungen zu Serbien eine zurückhaltendere Position. Leider kann auf Großbritannien und Frankreich sowie auf die anderen kriegführenden NATO-Staaten hier jetzt nicht weiter eingegangen werden. Welche Interessen haben sie nicht?

Die von der NATO angeführten Gründe für den Krieg gegen Jugoslawien ("Abwenden einer humanitären Katastrophe") sind vorgeschoben, um eine größtmögliche Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen. Hatte die Situation für die albanischen KosovarInnen Ende März einen Punkt erreicht, der tatsächlich auf der ganzen Welt ohne Beispiel ist und somit eine geeignete Rechtfertigung für den Angriff auf Jugoslawien lieferte? Dieses ist keine zynische Frage, sie soll vielmehr auf die Fragwürdigkeit oder vielmehr die Nachfragebedürftigkeit der Einordnung dieses Krieges als "humanitärem Einsatz" verweisen. Bewegungen, die für die Unabhängigkeit von einem Staat kämpfen, der bestimmte Bevölkerungsgruppen unterdrückt und der zur Verhinderung einer Unabhängigkeit oder Autonomie auf Vertreibung, Folter und Mord zurückgreift, gibt es an vielen Orten dieser Welt.

Die KurdInnen in der Türkei sind seit Jahren mit der Zerstörung von Tausenden ihrer Dörfer, der Verfolgung, Folterung und Ermordung all jener, die für eine Autonomie Kurdistans oder einen unabhängigen kurdischen Staat eintreten, konfrontiert.

Hier aber stehen die BRD und ihre Verbündeten an der Seite der Türkei, ihrer NATO-Partnerin. Der Türkei liefert sie Waffen für den Krieg gegen die kurdische Bevölkerung, ihr gewährt sie ideologische und praktische Schützenhilfe. Auch in der BRD wird die kurdische Befreiungsbewegung als terroristisch diffamiert und ihr jede Legitimität abgesprochen, ihre Mitglieder kriminalisiert. Kein Waffenembargo gegen die Türkei wurde je ernsthaft in Erwägung gezogen, eine Unterstützung der PKK mit Waffen und Geld, wie es der UÇK zuteil wurde, war nie denkbar. Will man es sich doch mit der NATO-Partnerin, die strategischer Stützpunkt im Nahen Osten ist, nicht verderben.

Noch offensichtlicher wird die Heuchelei, wenn man die "Erfolge" der Bombardements betrachtet. Ginge es um die Beendigung der Vertreibungen und eine Schwächung des im übrigen demokratisch gewählten Milosevic-Regimes, so hätte die NATO die Bombardements sofort wieder einstellen müssen, als

1. für alle Welt offensichtlich wurde, daß Milosevic durch den Angriff gestärkt wurde. (Auch die ehemals hofierte Opposition hat sich der Verteidigung der nationalen Souveränität ihres Vaterlandes verschrieben - was sonst wäre auch Zweck von Parteien mit parlamentarischem Vertretungsanspruch in Zentralstaaten?)

2. die albanischen, serbischen und sich nicht einsortieren-wollenden Kosovo-BewohnerInnen nun neben mörderischer Vertreibungspolitik, aber auch Terror der UÇK und anderer mafioser Banden, in den NATO-Bomben einen weiteren todbringenden Grund hatten, aus ihrer Heimat flüchten zu müssen.

Und noch ein Wort zur Behauptung, es ginge in diesem Krieg um die Verteidigung von Menschenrechten. Nun, wessen Menschenrechte? Welches Recht? Welche Macht gewährt dieses "Recht"? Wer hat es geschrieben und was wird dort als "Recht" zugestanden und vor allem was nicht? Es gibt z. B. kein Recht auf ein angenehmes Leben - womöglich noch ohne Hunger - in diesen niedergeschriebenen Menschenrechten. Und die NATO kann mit Fug und Recht behaupten, die Durchsetzung dieser Menschenrechte in Jugoslawien sei ihr Anliegen - zumal solange sie darüber Aufsicht führt und das Recht auf Leben gewährt oder auch entzieht (Todesstrafe) oder auch genehme Meinungen schützt und revolutionäre Positionen bekämpft (Diffamierung, Verrat, Aufstachelung zum Umsturz usw.).

Wo soll das enden?

Wie weit werden es die NATO-Staaten treiben? Klare Antwort: Bis sie ihre Ziele durchgesetzt haben. Sollte der jugoslawische Staat nicht einknicken, obwohl er ins Mittelalter zurückgebombt und zerstört wird, so wird die NATO früher oder später Bodentruppen einmarschieren lassen - und zwar in ganz Jugoslawien, wie es die letzte Fassung des dann doch von der UÇK unterschriebenen, aber von der BR Jugoslawien boykottierten Rambouillet-Abkommens von der NATO diktiert worden war. Ob die NATO dazu die UÇK die Drecksarbeit im direkten Bodenkampf machen läßt, oder es doch irgendwie zu einer "Verhandlungs"- lösung kommt, die der NATO den Zugriff auf jugoslawisches Territorium ermöglicht, ist zweitrangig. Wer sollte die NATO noch zu Zugeständnissen zwingen können? DrUÇKmittel hat die NATO noch in der Androhung der Abspaltung der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro, die die einzige Seeverbindung Serbiens ist (kaum kaschierte Unterstützungsangebote an die Führung Montenegros wurden bereits gemacht) und in der Abspaltung der serbischen Provinz Wojwodina, die im Norden an den NATO-Staat Ungarn grenzt, wo viele Ungarn leben, und deren Landverbindungen zu Rest-Serbien - die Donaubrücken - inzwischen sämtlich gekappt wurden.

Rolle und Interessen eines anderen Nationalstaats: BR Jugoslawien

Auch dieser Nationalstaat verhält sich eben wie ein solcher. Seit Jahren verteidigt er sein Territorium gegen Abspaltungen, sowohl auf politischer Ebene als auch militärisch. Nach dem Verlust von Slowenien und Kroatien an dortige NationalistInnen verlor Jugoslawien auch die Krajina und Ostslawonien an Kroatien, welches dort die gleiche mörderische Vertreibungspolitik betrieben hat, wegen der "Restjugoslawien" angeblich gerade bombardiert wird. Ob Zusammenhänge zwischen diesen Vertreibungen aus der Krajina und Ostslawonien und der aktuellen Vertreibungspolitik Jugoslawiens im Kosovo besteht, müßte noch näher untersucht werden - selbstverständlich soll damit keine Rechtfertigung angedeutet werden. Die Auswirkungen der Aufteilung von Bosnien und die dortige Zwangssortierung der Menschen nach angeblichen "Ethnien" (wer fragt eigentlich mal nach den hunderttausenden Menschen, die sich als "weder-noch" oder "sowohl-als-auch" fühlen?) im Zuge des maßgeblich von Kinkel forcierten Dayton-Abkommens können hier nicht weiter beleuchtet werden.

Die Kosovo-NationalistInnen

Sind das nun "Die Guten"? Nun, BRD und USA haben die UÇK maßgeblich mit aus der Taufe gehoben. Es gibt inzwischen umfangreiche Untersuchungen über Hintergründe und Ursachen des Aufstiegs der UÇK von einem Terroristenhaufen zu einer "Befreiungsarmee". Ihre Uniformen und viele ihrer Waffen stammen jedenfalls aus deutschen NVA-Beständen. Deutsche Militärs, BND und CIA haben sie die letzten Jahre systematisch aufgerüstet und ausgebildet. Viele UÇK-Trüppchen verfolgen eigene Interessen, wie z. B. die Schaffung eines "Großalbanien" durch Anschluß z. B. auch von größeren Teilen Mazedoniens an Albanien - denn nicht alle UÇK-Kämpfer stammen aus dem Kosovo. Von emanzipatorischen Interessen ist weit und breit nichts zu vernehmen.

Und mit solch einem Haufen mußte sich die BR Jugoslawien nun an einen Verhandlungstisch setzen. Als sich die jugoslawischen Polizeieinheiten gemäß Holbrooke-Vertrag vom Oktober 1998 aus dem Kosovo zurückgezogen haben, sind UÇK-Truppen sofort nachgerückt. Selbstverständlich kann ein souveräner Staat das nicht dulden, denn sein Gewaltmonopol ist ja gerade dazu da, das Recht im Staate durchzusetzen. Nichts Außergewöhnliches also. Und nochmal: mörderische Vertreibungspolitik wie derzeit im Zuge der militärischen Eskalation soll hiermit in keiner Weise irgendwie gerechtfertigt werden.

Ethnisierung von Konflikten

Die Aufspaltung von BewohnerInnen eines Gebietes in Angehörige verschiedener "ethnischer" Gruppen ist wenig sinnvoll bei dem Versuch, die Ursachen, die Verantwortlichen und die NutznießerInnen einer sogenannten ethnischen Auseinandersetzung zu entlarven. Diese Strategie hat oft die Funktion, von anderen, "höheren" Interessen abzulenken, ist beliebtes und im Kapitalismus gern angewendetes oder forciertes Mittel zur Verhinderung von Zusammenschlüssen ausgebeuteter Menschen. Das Schüren von rassistischen Vorurteilen, das Aufstacheln von nationalem Größenwahn und das damit verbundene Leugnen von sozialen und ökonomischen Unterschieden innerhalb sogenannter ethnischer Gruppen sind für die herrschenden Klassen nützlich bei der Installation und Verteidigung ihrer eigenen Macht.

Eine klare Ablehnung von jeglichen Abstammungstheorien, rassistischen Spaltungsversuchen und sogenanntem "gesunden Nationalstolz" muß Standpunkt jedes für Emanzipation kämpfenden Menschen sein. Flüchtlinge

Die NATO-Politik führt zu noch mehr fliehenden Menschen, die versuchen, dem wirtschaftlichen, körperlichen und psychischen Ruin durch Hungersnöte, Krankheiten, Traumatisierungen etc. zu entkommen. Seit dem Beginn des Krieges sind ca. 800.000 Menschen auf der Flucht, im Jahr zuvor waren es ca. 120.000. Diese Zahlen werden aber nicht etwa als Argument gegen die NATO-Bomben gewertet. Unabhängig davon, was die Milosevic-Regierung getan oder geplant hat - eindeutig ist, daß die NATO-Bomben die Situation nur verschärft haben. Dies ist ein weiterer Grund, die sofortige Beendigung des Krieges zu fordern. Aber die NATO wäscht ihre Hände in Unschuld. Die mehr als 100.000 Menschen, die nach Serbien geflüchtet sind, werden von der Propaganda unterschlagen.

Ganz gleich, ob die Flüchtlinge aus dem Kosovo vor jugoslawischen Truppen, vor der UÇK, vor marodierenden Banden oder vor den NATO-Bomben fliehen: Sie müssen Schutz und Aufnahme in der BRD finden können! Doch das Gegenteil ist der Fall:

Noch Mitte März 1999 forderten Flüchtlingsgruppen einen Abschiebestop für Flüchtlinge aus dem Kosovo. Lediglich Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen beschlossen Anfang März, nicht mehr in den Kosovo abzuschieben. Alle anderen Länder behaupteten eine "inländische Fluchtalternative" - die Leute könnten also innerhalb Jugoslawiens Zuflucht finden. Abgeschobene Flüchtlinge wurden dennoch nicht nach Belgrad, sondern in den Kosovo abgeschoben.

Auch noch nach Kriegsbeginn mochten sich die NATO-Staaten mit Flüchtlingen nicht so recht anfreunden. Die Hilfe für die Flüchtlinge vor Ort lief erst spät und wenig koordiniert an. Zudem wird dies von Militärs durchgeführt - was für eine Zumutung für traumatisierte Menschen, nach den Kriegserlebnissen erneut von Militärs in Kampfanzügen empfangen zu werden.

Angesichts der flüchtenden Menschen aus dem Kosovo begannen die europäischen "HumanistInnen" als erstes über Zahlen zu streiten. Glücklicherweise fiel den NATO-Strategen dann noch schnell das Argument ein, wenn man die Flüchtlinge in den Westen hole, dann helfe man doch nur Milosevic bei der Entvölkerung des Kosovo. Wie zynisch müssen die europäischen "HumanistInnen" eigentlich sein, wenn sie angesichts der unmenschlichen Situation an der Grenze und in den Flüchtlingslagern um Kontingente feilschen, anstatt Menschen auszufliegen, die das wollen?

Auch die übrige Flüchtlingspolitik der BRD trägt eher zu einer Verschärfung der Konflikte in Jugoslawien bei. Bereits bei der Aufnahme werden Flüchtlinge aus Jugoslawien in ethnische Kategorien einsortiert: Sie müssen sich selbst als "Serbe" bzw. "Serbin", als (Kosovo-)"AlbanerIn" usw. einstufen. StaatsbürgerInnen der Bundesrepublik Jugoslawien scheint es für die BRD nicht zu geben. Trotz des Krieges haben jugoslawische Kriegsdienstverweigerer nach Angaben des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerer (EBCO) kaum Chancen auf Asyl in der BRD oder anderen europäischen Staaten. Wo kämen wir auch schließlich hin, wenn den Armeen das Kanonenfutter weglaufen würde, und dies noch als politischer Widerstand anerkannt würde? Kriegspropaganda

Die fortschreitende Technisierung macht auf der einen Seite die Kriege immer grausamer, die Massenvernichtung wird immer mehr perfektioniert. Auf der anderen Seite wurden die Schrecken des Krieges mit dem Aufkommen von Massenmedien wie Zeitungen auch für die "Heimatfront" vorstellbar. Widerstände gegen die Kriege führten immerhin zur Oktoberrevolution in Rußland und zur Novemberrevolution im Deutschen Reich. Um die Identifikation der Bevölkerung mit den Kriegszielen der Regierung zu erhöhen, wurde jeweils eine massive Kriegspropaganda in Gang gesetzt. Deren Ziel war und ist es, das öffentliche Wertesystem so umzugestalten, daß der Sieg über den Feind zum obersten Ziel wird, dem alle anderen Werte untergeordnet werden.

Die Manipulation besteht zunächst in einer Zergliederung der Realität in scheinbar zusammenhanglose Ereignisse. Ursachen und Folgen werden auseinandergerissen und dann je nach Intention beliebig wieder zusammengesetzt. Wer kann genau bestimmen, ob die Flüchtlinge aus dem Kosovo vor jugoslawischen Truppen, vor der UÇK, vor marodierenden Banden oder vor den NATO-Bomben fliehen? Doch die Darstellung hier gibt die Schuld eindeutig an "Die Serben" - hier hat inzwischen eine Stereotypisierung gegriffen.

Der Feind wird in seinen Taten ohne jede Argumentation dargestellt. So wird Milosevic als "kriegslüsterner Despot" und "irrationaler Typ" bezeichnet, welcher "Massaker", "Vertreibungen" und "ethnische Säuberungen" verantwortet. Die emotionale Bedeutung dieser Begriffe erschwert es sehr, sich ihrem psychologisierendem Griff zu entziehen, rational nach Gründen zu fragen und genauer zu analysieren. Der Gebrauch des Begriffs "Konzentrationslager" soll den Krieg der NATO heute mit dem Krieg der Alliierten gegen den deutschen Faschismus gleichsetzen und ihn als fortschrittlich legitimieren. Gleichzeitig relativiert er die industrielle Massenvernichtung der europäischen Juden und die Ermordung der Sinti und Roma und vieler anderer Bevölkerungsgruppen, nimmt diesem in der Geschichte beispiellosen Verbrechen seine Singularität und befreit Deutschland von dem Vorwurf, als einziges Land auf der Welt jemals eines Verbrechens solchen Ausmaßes schuldig geworden zu sein.

Umgekehrt werden die eigenen Taten verharmlosend umschrieben: Anstatt von Krieg und Bombenangriffen wird lieber von "Konflikt", "Einsätzen", "Luftschlägen" und "chirurgischen Eingriffen" gesprochen. Die Bundesregierung hat die Presse gar gebeten, den Begriff "Krieg" nicht zu verwenden. Der Schriftsteller Orwell hat diese Sprache, bei der die Worte das Gegenteil der Wirklichkeit suggerieren, in seinem Roman "1984" als "Neusprech" bezeichnet.

Diese Kriegspropaganda wird von Militärs, PolitikerInnen und JournalistInnen vereint betrieben. Da unabhängige JournalistInnen sich in der Regel nicht im Kampfgebiet aufhalten können, sind die Nachrichtenmeldungen auf Informationen und Bildmaterial der kriegführenden Parteien angewiesen. Daß dieses Material nicht unparteiisch ist, sondern von den jeweiligen Seiten allein aufgrund seiner Nützlichkeit angefertigt und weitergegeben wird, ist offensichtlich.

Die Dämonisierung der feindlichen Seite führt dann auch dazu, daß z. B. über die Verhandlungsführenden der albanischen KosovarInnen und auch Rugova tagelang behauptet wurde, sie seien "von den bösen Serben ermordet". Daß diese dann aber nach ein paar Tagen woanders wieder quicklebendig auftauchen, führt dann zwar zu einer peinlichen Richtigstellung, aber zuerst und vor allem konnte tagelang das Feindbild des skrupellosen Serben bedient und gefördert werden. So funktioniert wirkungsvolle und nachhaltige Kriegspropaganda! Zuletzt soll nicht unerwähnt bleiben, daß auch der Bundesregierung bekannt ist, daß amerikanische und europäische Privatmedien für Videomaterial von Massakern, echt oder gestellt, an den Grenzen bis zu 200.000 $$ bieten - mit steigender Tendenz, je länger sich der Krieg hinzieht und in der Öffentlichkeit gerechtfertigt werden soll.

Die "Friedensbewegung"

Daß diese Propaganda auf so fruchtbaren Boden fällt, liegt auch daran, daß die Leute dieser täglichen Meinungsmache glauben wollen. Denn alles andere würde bedeuten, sich in irgendeiner Form gegen das System aufzulehnen, zu sagen: Ich mache nicht mehr mit! Doch gerade hier in den Metropolen steht immer noch ein Hintertürchen zur Teilhabe offen – oder zumindest zur Bewahrung eines erträglichen Status Quo.

So wird die über die Propaganda erzeugte Betroffenheit gerne genutzt, um mit der (falschen) Alternative "Zusehen oder Bomben werfen" Friedensengel zu Kämpfern für den "Gerechten Krieg" werden zu lassen. Daß die Sozialdemokratie fest auf der Seite der KriegstreiberInnen steht, ist seit der Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten beim Anzetteln des Ersten Weltkrieges bekannt. Daß sich aber die Grünen mit dem Erhalt der Regierungsmacht auch genau wie eine Regierungspartei gebärden und ein ehemaliger Teil der "Friedensbewegung" nun offen zu KriegstreiberInnen geworden ist, hat viele ihrer gutgläubigen WählerInnen enttäuscht.

Um diese Entwicklung erklären zu können, ist eine nähere Betrachtung der "Friedensbewegung" und ihres Scheiterns erforderlich: Nach radikalen Aktionen der Anti-Kriegs-Bewegung zu Beginn der 80er Jahre (z. B. gegen öffentliche Gelöbnisse, Militärausstellungen, NATO-Gipfel etc.) hat die (neuere) "Friedensbewegung" immer nur an der Angst um das eigene Wohlbefinden angesetzt: Bei der Aufrüstung der Mittelstreckenraketen wurde das atomare Schlachtfeld Deutschland an die Wand gemalt; bei der Mobilisierung gegen den Irak-Krieg war u.a. die Angst vor Saddam Husseins Raketen ein Mobilisierungsfaktor. Die so aufgestellten Horrorszenarien bewahrheiteten sich regelmäßig nicht (obwohl sie nicht völlig aus der Luft gegriffen waren). Der Unterschied zwischen den Ängsten der Menschen und dem Interesse des Staates BRD wurden dabei jedoch viel zu sehr verwischt.

Zugleich schränkte die "Friedensbewegung ihre Aktionsformen selbst immer weiter ein: Wurden in den 80er Jahren noch von "Gewaltfreien Aktionsgruppen" Bundeswehrmanöver blockiert, so trauen sich die Aktivisten heute kaum noch vom Kohlmarkt herunter. Die Differenzen zwischen der "Friedensbewegung" und radikaleren Strömungen machten sich vor allem an dem Verständnis von diesem Staat und dem daraus resultierenden Verhältnis fest. So wurde aus einer radikalen Anti-Kriegs-Bewegung eine zahnlose, psychologisierende und staatstragende "Friedensbewegung". Der Schritt, "Friedenstruppen" marschieren zu lassen, ist dann nicht mehr groß.

Was ist zu tun?

Natürlich muß ein radikaler Ansatz an den Verhältnissen der Menschen hier ansetzen. Doch dazu gehört auch und vor allem eine Mobilisierung gegen die kontinuierliche und systematische Militarisierung der Außenpolitik und gegen eine zunehmend brutalere Innenpolitik. Erst die Bekämpfung dieser Politik in der BRD kann eine Perspektive für die Durchsetzung der Interessen der ausgebeuteten Menschen hier und anderswo bieten. Nur die Erkenntnis, daß das eigene Interesse nur gemeinsam und solidarisch mit den Interessen der anderen Unterdrückten vertreten werden kann - anstatt auf ihrem Rücken - öffnet den Weg zu einer von Ausbeitung und Unterdrückung befreiten Gesellschaft! Sicherlich ist es für den oder die Einzelne nicht einfach, etwas gegen diesen Krieg zu tun. Doch die wichtigste Voraussetzung ist zunächst einmal, festzustellen, daß es sich auch bei diesem Krieg um keinen "Gerechten Krieg" handelt und hierüber aufzuklären. Die Mobilisierung für diesen Krieg steht und fällt mit seiner Akzeptanz in der Bevölkerung.

Deshalb seht nicht zu viel fern, lest zwischen den Zeilen, beschafft Euch alternative Informationen und diskutiert alles, was Ihr Euch nicht ohne weiteres erklären könnt. Nur so kann mensch sich der Verblödung und dem starken Einfluß der Dauerberieselung der Kriegspropaganda erwehren. Verschafft Euch eine schlüssige Analyse und überzeugt die Menschen, mit denen Ihr täglich zu tun habt. Nur aus der Gewißheit, mit den eigenen Positionen nicht alleine dazustehen, erwächst die Stärke, andere von deren falschen Erklärungsversuchen abzubringen. Laßt uns eine Gegenöffentlichkeit aufbauen. Verteilt Flugblätter, verbreitet aktuelle Artikel, tretet der Kriegsberichterstattung entgegen - sowohl praktisch als auch mit Argumenten. Geht vor Kasernen, blockiert sie. Es gibt viele Möglichkeiten ...

Die "Rechtswidrigkeit" dieses Krieges wird von niemandem ernsthaft bestritten. Die NATO und die BRD verstoßen damit gegen das Völkerrecht, die Verfassung der BRD und das Strafgesetzbuch (StGB). Diese Feststellung darf aber keine Illusionen wecken: Das Recht ist auch in der BRD das Recht des Stärkeren und damit das Recht der Mächtigen. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Klage der PDS "aus formalen Gründen" folgerichtig abgelehnt. Ebenso hat der Generalbundesanwalt (GBA) die gestellten Strafanzeigen wegen "Vorbereitung und Führung eines Angriffskrieges" abgelehnt. Beide Institutionen haben dabei nicht die Rechtswidrigkeit des Krieges abgestritten, der GBA diesen Rechtsbruch jedoch als gerechtfertigt angesehen, was wieder mal bestätigt, daß das "Völkerrecht" unter der "Neuen Weltordnung" nur Makulatur ist. Dennoch ist der Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ein Mittel, mit dem Soldaten jeden Befehl im Zusammenhang mit diesem Krieg verweigern können (laut Soldatengesetz darf ein rechtswidriger Befehl nicht befolgt werden). Noch nie in der BRD war Kriegsdienstverweigerung so wichtig wie heute, wo die BRD tatsächlich einen Krieg führt - einen imperialistischen Krieg zur Erweiterung seiner Einflußsphäre.

Wir stellen fest: Es gibt keine "Lösung" durch die Mitverursacher-Staaten! Noch nie war Kriegsdienstverweigerung so wichtig wie heute!

Daher fordern wir: Sofortige Einstellung des NATO-Angriffskriegs! Sofortige Auflösung des NATO-Kriegsbündnisses! Geht nach Hause! Sofortige Auflösung der Bundeswehr! Soldaten: Verweigert den Kriegseinsatz! Sofortige Auflösung von BLUTrot-OLIVgrüner Kriegsregierung, Kriegsparteien und Parlament! Und da sie das nicht freiwillig tun werden: Zerschlagung der imperialistischen Interventionskräfte! Aufnahme und Schutz aller Flüchtlinge, die in die BRD wollen! Verweigert die Rüstungsproduktion und seid Sand im Getriebe des Militärapparates!

Und um der in Mode gekommenen Forderung der Nachhaltigkeit nachzukommen:

Kapitalismus abschaffen!

Für eine solidarische, an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen orientierte Gesellschaft!

Psychologische Betreuung für Menschen, die von Humanität sprechen und Bombenterror unterstützen: 0531-27150

AG Antirassismus, Braunschweig, den 29. April 1999
ViSPD: M.Anzipierteuch, Nato weg ’99, 38.015 Braun schweig!  

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