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KOSOVO Antikriegsseite


Klassekampen vom 27.03.1999

9 GEBOTE DES KRIEGSWAHNSINNS

Die Versuche der kriegstreiberischen Nato-Politiker, den Angriffskrieg gegen Jugoslawien zu rechtfertigen, sind nicht haltbar. Eine Sichtung ihrer wichtigsten Argumente zeigt dies deutlich.

Von Astor Larsen und Peter M. Johansen

"Es gab ja keine andere Alternative"

Die Alternative zum Nato-Bombardement ist kein Nato-Bombardement. Die Alternative zu Verhandlungen unter den Bedingungen militärischer Drohungen durch die Nato waren Verhandlungen ohne das Kriegsdiktat der Nato.

Die Alternative zur absoluten Forderung nach einer Umgestaltung des Kosovo zu einem Nato-Protektorat, das den Nato-Streitkräften unterstellt werden soll, was kein Staatschef eines souveränen und unabhängigen Staates akzeptieren kann, war das Verhandeln über andere internationale Regelungen mit Beobachtern, das Unterbringen von UN-Truppen aus Ländern, die für Belgrad akzeptabler waren, eventuell unter der Regie der bündnisfreien Länder.

Die Alternative zum Verhandeln unter einer zeitlichen Frist eines "Friedensplanes", der von den USA zusammengezimmert worden ist, und den niemand der Beteiligten akzeptierte, bis schließlich die Kosovo-Albaner es opportun fanden, ihn zu unterzeichnen, angesichts der sicheren Gewißheit, daß die Nato zur Aktion bereit war, war das Verhandeln ohne eine zeitliche Frist. Es hätte mit anderen Akteuren verhandelt werden können als mit den USA und den anderen europäischen Großmächten, bei denen sich erwiesen hat, daß sie selbst große eigene Interessen am Balkan verfolgen.

Die Alternative zu den Kriegsdrohungen der Nato und dem Fait accompli [vor vollendete Tatsachen stellen - d. Ü.] gegenüber Belgrad, war das Ingangsetzen einer massiven internationalen Hilfsaktion für die 650-700.000 serbischen Flüchtlinge, Europas größtem Flüchlingsproblem, und die Verstärkung der Sanktionen gegenüber Jugoslawien.

"Die Bombardierung soll eine Flüchtlingskatastrophe verhindern"

Der Krieg ist im Begriff, eine noch größere Flüchtlingskatastrophe zu erzeugen. Am Donnerstag [25.03.1999 - d.Ü.] ließ die italienische Regierung verlauten, daß sie damit rechne, daß ein Flüchtlingsstrom als Folge des Nato-Angriffes aus und von außerhalb des Kosovo kommen werde. Italien forderte die anderen EU-Länder dazu auf, die Lasten untereinander aufzuteilen, wie es so schön [-färberisch] heißt.

Für die rund 250.000 internen Flüchtlinge, die es im Kosovo gibt, bedeutet der Krieg der Nato erhöhtes Leiden, u.a. weil fast alle Hilfsorganisationen aus Kosovo abgereist sind. Lediglich das Internationale Rote Kreuz (ICRC) und "Ärzte ohne Grenzen" sind zurückgeblieben.

Meldungen zufolge sind bereits jetzt tausend Flüchtlinge via Bulgarien in der Türkei angekommen.

"Die Bombardierungen der Nato sollen eine Ausweitung des Krieges in die Nachbarländer verhindern"

Das Gegenteil ist im Begriff zu geschehen, genau wovor u.a. Carl Bildt, Schwedens ehemaliger Staatsminister und UN-Gesandter für Bosnien-Herzegowina gewarnt hatte, nachdem der Angriffsbefehl der Nato mitgeteilt worden war. Die Befreiungsarmee Kosovos (UCK) hat die letzten eineinhalb Jahre gegen die Unterdrückung seitens des jugoslawischen Heeres im Kosovo Krieg geführt. Dies führte nicht zu einer Ausweitung des Krieges auf die Nachbarländer, weder nach Mazedonien noch nach Albanien.

Nach nur drei Tagen mit Nato-Bombardements ist der Krieg bereits im Begriff, sich auszuweiten. Am Donnerstag verkündete Bill Clintons sicherheitspolitischer Ratgeber Sandy Berger, daß serbische Truppen Albanien angegriffen hatten. Es ist zu ernstlichen Unruhen in Mazedonien gekommen, wo die amerikanische Botschaft von Demonstranten angegriffen worden ist. Wird die Nato-Aktion langwierig, ist es hingegen annähernd 100 Prozent sicher, daß auch andere Länder involviert werden. Mazedonien steht ganz oben auf der Liste, weil dort 10.000 Nato-Soldaten untergebracht sind, und weil die Nato-Bombardements eine Offensive der dortigen Albaner auslösen können. Sie stellen einen Anteil von rund 25 Prozent an der Bevölkerung Mazedoniens.

"Die Bombardierung soll Massaker verhindern"

Das Gegenteil ist eingetreten. Albanische Behörden teilten am Donnerstag mit, daß 20 kosovoalbanische Lehrer in zwei Dörfern unmittelbar an der albanischen Grenze massakriert worden sind. Zwei Dörfer sollen dem Erdboden gleichgemacht worden sein.

Es ist unmöglich, durch die Bombardierung der jugoslawischen Luftverteidigung Massaker zu verhindern; Massaker geschehen auf dem Boden, und sie werden mit Handfeuerwaffen begangen, nicht mit Boden-Luft-Raketen. Berichte aus Pristina erzählen, daß der Terror zugenommen hat. Heckenschützen auf den Dächern, Handgranaten werden in Privathäuser geworfen und beide Seiten sind darin involviert.

"Das Ziel ist die Durchführung des Abkommens von Rambouillet, dergestalt, daß Albaner und Serben Seite an Seite im Kosovo leben können"

Die Nato-Bombardements werden in einem langen, langen künftigen Zeitraum, und hier ist die Rede von einem Jahrzehnt oder länger, dazu führen, daß eine Versöhnung zwischen Albanern und Serben eine Unmöglichkeit wird, nicht minder, wenn Kommandanten der UCK an die Öffentlichkeit treten und die Bombardements beklatschen. Die offizielle Rhetorik aus Nato-Kreisen hinsichtlich einer Versöhnung ist von der Nato selbst weggebombt worden.

"Die Bombardierung ist gegen Milosevic und die jugoslawische Militärmacht gerichtet, nicht gegen das Volk in Jugoslawien"

Zu wie großen zivilen Verlusten die Angriffe bislang geführt haben, ist unklar, aber Sprecher der russischen Regierung betonten am Donnerstag abend, daß während der ersten Angriffswelle der Nato 50 Zivilisten getötet, und über 200 verletzt wurden. Die Anzahl von Zivilisten, die getötet werden, wird allmählich in dem Maße ansteigen, in dem die Ziele der Bombardierungen ausgeweitet werden. Die erste Angriffswelle richtete sich fast ausschließlich gegen die jugoslawische Luftverteidigung, aber in dem Augenblick, wo Bodentruppen und Betriebe zum wichtigsten Angriffsziel werden, wird die Zivilbevölkerung in viel stärkerem Maße gefährdet sein.

Die Zivilbevölkerung wird über Jahre hinweg zu Leiden haben, weil die Nato offensichtlich damit befaßt ist, Jugoslawien vollständig in Stücke zu zerbomben, genau wie dies mit dem Irak geschehen ist.

"Die Bombardierung Jugoslawiens hat den Zweck, Slobodan Milosevic und das jetzige Regime zu entfernen"

Es gibt selbstverständlich eine kleine [gewisse] Wahrscheinlichkeit, daß dies geschehen kann. Aber Meldungen aus Jugoslawien berichten davon, daß der entgegengesetzte Effekt viel wahrscheinlicher ist. Dies bestätigen auch politische Gegner von Milosevic. Dejan Anastasijevic, Journalist in der unabhängigen Zeitung Vreme, sagt dies auf folgende Weise: »Milosevic ist selbst nicht direkt bedroht. Er wird sich an der Macht halten«.

Erfahrungen aus dem Irak sind auch eindeutig: Die Bevölkerung des Landes richtet ihre Wut gegen die USA und Großbritannien, nicht gegen Saddam Hussein. Für Saddam hat der endlose Krieg es politisch einfach werden lassen, sich gegen jegliche Opposition zu behaupten. Das Gleiche wird in Jugoslawien geschehen.

"Slobodan Milosevic ist Europas neuer Adolf Hitler"

Wenn der militärische Oberkommandierende der Nato, General Wesley Clark, von »seinem Flugzeug« [Milosevics F. - d.Ü.] spricht, handelt es sich um eine bewußte Propagandastrategie, die darauf hinausläuft, daß die Nato nicht einen Krieg gegen Jugoslawien oder Serbien führt, sondern gegen eine Person, Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic. Daher findet die gleiche Dämonisierung von Milosevics statt, der auch schon Saddam Hussein ausgesetzt war, der Dämon, der sogar mehrfach eine ganze Welt mit seinen chemischen und biologischen Waffen vergiften und ausrotten könne.

Milosevic ist der neue Hitler in Europa, und das ruinierte Serbien, das einen Posten nach dem anderen in den Auflösungskriegen um das ehemalige Jugoslawien verloren hat, wird als Feindbild auf gleiche Ebene mit dem kraftstrotzenden Nazi-Deutschland gestellt, eine europäische Großmacht im Jahre 1939. Dies trotz der Tatsache, daß Serbien nicht ein einziges Mal seine Nachbarstaaten angegriffen hat, während des schwierigen Jahres, das der Krieg gegen die UCK-Guerillas gewesen ist.

Großbritanniens Verteidigungsminister George Robertson bringt die Schlechtigkeit und den Wahnsinn zu neuen Höhen, wenn er betont, daß Milosevic zu einer Form von Wildheit Zuflucht sucht, die in Europa seit dem Mittelalter nicht mehr beobachtet worden sei. Auch noch schlimmer als der Holocaust?

"Milosevic trägt die Verantwortung dafür, daß Jugoslawien so geworden ist, wie es ist, und das 200.000 in Bosnien-Herzegowina umgebracht worden sind"

Miloseviv trägt eine schwere Verantwortung für den Krieg, der beim Zusammenbruch Jugoslawiens entstanden ist. Als er sich als Garant für den großserbischen Chauvinismus präsentierte, stattete er die gleich extremen Kräften in anderen Republiken reichlich mit "Munition" aus, wie den Präsidenten Franjo Tudjman in Kroatien, der sich mit den gleichen Plänen einer Aufgliederung Bosnien-Herzegowinas und einer ethnischen Säuberung Kroatiens von den Serben (Krajina, Ost- und West-Slowenien) befasste.

Aber die Zuweisung der einzigen und alleinigen Verantwortung für die Teilung Jugoslawiens und die Aufgliederung Bosnien-Herzegowinas an Milosevic ist eine so verdummende Vereinfachung des Konfliktes, wie sie sich die Clinton-Administration, Tony Blair und die außenpolitischen Sprecher der norwegischen Sozialdemokraten und der Linkssozialisten, Håkon Blankenborg und Erik Solheim zu eigen machen, daß sie geradewegs in das resignierende »es gab keine andere Alternative« oder zur Akzeptanz der bewußten Kriegslinie der Nato führt.

Es gab innere und äußere Ursachen für die Zerstörung Jugoslawiens. Ein deutsches Ultimatum über die EU-Anerkennung von Kroatien und Slowenien fegte die letzten Möglichkeiten der Errichtung einer internationalen gerichtlichen Schlichtungsinstanz zur Lösung der Aufteilung ganz Jugoslawiens vom Tisch, und gab gleichzeitig Bosnien-Herzegowina und nun Kosovo der Schlachtbank anheim, während Deutschland seine schützende Hand über Kroatien hielt.

[Übersetzt von Per K. Losch]

Klassekampen - in 70er Jahren gegründet - ist eine linke&radikale Tageszeitung in Norwegen. Per K. Losch schickte folgende Richtigstellung: Klassekampen wurde bereits 1969 gegründet, und vor ein paar Wochen wurde ihr 30-jähriges Jubiläum gefeiert.

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