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KOSOVO Antikriegsseite


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Argumentationshilfe zur Krise auf dem Balkan

Warum hat die gewaltfreie Bewegung bei der Beilegung des Kosov@-Konflikts versagt?
Im Kosov@ hat es seit der Aufhebung der Autonomierechte im Jahre 1989 durch die serbische Regierung eine gewaltfreie Bewegung für die Rechte der Kosov@- AlbanerInnen gegeben. Sie stand im Schatten des Krieges in Bosnien und erfuhr nur wenig internationale Aufmerksamkeit und Unterstützung, so wie schon in den Jahrzehnten zuvor die Proteste der Serben in Kosov@ gegen ihre Verdrängung nicht gehört wurden. Es wurde Milosevic überlassen, sich diese Proteste für seine Zwecke politisch anzueignen. Als die mit Waffengewalt für die Autonomie der Kosovaren aktive UCK vor knapp zwei Jahren immer mehr Zulauf erhielt, stellte sie den Interessenvertretungsanspruch der gewaltfrei agierenden Parteien in Frage. In den Verhandlungen der vergangenen Monate wurde die UCK diplomatisch aufgewertet und ihren Vertretern der Eindruck vermittelt, daß die NATO sie bei ihrem Kampf für ein unabhängiges Kosov@ unterstützen würden. Der Griff zur Waffe erweckt die Illusion, in einem Konflikt schnell handlungsfähig zu werden und Ergebnisse zu erzielen. Dagegen sind Erfolge gewaltfreien Handelns in der Verminderung von Gewalt, der Verhinderung von Kampfhandlungen, dem Schutz von Menschenrechten naturgemäß wenig sichtbar und meßbar. Weder der Einsatz von Waffen noch der von gewaltfreien Methoden stellt sicher, daß schnell Erfolge in der Konfliktlösung erzielt werden.
 
Gab es keine anderen Versuche, den Konflikt zu regeln?
Ein jahrzehntelanger Konflikt eskalierte zunächst 1981 und erneut 1989. Internationale Diplomatie hat diese Krisenregion zunächst weitgehend vernachlässigt. Bereits seit Beginn der 90er Jahre befaßten sich Friedensorganisationen wie das Balkan Peace Team und die War Resisters International mit dem Kosov@ und bemühten sich darum, Unterstützung für gewaltfreie Strategien zu mobilisieren. Erst seit gut einem Jahr jedoch wird intensiver unter Beteiligung internationaler Organisationen verhandelt. Zuletzt hatte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eine Friedensmission im Kosov@, die als Puffer zunehmend wirksamer wurde. Die Verhandlungen in Rambouillet schienen zunächst auf eine Einigung in Fragen des politischen Status der Region hinzusteuern, scheiterten jedoch an der von den Westmächten vertretenen Forderung einer Stationierung von NATO- Truppen statt der OSZE-BeobachterInnen in der Bundesrepublik Jugoslawien. Hier wollte Belgrad unter Verweis auf seine staatliche Eigenständigkeit nicht einlenken.
 
Warum mußte die NATO eingreifen, um die Rechte der AlbanerInnen zu verteidigen?
Das Eingreifen der NATO ist nur vordergründig durch das Leiden der Zivilbevölkerung des Kosov@ motiviert. Dieses Leiden ist durch die Luftangriffe der NATO nur noch verschärft worden. Ein verbrecherisches System konnte so leichter als ohne den Kriegsschleier Pläne der Vertreibung der AlbanerInnen durchsetzen. Nach Einsetzen der Bombenflüge hat sich der Umfang der Fluchtbewegungen in die Nachbarländer vervielfacht. Nun fliehen AlbanerInnen und SerbInnen vor der Gewalt der Auseinandersetzungen auf dem Boden und den Bombenangriffen. Die NATO hat ihr Angriffsziel innerhalb der ersten Wochen des Angriffs mehrmals umdefiniert. Ursprünglich sollte Milosevic gezwungen werden, das Abkommen von Rambouillet zu unterzeichnen, dann hieß es, es ginge darum, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, dann sollten die jugoslawischen Streitkräfte geschwächt werden und nun soll die Rückkehr der Flüchtlinge gesichert und der Abzug der jugoslawischen Militärkräfte aus Kosov@ erreicht werden. Die militärische Präsenz der NATO in Kosov@ ist Ergebnis aller dieser Ziele.
 
Welche Alternativen gab es zum NATO-Einsatzbefehl?
Daß uns jetzt glaubhaft gemacht werden soll, daß es nur die Alternativen "Akzeptanz von Menschenrechtsverletzungen" und "Militäreinsatz" gegeben habe, ist Bestandteil von Rechtfertigungsstrategien. Das politische und militärische Handeln von NATO-Staaten in anderen Konflikten wie z.B. in der Türkei/Kurdistan oder im Irak macht deutlich, daß das Wohl der KosovarInnen nicht die Hauptmotivation für den Einsatzbefehl gewesen sein kann. Wer Menschenrechte und Minderheitenrechte schützen will, muß an den Verhandlungstisch drängen und auf politischen sowie juristischen Instrumenten der Streitbeilegung bestehen. Wie alles Handeln in Konflikten, ist dies oft nicht einfach, unter Umständen langwierig und nicht immer erfolgreich. Eine wirkliche Alternative ist die langfristig angelegte Unterstützung der demokratischen Kräfte überall auf dem Balkan (in Bosnien Herzegowina, Kroatien, Jugoslawien, Mazedonien und Kosov@)
 
Was hätte rechtzeitig mit gewaltfreien Mitteln getan werden können?
Seit Beginn der Krise in den 80er Jahren verweisen Friedensorganisationen auf nicht-militärische Mittel der De-Eskalation und der Gewaltprävention: eine langfristig angelegte Balkan-Konferenz unter Beteiligung der Nachbarländer, westlicher Industrieländer, Rußlands und internationaler Organisationen; Hilfe bei der wirtschaftlichen Entwicklung von Serbien und Montenegro; eine Stärkung der demokratischen Opposition und der gewaltfreien Bewegungen in Serbien und im Kosov@; unabhängige Beobachtung und Dokumentation der Menschenrechtssituation; Stärkung von Kompetenzen in Konfliktbearbeitung auf allen gesellschaftlichen Ebenen; Schutz von Flüchtlingen aus der Region; Aufwertung ziviler Instrumente internationaler Streitbeilegung; glaubwürdige Neutralität zu Statusfragen unter Hintanstellung eigener wirtschaftlicher, innenpolitischer und geopolitischer Interessen durch westliche Industrieländer; Einbeziehung Rußlands in diplomatische Bemühungen.
 
Ist Frieden in einer Region, in der so viele ethnische und religiöse Gruppen aufeinanderprallen überhaupt möglich?
Ja, wenn Frieden einhergeht mit Wahrung der Menschenrechte und einem Bemühen um eine konstruktive Streitkultur. Daß uns der Konflikt auf dem Balkan oft irrational und unverständlich erscheint, liegt an der mangelhaften Informationspolitik und daran, daß Mythen wie die "Irrationalität und Undurchsichtigkeit" der Menschen auf dem Balkan gerne eingesetzt werden, um die eigene Interessenpolitik dort zu verklären. Auch SerbInnen, BosnierInnen und AlbanerInnen treffen im gleichen Maße wie wir rationale Entscheidungen. National-ethnisch oder religiös definierte Kleinstaaten gefährden eher den Frieden als daß sie ihn gewährleisten.
 
Können die Bombenangriffe jetzt überhaupt noch beendet werden, ohne daß der Fehlschlag vorprogrammiert ist?
Die gegenwärtige Situation ist bereits ein Fehlschlag internationaler Diplomatie. Wenn militärische Wege weiter beschritten werden, könnte das Regime in Belgrad vielleicht irgendwann einmal einlenken. Die materielle, psychische, soziale Zerstörung wird jedoch zunehmen und in ihrer Wirkung langfristige Folgen zeigen. Es gibt keine vertretbare Alternative dazu, statt der Risiken des Kriegführens zu den sicher nicht wenig risikoreichen Versuchen von Diplomatie und Verhandlung zurückzukehren. Fortgesetzte Luftangriffe bergen die Gefahr weiterer Eskalation.
 
Wie ist ein menschenverachtendes Regime mit gewaltfreien Mitteln zu stoppen?
Auch totalitäre Regime sind auf die Zusammenarbeit der Bevölkerung angewiesen. Gewaltfreiheit als aktives und couragiertes Instrument des Eintretens gegen Unrecht ist ein geeignetes Mittel, diese Zusammenarbeit aufzukündigen. Die Erfolge der Frauenproteste in der Berliner Rosenstraße 1943 und die gewaltfreie Rettungsaktion für die jüdische Bevölkerung Dänemarks haben gezeigt, daß selbst gegen Tyrannen wie Hitler Gewaltfreiheit Erfolg haben kann. Von außen können solche Versuche solidarisch unterstützt werden. Der Aufbau ziviler Strukturen muß langfristig angelegt werden. Während Milosevic' Regime hat es immer wieder breite Proteste gegeben. Zum Beispiel vor zwei Jahren, als hunderttausende auf den Straßen gegen Wahlbetrug protestierten. Die nächsten Wahlen wurden von der gesamten demokratischen Opposition boykottiert - trotzdem haben die westlichen Staaten diese Wahlen anerkannt. Die jetzige jugoslawische Bundesregierung hat dadurch ihre Legitimation erhalten. Ein menschenverachtendes Regime kann nur von unten, aus der eigenen Gesellschaft heraus verändert werden. Die Kräfte, die in Jugoslawien dafür eingetreten sind, haben kaum Unterstützung und Aufmerksamkeit bekommen. Dieser langwierige Prozeß ist jetzt durch die NATO Intervention gänzlich erstickt.
 
Welche politischen Ziele verfolgt die NATO?
Die NATO versucht, mit Hilfe der Kosov@-Krise ihre seit etwa 1989/1991 anhaltende Legitimitätskrise zu überwinden und sich von einem Verteidigungsbündnis zu einer internationalen Militärmacht zu entwickeln. Die US-amerikanischen Bedenken gegenüber europäischen Institutionen des Interessenausgleichs wie z.B. der OSZE, in der Rußland eine wichtige Rolle spielt, und gegenüber den UN-Mechanismen haben sicherlich bei Entscheidungen ein großes Gewicht.
 
Was hat die Bundesregierung von ihrer Beteiligung am Krieg?
Nach außen kann eine rot-grüne Regierung Bündnistreue nachweisen. Nach innen wird die Regierung ihres entschlossenen Auftretens wegen gelobt, während sie noch vor einem Monat aufgrund von Entscheidungsschwäche (Staatsbürgerschaftsrecht, Steuerreform) und Uneinigkeit und mangelnder Professionalität (Rücktritt Lafontaines) im Kreuzfeuer der Kritik stand.