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KOSOVO Antikriegsseite


From: M.DUECK@3LANDBOX.comlink.apc.org
Date: 20 Apr 99 23:45:00 +0100

Frank Winter, Archiv Soziale Bewegungen Freiburg
Wilhelmstrasse 15, 79098 Freiburg

Fünf Anmerkungen zum Krieg der Nato gegen Serbien

1. Die Argumentationslogik der Nato und des deutschen Parlamentsrechts von der PDS entspricht der eines Kriegsdienstverweigerungsverhörs: 1,8 Millionen Kosovo-Albaner sind vom Völkermord bedroht. Die Nato hat Waffen. Soll sie angreifen oder tatenlos zusehen? Die Frage ist vollkommen falsch gestellt, sie entspricht militärischer Logik. Nichts ist mit den Angriffen bislang erreicht, und das war absehbar, kritische Stimmen hatten rechtzeitig darauf hingewiesen. Im Gegenteil, eine halbe Millionen Menschen aus dem Kosovo sind auf der Flucht, alle Indizien sprechen dafür, daß die serbische Armee und bewaffnete Polizei immer brutaler gegen die kosovarische Zivilbevölkerung vorgeht. Die Logik des Krieges verschärft sich, die Serben wie die Nato können sich mit jedem Tag auf weitere Verbrechen der anderen Seite berufen und damit eine fatales Motiv stützen: Rache. Die Nato hat mit dem Angriff selber ein Verbrechen begangen, dessen Ausmaße unabsehbar sind, sie hat die Uno degradiert, entmachtet, erledigt, sie hat das Völkerrecht gebrochen, und Deutschland hat sich daran beteiligt. Das ist eine weltpolitische Katastrophe.

2. Antimilitaristische Politik hierzulande hat es mit einerkriegführenden Regierung zu tun, die mit einem Gestus argumentiert, den sie der alten Antikriegsbewegung entlehnt. Viele jetzige Regierungsmitglieder haben an dieser Bewegung teilgenommen und berufen sich auf ihre Biographie, um ihre moralische Integrität zu beweisen. Nur was heißt das schon? Es gibt die böse und leider oft zutreffende Feststellung, daß die Deutschen keine Dummheit begehen können, ohneinbrünstig an sie zu glauben. Aus dem Blickwinkel der Psychoanalyse liegt der Verdacht nahe, daß die Deutschen deswegen die Tornados über Belgrad so laut mit dem empörten Aufschrei "Völkermord im Kosovo" rechtfertigen, damit sie die deutsche Kriegsgeschichte der letzten neunzig Jahre verdrängen können.

3. Am 24. März 1999 hat Deutschland zum dritten Mal in diesem Jahrhundert Serbien angegriffen. Nach dem Angriff vor knapp sechs Jahrzehnten waren es vor allem Serben, die Jugoslawien durch ihren Partisanenkampf von der Wehrmacht befreiten. Darüber geht der gesellschaftliche Diskurs hinweg. In der vergangenen Woche haben deutsche Soldaten in Mazedonien Männer aus ihren Häusern geholt, die in deutschen Konzentrationslagern gesessen haben - "um Attentaten vorzubeugen", wie es heißt. Man muß sich vor Augen führen, was da passiert! Ein nicht mehr zu überbietender Zynismus ist es, wenn Außenminister Fischer und Verteidigungsminister Scharping die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg mit der besonderen Verantwortung begründen, die Deutschland aufgrund der Vernichtung der Juden habe. Das ist Instrumentalisierung von Auschwitz, und sie ist widerlich. Ist es denn nicht zu begreifen, daß sich mit der Shoa nichts, aber auch gar nichts legitimieren läßt?

4. Jetzigen Kriegsgegnern wird im allgemeinen die Frage entgegengehalten: Was wäre denn die Alternative zum Krieg? Gegenfrage: Warum hat die Nato ihn überhaupt angefangen? Zum einen sicherlich, weil sie in die Rolle der unabhängigen Weltpolizei verliebt ist. Zum anderen hat sie sich in das Schlamassel hineinmanövriert, ohne es eigentlich zu wollen, denn auf dem Balkan gibt es für sie nichts zu gewinnen. Anders als im Krieg gegen den Irak geht es im Fall Kosovo weder darum, eine gefährlich werdende Kriegsmacht zurechtzustutzen, noch darum, den Zugang zu natürlichen Ressourcen wie z. B. Erdöl zusichern. Nein, dieser Krieg ist anders zustande gekommen. Ohne wirklich darüber nachzudenken, hat die Nato Milosevics Regierung mit dem Militär gedroht. Im Nachhinein kann man dafür viele hehre Motive bemühen, faktisch ist in weltpolitischen Konflikten im vergangenen Jahrzehnt die Androhung militärischer Angriffe zum üblichen Umgangston geworden. Nur ist man allerdings irgendwann gezwungen, den martialischen Worten die Bomben folgen zu lassen, falls die Gegenseite nicht einlenkt. Genau dies hat sich die Nato jetzt eingebrockt. Jetzt ist guter Rat teuer, aber warum sollen sich ausgerechnet die Antimilitaristen den Kopf der Nato zerbrechen?

5. Folgt die Nato weiterhin ihrer Logik, muß sie in absehbarer Zeit Bodentruppen in das Kosovo schicken, mithin ein neues Vietnam heraufbeschwören. Die Katastrophe ist durchaus ausweitbar. Es ist allerhöchste Zeit, aus dieser Spirale auszubrechen. Antimilitaristische Forderungen in der gegenwärtigen Situation können nur sein: Die Nato muß sofort und bedingungslos ihren Angriff beenden, die westeuropäischen Länder müssen ihre Grenzen für alle kosovarischen Flüchtlinge öffnen, und das nordatlantische Militärbündnis muß schleunigst abgeschafft werden. Wie gerade zu beobachten, ist die Aufgabe, die Welt zu zivilisieren, bei ihm in nicht sehr guten Händen.

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