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KOSOVO Antikriegsseite


Otto Koehler

Plastiksack statt Zinksarg

3. Juli 1914: "Jetzt oder nie", notiert Kaiser Wilhelm II, "mit den Serben muss aufgeraeumt werden." Am 31. Juli verkuendeten Extrablaetter im ganzen Deutschen Reich den "allgemeinen Kriegszustand" - der Erste Weltkrieg beginnt.

6. April 1941. Ohne Kriegserklaerung eroeffnet die deutsche Wehrmacht mit einem Luftangriff auf Belgrad den Krieg gegen Jugoslawien. Wenige Monate spaeter hatte Deutschland den 1939 begonnenen Krieg zum Zweiten Weltkrieg ausgeweitet.

24. Maerz 1999. Ohne Kriegserklaerung beginnt die Bundeswehr mit Luftangriffen auf Belgrad und andere Ziele in Jugoslawien den dritten deutschen Krieg gegen die Serben, diesmal im Bund mit der NATO, deren europaeische Verbuendete von Tag zu Tag mehr auf Distanz gehen.

Am Ostersamstag versprach Gerhard Schroeder: "Wir wollen das Morden im Kosovo beenden". Er hat seine Zusage, wie alles, was er versprochen hat, gebrochen - die deutschen Tornados bombten auch am Ostersonntag weiter, sie wurden sogar verstaerkt: ein Ende des deutschen Mordens in Jugoslawien ist nicht abzusehen. Sein Verteidigungsminister Rudolf Scharping war mit dem Ruf in den Krieg gezogen: "Wir wollen verhindern, dass es neue Leichenberge auf dem Balkan und neue Fluechtlingsstroeme in Europa gibt." Seit Scharpings Soldaten Jugoslawien bombardieren, gibt es neue Leichenberge und neue, in ihrem Ausmass bisher ungeahnte Fluechtlingsstroeme, die sich schliesslich auch ueber die Laender der Angreifer, Deutschland zuerst, ergiessen werden. Jetzt verlangt er am Ostermontag ploetzlich: "dass die Militaermaschinerie gestoppt werden muss, die zugleich auch eine Mordmaschinerie." Richtig. Aber er meint wohl, verwirrt wie er ist, dass die Bundeswehr kein Militaer sei, stattdessen eine humanitaere Massnahme. Denn die Mordmaschinerie das ist fuer ihn das fremde Militaer. Scharping zum ZDF: "Wenn man ein Video sieht mit vielen Leichen, die alle umgebracht worden sind, dann sind das alles handfeste Beweise. Vielleicht waere es nicht schlecht, wenn auch das ZDF dieses Video zeigen wuerde".

Thomas Bellut von der ZDF-PK meldete am Bildschirm gehorsam den bereits erfolgten Vollzug der Propagandamassnahme. Doch es gibt, wie Scharping wohl weiss, viele Videos. Bundeswehrvideos auf denen das Morden - mangels Krieg - vorerst nur geuebt wurde, blieben strafrechtlich ungesuehnt. So wie es auch ungesuehnt bleiben soll, dass die Luftangriffe nach zum Teil bestaetigten serbischen Angaben Kindergaerten, Krankenhaeuser und Schulen trafen.

Die alte Geschichte von Bert Brecht, von dem maechtigen Karthago, dass drei Kriege fuehrte, und nach dem letzten endlich nicht mehr auffindbar war, ist leider auch nur Propaganda, wenn auch gegen den Krieg. Deutschland wird, leider, seinen dritten Angriffskrieg ueberleben, und - diesmal Seite an Seite mit den USA - die Welt mit immer neuen Kriegen ueberziehen. Es sei denn, die Menschen in diesem Land erinnern sich endlich, was Krieg, der von deutschem Boden ausgeht, bedeutet. Sie brauchen - scheint es - Nachhilfe: Die deutschen Tornados muessen endlich herunterkommen.

Am Vorabend der 58jaehrigen Wiederkehr von Hitlers Bombardement auf Belgrad verkuendete der ARD- Propagandamann mit dem Namen Metzger den "Point of no return", verlangte: "Jetzt muss Milosevic besiegt werden" und setzte sich wie US-Aussenministerin Albright fuer einen Krieg mit Bodentruppen in Jugoslawien ein. Schroeder, Fischer und Scharping und ihre Militaermaschinerie werden sich diesem Ruf nicht entziehen. Bodentruppen? Was deutsche Luftwaffe, was deutsche Tornados in Jugoslawien machen, wissen wir schon. Und was machen deutsche Bodentruppen?

"In allen Standorten in Serbien sind durch schlagartige Aktionen umgehend alle Kommunisten, als solche verdaechtigen maennlichen Einwohner, saemtliche Juden, eine bestimmte Anzahl nationalistischer und demokratisch gesinnter Einwohner als Geisel festzunehmen", ordnete am 10. Oktober 1941 der Kommandierte deutsche General in Serbien Franz Boehme an. Und er erlaeuterte: "Treten Verluste an deutschen Soldaten oder Volksdeutschen ein, so haben die territorial zustaendigen Kommandeure umgehend die Erschiessung von Festgenommenen in folgenden Saetzen anzuordnen: a) fuer jeden getoeteten oder ermordeten deutschen Soldaten oder Volksdeutschen 100 Gefangene oder Geiseln, b) fuer jeden verwundeten deutschen Soldat oder Volksdeutschen 50 Gefangene oder Geiseln."

Da nun Milosevic, wie uns taeglich eroeffnet wird, der Hitler des Balkan ist, koennten diesmal fuer jeden getoeteten serbischen Zivilisten hundert Bundeswehrsoldaten ihre glueckliche Heimkehr verfehlen. Wir sollten es Angelika Beer, jener Schmerzenreichen, die unser aller Verachtung verdient, ueberlassen, darob Traenen zu vergiessen. Aber wir sollten nicht hoffen muessen, dass nur so der dritte deutsche Krieg gegen die Serben ein Ende nehmen kann. Die Muetter der Soldaten haben sich schon zu Wort gemeldet. Und nach den ersten Ruecktransporten im Plastiksack - Zinksaerge hat Scharping fuer seine Soldaten nicht uebrig - werden es nicht nur die Muetter sein, die ihre Stimme erheben, sondern alle Deutschen, denen es nicht egal ist, dass das Getoetetwerden sich nicht auf die Hilfsvoelker beschraenkt, sondern auch das Herrenvolk betreffen kann.

Es gibt noch eine - geringe - Chance, dass nicht allzuviel deutsche Soldaten ihren Heldentod erleiden. Ein Sonderparteitag der Gruenen verweigert Joseph Fischer die Gefolgschaft fuer den Krieg, mit dem er beweisen will, dass er und Deutschland endlich erwachsen sind. Und der Parteitag der SPD verweigert ebenso Gerhard Schroeder den Parteivorsitz und holt Oskar Lafontaine zurueck. Einer wie er, der alles schon wusste und darum zu Recht desertierte, koennte als neuer Kanzler vielleicht noch verhindern, dass das rotgruene Regieren in einer Katastrophe endet, die alles andere als humanitaer ist. Aber das ist zuviel verlangt von einer Partei, die 1914 jubelnd den Kriegskrediten zustimmte und am 17. Mai 1933 - gewiss schon etwas beklommen - Hitlers "Friedenspolitik" im Reichstag zustimmte, bevor sie am 21. Juni 1933 verboten wurde

Der Artikel wurde entnommen der Ausgabe 7/99 der Zeitschrift Ossietzky vom 10.04.99. Ossietzky ist eine Zweiwochenschrift fuer Politik, Kultur und Wirtschaft und versteht sich als Nachfolgezeitschrift der "Weltbuehne". Bestelladresse: Verlag Ossietzky GmbH, Gretchenstrasse 36, 30161 Hannover Tel: 0511/314191, Fax: 0511/3480364, e-mail: ESPOO@t-online.de

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