Karl Müller´s Homepage
Texte zur Kritik 1985
Agrarfrage und Faschismus
Thesen zur Geschichte der KPD
[fragmentarisch*]Teil 1
l. Zum Verhältnis von KPD-Geschichte und westdeutscher ML-Bewegung
Als die westdeutsche ML-Bewegung um das Jahr 1970 erste Konturen in Form von Parteien (KPD/ML), Parteiaufbauorganisationen (KPD/AO) und regionalen Zirkeln (KAB, KB Bremen, KB/ML, KG(NRF) usw. ) entwickelte, war die Behauptung, sich in die Tradition der Weimarer KPD zu stellen, ein zentrales Kettenglied in dem Begründungszusammenhang der eigenen Organisation. Besonders die KPD/AO wollte dies durch Herausgabe zweier Dokumentenbände zur Geschichte der KPD unterstreichen. (42) Wenige Monate später wandten sich in der SoPo 9 und 10 Heilmann und Rabehl gegen diese Art des Umgangs mit der Geschichte und versuchten nachzuweisen , daß eine nur unter Legitimationszwängen ekklektisch aufgearbeitete Vergangenheit in der Sackgasse der Legendenbildung landen müsse. Sie vertraten stattdessen die Auffassung, daß es vor Inbesitznahme einer Traditionslinie erst zu einer Untersuchung derselben kommen müsse. Zunächst müsse es darum gehen, die Anwendung der Marxschen Methode bei Lenin zu überprüfen, um dann festzustellen, inwieweit die Weimarer KPD tatsächlich eine leninistische Partei gewesen sei. Indem sie selber so verfuhren, kamn sie zu einem düsteren Ergebnis:
"Diese Bedingung ( die Leninsche - d.Verf.) der Rolle der revolutionären Partei schloß einen organisatorischen Mechanismus von selbsternannter Avantgarde und Massenorganisationen, der die Partei notwendig zur Sekte verdammte, aus. Daraus erhellt bereits, daß "Bolschewisierung" bezüglich der Organisationsform keinesfalls ein rein technisches oder administrativ lösbares Organisationsproblem sein kann. Die Organisationsform der Partei des Proletariats hängt ab von und muß entsprechen den Bedingungen ihrer Praxis, die wiederum zweifach abhängt von den konkreten, jeweils spezifischen gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie vor sich geht, und der revolutionären Strategie und Taktik, die die revolutionäre Partei anzugeben versucht aufgrund einer möglichst allseitigen Analyse dieser jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen. In diesen Sinne von einer Bolschewisierung der KPD zu sprechen,ist nicht möglich." (14/11/13)
Diese kritischen Hinweise blieben in der jungen ML-Bewegung ohne Widerhall, drang man doch auf Praxis und Konsolidierung der eigenen Organisation, wobei die an Wendungen reiche KPD-Geschichte hierfür Bauchladen genug war.
In der Aufschwungsphase der westdeutschen ML-Bewegung vermittelte sich über die Faschismus-Diskussion zwischen verschiedenen ML-Gruppen nochmals ein Stück unterschiedlicher Inbesitznahme von KPD - Geschichte. Lagarde faßte im Dezember 1971 in der Zeitschrift "Neues Rotes Forum" diese Diskussion zusammen. Zwischen den Zeilen wird klar, daß es ihn lediglich um die Abgrenzung zu anderen ML-Organisationen ging , die sich auf die jeweils von ihnen begriffene KI/KPD-Linie stellten. Dafür bemühte er nun revolutionare Theoretiker (Thalheimer, Trotzki plus Epigonen wie Mandel), die aus der KI-Linie ausgrenzt waren (29). Eine Untersuchungsmethode wie sie Heilmann/Rabehl in die Debatte eingebracht hatten, war auch ihn fremd. Je stärker der Drang auf möglichst sofortige revolutionäre Umgestaltung war, desto flacher wurden die Adaptionen aus der KPD- Geschichte. Ein besonders plastisches Beispiel lieferte in dieser Zeit die KPD/ML (ZB), die in ihrem theoretischen Organ "Bolschewik" zwischen 1970 und 1972 seitenlange Abschreibübungen unternahm, um den Nachweis zu erbringen, daß gegenwärtig die SPD sozialfaschistisch sei (5+6).
Besondere Publizität erlangte in dieser Phase der ML-Bewegung Alexander von Platos Buch "KPD und KOMINTERN, SOZIALDEMOKRATIE und TROTZKISMUS" (39) , das im Zusammenhang mit dem Versuche der KPD(RF), sich ein Programm zu geben, 1973 veröffentlicht wurde. Auch dieses äußerst materialreiche Buch, sich auf über 700(!) Quellen und Sekundärliteratur stützend, erhob sich nicht über das Niveau einer rein organisationssoziologischen Untersuchung der KPD-Geschichte, wenngleich der Verfasser im Vorwort anderes versprach. Zu eng waren die Anbindungen des Verfassers an die KPD(RF), was ihm den erkenntnistheoretischen Horizont entsprechend verengte.( vgl. dazu: 13 + 22)
Nachdem sich die verschiedenen ML-Gruppen programmtisch konsolidiert und voneinander abgegrenzt hatten und nur noch Praxis in Betrieb, Stadtteil und Gewerkschaft als die Hauptaufgabe der Organisation ansahen, fand diese kaum begonnene Aufarbeitung der Geschichte der Arbeiterbewegung ihr rasches und inhaltlich wenig ergiebiges Ende. Anleihen an die Geschichte der Weimarer KPD waren dann nur noch punktuell angesagt, wenn nämlich darumo ging, sich erneut abzugrenzen. Dabei übertrafen sich 1975 bei Ihren Rechtfertigungsversuchen, die Einheit der Marxisten-Leninisten mit der jeweils anderen Organisation nicht herstellen zu können, an Plattheit besonders KPD/AO und KPD/ML .)Lediglich der KBW, der das Nichteinlösen seines Versprechens, sein Programm nur unter der Voraussetzung einer Klassenanalyse zu schreiben, zu rechtfertigen hatte, kam 1977 nochmals grundsätzlich auf Fragen der KPD-Geschichte in der Weimarer Republik zurück. In dem vom ZK des KBW dazu herausgegebenen Buch (49) werden - wenn auch nicht mit der selben Akribie belegt und unter einem anderen Legitimationszwang stehend - alle wesentlichen Stationen der KPD-Geschichte erzählt, die auch von Plato bereit hielt.
1979 geriet die KPD(RF) in eine schwere Krise. Die auf den abgeschriebenen Verständnis einer Politik "Klasse gegen Klasse" beruhende Linie der KPD(RF) war gescheitert. Das ZK, das an den bisherigen Traditionslinien festhielt, versuchte mithilfe von Gramsci der Partei neue theoretische Fundamente einzuverleiben, ohne bereits den Leninismus und die Geschichte der KPD als Bezugspunkte bruchlos aufgeben zu wollen. Mithin wurde eine Beschäftigung mit der KPD-Geschichte nochmals für diese Organisation notwendig. In der ZK-Vorlage (44) bewegte man sich nunmehr in die Nähe der Ergebnisse , wie sie Jahre zuvor bereits Heilmann und Rabehl formuliert hatten: "Nimmt man diese Fehler in den Grundlagen, so erscheint die Vereinheitlichung der Kommunistischen Parteien auf dem Boden des 'Leninismus' von vornherein als fehlerhaft und verengt. Diese Fehler setzten sich ja auf der strategischen und politischen Ebene durch."(44/10) Zur weiteren Vertiefung und Inangriffnahme einer umfassenden Untersuchung der Geschichte der Kommunistischen Partei kam es bedauerlicherweise nicht mehr. Die Partei löste sich in Frühjahr 1980 sang und klanglos auf. Zählt man nun noch die Veröffentlichung von Horst Dieter Koch "Über den Kampf der KPD vor der Nachtergreifung Hitlers"(26), erschienen 1980 dazu, so kann man sagen, daß die westdeutsche ML-Bewegung in den rund 15 Jahren ihrer Existenz in Fragen der Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung nicht mehr hervorgebracht hat, was jeweils Plakat der eigenen bornierten Parteilinie war.
Heiner Karuscheit, der der Traditionslinie westdeutscher ML-Bewegung zuzurechnen ist, scheint als erster die Enge, die den bisherigen Elaboraten zugrundelag, zu durchbrechen und dies in mehrerlei Hinsicht (23, 24, 23). Indem er versucht, ausgehend von einem anderen Imperialismusbegriff, Parteigeschichte und gesamtgesellschaftliche Entwicklung aufeinander zu beziehen und die Ungleichzeitigkeiten zwischen Agrarententwicklung und industriellen Sektor als von der KPD nicht begriffen, folglich in einen falschen Faschismusbegriff einmündend darzustellen. Zwar ist die Abkehr vom Leninschen Imperialismusbegriff an sich nichts Neues, aber das gleichzeitige Ausweiten des Untersuchungsgegenstandes auf nichtindustrielle Sektoren und im politischen Bereich auf die Behandlung der Zwischenschichten in Verbindung mit Mutmaßungen über eine grundsätzlich fehlerhafte KPD-Politik ist zumindest im Kantext der bisherigen Veröffentlichungen von H.K. eine Novität und stellt ein Verlassen der Positionen dar, die im Kern die westdeutsche ML-Bewegung inbezug auf die KPD-Geschichte charakterisierten. Es handelt sich hierbei offensichtlich darum, für die Debatte um die Einheit der revolutionaren Sozialisten in einer Partei eine eigene politische Linie in der Frage von Imperialismus und Faschismus herauszuarbeiten, die für ein zukünftiges Programm von konstituierender Bedeutung werden könnte.
Erste Kritik an H.K.'s Einschätzungen wurde vorgebracht. So fühlten sich der AUL in AzD 24 und Anne Richter in AzD 26 aufgerufen, den Finger der Kritik in die von ihnen jeweils erkannte Wunde zu legen. H.K. erwiderte dazu in AZD 27 (24). Infolge der Kritik von AUL und A.Richter präzisierte H.K. seine Methode und seine Standpunkte: "Als erstes wurde versucht,.einen eigenständigen Begriff der ökonomischen und geselIschafflichen Zustände sowie der politischen Entwicklung während der Weimarer Zeit in ihren allgemeinsten Grundzügen zu geben" (24/65). Und weiter: "als zweites wurde die Politik der KPD an diesem "Raster" gemessen." (42/65). Diese Methode legte H.K. zugrunde , da seiner Auffassung nach der Faschismus nicht aus der Leninschen Imperialismustheorie und ihrer Rezeption in der III.Internationale erklart werden kann, sondern: "In den "Thesen" wurde der Faschismus in Deutschland demgegenüber als Produkt sowohl der Entwicklung als auch der Nichtentwicklung begriffen. Als maßgeblich wird das gleichzeitige Vorhandensein hochentwickelter wie vorindustrieller ökonomischer und gesellschaftlicher Verhältnisse angesehen." (24/66)
Dankenswerterweise belebte H.K. nun in AZD 32 (25) mit dem Artikel "Weimar - das Erbe des Vergangenheit" diese Feststellung der Ungleichzeitigkeit mit empirischem Material, sodaß eine Auseinandersetzung nun inhaltlicher zu führen ist. In seinem Artikel steht die Agrarentwicklung im Vordergrund der Thematik. Hieran soll die Kritik entfaltet werden.
Dazu wird es nötig sein, in ersten groben Linien die Bauernpolitik der Weimarer KPD zu skizzieren. Dies geschieht zum einen, um das zu beschreiben, was die subjektive Seite des historischen Prozesses ausmachte. Nicht nur weil es in den einschlägigen westdeutschen ML-Veröffentlichungen sowieso fehlte, sondern weil dies auch in dem empirischen Material des H.K. in "alter" ML-Tradition ausgeblendet bleibt - würden nämlich sonst seine kurzatmigen Thesen ihre Griffigkeit verlieren. Zum anderen muß die Darstellung kommunistischer Bauernpolitik sich mit der Skizzierung der Klassenauseinandersetzungen bescheiden, weil der Verfasser in Gegensatz zu H.K. eben kein 'eigenes Raster" besitzt, sondern an der Auffassung festhält, daß eine materalistiscne Aufarbeitung der Geschichte der KPD überhaupt erst noch vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus aus zu leisten ist, bevor "eigene Raster" zur Erprobung gelangen. Folglich wird in 2.Teil der Thesen versucht, für eine derartige Untersuchung die theoretischen Knotenpunkte zu umreißen, die für den Verfasser nach wie vor integraler Bestandteil einer marxistisch-leninistischen Herangehensweise sind. Selbige bestimmen sich aber auch durch den Gegenstand, d.h. Lenins Imperialismustheorie, seine Auffassungen zur Agrarfrage und die Agrarentwicklung in der Weimarer Republik sowie der Faschismusbegriff der KI, die Rolle der Mittelschichten werden die Hauptpunkte sein. Ganz im Gegensatz zu H.K. ist der Verfasser der Meinung, daß die Abarbeitung an diesen Theorien erst die Voraussetzungen schafft, sich auf die Analyse der Geschichte der Weimarer Republik einzulassen. In Abgrenzung zu H.K., dessen Abschied vom Marxismus-Leninismus bereits erklärtes Ziel zu sein scheint, sieht der Verfasser in der Art und Weise, wie sich Heilmann/Rabehl in der Aufarbeitung der KPD-Geschichte den empirischen Material annahmen, eine den Gegenstand der Untersuchung angemessene Methode. Aus den Fehlern der westdeutschen ML-Bewegung lernen, sollte auch für H.K. heißen, auf plakatives, aktuellen Linienschwenks geschuldetes Herangehen an Fragen der Geschichte der Arbeiterbewegung zu verzichten.
2. Kommunistische Bauernpolitik zwischen 1919 - 1933
"Es war einfach dar Moment gekommen, wo der Imperialismus wie ein Koloß auf tönernen Füßen, innerlich morsch, zusammenbrechen mußte." R.Luxemburg (32/252)
Aus dieser falschen Einschätzung von der konkreten historischen Situation, in der es zur Gründung der KPD kam, resultierten eine Reihe von strategischen und taktischen Fehlern , die sich unmittelbar auf die politische Praxis der jungen KPD auswirkten. Darüberhinaus verlängerten sie sich durch die gesamte Weimarer Zeit in eine Politik , die G. Dimitroff auf dem VII. Weltkonkreß der KI dahingehend kennzeichnete, daß die eingetretenen Änderungen nicht vollends erkannt wurden, sondern stattdessen die taktischen Positionen und Losungen Anwendung fanden, die zuvor richtig waren. W.Pieck würdigte dies auf der Brüsseler Parteikonferenz der KPD 1935 folgendermaßen: "In diesen Ausführungen des Genossen Dimitroff liegt der Schlüssel zur Erkenntnis der Fehler..." (33/24)
2. 1 Das Verhältnis der KPD zu den Bauern 1919/1920
Otto Grotewohl kennzeichnet in einer Untersuchung der Novemberrevolution die politischen Fehler der KPD und hebt in diesem Zusammenhang besonders die "Geringschätzung und Vernachlässigung der politischen Arbeit unter den Bauern" hervor.(12/102) Hierbei handelte es sich allerdings um ein Teil des Erbes aus der Sozialdemokratie, von dem die KPD sich erst wie auch in anderen Fragen entledigen mußte. So gab es nämlich in der SPD neben dem allgemeinen Programm zu keiner Zeit vor der Spaltung der Arbeiterbewegung ein spezielles Agrarprogramm. Wohl kam es 1909 zur Gründung des Deutschen Landarbeiterverbandes, der aber völlig unter dem Einfluß der Revisionisten stand. Wenn auch die am 12.11.1918 vom Rat der Volksbeauftragten proklamierte Aufhebung der Gesindeordnungen und Ausnahmegesetz ein Fortschritt darstellte, wurde gleichzeitig durch die Schaffung von "Bauern- und Landarbeiterräten", die den Auftrag hatten, Ruhe und Ordnung auf dem Lande zu sichern, die durch den Zusammenbruch der Monarchie ausgelöste revolutionäre Gärung kalmiert und kanalisiert. In dem rapiden Anwachsen der Mitgliederzahlen des Landarbeiterverbandes findet sich in gewisser Weise ein Ausdruck, wo eine tatsächlich erfolgreich revolutionäre Politik hätte greifen können.
Mitgliederzahlen des sozialdemokratischen Landarbeiterverbandes:1912 17.023 1913 19.077 1914 17.790 1915 8.972 1916 7.107 1917 7.180 1918 9.923 1919 624.935 (37/195)Dagegen standen aber mindestens, will man Leistungen und Fehler der KPD beurteilen, zwei Gründe. Zum einen die schweren Verfolgungen, denen die junge Partei von ihrer Gründung an ausgesetzt war, zum anderen die theoretische Unreife, gemessen an dem, was an praktischen Erfahrungen und theroretischer Fundierung aus der Oktoberrevolution vorlag. Hinzu kam, daß die Gründung der KPD aus der objektiven Situation der verschärften Klassenauseinandersetzungen zur Notwendigkeit geworden war, so daß dieser im Nachhinein als ein dem Liebknechtschen Prinzip "Erst Klarheit dann Einheit" entgegengesetzter Akt, also als reine Sammlung aller Revolutionäre in einem organisatorischen Rahmen beurteilt werden muß. Allein die Spartakusgruppe hatte vor der Gründung der KPD versucht, deutlich zu machen, daß revolutionäre Politik Losungen und Forderungen auch und gerade für den Agrarsektor bereithalten muß. (vgl.z.B.10/468)
Demgemäß forderte R.Luxemburg auf dem Gründungsparteitag der KPD: "Es muß jetzt Ernst damit (Landagitation - d. Verf.) gemacht werden, nicht bloß aus dem Gesichtspunkt heraus, weil wir ohne Landwirtschaft nicht sozialisieren können, sondern auch, weil, wenn wir jetzt die letzten Reserven dar Gegenrevolution gegen uns und unsere Bestrebungen aufgezählt haben, wir eine wichtige Reserve noch nicht aufgezählt haben, das Bauerntum." (33/173)
In einigen Regionen entstanden auch tatsächlich Bauarnräte, die losgelöst von der Sozialdemokratie Forderungen nach Sozialisierung des Großgrundbesitzes erhoben. So in Oberschwaben und Teilen Schlesiens, sowie in Hannover (12/70f). Über mehrere Landkreise Pommerns wurde wegen zunehmender Radikalisierung von Teilen der Bauernschaft der Ausnahmezustand verhängt (40/232). Gerade auch am Verlauf der Münchner Räterepublik ist nachweisbar, wie die Stellung breiter Teile der Bauernschaft zum in Bewegung geratenen Proletariat war. An der Bildung der ersten Räteregierung beteiligte sich der Bayrische Bauernbund neben USPD und Anarchisten. In diesem Schritt, der direkt gegen die alte Staatsmacht zielte, kulminierten aber lediglich die Hoffnungen der Bauern, eine Beseitigung der Kriegszwangswirtschaft durchzusetzen. Um die Versorgung in den Städten sicherzustellen, konnte diese jedoch nicht aufgehoben werden, sondern den landesweit entstandenen Bauernräten wurde statt dessen seitens der Räteregierung die Aufgabe übertragen, die Lebensmittelrequirierung vorzunehmen. Indem sich somit der Widerspruch zwischen den ökonomischen Interessen breiter Teile der Bauern nicht löste, sondern noch verschärfte, schieden sie aus der Räteregierung aus und gingen auf die Seite der Konterrevolution.
Geschuldet den theoretischen Schwächen der jungen Partei gab es auch kein klassananalytisch fundiertes Verständnis von den Beziehungen auf dem Lande. Im ersten Agrarprogramm der KPD, angenommen am 5.12.1920 auf dem Vereinigungsparteitag, spiegelt sich dies in der Weise wider, als rein plakativ von "Zerbrechen des Privateigentums" und der "Aneignung des Landes" die Rede ist (10/606). Folglich war die Partei auch nicht in der Lage, Forderungen für die unmittelbaren Nöte der unterdrückten und ausgebeuteten Schichten auf dem Lande zu entwickeln.
Entsprechend schwach war aus all diesen Gründen die politische Praxis der Jungen KPD auf dem Lande. Der Beginn einer in Ansätzen systematisierten politischen Arbeit auf dem Land datiert vom Juli 1919, als die KPD eine "Landabteilung" bei der Zentrale einrichtete und die von Edwin Hoernle redigierte Zeitschrift "Pflug" herausgab. Danach verfaßte Hoernle im Herbst 1919 eine Agitationsschrift "Bauer, wo fehlt's ?". Obwohl hier konkreter auf die Lage der Bauern eingegangen wurde, war den Herausgebern der Adressat eigentlich unklar in der Sinne als man sich mit Allem an Landarbeiter und Kleinbauern zugleich wandte. Hinzu kam, daß Bezirke und Ortsgruppen dieses Material gar nicht oder kaum einsetzten und somit die minimalsten Erfordernisse einer politischen Alltagsarbeit vernachlässigten (vgl.15).
Infolgedessen strukturierte die Partei um. Sie gab ab 1920 eine eigene Landarbeiterzeitung "Der kommunistische Landarbeiter" heraus. Ab 1920 wurden den jeweiligen Landesbezirken Landessekretäre zugeordnet, die die politische Arbeit vor Ort anleiten sollten. Nur diese Anstrengungen blieben - abgesehen von objektiven Hindernissen wie fehlende Verkehrsmittel, Geldmangel der Partei, fehlendes Pressewesen auf den Dörfern, lokale Vormachtstellung von Kirche und Großagrariern, unbestimmbare Dauer des Arbeitstages auf dem Lande usw. - schon deswegen auch erfolglos, weil die Partei die auf Lenin zurückgehenden Beschlüsse der Komintern zur Agrarfrage vom 4.3.1920 gar nicht auf die Situation im eigenen Land schöpferisch anwandte, sondern im Sinne eines formalen Aktes lediglich auf dem drei Monate später durchgeführten Parteitag übernahm. Wie fehlerhaft dies geschah, wird allein schon aus dem Verständnis vom bäuerlichen Kleinbetrieb klar. Nach damaliger KPD-Auffassung tauchen die Mittelbetriebe nur marginal auf, was dazu führte, daß mit der Kategorie Kleinbetrieb alle landwirtschaftlichen Betriebe vom Halbproletarier bis zu Teilen der Großbauernschaft erfaßt wurden. (40/244) Eine Erklärung dafür kann nur im Kontext der falschen Analyse der konkreten historischen Situation und Etappenbestimmung gesehen werden. Das dem so war, schien selbst aus dem Schlußwort von A. Thalheimer zum Agrarprogramm heraus: "Es enthält nicht nur Vorschriften für die Übergangszeit bis zur Machtergreifung, auch nicht nur Vorschriften für das, was wir in und nach der Machtergreifung tun wollen, sondern es enthält beides." (2/102)
2.2 Schwankungen - KPD und Bauernpolitik zwischen 1920 und 1927
Auf dem X.Parteitag der KPD im Juli 1925 bezeichnete der KOMINTERN-Vertreter Manuilski unter lebhaften Beifall die Entwicklung der politisch-ideologischen Linie der Partei seit dem Frankfurter Parteitag 1924 als "schwankend" (47/1.13f). Diese Schwankungen waren aber nicht nur typisch für das vergangene Jahr, sondern gerade auch für den Zeitraum seit Parteigründung und weit über das Jahr 1925 hinaus.
Auf ihrem VI.Parteitag 1920 war die KPD durch Fusion mit dem linken Mehrheitsflügel der USPD zur Massenpartei geworden. Die Mitgliederzahlen stiegen durch diesen Zusammenschluß von 73715 auf 359613 (49/155 u.162). Wenige Monate zuvor hatte der II. Weltkongreß der KI die von Lenin entworfenen 21 Bedingungen für die Mitgliedschaft revolutionärer Parteien in der Kl als verbindlich angenommen. Daraus leiteten sich neue Statuten ab, die die jeweiligen Länderparteien zu Sektionen der KI als Weltpartei machten. Damit war der Grundstein für eine Arbeitsteilung zwischen Zentrale und Sektionen gelegt, insofern als die theoretischen, politischen, ideologischen und organisatorischen Konzepte der Mitgliederparteien nunmehr immer durch verbindliche Mitwirkung der Zentrale (EKKI) zustande kamen.
Seit der Novemberrevolution 1918 bildeten die Monopole der Kohle-Eisen-Stah1-Branche und die der Chemie-Elektro-Branche die den Staatsapparat beherrschende Kapitalfraktion, während die Junker - gewisse Spezialprivilegien ausgenommen - ihren Einfluß verloren hatten (23/75f). Im Oktober 1919 setzte eine wirtschaftliche Belebung ein, die sich trotz der Auflagen des Versailler Vertrages noch 1920 verstärkte, um 1922 ungefähr den Produktionsstand von 1913 erreicht zu haben (Vgl. 36/239). Diese Belebung beruhte zu einem nicht unwesentlichen Teil darauf, daß Staatsaufträge vergeben wurden, die nur durch die Notenpresse gedeckt waren. Die inflationären Tendenzen äußerten sich in einem sukzessiven Ansteigen der Preise, die sich 1921 gegenüber 1920 verdoppelten dann 1922 auf das vierzigfache zu steigen und 1923 ins "Endlose" zu klettern. (vgl. 27/119f). Entschuldung und Kapitalkonzentration waren die von der besitzenden Klasse gewünschten Folgen. In diesem Zusammenhang kam es zu einer Scheinprosperität im Agrarsektor, insofern als zwar einerseits eine Entschuldung sich vollzog, aber gleichzeitig die bäuerlichen Betriebe ihrer liquiden Mittel und Sparguthaben beraubt wurden (40/43). Die gesamte ökonomische Entwicklung von der Novemberrevolution bis 1924 war begleitet von schärfsten Klassenauseinandersetzungen, sei es der Kapp-Putsch, seien es die Märzkämpfe 1921 bis hin zum mißglückten Hamburger Aufstand im Oktober 1923. Massenstreiks von Hunderttausenden bis hin zu Generalstreiks, bewaffneten Kämpfen, Ausnahmezuständen, und Putschversuchen kennzeichneten diese Phase.
Die KPD hatte seit ihrer Gründung gegenüber den anderen KI-Parteien die schwere Aufgabe, sich auf eine innenpolitische Entwicklung einzustellen, die aufgrund der besonderen politischen und ökonomischen Entwicklung eine gründliche Untersuchung nötig gemachte hätte. Da, wie aus der Gründungsphase der KPD deutlich wird, das Verhältnis von Klassenanalyse und Programm gar nicht begriffen war, überließ man verständlicherweise der KI die Grundlinien der theoretischen Einschätzungen und sah besonders ab dem II. KI-Kongreß die eigene Hauptaufgabe in der politisch-organisatorischen Umsetzung. Die auf der Oberfläche der Gesellschaft in äußerster Heftigkeit auftretenden Klassenauseinanderisetzungen waren demnach auch in erster Linie der Hauptbezugspunkt in der Strategiedebatte. So turbulent wie sich die politischen Konstellationen wandelten, so rasant waren die Linienschwenks der KPD.
Als für die KPD 1920 die sogenannte Einheitsfrontpolitik im Vordergrund stand, löste sie ihren "Verband der kommunistischen Landarbeiter und Kleinbauern" auf und engagierte sich im sozialdemokratischen Deutschen Landarbeiterverband. Als rund 60000 mecklenburgische Landarbeiter sich von dem Verband abspalten wollten, da sie sich im Widerspruch zur sozialdemokratisch geführten Arbeitsgemeinschaftspolitik mit den landwirtschaftlichen Unternehmern befanden, trat die KPD diesem Schritt energisch entgegen. 1921 setzte der sozialdemokratische Oberpräsident Hörsing in Mitteldeutschland Polizeieinheiten gegen streikende Arbeiter in Gegenden ein, wo die KPD ihre Hochburgen hatten. Die KPD reagierte daraufhin mit bewaffneten Aufstandsversuchen. Obwohl diese Aufstände scheiterten, entwarf die KPD-Führung unter Thalheimer die Theorie von der Offensive.
Bis 1922 war die KPD damit beschäftigt durch Umgruppierungen in der Führung wieder zur Einheitsfrontpolitik zurückzukommen - allerdings ohne innere Geschlossenheit, sondern mit den in den jeweiligen Parteiflügeln um Brandler auf der einen und Ruth Fischer auf der anderen Seite diametral entgegengesetzten Auffassungen. In dieser Phase ging die Bauernpolitik der KPD gegen null. Ende 1922 wurde die Abt. Land der Gewerkschaftsabteilung angegliedert und damit zunächst eine auf auch Kleinbauern bezogene Politik aufgegeben. Selbständige Regungen, wie die 1922 doch erfolgte Abspaltung von Landarbeitern aus dem sozialdemokratisch dominierten Verband, wurden rein organisatorisch gewendet, indem eine Auffangorganisation gegründet wurde. Auf den fast vierwöchigen Streik (!) im Sommer 1923, von 120.000 schlesischen Landarbeitern wegen Lohnerhöhungen , dem größten der Nachkriegsperiode überhaupt, hatte die KPD praktisch keinen Einfluß. Als die massenhaften Streiks in der Industriearbeiterschaft hinzukamen und die Partei in Wahlkreisen, in denen sie bisher schwach vertreten war, zu erheblichen Wahlerfolgen kam, stellte sie der Reichsregierung unter Cuno am 11.7.1923 ein Rücktrittsultimatum und propagierte als Alternative eine "Arbeiter- und Bauernregierung". Am 12.8.1923 drohte die KPD mit Generalstreik. Zum gleichen Zeitpunkt reichte Cuno seine Demission ein. Der am nächsten Tag sofort neu gebildeten Reichsregierung trat die SPD mit Hilferding und Schmidt als Minister bei. Die KPD begann sich auf den Sturz dieser Regierung vorzubereiten. Im Zuge der zugespitzten politischen und ökonomischen Krisenerscheinungen entstanden spontan selbständige Kleinbauernorganisationen. Die KPD, die bis dahin keine Kleinbauernpolitik mehr geführt hatte, versuchte, diese Bewegungen organisatorisch an sich zu binden. Gestützt auf die 13 deutschen Kleinbauern, die von 10.-16.10. 1923 in Moskau am I. Internationalen Bauernkongreß teilgenommen hatten, wurde im selben Monat in Weimar eine Konferenz der "schaffenden Landwirte Pächter und Siedler" durchgeführt, der zur sofortigen Gründung eines Verbandes selbigen Namens führte, dessen Mitgliederstand nie über 20 000 erreichte. (40/247)
In völliger Verkennung der Kräfteverhältnisse und des eigenen Einflusses begann die KPD am 23.10.1923 in Hamburg mit dem bewaffneten Aufstand, der nach zwei Tagen völliger Isolation abgebrochen wurde. Am 23.11.1923 wurde die KPD verboten. Im Reich herrschte quasi eine Militärdiktatur; Reichswehr, Stahlhelm und andere Verbände terrorisierten die Bevölkerung. am 1.12.1923 wurde eine neue Reichsregierung unter Ausschluß der SPD berufen, die unter direktem Einfluß der Monopolbourgeoisie stand. Mit Hilfe von 63 Verordnungen auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes wurden die Sozialausgaben rigoros gesenkt und das durchschnittliche Reallohneinkommen auf 20%, bezogen auf die Vorkriegszeit, herabgedrückt, ferner der Arbeitstag in vielen Bereichen erheblich verlängert. Innerhalb eines halben Jahres wurden in öffentlichen Dienst von 1,5 Millionen Beschäftigten rund 370 000 entlassen.(11/11ff) Der englische Imperialismus, der sich in Gegensatz zu den Hegemonieansprüchen des französischen Imperialismus bewegte, honorierte die Konsolidierungspolitik des deutschen Monopolkapitals postwendend mit einem 100 Millionen RM-Kredit im Januar 1924. Der Kapitalismus trat offensichtlich in eine Phase der Stabilisierung ein, die er auf Kosten der breiten Volksmassen finanzierte und gleichzeitig die innenpolitischen Verhältnisse mit schärfsten Repressionen konsolidierte. Aus diesen Gründen blieb jedoch die Nachfrage in Bereich der Lebensmittelindustrie schwach. Durch die Kriegswirtschaft ruiniert, in der Inflation nur vorübergehend stabilisiert, jedoch der liquiden Mittel beraubt, waren die landwirtschaftlichen Klein- und Mittelbetriebe nicht in der Lage angesichts des hohen Preisniveaus industriell gefertigte landwirtschaftliche Hilfsmittel zu erwerben, geschweige denn in Bauleistungen, Maschinen und Werkzeuge zu investieren. Es begann die chronische Agrarkrise.(36/254ff)
In der KI setzte; überschattet durch die rein pragmatisch geführte Debatte über das Scheitern dar KPD-Politik 1923, eine theoretische Durchdringung des Zustands und der Entwicklungstendenzen des Weltkapitalismus ein. Unter Zugrundelegung der Leninschen Imperialismustheorie war es insbesondere Eugen Varga, der sich fortan dieser Aufgabe widmete. 1924 veröffentlichte Varga eine erste umfassendere Untersuchung zum Problem 'Niedergangsperiode' des Kapitalismus. In dieser Untersuchung arbeitete er den engen Zusammenhang von allgemeiner Krise des Kapitalismus und Agrarkrise heraus:
"Die ökonomische Ursache der Agrarkrise ist die sogenannte 'Schere', d.h. die entgegengesetzte Entwicklung der Preise der landwirtschaftlichen und industriellen Produkte in der Nachkriegszeit.... Die Ursache dieser verschiedenen Preisbildung der landwirtschaftlichen und industriellen Produkte ist vor allem die im Kriege und in der Nachkriegszeit in außerordentlichem Maße erfolgte Monopolbildung in der Industrie... Durch Kartell- und Trustbildung wird der Preis der industriellen Produkte der freien Konkurrenz immer starker entzogen, und der Profit der organisierten Industriezweige auf Kosten der freigebliebenen erhöht. Eine monopolistische Preisbildung ist infolge des Umstandes, daß ungezählte Millionen selbständige Produzenten bestehen, ausgeschlossen... Auf diese Weise verknüpfen sich die Agrarkrise und die Krise des europäischen Kapitalismus aufs engste." (45/33ff)
Varga prognostizierte für die zukünftige Entwicklung in Deutschland folgenden Widerspruchszusammenhang:
"Die deutsche Landwirtschaft ist in schwerer Not und diese Not wird noch dadurch vermehrt, daß keine Kredite aufzutreiben sind, da die ganze deutsche Wirtschaft an Kapitalnot leidet. Die Großgrundbesitzer suchen den Ausweg durch Wiedereinführung von Agrarschutzzöllen. Dies würde zwar der Landwirtschaft bzw. den Grundrente-Empfängern helfen, würde aber andererseits wegen Erhöhung der Lebensmittelzölle die Lage des deutschen Proletariats verschlechtern, und zu großen Lohnbewegungen führen. Eine Erhöhung der Arbeiterlohne würde andererseits die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie vermindern und die Krise der Gesamtwirtschaft verschärfen." (45/40)
Diese scharfsinnigen Untersuchungen blieben jedoch für die innerparteiliche Liniendebatten der KPD, wie sie in enger Zusammenarbeit mit der KI zwischen 1924 bis zur Bildung des "Thälmann-ZK" am 1.11.1925 geführt wurden, völlig ohne Belang. Die als Bolschewisierung der Partei bezeichnete Etappe der inneren Entwicklung der KPD verkürzte den Leninismus in der Parteifrage auf die organisatorische Seite. Zwar wurde die Partei ab ihrem X.Parteitag nun endgültig auf die demokratisch-zentralistische Betriebszellenstruktur ausgerichtet, aber der Zusammenhang von Klassenanalyse und Programm blieb nach wie vor unbegriffen. So bestimmte der Zentralausschuß der KPD, der mit seinen Thesen im Februar 1925 auf die Bolschewisierung der Partei orientiertee, als Hauptaufgabe der Partei eine rein politisch praktische: ''Die Hauptaufgabe der Partei liegt auf dem Gebiete der Gewerkschaftsarbeit....Jeder Kommunist muß: a) in der Gewerkschaft energischste, sachlichste politische Arbeit neben ebensolcher gewerkschaftlicher leisten b) mindestens fünf unorganisierte Arbeiter in die Gewerkschaft bringen....usw. usf." (48/25) Genauso pragmatisch wurde die "Landarbeite" bestimmt: " Wir müssen den Bauern und Landarbeitern beweisen, daß wir nicht gewöhnliche Stimmjäger sind, und sie uns zu Verbündeten machen. Genaues Studium ihrer Sorgen und Nöte, Patenschaft großer Betriebe über Dörfer, persönlich feste Bindungen, Versorgung mit Literatur....usw. usf." (48/27) In seiner Stellungnahme zum X. Parteitag ging E.Hoernle über diese Ebene nicht hinaus, sondern fügte für die "Landarbeit" nur weitere Praxisvorschlage hinzu: "Die roten Landsonntage müssen unbedingt zu einer ständigen, sich regelmäßig wiederholenden Einrichtung der Partei gemacht werden...Vor allem ist es wichtig, daß man Beschwerden und Klagen sorgfältig notiert und dem Landvertrauensmann zur weiteren Behandlung übergibt....unsere wichtigste organisatorische Aufgabe auf dem Lande ist deshalb die Sammlung der Werktätigen Bauernschaft in selbständigen Interessenverbänden ...usw. usf." (16/47ff)
Demgegenüber standen die ersten theoretischen Arbeiten von E.Hoernle, die aus der gleichen Zeit datieren, relativ unvermittelt zur Parteipraxis. Auf dem Hintergrund der Vargaschen Prognose untersucht er in seinem Aufsatz "Die Industrialisierung der Landwirtschaft" das Verhältnis von Großagrariern und Kleinbauern unter dem Gesichtpunkt der "Kreditnot" und kommt zu dem Ergebnis, daß die durch Krieg und Nachkriegssituation gehemmte Kapitalisierung der Landwirtschaft nun unter den Bedingungen des sich stabilisierenden Kapitalismus zu folgenden Erscheinungen führt:
- die Einrichtung der Rentenbank-Kreditanstalt 1925 leitet eine neue Etappe der Industrialisierung und Kapitalisierung in der dt. Landwirtschaft ein
- die Zollpolitik der Reichsregieruns sichert den Agrarkapitalisten ihre profitable Teilnahme am "Binnenmarkt"
- der Großbauer - besonders in Westdeutschland - wird zum Kaufmann und Agrarfabrikanten
- das Finanzkapital dringt in den Agrarsektor ein mit dem Ziel den Lebensmittelmarkt zu monopolisieren
- dieser Prozeß wird begleitet sein von zunehmender Proletarisierung und dem Untergang von bäuerlichen Kleinbetrieben (37).
Trotzdem überwog in der KPD letztlich die alte Vorstellung aus der Gründungsphase, daß es ausreichend sei, politische Verankerung mittels organisatorischer Schritte vollziehen zu können. Indem nach wie vor eine klassenspezifische Bestimmung der Landarbeit nicht vorgenommen wurde, erhob sich die 1925 bolschewisierte Partei nicht über das theoretische Niveau, welches R.Luxemburg in der Bauernfrage auf dem Gründungsparteitag zum Ausdruck gebracht hatte, nämlich das Verhältnis der anderen Klassen und Schichten zum Proletariat allein unter dem Gesichtspunkt der Reserven für die Revolution zu bestimmen. Diesem Unverständnis von leninistischer Bündnispolitik entsprach die politische Praxis der Partei auf dem Lande.
Hatte man 1924 mit Mühe und Not die Arbeitsgemeinschaft schaffender Landwirte, Pächter und Siedler zustande gebracht, schuf man sogleich Verbandszeitung und Einkaufsgenossenschaft. (40/248) Als im Zuge der sich verschärfenden Agrarkrise im August/September 1924 unter Mitwirkung der KPD in der Rhön einmal 100 und dann 500 Bauern sich versammelten, um Forderungen zur Verbesserung ihrer Lage zu beschließen, bestand die darauffolgende Debatte in der KPD ausschließlich aus der strategisch-taktischen Problematik, wie sich verhalten, wenn aus diesen Aktivitäten sich eine Kleinbauernpartei entwickeln würde? (40/243f)
Um diese Bewegungen der Kleinbauern an sich zu binden, im Deutschen Landarbeiterverband machte man unauffällige kommunistische Fraktionsarbeit, berief die Partei mit Hilfe des Bundes schaffender Landwirte einen Kleinbauernkongreß in Königswalde am 25.1.1925 ein, an dem rund 700 Bauern teilnahmen. Diesem Kongreß waren zahlreich« kleine Veranstaltungen vorausgegangen. Auf dem Königswalder Treffen vertrat der kommunistische Reichstagsabgeordnete Obendieck die Auffassung, daß allein die KPD in den Parlamenten die Interessen der werktätigen Bauern korrekt vertreten habe und propagierte das Bündnis der Arbeiter und Bauern. (9/173) Diese Vorstellung -fand dann ihre organisatorische Ausformung am 1.10.1925 in der Gründung des "Reichsbundes der Kleinbauern" mit dem Ziel, in dieser Organisation die verschiedenen Bauernorganisationen zusammenzufassen und ein Gegengewicht zum reaktionären ''Reichslandbund" zu schaffen. Im Winter 1925/26 kam es in mehreren Orten Westdeutschland zu heftigen Aktionen von Bauern und Winzern. Für die KPD war dies Indiz genug, um von einer " "Linksorientierung breiter Klein- und Mittelbauernmassen" zu sprechen. Hauptforderung an die Parteimitglieder war demnach: "Schaffung einer breiten linken Bauernbewegung in scharfer Opposition zum Finanz- und Agrarkapital, um so die Stellung der Bourgeoisie gegenüber dem Proletariat zu schwächen und eine Reserve für die kämpf ende Arbeiterklasse vorzubereiten."(40/253)
Im Oktober 1925 billigte die Preußische Regierung unter Mitwirkung sozialdemokratischer Minister den Hohenzollern rund 155 Millionen RM als Entschädigung zu. Einen Monat später ergriff die DDP im Reichstag eine Initiative, um eine gesetzliche Regelung der Ansprüche der Fürsten, die sich auf ca. 2,5 Milliarden RM im gesamten Reich beliefen, zu erwirken. Die KPD konterte mit einem Gesetzentwurf auf entschädigungslose Enteignung. Als im Reichstag beide Anträge durch Überweisung an den Rechtsausschuß verschoben wurden, entschied die KPD, eine Einheitsfront zwischen den Arbeiterparteien und Gewerkschaften für ein Volksbegehren zum Zwecke der Fürstenenteignung in Gang zu bringen. Nach zahlreichen Schwenks der SPD kam es zur Einigung. Am 25.l.1926 beantragten Vertreter beider Arbeiterparteien das Volksbegehren beim Reichsminister des Inneren.
Zur gleichen Zeit beschloß die Konferenz der Bezirkssekretäre der KPD und der politischen Redakteure die Fürstenenteignungskampagne so zu fuhren, daß eine breite Volksbewegung auf dem Lande entsteht. Propagandistisch wurde dies mit dem auf der ersten Seite der Roten Fahne am 14.2.1926 abgedruckten ZK-Aufruf "Das Gesicht den Dorfe zu!" eingeleitet.
Der Aufruf unterschied eindeutig zwischen Landarbeitern und werktätiger Bauernschaft und stellte demgemäß unterschiedliche ökonomische und politische Teiiforderungen auf, die sich an der Klassenlage der Adressaten orientierten. Für die "werktätigen Bauern" forderte die KPD Steuerfreiheit, billige und langfristige Kredite, zur Verfügung stellen von Boden aus dem Großgrundbesitz, staatlich garantierte Düngemittel- ,Saatgut- und Futtermittelbelieferung, sowie Ausschaltung des wucherischen Zwischenhandels mittels Genossenschaften. An die Landarbeiter gerichtet: Gesetzlichen Mindestlohn. Verbot von Frauen- und Kinderarbeit, uneingeschränktes Koalitionsrecht, Einhaltung des Achtstundentages, Gleichstellung der Landarbeiter mit den Industriearbeitern in der Sozialversicherung und Verstaatlichung der Gutswohnungen.(50)
Diesen eher klassenanalytisch bestimmten Forderungen war eine innerparteiliche Diskussion vorangegangen, in der sich Hoernle erklärend zur Agrarfrage äußerte:
"Die Bauernschaft ist in Deutschland in der Minderheit. Was aber die soziale Struktur anbetrifft, so ist sie im wesentlichen dieselbe wie in Rußland.... Es ist Unsinn zu behaupten, daß die Masse der deutschen Bauern 'Kulaken' sei. Kulakenwirtschaften gibt es in Deutschland , wenn es hochkommt, rund 250.000, d.h. Wirtschaften, deren ökonomische Grundlage trotz persönlicher Mitarbeit des Besitzers und seiner Familie in der Hauptsache auf der Ausbeutung fremder Lohnarbeit beruht... Ein Fünftel der Bauernschaft ist auf Pachtland ganz oder teilweise angewiesen. Gerade wir Kommunisten müssen scharf dagegen ankämpfen, daß der Proletarier im Klein- und Mittelbauern den 'Besitzenden' sieht... Warum» kann die Partei heute noch so schwer Einfluß gewinnen bei den Kleinbauern Thüringens und im Erzgebirge? Wesentlich deshalb, weil im Herbst 1923 die Kontrollaussschüsse und Betriebsräte der Bauernschaft gegenüber eine grundverkehrte Taktik verfolgten, weil häufig genug erwerbslose Proletarier nicht bei Großbauern, sondern bei Klein- und Mittelbauern 'requirieren' gingen." (18/20-23)
Tatsächlich entstand eine breite Volksbewegung gerade auch auf dem Lande. 14,5 Millionen Wähler stimmten gegen die Fürstenabfindung. Das waren mehr Stimmen als KPD und SPD jemals in der Zeit der Weimarer Republik zusammen erreichten. Die KPD richtete wieder zentrale und Landessekretariate ein und systematisierte ab da kontinuierlich ihr politisches Eingreifen auf dem Lande. Diese Wende wurde auf dem XI.Parteitag der KPD in März 1927 sichtbar, als erstmals die Partei die Bündnisfrage zwischen Proletariat und Bauern leninistisch definierte:
"Zur Organisierung der Revolution gehört auch, daß die Kommunistische Partei die Führerin des Landproletariats, der Landarbeiter und armen Bauern wird..." (7/39)
Die richtige Bestimmung des Verhältnis de» Proletariats gegenüber den anderen Klassen und Schichten als führend aufgreifend, begründete Hoernle den Antrag 35 eine dauernde Agrarkommission einzusetzen, deren erste Aufgabe es sein sollte, der Partei ein Agrarprogramm zu schaffen. Dies entsprach der Kritik von auf dem Lande arbeitenden Genossen, daß das alte Agrarprogramm von 1920 mangelhaft sei und unbedingt revidiert werden mußte. Der Antrag 35 wurde bei einer Enthaltung einstimmig angenommen. (3/411f)
2.3 Momentane Annäherung - kommunistische Bauernpolitik zwischen 1923 und 1933
Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Am Ende der Weimarer Republik verfügte die KPD über rund 500 Ortsbauernkommitees, ca. 3000 Landarbeiter,(2%) und 140 Bauern (0,15%) waren Parteimitglieder.(40/257) In den ländlichen Regionen mit mehr als 40 % Anteil an Landbevölkerung - Nord- und Südbayern, Ostpreußen und Pommern - erhielt die KPD im Durchschnitt ca. 11,5 % der Stimmen bei den Reichstagswahlen im November 1932 , während das Gesamtergebnis bei 16,9% lag. (47/362-395) Daraus jedoch bereits den Schluß zu ziehen, der KPD sei es - wenn auch spät - gelungen, eine erste systematische Verankerung auf dem Land zu vollziehen, hieße in die affirmative Schiene bisheriger westdeutscher ML-Geschichtsschreibung zu verfallen. Hatte zwar der XI.Parteitag der KPD endlich richtungsweisende Beschlüsse in der Agrarfrage gefaßt, blieben diese jedoch , wenige Monate ausgenommen, wie zu zeigen sein wird, im wesentlichen unerfüllt.
Oberflächlich betrachtet erschien der Kapitalismus 1923 noch relativ stabil. So lag die Industrieproduktion im Durchschnitt noch über dem Vorkriegsstand.(11/151) Auch stieg die Arbeitsleistung pro Stunde bis auf 40% über den Stand von 1924 an.(28/207) Dennoch blieb der Lebensstandard, besonders in der Bauernschaft, gerade auch wegen der chronischen Agrarkrise hinter dem Vorkriegsniveau zurück. Dadurch zeichneten sich allerdings die Begrenzungen des inneren Marktes - d.h. die drohende Überproduktionskrise - schon deutlich ab. So war es dann auch Varga, der "die große Weltwirtschaftskrise als notwendige Folge der vorausgegangenen Konjunkturphasen treffsicher" (1/XIX)voraussah. 1934 umriß Varga nachträglich dazu nochmals die "allerwichtigsten Momente" :
- "1. Infolge der chronischen Agrarkrise fortschreitende Einschränkung der Kaufkraft der landwirtschaftlichen Bevölkerung für Industriewaren.
- 2. Chronischer Überfluß an Kapital, vor allem an industriellem Kapital (ständige Unausgenütztheit großer Teile des Produktionsapparates), aber auch an Handelskapital ("Überbesetzung des Handels") und an Leihkapital (mit Ausnahme der akuten Phase der Kreditkrise).
- 3. Chronische Massenarbeitslosigkeit, die im Gegensatz zur industriellen Reserverarmee der Epoche des Industriekapitalismus auch in der Prosperitätsphase nicht verschwindet und - von der zyklischen Bewegung abgesehen - immer mehr anwächst."
(46/236)Seiner Auffassung nach, wodurch er nachhaltig auch die Diskussionen zum Agrarprogramm der KPD beeinflußte, kann unter solchen kapitalistischen Bedingungen die Agrarkrise nicht beseitigt werden, da alle ökonomischen Maßnahmen, die dies ermöglichten, "aus politischen Gründen für die Bourgeoisie ungangbar" (46/272ff) sind.
Die Überproduktionskrise wurde sichtbar, als im Frühjahr 1929 ausländische Devisen vom deutschen Kapitalmarkt abgezogen wurden. Die daraufhin eintretende Finanzkrise - es waren immerhin rund 26 Mrd. RM kurz-fristig kreditiert gegenüber 1,7 Mrd. RM langfristigen Reparationszahlungen - verschärfte sich 1930/31 durch die "manifeste Überakkumulation". (43/37f) Daß es sich nicht am eine Handelskrise handelte, zeigte sich an der Handelsbilanz, die ab 1930 sogar positiv wurde, weil die Importe stärker zurückgingen als die Exporte.(4/27) Diese Krise war offensichtlich eine aus den Widersprüchen der inländischen Kapitalentwicklung entspringende. So gingen die Inlandsverkäufe der wichtigsten Industrien zwischen 1929 und 1932 um 50 % zurück, wahrend das Nationaleinkommen infolge der riesigen Massenarbeitslosigkeit um 40 % absank. (4/32) Daß diese Krise eine permanente Legitimationskrise der herrschenden Klasse darstellte, zeigte sich durch den Übergang von der parlamentarischen Herrschaftsform zur Präsidialdiktatur im März 1930, die aus dem Zwang zur Bewältigung der ökonomischen Krise unter den Bedingungen sich verschärfender Klassenkämpfe unabdingbar wurde. Die Abwälzung dar Krisenlasten durch eine Reihe von Steuererhöhungen zu Lasten der Werktätigen mithilfe der Brüning-Diktatur waren hierfür ein markanter Ausdruck. Die Lähmungen der Massenkaufkraft wirkten sich direkt auf den Agrarsektor aus und verschärften die seit Jahren vorhandene Agrarkrise. "Zum ersten Mal seit vielen Jahren beobachten wir gleichzeitig in der Stadt und auf dem Lande eine Verzweifelungsstimmung in den Massen des deutschen Volkes."(27/ 129) Während das "Osthilfeprogramm" die Junker und Großagrarier vor Bankrott und Zwangsversteigerung bewahrte, stürzten die Klein- und Mittelbauern in immer größeres Elend, denn die Erhöhung dar Getreidepreise verringerte nicht nur die Kaufkraft der Arbeiterklasse, sondern schränkte in ungeheuren Maße die viehwirtschaftliche Warenproduktion der Klein- und Mittelbauern ein, da sich infolge dessen die Futterpreise erhöhten. (36/290) Die Krise war von den Verwertungsschwierigkeiten der Rohstofftrusts Kohle-Eisen-Stahl ausgelöst worden. Hieraus erfolgte innerhalb der politischen Parteien des Bürgertums schon seit 1928 sichtbar die Zunahme von Widersprüchen und der Versuch dieser Kapitalfraktion, die Hegemonie im Bürgerblock zu sichern.(31) Infolge dieser inneren Widersprüche orientierten die Rohstofftrusts ab Ausbruch der offenen Krise auf eine terroristische Diktatur als die für die Lösung ihrer Verwertungsschwierigkeiten adäquaten Herrschaftsform. Eingeleitet am 11.10.1931 durch die Gründung der "Harzburger Front", an deren Bildung die NSDAP, die Deutschnationalen, Vertreter des großagrarischen Reichslandbundes, SA, Schacht, v. Seeckt, der Führer der Alldeutschen und Vertreter der Rohstofftrusts wie Poensgen mitgewirkt hatten, kam es in Gefolge der Rede Hitlers am 27.1.1932 vor dem Düsseldorfer Industrieclub zur politischen 'Verschmelzung von Monopolkapital und faschistischer Massenbewegung.( 28/122f)
Die KOMINTERN, die sich von der Vargaschen Theorie des niedergehenden Kapitalismus leiten ließ, erkannte frühzeitig das Ende der relativen Stabilisierungsphase und berief, um ihre Sektionen strategisch und taktisch auf die neue Situation vorzubereiten, für Mitte 1928 den VI. Weltkongreß ein. Da den Sektionen frühzeitig klargemacht wurde, daß es eines neuen Programms für die "Weltpartei" bedurfte, setzte in der KPD eine rege Programnmdiskussion ein. Auch der Agrarspezialist der KPD Hoernle griff in die KI-Programmdebatte ein, um die Bedeutung der Boden- und Bauernfrage für den Programmentwurf hervorzuheben. Er war von der zentralen Bedeutung dieses Programmteils überzeugt und begründete ihn polit-ökonomisch mittels des Marxschen Verständnisses von der Grundrente und den klassenanalytischen Definitionen, die Lenin auf dem II. Weltkongreß eingebracht hatte.(19) Diesen Einschätzungen waren in Sinne des Beschlusses vom XI.Parteitag der KPD auf seiten von Hoernle entsprechende theoretische Vorarbeiten vorausgegangen. So hatte er in einer umfassenden Untersuchung sofort im Anschluß an den XI. Parteitag die Industrialisierungs- und Kapitalisierungstendenzen in der deutschen Landwirtschaft untersucht und als Hauptergebnis einen fortschreitenden Verelendungsprozeß auf dem Lande herausgearbeitet, den er entlang der ländlichen Klassendifferenzierung konkretisierte. Er prognostizierte daraus abgeleitet, die Möglichkeit des Ansteigens der faschistischen Gefahr auf dem Lande. Folglich sah er die Hauptaufgabe der Partei darin, die traditionellen Gegensätze zwischen lohnarbeitenden Bauern und Industrieproletariat abzubauen, die besonders auch noch durch die reformistische "Bauernschutz"-Politik der SPD gefordert wurden.(20/265ff)
Diese Untersuchungsergebnisse fanden ihre Entsprechung in dem im ersten Halbjahr 1928 stattfindenden politischen Gärungsprozeß in der deutschen Bauernschaft. Am 28.1.1923 hatten rund 140.000 Bauern in Schleswig-Holstein gegen Pfändungen und Zwangsversteigerungen demonstriert.(11/16l) Da sich um die Jahreswende 1927/28 die der Klein- und Mittelbauern von ihren ständischen Organisationen in Pommern, Mecklenburg-Strelitz, Oberschlesien, Wriezen (Brandenburg) , Sachsen, Westfalen, Schleswig-Holstein, Bayern und Niederrhein abspalteten bzw. sich innerverbandlich oppositionell organisierten, entstand für die KPD die Notwendigkeit in diese Prozesse führend einzugreifen. Die Crux war jedoch, daß die jahrelangen ideologischen und theoretischen Versäumnisse der Einlösung dieses Anspruches gegenüberstanden. Rau, der bereits seit 1920 Sekretär beim ZK für die Abt. Land war, hatte zwar peinlichst genau dies« Entwicklungen registriert, fand aber im Gegensatz zu Hoernle nur als Antwort den bekaninten Vorschlag "die Linksentwicklung organisieren".(41/60ff) So konnte die KPD auch nur in wenigen Gebieten eingreifen wie z. B. im Januar 1928 in Erzgebirge, wo sie 500 Bauern zu einem Reisevortrag einer Delegation sächsischer Bauern über die UdSSR zusammenholte.(11/161)
Dennoch war die gesamte Entwicklung der bäuerlichen Parteiarbeit infolge des XI.Parteitages stringenter als in allen Jahren zuvor. Die Partei war auf dem Wege, sich die gesellschaftliche Realität auf dem Lande theoretisch und praktisch in systematisierter Weise auf klassenanalytischen Grundlagen zu erschließen und sich der selbstgestellten Aufgabe führend einzugreifen tatsächlich anzunähern. Die Agrarfrage schien von der gesamten Partei als notwendig begriffen worden zu sein. So beantragte die Reichstagsfraktion der KPD an 9.2.1928 eine Reihe gesetzlicher Regelungen die Lage der landwirtschaftlichen Arbeiter betreffend. (9/217)
Der vom 17-.7.28 bis 1.9.28 in Moskau tagende VI.Weltkongreß der KOMINTERM unterbrach mit seiner "neuen" Programmatik die eigentlich erstmalig theoretisch fundierte und systematisch in Angriff genommene Bauernpolitik der KPD, indem für die Sektionen in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern (wie z.B. Deutschland) der unmittelbare Kampf um die Diktatur des Proletariats auf die Tagesordnung gesetzt wurde. "In diesen Ländern ist die politische Hauptforderung des Programms der unmittelbare Übergang zur Diktatur des Proletariats."(11/496) Folglich wurde als Hauptaufgabe die "Eroberung der Mehrheit der eigenen Klasse", die "Eroberung der Gewerkschaften" und die ''Verdrängung der reformistischen Führer aus ihren Positionen" bestimmt. Dennoch wurde in richtiger Weise als Voraussetzung zur Erkämpfung der proletarischen Diktatur die Hegemonie des Proletariats über die "Massen der armen Schichten in Stadt und Land" angesehen. "Die kommunistische Partei muß sich der vollen Unterstützung der dem Proletariat am nächsten stehenden Schichten der Landbevölkerung versichern, d.h. vor allem der Landarbeiter und der Dorfarmut...Was die mittleren Schichten der Bauernschaft betrifft, so soll die kommunistisch« Partei ( in Ländern mit entwickeltem Kapitalismus) die Politik der Neutralisierung verfolgen."(11/498)
Die gesamte Neuorientierung der Partei hin zu einer Offensive warf die KPD insofern zurück, als diese - wie in den Jahren zuvor - ihrerseits gezwungen war, ohne feste eigene theoretische Fundamente sich eine neue Linie einzuverleiben. Und so bildeten sich hierzu wiederum drei Positionen ( die "rechte" Fraktion um Brandler/Thalheimer, die "Versöhnler" und die ZK-Linie um Thälmann, Neumann, Remmele) heraus (39/221f), deren Kontroversen sich um die Offensivstrategie und die Sozialfaschismustheorie drehten, während die Bundispolitik als nachgeordnete aus dem Zentrum der Parteidiskussion geriet. Die von Hoernle kurz vor Beginn des VI. Weltkongresses am 15.7.28 erhobene Forderung der Herausgabe eines "ausführlichen kommunistischen Agrarprogramms"(21/503) sofort nach dem Weltkongreß sollte nicht einmal drei (!) Jahr« später mit dem» Bauernhilfsprogramm eingelöst werden.
Infolge der KI-Beschlüsse orientierte der 1929 durchgeführte XII.Parteitag der KPD nahezu ausschließlich auf eine Politik im Proletariat mit der taktischen Hauptlosung "Neugründung Roter Gewerkschaften". Die praktische Politik schien erfolgreich und die taktische Linie als richtig zu bestätigen. Über hundertprozentige Steigerungsraten verzeichneten die roten Listen im März 1930 gegenüber 1929. (39/228) Daß die Partei aber nur in 2 % aller Betriebe mit eigenen roten Listen auftreten konnte, fiel in der optimistischen Bewertung unter den Tisch. Als jedoch die Partei in den Betrieben wieder an Einfluß verlor, wo sie die großen Gewinne verbucht hatte, erledigte die KPD dieses Problem, indem nun der innerparteiliche Kampf gegen das "linke" Sektierertum eröffnet wurde.(39/243)
Während die Partei in Betrieb und Gewerkschaft eine kampagnenartige Politik betrieb und in inneren Linienkämpfen zerrissen war - also alles andere als bolschewisiert war, stagnierte die Arbeit auf dem Lande bzw. hatte selber nur.kampagneartige Züge.
Auf dem Internationalen Antifa-Kongreß am 9./10.März 1929 in Berlin beschlossen 24 Bauerndelegierte aus neun Ländern die Durchführung eines europäischen Bauernkongresses (9/236) , der am 27.-29.3.1930 in Berlin mit 82 Delegierten aus 18 europäischen Ländern durchgeführt wird. (9/252) Diesem Kongreß waren verschiedene Mobilisierungsversuche vorausgegangen, so z.B. ein von rund 1000 Bauern besuchter Bauernkongreß in Würzburg am 5.1.1930, in dessen Gefolge die KPD mit der Christlich-demokratischen Reichspartei, einer Splitterpartei mit gewisser regionaler Verankerung in der Bauernschaft, zu einer Vereinbarung über den gemeinsamen Kampf um die "Herstellung der Rentabilität der bäuerlichen Wirtschaft" kam.(40/256) Auch bei punktuellen Anlässen versuchte die KPD, zu einer Verankerung zu kommen. Als 30 Arbeiter aus Kiel zusammen mit betroffenen Bauern Versteigerungen der- Weizenernte verhindern , mobilisierte die KPD am 25.3.1929 zu zahlreichen Kundgebungen in Kiel, Hamburg , Lübeck und Neumünster.(9/244) Zwischen Kampagnenpolitik und punktuellem Eingreifen, ergänzt durch rote Landsonntage, sowie durch vereinzelte Patenschaften zwischen Betriebzellen und Dorfkomitees lag die theoretische Arbeit der Partei weitgehend brach. Auf die sich zwischen August 1929 bis Juli 1930 vehement verschärfenden Klassenkämpfe auf dem Lande bis hinzu Sprengstoffanschlägen, vornehmlich auf Landrats- und Finanzämter, hatte die KPD nahezu keinen Einfluß .(40/162f )
Währenddessen nahm die faschistische Gefahr, d.h. der Einfluß der NSDAP auf dem Lande ständig zu, indem diese sich an die Spitze dieser Bewegungen setzte. (40/164ff) Das ZK der KPD erkannte daraufhin die Notwendigkeit, wieder kontinuierlicher auf dem Lande zu arbeiten. Am 4..6.1930 faßte es dazu einen entsprechenden Beschluß: "Die Mobilmachung der breitesten Massen gegen den Faschismus darf sich nicht auf das Landproletariat beschränken. Die Partei muß insbesondere die Massen der Landarbeiter , das notleidende städtische Kleinbürgertum, die Beamten und Angestellten, die verelendeten Kleinhändler , Kleingewerbetreibenden, Handwerker,die verarmten Kleinbauernmassen in allen Teilen des Reiches gegen den Faschismus und seine ausbeuterische großkapitalistische Politik in den Kampf führen. ... Die Tätigkeit der Partei auf diesem Gebiet ist völlig unzureichend und muß sofort in höchstem Maße verstärkt werden."(11/331)
Dieser ZK-Beschluß mündete in die am 24.3.1930 veröffentlichte "Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes" ein, welche das Aktionsprogramm der KPD von 1923 ablöste. H.Duncker hatte in der Programmdebatte 1928 anläßlich des VI. Weltkongresses nochmals das Verhältnis von theoretischem Teil und politischen Forderungen folgendermaßen in richtiger Weise zusammengefaßt: "Jedes Parteiprogramm muß in seinem wesentlichen Teilen "Prinzipienprogramm" sein ... Daraus folgt, daß bei aller wünschenswerten Aktualität doch das Programm die wirtschaftlichen und politischen Ereignisse von so hoher Warte aus ansehen muß, daß sie in ihren größeren Zusammenhängen gewertet werden. ..Unter diesen Gesichtspunkten muß der theoretische Teil entworfen werden...Für das kommunistische Aktionsprogramm sind dagegen die Ziele der proletarischen Demokratie darzustellen."(8/359ff) Diesen Ansprüchen genügte in keiner Weise die Programmerklärung. Auch unter der Voraussetzung, daß das "Weltprogramm" der KI existierte, konnte sich die Partei nicht aus der Verantwortung entlassen, ein durch klassenanalytische Untersuchung im nationalen Maßstab fundiertes "theoeretisches" Programm zu entwickeln, gerade auch weil die KI selber die Einschätzungen für die hochentwickelten kapitalistischen Länder als "schematisch" bezeichnet hatte.(11/496)
Indem die Partei mit dieser Programmerklärung ihr verkürztes Programmverständnis deutlich werden ließ, stellte sie auch endgültig die qualitativen Weichen für das seit Jahren in Aussicht gestellte Agrarprogramm. Obwohl es auch hier an entsprechenden theoretischen Vorarbeiten mangelte, sah sich die Partei im Mai 1931 genötigt, aus einem Diskussionbeitrag Thälmanns auf der ZK-Sitzung au 14./15.Mai 1931, den dieser in Anschluß an einen Bericht Raus über die Arbeit der Partei auf dem Lande gehalten hatte, eine agrarpolitische Programmerklärung eilends zu verfertigen. In der Öffentlichkeit wurde dagegen großspurig erklärt: "Das Bauernhilfsprogramm der KPD setzt klar die Linie des sozialen und nationalen Freiheitsprogramms vom August 1930 fort."( 51/298) Vergleicht man dieses Programm mit der ZK-Erklärung "Das Gesicht dem Dorfe zu!" von 1926, so fällt auf, daß es sich im Gegensatz dazu um eine klassenunspezifische Aneinanderreihung von ökonomischen Forderungen handelt, die sich in erster Linie auf "kleine und mittlere" Bauern bezieht. Der einzige qualitative Unterschied zu 1926 bestand lediglich darin, das Verhältnis von Proletariat und Bündnisschichten in leninistischen Sinne zu definieren: "Das werktätige Landvolk muß sich unter der Führung der kommunistischen Partei für diese Bauernforderungen einsetzen.."(51/300) Im Kontext dieses Bauernhilfsprogramms jedoch erhob sich dieser Anspruch nicht über das Niveau der Phrase.
Infolgedessen verwickelte sich die Partei unmittelbar danach in eine theoretische Debatte, die besonders in der Parteiöffentlichkeit mittels der Schulungszeitschrift "Der Marxist" bis April 1932 anhielt. Kernpunkte dieser Debatte waren sowohl Fragen der Klassenstruktur auf den Lande, wie auch Probleme marxistischen Erklärung der Agrarkrise. P. Massing, der hierzu die entscheidensten Veröffentlichungen lieferte, faßte dies so zusammen: "Daß die landwirtschaftliche Produktion eine kapitalistische ist, steht außer Frage. Der Streit kann lediglich um den Grad ihrer kapitalistischen Entwicklung gehen."(34/11) In seinen Untersuchungen zur Klassenstruktur kritisierte Massing (35/17-24) besonders die fehlerhaften Darlegungen von Lenz, dem Leiter der Agit/Prop-Abt. beim ZK, der diese in einen Lehrbuch zu Fragen proletarischer Politik (30/76-37) verbreiten ließ.
Auswirkungen auf Politik und Programmatik der Partei hatte diese Theoriedebatte jedoch nicht mehr. Die KPD war zwar zur Massenpartei geworden, doch sie glich einem Koloß auf tönernen Füßen, welcher 1933 der Machtergreifung der Nazis keinen nennenswerten Widerstand entgegensetzen konnte.
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- ZK der KPD, Das Gesicht dem Dorfe zu !, in Rote Fahne von 14.2.1926
- Zur Geschichte der Kommunistischen Partei Deutschland», eine Auswahl von Materialien und Dokumenten aus den Jahren 1914 - 1946, Nachdruck Rotfrontverlag Kiel 1971
[*] Der vorliegende Aufsatz blieb aus folgenden Gründen fragmentarisch: 1985 wollte der Verfasser mit diesen Thesen in die Debatte eingreifen, die in der kommunistischen Gruppe "Neue Hauptseite Theorie" (NHT) vermittelt über Zeitschrift "Aufsätze zur Diskussion" (AzD) zu Fragen der Geschichte der KPD und ihres Faschismusbegriffs geführt wurde. Hierfür erschien es aus damaliger Sicht unverzichtbar zu untersuchen, ob die KPD überhaupt theoretisch auf der "Höhe der Zeit" gewesen war. Die Fragestellung sollte im ersten Teil anhand der Behandlung der Agrarfrage durch die KPD und ihrer Bauernpolitik abgeleitet und dadurch für den zweiten Teil konturiert werden. Der AzD-Redaktion wurde damals das Manuskript des ersten Teils zur Verfügung gestellt. Unter Angabe verschiedener Gründe wurde die Veröffentlichung zunächst verzögert, später abgelehnt. Das Manuskript blieb dann über Jahre verschollen, bis es Anfang der 90er Jahre, der Autor hatte seine Zusammenarbeit mit der NHT längst eingestellt, kommentarlos an den Autor zurückgeschickt wurde.