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>> Der Jude als Antichrist <<

Montag abends in der Urania ­ der Saal war voller Leute , so etwa 120, also mit anderen Worten ein reges Interesse zeigte sich. Prof. Schoeps teilte sein Referat in zwei Teile: Vorher mehr allgemeines und anschließend das oben benannte Haupt Thema, alles natürlich nur in Kurzform. Sogleich ging er auf Goldhagen ein und verband aktuell dazu das Verhalten der bürgerlichen HistorikerInnenzunft. Im Oktober war in München ein Historikertag. Kohl´s revisionistischer Adlatus Lothar Gall, immerhin der scheidende Präsident deselbigen meinte u.a. >es sei genug!< Er verwies in seiner Rede das es doch schon 8.5oo Buchtitel zu dem Thema gebe. Doch welch Kurzzeitgedächtnis oder hat er eine Statistik übersehen ­ allein zu Bismark gibt es 1o.ooo Titel. Noch Fragen? So war es auch nicht verwunderlich, daß es auf dieser Tagung nicht eine Arbeitsgruppe dazu gab, und das trotz aller Goldhagen­Debatte! Prof. Schoeps verwies auf eine Kritik des Historikers Jäckel ­ ich habe einen Auszug aus der neuen Morgengrauen­Ausgabe Nov. 96 ­, sein Resümee: >>es sei ein schlechtes Buch ­ wenig mehr als ein Rückschritt auf längst überholte Positionen, schlimmer noch, ein Rückfall auf das primitivste aller Stereotypen<<. Nun, wer den letzten A­Kurier las, weiß um die historische "Verzahnung" mit Rainer Zitelmann. Prof(i) Schoeps verwies auf Goldhagens entscheidende Frage des >>WARUM<<.

Seine (Schoeps) Frage an die Wissenschaft die seiner Meinung nach noch nicht weitgehend genug erforscht sei, wäre als zuspitzende Formulierungstatsache >die Heilstheologie<. Vor allem daß die völkischen Ideologie ihre Versatzstücke aus dem alten Streit zwischen Christentum und Juden bezog und durch diese mitgeschaffen worden sei. Schon das >Sieg Heil< ließ Hitler als Erlöser und >Messias aller Deutschen< die >Befreiung< verkünden. Der Jude wurde als Antichrist schlechthin verurteilt. Sei sie so erstaunlich , so Prof. Schoeps, die Verbindung von "Kreuz und Hakenkreuz"? Dabei erwähnte er auch daß am 1o. November der Todestag von Luther war. Der thüringische Bischof Sasse griff dies sofort auf um servil (unterwürfig) dem Nazi­Regime zu huldigen und somit nun aus "christlicher Sicht" Luthers Judenfeindschaft offiziell zu äußern. Diese Erkenntnis, die der "heilstheologischen Observationen" seien nach Schoeps Meinung von den HistorikerInnen noch zu wenig an die Öffentlichkeit getragen worden.

Etwas außerhalb des Rahmens wies er auf eine neue Buchausgabe eines englischen Historikers hin, in dem dieser die Biographie Wilhelms des Zweiten erwähnte, in der jener schon 1921 offen vom >>Gas-Einsatz gegen Juden<< sprach. Zurück zur Kirche oder Gnostik = Versuch, die Geheimnisse des Glaubens zu erkunden, esoterisches Erkenntnissystem. Naja, irgendwie gar nicht so inaktuell ­ det janze. Selbst die widerstandsleistende Bekennende Kirche war nicht auf Seiten der Juden! All diese Einzelheiten im Detail aufzuzählen wäre zuviel. Vorweg genommen, später, eine ältere Frau sagte explizit, daß Hitler des öfteren bei Reden Bibelzitate vorgetragen oder soll ich sagen gebrüllt hat. Auch Hitlers Wort vom >Endkampf< hatte er aus der Geschichte der Kirche im Kampf gegen die Juden bzw. Jüdinnen ­ diesen gottlosen Antichristen ­ entliehen. Weiter zu den neueren Geschichtsvorgängen ­ war erst das berüchtigte 68 die Zäsur vor allem für junge Menschen, meist StudentInnen die den Eltern sehr peinliche und tiefgehende Fragen stellten ­ >wie sie sich im Faschismus verhielten<? Das große Schweigen wurde endlich gebrochen. Jedoch selbst in der ehemaligen DDR wurde das Schicksal der Juden und Jüdinnen erst an "zweiter" Stelle festgehalten. Zuerst waren es sicherlich die kommunistischen Opfer und dann...

Brisant war die anschließende Diskussion

Eine ältere Frau stellte einfach fest >Sie (die Menschen) wollten nichts wissen< Es fiel der Begriff >Psychische Sperre< auf. Vor allem für mich war doch erstaunlich, daß mehrerer ältere Menschen sich meldeten. EineR fiel aus der Rolle oder besser aus der braunen Ecke auf. Unter all seinem diffusen Zeug mußte doch der Begriff seiner Zeit fallen >der richtige Deutsche<. Schon fast köstlich war, daß der Typ sich im wahrsten Sinne des Wortes geoutet hatte, und so wurde er von den Leuten schlichtweg ignoriert, wobei mein Gedanke war wenn jetzt Antifas dagewesen wären... Es wäre meinerseits nur interessant aus welcher Organisation er denn käme usw.. Auch tauchte die Frage auf, wieviele den das Buch Hitler, Mein Kampf gelesen hätten. Profi Schoeps ging kurz darauf ein. Etwa 15 Millionen Exemplare wurden verkauft, was heißt bei jeder Feier welcher Art auch immer wurde es überreicht ­ letzten Endes etwa zwei Millionen haben es wohl gelesen. Zu beobachten war ebenfalls die Dichotomie (Zweiteiligkeit) der älteren Generation. Einige wiederum fühlten sich mißverstanden. Gleichfalls war eine ältere Dame etwas pikiert "Aber vor kurzem wurde doch hier der Probst Lichtenberg heilig gesprochen, also die Kirche stand nicht so eindeutig hinter Hitler". So ist es eben in erregten Debatten/Disputen . Eine andere ältere Person klagte den Terror der Nazis an und somit sei jeglicher Widerstand fast erstickt worden. Kurzum, es war eventuell so Neues nicht ­ jedoch was soll`s, das Thema war hart genug und Meinungen sind verschieden. Denn auf der Antifa-Demo am 9. November in Moabit sagte mir ein Freund "Na ja Hitler hat ja selbst die Kirche(n) bekämpft und mit dieser Heilstheologie, es mag nur ein Punkt von vielen sein". Sicherlich ­ doch selbst Profi Schoeps meinte, daneben beständen u.a. die Ökonomie, die soziale Frage...etc.. Eines war mir einigermaßen klar: das Interesse nicht nur an Goldhagen wäre doch auch für uns Libertäre einen neuen Anlauf wert, einen Psycho­Massenwahn den sog. Normalos zu erläutern und in welch gefährlichen Dimensionen das >Ganze< landet, wie in Auschwitz und wie ein totalitärer Staat, wie hier ein "nationalsozialistischer", sich gebärdet.

Kurze Rückschau

Leider habe ich mein Zettelwesen nicht mehr im Griff, mag heißen, außer mir ­ wo ist er geblieben? Dabei wollte ich einen Artikel schreiben zur Veranstaltung mit Heinrich Friedetzky im Cafe Größenwahn. Schon seine Art zu Reden erinnerte mich noch an A. Souchy, und so war ich erstaunt zu erfahren, beide kamen aus demselben Gebiet in Oberschlesien. Im Gegensatz zum mehr pazifistisch eingestellte Souchy war Heinrich bei den Schwarzen Scharen. Eine anarchistische antifaschistische Jugendgruppe die auch militant gegen die Nazis vorging. Wobei er während seines Vortrages dabei auf "Besinnlichkeit" des Einsatzes verwies. Doch gegen die Nazis war es allemal "gerechtfertigt"! Eher schon ist an dem nicht Folgenden den Nazis die Machteroberung erleichtert worden. Anders dann in Spanien, schon vor `36 gab es fast militärische Auseinandersetzungen, so `34 in Asturien. Und schon damals hieß der befehlende General -Franco. Für Heinrich war es deshalb keine Frage ins libertäre Spanien zu gehen um gegen die Faschisten die Waffe zu ergreifen. Er geriet in Gefangenschaft und wurde nach Nazideutschland ausgeliefert. Folterungen und ein Gerichtsprozeß folgten und dann bis 1945 der brutale Gang durch zwei Konzentrationslager. In einem befand sich >Erich< (Honnecker) aber den kannte er damals noch nicht. Und wen in der in der Szene sollte es verwundern, als die Diskussion begann meldete sich ein Fritz Teppich und hielt fast ebenfalls ein Referat und dieses gespickt mit Verdrehungen übelster Art und Weise. Auf diese einzugehen, beinahe lächerlich. Schade war nur, daß damit eine brisante Diskussion in der Gelegenheit einen Anarchisten der dort kämpfte ins >>eine Wahre<< versimpelt wurde und an der Unfähigkeit gescheitert ist einmal andere Wahrheiten aushalten zu können wenn sie eben mal nicht ­böse ausgedrückt­ vom Antifa-ZK kommen. Aber was soll`s. Eine lebhafte Diskussion folgerte daraus. Wobei auch bei Heinrich bemerkenswert war: auf die Frage an-wesender Frauen konnte oder wollte er sich nicht weiter äußern. Daverdeutlichte sich von meiner Warte aus nur: es gibt zum Glück nicht den >wahren< Anarchisten ­ fehlerfrei und hundertprozentig !!!

Immerhin so nebenbei, wurden die Auseinander-setzungen zwischen anarchistischer und orthodoxer kommunistischer Richtung nach langer Zeit wieder zum wesentlichen Thema.Später dann, vernahmen wir im A­Laden, ist Heinrich eine Woche darauf in einer Veranstaltung "Pueblo en Armas ­ Volk in Waffen" in Fürth in der Kofferfabrik aufgetreten. Hoffentlich mit ein paar >geistigen Bömbchen< im Sinne von Milly Wittkop­Rocker und Rudolf Rocker

Der Sozialismus wird frei sein - oder nicht sein !



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