Materialiensammlung
DDR 1989WÄHLT RÄTE IN DEN BETRIEBEN
Betriebsgruppe der Initiative für eine Vereinte Linke
Kombinat Ausbau, KWO, Deutsche Post, WF[ohne Datum] [Namen, Adresse und Telefonnummern wurden weggelassen (der Herausgeber)]
(aus gesammelte Flugschriften DDR `90 Heft3 März 1990, erstellt von der Initiative für eine vereinigte Linke, Technische Gestaltung, Produktion und Vertrieb: ASTA TU Berlin)
Die Betriebsräte wurden während der November-Revolution durch die deutschen Arbeiter erkämpft. Nachdem mit der Machtergreifung der Faschisten die Betriebsräte aufgelöst wurden, bildeten sie sich 1945 wieder neu und erfüllten wichtige Aufgaben bei dem Wiederaufbau der zerstörten Wirtschaft, bei der Interessenvertretung der Arbeiter und bei der Zerschlagung der faschistischen Machtstrukturen. Bis 1950 wurden die Betriebsräte in unserer Gesellschaft erneut abgeschafft, um den administrativ kommandierenden Leitungsstil auch in der Wirtschaft voll durchsetzen zu können. Betrachten wir unsere heutige Situation:
Die Wirtschaft der DDR wurde durch immer wieder neue Erfolgsmeldungen und die Mißachtung des gesundes Verstandes der arbeitenden Menschen ruiniert. Mit der neuen Selbständigkeit der Betriebe sehen die Leiter die Chance, endlich eine uneingeschränkte Macht zu errichten. Der Ruf nach westlichem Kapital und schonungsloser Rationalisierung ertönt immer lauter. Wir fragen uns, wird das auf Kosten der Belegschaft erfolgen? Die Interessenvertretung durch die Gewerkschaft war früher nicht gegeben und ist jetzt durch die Zersplitterung der Kräfte gelähmt. Kollegen, laßt Euch nicht weiter an der Nase herumführen, Ihr müßt jetzt die Verantwortung für den ganzen Betrieb, für sein gutes Funktionieren übernehmen.
Wie ist das zu tun?
1. In unseren Betrieben sind ohne Zeitverzug Räte zu wählen. Konkret könnte das so erfolgen daß die Arbeitskollektive in Vollversammlungen ihre Vertreter benennen. Oder die Vertrauensleutevollversammlung wählt aus ihrer Mitte heraus durch Hinzuziehung aktiver Werktätiger einen solchen Rat. Wichtig ist, daß alle Werktätigen, damit auch alle politischen Strömungen im Betrieb vertreten sind und daß im Betriebsrat die nötige Sachkunde vorhanden ist.
In den Betrieben Bergmann-Borsig Berlin, Fritz-Heckert Karl-Marx-Stadt, im Tierpark Berlin arbeiten bereits solche Räte. Sie heißen Sprecherrat, Arbeiterrat oder Betriebsrat.
2. Es ist erforderlich, zur Verwirklichung der demokratischen Rechte der Belegschaft über die gegenwärtige Lage und die Entwicklung in den letzten Jahren von der Leitung zu fordern. Durch den Betriebsrat ist das kritisch zu prüfen und es sind Schlußfolgerungen zu nötigen Veränderungen zu ziehen. Dabei sind alle Möglichkeiten zur Information aller Werktätigen, zur Erreichung einer großen Offenheit zu nutzen.
3. In der nächsten Zeit sollte sich der Betriebsrat zu einem Kontrollorgan der entwickeln, das dafür sorgt, daß über alle wesentlichen Fragen wie z. B. Investitionen Veränderungen der Erzeuger-Strukturen, Kontrolle der Verhandlungen mit ausländischem Kapital, Verbesserung der Lebensbedingungen demokratisch durch Einbeziehung aller entschieden wird. So werden die Betriebsräte zu einem wichtigen ersten Schritt in Richtung der Machtausübung durch die Werktätigen selbst.