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Löcher in der Mauer
Materialiensammlung
DDR 1989

Neue Chronik DDR
1. Folge 2. Auflage Verlag Tribüne Berlin GmbH 1990 ISBN 3730305822

2. Folge 1. Auflage Verlag Tribüne Berlin GmbH 1990 ISBN 3-7303-0594-8

28. November 1989

BRD-Kanzler Helmut Kohl stellt im Bundestag in Bonn ein Zehn-Punkte-Programm über die Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten vor. Die "Berliner Zeitung" gibt folgende Übersicht über den wesentlichen Inhalt des Programms:

"1. Die Bundesregierung sei zu sofortiger konkreter Hilfe dort bereit, wo diese Hilfe jetzt benötigt werde, im humanitären Bereich und auch bei der medizinischen Versorgung, soweit dies gewünscht werde und auch nützlich sei. Das Begrüßungsgeld sei keine Lösung für die Finanzierung von Reisen. Letztlich müsse die DDR selbst ihre Reisenden mit den nötigen Devisen ausstatten.

Die Bundesregierung sei aber bereit, für eine Übergangszeit einen Beitrag zu einem Fonds zu leisten. Voraussetzung dafür sei allerdings, daß der Mindestumtausch bei Reisen in die DDR entfällt, Einreisen nach dorthin erheblich erleichtert werden und die DDR auch einen substantiellen Beitrag zu einem solchen Fonds leistet.

2. Die Bundesregierung werde wie bisher die Zusammenarbeit mit der DDR in allen Bereichen fortsetzen, die den Menschen auf beiden Seiten unmittelbar zugute komme. Das gelte insbesondere für die wirtschaftliche, wissenschaftlich-technologische und kulturelle Zusammenarbeit und insbesondere im Bereich des Umweltschutzes. Hier könnte schon in aller Kürze über neue Projekte entschieden werden. Das gleiche gelte auch für eine möglichst baldige umfassende Verbesserung des Fernsprechnetzes von der DDR nach der BRD und umgekehrt. Über den Ausbau der Eisenbahnstrecke Hannover-Berlin werde weiter verhandelt. Angesichts der jetzt eingetretenen Entwicklung müsse man aber sehr grundsätzlich über die Verkehrs- und Eisenbahnlinien in der DDR und der BRD reden. Das gelte auch überhaupt für die Ost-West-Verbindungen wie für die Übergänge.

3. Hilfe und Zusammenarbeit solle umfassend ausgeweitet werden, wenn ein grundlegender Wandel des politischen und wirtschaftlichen Systems in der DDR verbindlich beschlossen und unumkehrbar in Gang gesetzt sei. Unumkehrbar hieße für Kohl, daß sich die DDR-Staatsführung mit den Oppositionsgruppen auf eine Verfassungsänderung und auf ein neues Wahlgesetz verständigen. Kohl wiederholte dabei die Forderung nach der Kandidatur auch nichtsozialistischer Parteien, der Streichung des Führungsanspruches der SED und nach Einführung rechtsstaatlicher Verhältnisse'.

Wirtschaftliche Hilfe könne nur wirksam werden, wenn grundlegende Reformen des Wirtschaftssystems erfolgten. Wirtschaftlichen Aufschwung könne es nur geben, wenn die DDR auch marktwirtschaftliche Bedingungen schaffe und privatwirtschaftliche Betätigungen ermögliche.

Weiter heißt es wörtlich:

"Ich will das noch einmal klar unterstreichen, dies sind überhaupt keine Vorbedingungen, sondern das ist schlicht und einfach die sachliche Voraussetzung, damit Hilfe überhaupt greifen kann. Im übrigen kann doch gar kein Zweifel daran bestehen, daß dies auch die Menschen in der DDR wollen.'

4. Bonn sei bereit, den Gedanken von einer Vertragsgemeinschaft aus Modrows Regierungserklärung aufzugreifen. Die Zusammenarbeit werde zunehmend auch gemeinsame Institutionen erfordern. Bereits bestehende Kommissionen könnten neue Aufgaben erhalten, weitere könnten gebildet werden, insbesondere für die Bereiche Wirtschaft, Verkehr, Umweltschutz, Wissenschaft und Technik, Gesundheit und Kultur.

5. Wir sind aber auch bereit, noch einen entscheidenden Schritt weiterzugehen, nämlich konföderative Strukturen zwischen beiden Staaten in Deutschland zu entwickeln mit dem Ziel, eine Föderation, das heißt eine bundesstaatliche Ordnung, in Deutschland zu schaffen', erklärte Kohl wörtlich und setzte fort: Das aber setzt zwingend eine demokratisch - legitimierte Regierung in der DDR voraus. Dabei könnten wir uns nach freien Wahlen schon bald folgende Institutionen vorstel­len: einen gemeinsamen Regierungsausschuß zur ständigen Konsulta­tion und politischen Abstimmung, gemeinsame Fachausschüsse, ein gemeinsames parlamentarisches Gremium und manches andere mehr angesichts einer völlig neuen Entwicklung.'

Staatliche Organisation in Deutschland hätte fast immer auch Konföderation und Föderation geheißen. Auf diese historischen Erfahrungen könne man zurückgreifen. Wie ein wiedervereinigtes Deutschland schließlich aussehen wird, das weiß heute niemand. Daß aber die Einheit kommen wird, wenn die Menschen in Deutschland sie wollen, dessen bin ich sicher.'

6. Die Entwicklung der innerdeutschen Beziehung bleibe eingebettet in den gesamteuropäischen Prozeß, das heißt immer auch in die West-Ost-Beziehungen. Die künftige Architektur Deutschlands müsse sich einfügen in die künftige Architektur Gesamteuropas.

7. Die Anziehungs- und Ausstrahlungskraft der Europäischen Gemeinschaft sei und bleibe eine entscheidende Konstante der gesamteuropäischen Entwicklung. Die Europäische Gemeinschaft sei jetzt gefordert, mit Offenheit und Flexibilität auf die reformorientierten Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas zuzugehen. Hierbei sei die DDR selbstverständlich eingeschlossen. Die Bundesregierung befürworte deshalb den baldigen Abschluß eines Handels- und Kooperationsabkommens mit der DDR, das den Zugang der DDR zum Gemeinsamen Markt auch ' in der Perspektive erweitert, was das Jahr 1992 betreffe. ,Wir können uns für die Zukunft sehr wohl bestimmte Formen der Assoziierung vorstellen, die die Volkswirtschaften der reformorientierten Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas an die EG heranführen.'

Weiter heißt es wörtlich:

,Den Prozeß der Wiedergewinnung der deutschen Einheit verstehen wir so immer auch als europäisches Anliegen. Er muß deshalb auch im Zusammenhang mit der europäischen Integration gesehen werden. Ich will es ganz einfach so formulieren: Die EG darf nicht an der Elbe enden, sondern muß die Offenheit auch nach Osten wahren.'

8. Der KSZE-Prozeß sei ein Herzstück der europäischen Architektur. ,Wir wollen ihn vorantreiben und die bevorstehenden Foren nutzen, die Menschenrechtskonferenz in Kopenhagen 1990 und in Moskau 1991, die Konferenz über wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bonn 1990, das Symposium über das kulturelle Erbe in Krakau 1991 und nicht zuletzt das nächste Treffen in Helsinki, Dort sollen wir auch über neue institutionelle Formen der europäischen Zusammenarbeit nachdenken.'

Die Bundesregierung könne sich eine gemeinsame Institution zur Koordinierung der West-Ost-Wirtschaftszusammenarbeit sowie die Einrichtung eines gesamteuropäischen Umweltrates sehr gut vorstellen.

9. Die Überwindung der Trennung , Europas und der Teilung Deutschlands erfordere weitreichende und zügige Schritte in der Abrüstung und Rüstungskontrolle. Abrüstung und Rüstungskontrolle müssen mit der politischen Entwicklung Schritt halten und, wenn notwendig, auch beschleunigt werden. (...)

10. Mit dieser umfassenden Politik wirke die Bundesregierung auf einen Zustand des Friedens in Europa hin, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangen könne. Die Wiedervereinigung, das heißt, die Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands bleibt das politische Ziel der Bundesregierung.'

Auf dem Weg zur deutschen Einheit würden sich viele schwierige Fragen stellen, auf die, korrekterweise, heute niemand eine abschließende Antwort geben könne. Dazu gehöre vor allem auch die ebenso schwierige wie entscheidende Frage übergreifender Sicherheitsstrukturen in Europa." (BZ, 2./3. 12. 1989)

Auf einer internationalen Pressekonferenz verliest Stefan Heym einen von Künstlern, Wissenschaftlern, Arbeitern, Angestellten sowie von Vertretern oppositioneller Gruppen initiierten Appell "Für unser Land". Die Bevölkerung der DDR ist aufgefordert, diesen Appell unterschriftlich zu unterstützen, den die Initiatoren als Vertrauensabstimmung für die Bewahrung der Eigenständigkeit der DDR verstehen. Dieser gesellschaftliche Klärungsprozeß sei um so wichtiger, erklärt Stefan Heym, als auf der anderen Seite Herr Kohl bereits mit der "Ouvertüre zur Vereinnahmung" der DDR begonnen habe. Das Papier als ganzes sei ein Argument gegen Kohl. Es gelte, das Experiment Sozialismus auf deutschem Boden zu bewahren. Daß der Sozialismus auf so traurige Weise heruntergewirtschaftet wurde, habe daran gelegen, daß es kein Sozialismus war, sondern Stalinismus. Ein Großdeutschland, beherrscht von Messerschmidt-Bölkow-Blohm, Mercedes und der Deutschen Bank sei nach seiner Meinung nicht jenes Deutschland, von dem die Mehrheit der Menschen träumt.

Der Appell, dessen Endredaktion Christa Wolf besorgte, hat folgenden Wortlaut:

"Für unser Land

Unser Land steckt in einer tiefen Krise. Wie wir bisher gelebt haben, können und wollen wir nicht mehr leben. Die Führung einer Partei hatte sich die Herrschaft über das Volk und seine Vertretungen angemaßt, vom Stalinismus geprägte Strukturen hatten alle Lebensbereiche durchdrungen. Gewaltfrei, durch Massendemonstrationen hat das Volk den Prozeß der revolutionären Erneuerung erzwungen, der sich in atemberaubender (Geschwindigkeit vollzieht. Uns bleibt nur wenig Zeit, auf die verschiedenen Möglichkeiten Einfluß zu nehmen, die sich als Auswege aus der Krise anbieten.

Entweder

können wir auf der Eigenständigkeit der DDR bestehen und versuchen, mit allen unseren Kräften und in Zusammenarbeit mit denjenigen Staaten und Interessengruppen, die dazu bereit sind, in unserem -Land eine solidarische Gesellschaft zu entwickeln, in der Frieden und soziale Gerechtigkeit, Freiheit des einzelnen, Freizügigkeit aller und die Bewahrung der Umwelt gewährleistet sind.

Oder

wir müssen dulden, daß, veranlaßt durch starke ökonomische Zwänge und durch unzumutbare Bedingungen, an die einflußreiche Kreise aus Wirtschaft und Politik in der Bundesrepublik ihre Hilfe für die DDR anknüpfen, ein Ausverkauf unserer materiellen und moralischen Werte beginnt und über kurz oder lang die Deutsche Demokratische Republik durch die Bundesrepublik Deutschland vereinnahmt wird.

Laßt uns den ersten Weg gehen. Noch haben wir die Chance, in gleichberechtigter Nachbarschaft zu allen Staaten Europas eine sozialistische Alternative zur Bundesrepublik zu entwickeln. Noch können wir uns besinnen auf die antifaschistischen und humanistischen Ideale von denen wir einst ausgegangen sind.

Alle Bürgerinnen und Bürger, die unsere Hoffnung und unsere Sorge teilen, rufen wir auf, sich diesem Appell durch ihre Unterschrift anzuschließen.

Berlin, den 26. November 1989"

Der Appell ist unterzeichnet von Götz Berger, Rechtsanwalt; Wolfgang Berghofer, Kommunalpolitiker; Frank Beyer, Regisseur; Volker Braun Schriftsteller; Reinhard Brühl, Militärhistoriker; Tamara Danz Rocksängerin; Christoph Demke, Bischof; Siegrid England, Pädagogin; Bernd Gehrke, Ökonom; Sighard Gille, Maler; Ingeborg Graße, Krankenschwester; Stefan Heym, Schriftsteller; Uwe Jahn, Konstruktionsleiter; Gerda Jun, Ärztin/Psychotherapeutin; Dieter Klein, Politökonom; Günter Krusche, Generalsuperintendent; Brigitte Lebentreu, Biologin; Bernd P. Löwe, Friedensforscher; Thomas Montag, Mediziner; Andreas Pella, Bauingenieur; Sebastian Pflugbeil, Physiker; Ulrike Poppe, Hausfrau: Martin Schmidt, Ökonom; Friedrich Schorlemmer, Pfarrer; Andree Türpe, Philosoph; Jutta Wachowiak, Schauspielerin; Heinz Warzecha, Generaldirektor; Konrad Weiß, Filmemacher; Angela Wintgen, Zahnärztin; Christa Wolf, Schriftstellerin; Walter Janka, der aus organisatorischen Gründen noch nicht unterschrieben hat, gab seine Zustimmung zum Appell. (BZ, 29. 11. 1989)

In Berlin beginnt die 1. Demographische Konferenz der DDR. In seiner Ansprache weist Prof. Dr. Gunnar Winkler, Direktor des Instituts für Soziologie und Sozialpolitik der Akademie der Wissenschaften, u. a. darauf hin, daß seit 1961 rund 800000 DDR-BürgerInnen ihr Land verlassen haben,­3,4 Millionen Menschen waren es seit 1951. Prof. Winkler verweist darauf, daß sich die Altersstruktur der die DDR verlassenen BürgerInnen auf die Gruppe bis 40jahre konzentrierte. Offensichtlich sei, daß die diesjährige Welle eine weitere Verjüngung der Auswanderer mit sich gebracht habe. Damit verstärke sich die Tendenz der Alterung der DDR-Bevölkerung. An der Auswanderung seien vor allem Bürgerinnen aus Berlin, den Bezirken Dresden, Karl-Marx-Stadt, Leipzig überproportional beteiligt im Vergleich zu den Bezirken Neubrandenburg, Suhl, Schwerin und Cottbus. Innerhalb der Territorien hätten wiederum die Stadtkreise gegenüber den Landkreisen ein Übergewicht.

Die DDR-Regierung unterbreitet der Volkskammer einen neuen Reisegesetzentwurf zur Behandlung.

Das SED-Politbüro erklärt seine Bereitschaft, das erste Treffen des "Runden Tisches" am 7. Dezember abzuhalten.

Der FDGB-Bundesvorstand bestätigt Informationen, wonach Gelder aus dem zentralen Solidaritätsfonds des FDGB für die Durchführung des Pfingsttreffens der FDJ im Mai 1989 zur Verfügung gestellt worden seien.

Die Pressestelle des FDGB-Bundesvorstandes teilt dazu mit, daß von staatlicher Seite die Bitte an den FDGB herangetragen worden sei, den Staatshaushalt durch eine Kostenbeteiligung am Jugendfestival zu entlasten. Daraufhin habe das Präsidium des Bundesvorstandes beschlossen, einen Betrag in Höhe bis zu 100 Millionen Mark aus dem zentralen Solidaritätsfonds des FDGB zur Verfügung zu stellen.

In dieser Angelegenheit erklärt der Pressesprecher des Zentralrats der FDJ, Andreas Dywicki, gegenüber ADN:

Über einen entsprechenden Beschluß des damaligen Präsidiums des FDGB-Bundesvorstandes sei der FDJ-Zentralrat in einem Schreiben vom 19. September 1988 durch Harry Tisch informiert worden. Die Entgegennahme dieser Spende beruhe darauf, daß von seiten der FDJ die Rechtmäßigkeit der Bereitstellung dieser Mittel nie in Zweifel gestellt worden sei. Dem FDGB sei öffentlich für seine Unterstützung gedankt worden. Von den bereitgestellten 100 Millionen Mark seien für die Finanzierung des Pfingsttreffens 50 Millionen Mark verwendet worden. Über die Verwendung der übrigen 50 Millionen Mark werde der Zentralrat mit dem FDGB beraten.

Unter Berufung auf Veröffentlichungen der Zeitung "Freie Erde" berichtet ADN über das Anwesen" des ehemaligen Vorsitzenden des Ministerrates und SED-Politbüromitglieds Willi Stoph inmitten des Naturschutzgebietes östlich der Müritz:

"Lange Zeit schon war es hier im Müritzkreis bekannt, daß der einstige Vorsitzende des Ministerrates inmitten der Wälder um Speck ein mehr als komfortables Anwesen (vorwiegend an den Wochenenden) bewohnt. Viele Gerüchte rankten sich darum, denn nur einem engsten Personenkreis war es gestattet, das Gebiet zu betreten. Für das Volk dagegen schien es schon undenkbar, nur in die Nähe zu kommen. Am Sonntagvormittag nun gab es auf Initiative des Neuen Forum eine einmalige Besichtigung.

Tausende Warener machten sich von Schwarzenhof aus bei Schneematsch auf den etwa drei Kilometer langen Fußmarsch durch die gepflegten Wälder bis hin zum eigentlichen Objekt.

Ein betonierter Weg (im Naturschutzgebiet!) mit Fahrspuren für die ,Volvos', mit denen sich Willi Stoph nebst Familie und Gästen in seine Wochenendresidenz fahren ließ - wenn er nicht mit dem Hubschrauber kam -, schlängelt sich durch Wald- und Moorgebiete, vorbei an sanften Hügeln. Etwa auf der Hälfte des Weges dann plötzlich ein Zaun. Dahinter also der Anfang seines' Grundstücks? Doch zunächst geht der Weg weiter, vorbei auch an den in Feuchtgebieten wohl speziell angelegten befestigten Pirschwegen. Nach ein paar Biegungen dann die Häuser.

Wollen wir - wenn das bei dem dort Gesehenen und dem Vergleich mit dem realen Leben auch nicht ganz leichtfällt - ohne Emotionen berichten, die Fakten schildern: Das in gediegener Holzeinfassung gehaltene große Haus steht inmitten eines Parks, der auch noch einem größeren Bungalow und einem Pavillon Platz bietet. Obstplantagen, ein Gemüsegarten, Gewächshäuser, Wirtschaftsgebäude, Garagen sowie eine klarsichtüberdachte Schwimmhalle und Wildkühlräume grenzen an. Die zurückgezogenen Gardinen einiger Fenster geben den Blick frei auf einige zurückgelassene Gegenstände. Nach Angaben einiger Bediensteter, zu denen drei Gärtner gehören, hätte der Besitzer seine Lieblingsmöbel und andere Dinge bereits mit Lkw abgeholt.

Auf Drängen läßt man uns ins Haus mit seinen fünf Bädern, den Armaturen, die fast. ausnahmslos aus westlicher Produktion stammen, den vielen Wohn- und Schlafzimmern, den Küchen, dem Videoraum und der Bar im Keller. Letztendlich öffnen sich uns auch die restlichen Kellertüren. Mehr als zehn sehr große Kühlschränke stehen dort, gefüllt nicht nur mit Äpfeln und Fleisch, sondern auch mit teuren Süßig- und anderen Köstlichkeiten - von A bis Z aus westlicher Produktion. Hunderte Flaschen feinster ausländischer Weine und Spirituosen lagern neben leeren Kartons, in denen Werkzeuge und Computerzubehör aus der BRD verpackt waren, und noch nicht geöffneten Paketen.

Insgesamt macht das Haus einen Eindruck, als sei es panikartig verlassen. Was war noch alles dort? Die Hausmeister geben an, nichts Genaueres zu wissen, schließlich handele es sich doch um persönliches Eigentum. Offen bleibt für uns die Frage, wer dieses Eigentum finanzierte, was künftig damit geschieht." (BZ, 29. 11. 1989)

In einem Interview des Schweizer Rundfunks äußert der Präsident der Sozialistischen Internationale und Ehrenvorsitzende der SPD, Willy Brandt, die Hoffnung, daß die DDR nicht zu einer "Kopie der Bundesrepublik" werde. Er sei "jedenfalls auf der Seite derer, die nicht einfach das, was wir in Westdeutschland haben, exportieren wollen". Auf die Frage, ob jetzt in der DDR "ein neues sozialistisches Experiment" anstehe, antwortet Brandt, er "wünsche dies sehr".

Für die "revolutionären Basisgruppen" des Neuen Forum erklären Steffen Steinbacher, Martina Krone und Michael Günther:

"Zum Wiedervereinigungsplan der pluralistischen Rechten.

Wir denken nicht daran, nachdem wir uns aus den Klauen des Stalinismus befreit haben, mit wehenden Fahnen in die soziale Ungerechtigkeit der 2/3-Gesellschaft eines Herrn Kohl überzulaufen. Wir wollen die zur Zeit einmalige und wahrscheinlich letzte Chance wahrnehmen, um eine gerechte Gesellschaftsordnung aufzubauen, in der nicht die KOHLe das Maß aller Dinge ist."

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